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I'll see you again

I will hold you where my heart is
von

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Tattooed on my heart are the words of your favourite song

I'll see you again
 

I will hold you where my heart is
 

Tattooed on my heart are the words of your favourite song

Ich starre. Mit leerem Blick starre ich in den dunklen Raum. Sehe nicht wirklich, was vor mir liegt. Die sich verändernden Lichter neben mir bewegen sich, doch ich registriere sie nicht wirklich. Vor mir befindet sich ein einziges Scherbenmeer. Eines, dessen Ende ich nicht erkenne. Da ist einfach nichts mehr. Als würde ich vor einem tiefen, dunklen Abgrund stehen, kann aber weder zurückgehen, noch kann ich springen und die Freiheit fühlen, die ich mir danach erhoffe. Ich kenne das Ergebnis, doch nicht, was bis dato passiert ist. Es sie Fetzen, die ich noch weiß, aber nichts fügt sich zusammen. Nichts ergibt wirklich einen Sinn. Ich erinnere mich einfach nicht mehr an alles. Meine Tränen sind versiegt und meine Augen brennen dementsprechend. Ich kann nicht mehr. Nicht mehr schlafen, kaum mehr atmen, kaum mehr leben, kaum mehr denken. Es geht nicht und ich will nicht.

Auf meinen Wunsch hin sind sie alle hinaus gegangen. Niemand von ihnen kann so wirklich verstehen, was in mir vor sich geht. Keiner kann auch nur im entferntesten Erahnen, wie es mir geht. Würden sie noch länger bleiben, würde ich Worte in den Mund nehmen, die unverzeihlich wären. Sowohl den Ärzten gegenüber, wie auch meinen Freunden und meiner Familie. Bei diesem Gedanken sehe ich an mir hinab. Familie. Hinab auf das kleine Wesen, welches seit vielen Stunden in meinen Armen liegt. Seine Gesichtszüge sind so friedlich. Es schläft. Es ist schwach. Es kann nicht alleine für sich sorgen. Nur wenige Stunden alt und es kennt seinen Vater nicht. Würde ihn niemals kennenlernen. Mein Gesicht verzieht sich schmerzerfüllt. Da ist er wieder, dieses Gefühl, als würde man mir mein Herz aus der Brust reißen. Als würde man mir alles nehmen, was ich liebe. Nein. Mir ist bereits alles genommen worden, was ich liebe. Es ist bereits weg. Nur dieses kleine Wesen bleibt. Es ist da. Aber bin ich auch für es da? Kann ich das? Aktuell bin ich nicht imstande, für ein Wesen zu sorgen, wenn ich noch nicht einmal für mich selbst sorgen kann. Es verlangt zwar niemand von mir, doch ich verlange es von mir. Ich will keine Hilfe. Keine Worte, die mir sagen, dass alles wieder gut wird. Keine Blicke, die sich mitleidig auf mich richten. Ich will das alles nicht. Ich will IHN! Ich will ihn zurück. An meine Seite. An die Seite dieses Wesens. Nichts weiter.
 

Wieder blitzen die Bilder vor meinen Augen auf. Wir sind gerade losgefahren. Lachen. Er ergreift meine Hand und schmunzelt, während ich diesen Blick verliebt erwidere. Ich liebe ihn noch wie am ersten Tag, wenn nicht noch mehr. Mit seinem Daumen fährt er über den Ring, den er mir vor ein paar Jahren angesteckt hat. Jetzt fehlt er. Ich trage ihn nicht mehr. Sie haben ihn mir abgenommen, weil er bei irgendwelchen Eingriffen gestört habe. Oder er ... ich weiß es nicht mehr. Er liegt neben dem Bett. Zusammen mit dem Ring, den ich ihm im Gegenzug auf seinen Finger geschoben habe. Nie wieder würde er ihn tragen. Doch ich werde ihn bewahren. Mit allem, was er mir hinterlassen hat.
 

Aber ich will das alles gar nicht. Ich kann damit nichts anfangen. Meine Gedanken sind wirr. Springen von einem Gedanken zum nächsten. Dann wieder zurück. Er soll damit etwas anfangen. Er soll hier sein. Er soll sein Kind auf den Arm nehmen. Er soll es halten. Dabei lächeln. Ich möchte ihn dabei beobachten. Verliebt. So wie ich es immer bin. Wie ich es nach wie vor sein möchte. Es soll nicht einfach so vorbei sein. Das darf es nicht. Ich brauche ihn noch. Es war noch nicht genug! Nicht genug Zeit.
 

Erneut ein Aufblitzen. Blendende Scheinwerfer. Ein Aufprall. Ein Schrei, der nach mir klingt. Dann erneut ein Rück. Eine bekannte Wärme. Ein bekannter Geruch. In meinen Ohren surrt es. Alles hört sich an, als sei ich in Watte gepackt. Ein Gefühl von Sicherheit umfängt mich. Eine Hand auf meinem Bauch. Eine Stimme an meinem Ohr. Nur leise. Aber ich schlinge meine Arme um den Körper. Kralle mich an ihn. Klammere mich an ihn. „Ich liebe dich...“ Nur leise, doch ich höre es. Nicke mit zusammengepressten Augen. „... euch beide ...“ Wieder ein Nicken. Dann herrscht Stille. Und Dunkelheit.
 

Eine warme Flüssigkeit läuft mir über die Wangen. Sie verbrennt mir regelrecht mein bereits erhitztes Gesicht. Tropft hinunter. Ich sehe wieder nach unten. Die Tränen landen auf dem Gesicht. Laufen weiter und versickern in dem Tuch, in das es eingeschlagen ist. Es erinnert mich bereits jetzt an ihn. Selbst in dieser Dunkelheit erkenne ich die leicht blonden Haare. Sie bringen noch mehr Schmerz mit sich. Es hört schon gar nicht mehr auf. Die Tränen nehmen wieder zu. Gedanken keimen in mir auf, die nicht ausgesprochen werden sollten. Ein Handel. Ich möchte ihn zurück und würde dieses kleine Wesen dafür geben. Meine eigenen Gedanken erschrecken mich. Sie sind falsch. Sollten gar nicht gedacht werden. Meine Augen schließen sich leicht. Mein Kopf ist schwer. Ich möchte nicht mehr. Alles soll verschwinden.
 

Wie ich auch ist dieses kleine Wesen an Beobachtungsmaschinen angeschlossen. Sie haben es geholt. Eigentlich soll es noch gar nicht da sein. Erst in paar Wochen ist der geplante Termin. Zuhause ist das Zimmer noch nicht ganz fertig. Der Schrank fehlt noch und wir haben noch auf ein paar Kleinigkeiten gewartet. Hätten sie es nicht getan, wäre es zu Komplikationen gekommen. Für das kleine Wesen und für mich. Daher haben sie unser beider Leben gerettet. Aktuell hasse ich es. Ich wäre gerne mit ihm gestorben. An seiner Seite. Meine Gedanken sind egoistisch. Im Augenblick kann ich mich nicht auf das Wesen einlassen. Nicht darüber freuen. Mich nicht darauf einlassen. Dabei müsse ich den Autofahrer verfluchen, der uns gerammt hat. Der liegt wohl auch im Krankenhaus, aber ich habe gar nicht wirklich zugehört. Ebenso wenig habe ich zugehört, was ich hier in Händen halte. Es ist mir schlichtweg egal. Mädchen. Junge. Mich interessiert es nicht. Es wird ihn nicht kennenlernen und er wird es nie kennenlernen. Das Wesen ist, was mir von ihm bleibt. Unwillkürlich hebt sich mein Blick und geht zu dem einzigen Tisch in diesem Raum. Ich kann es nicht gänzlich erkennen, lediglich die quadratische Form und dass das Licht auf der Hülle gespiegelt wird. Aber ich weiß, dass er darauf zu sehen ist. Seine Augen geschlossen, mit dem Bass in der Hand und vor dem Mikro. Beim Singen ist er immer in seiner eigenen Welt versunken. Ich liebe es, seiner Stimme zu lauschen. Dem Klang seines Basses und der traurigen Melodie seiner Mundharmonika. Es wird nicht mehr erklingen. Nichts davon. Die Lieder sind das, was von ihm bleiben. Sie überdauern ihn. Irgendwo in diesem Gebäude liegt er. Ob ich ihn noch einmal sehen werde? Ich möchte es. Ich möchte ihn so sehen, wie er gewesen ist. Die leuchtenden, blonden Haare, die kristallklaren Augen, in denen sich die ganze Welt spiegelt. Meine Welt. Mein Leben. Es ist falsch, so stark von jemandem abhängig zu sein. Als habe ich kein eigenes Leben. Doch ich habe es. Er bereichert es. Mit seinem gesamten Wesen. Und deshalb ist er meine Welt. Mein Leben. Ich brauche nur ihn, um glücklich zu sein. Ich vermisse ihn. Er hat mich immer beschützt und mich dabei jetzt verlassen. Ich weiß es. Und ich mag es nicht! Ich möchte nicht beschützt werden, wenn er daraufhin nicht mehr da ist ...
 

„Ich möchte zu dir ...“
 

Meine Stimme klingt mir fremd. Aber es ist meine. Ich weiß, dass ich gerade diese Worte gesagt habe. Mein Mund hat sich bewegt. Eine kleine Regung ist auf meinen Armen spürbar. Wieder sehe ich nach unten. Die Augen öffnen sich verschlafen. Meine weiten sich, als ich das blau darin sehe. Das gleiche Blau wie er. Erneut verzieht sich mein Mund. Mein Herz zieht sich schmerzlich zusammen, während es mich weiter ansieht. Ich kann das nicht. Ich kann nicht für dieses Wesen da sein. Nicht den richtigen Weg aufzeigen, wenn ich meinen verloren habe. Mein Kopf ist wie leergefegt. Keine Gedanken.
 

„Wärst du mir böse, wenn ich zu ihm gehe?“
 

Es sieht mich noch immer an. Gibt mir kein Zeichen. Nichts, mit dem ich etwas anfangen kann. Es schmerzt zu sehen, dass ich es allein lassen würde. Aber ich kann keine Mutter sein, wenn ich niemanden habe. Wenn ich ihn nicht habe.

Am Rand bemerke ich den unregelmäßigen Herzschlag. Die beschleunigte Atmung, die von diesem Wesen ausging. Die Maschine, an die es angeschlossen ist, verändert den Ton. Als habe es auf Worte von mir gewartet. Als wolle es lediglich einmal meine Stimme hören. Langsam lasse ich mich in dem Bett nieder. Lege es neben mich. Es dreht den Kopf und ich streiche ihm behutsam über die Wange.
 

„Ich möchte zu ihm ... du auch?“
 

Meine Stimme ist in diesem Raum viel zu laut, obwohl sie kaum hörbar ist. Ein langes Blinzeln folgt. Ich spüre, wie mein Körper schwerer wird. Dem kleinen Wesen scheint es nicht anders zu gehen. Es wirkt fast so, als könne es seine Augen kaum mehr offen halten. Wieso sind wir so lange hiergeblieben, wenn wir einfach gleich hätten gehen können? Wieso haben sie uns hierher gebracht, wenn sie uns gleich mit ihm hätten hinunterbringen können.

Ein langgezogener Ton dringt an mein Ohr. Ich sehe, wie sich die Brust nicht mehr hebt. Auch das Wesen ist zu schwach für diese Welt. Ich erinnere mich. Sie haben gesagt, dass das Wesen es schwer haben könne. Dass die Chancen schlecht stehen. Nicht besonders hoffnungsvoll. Das gilt jedoch auch für mich. Als würde uns nur ein Funke an Wille daran hindern, diese Welt zu verlassen. Doch den verliere ich immer mehr. Es ist egoistisch. Es ist falsch. Aber ich halte es für das Richtige. Einmal in meinem Leben möchte ich egoistisch sein. Sonst bin ich immer für alle da. Jetzt möchte ich für mich da sein. Gemeinsam mit dem kleinen Wesen diese Welt verlassen und zu ihm gehen. Meine Augen schließen sich. Kurz höre ich noch den Ton im Kanon. Dann ist da nichts mehr. Meine Hand um das kleine Wesen gelegt. Meine Stirn an das kleine Köpfchen. Einfach diese Welt verlassen.



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