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Herzschmerzhelden

von

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Wiedersehen macht Freude

Als ich das Klassenzimmer betrete, weiß ich sofort, dass ich einen fatalen Fehler begangen habe. Denn wie es aussieht, sind es nicht eventuell von Bruno geschossene Bilder, um die ich mir hätte Sorgen machen müssen, sondern vielmehr die unzähligen gezückten Handys, die Samstagabend anwesend waren und offenbar meinen peinlichen Auftritt live und in Farbe mitverfolgt haben. Eines dieser Handys gehörte offenbar Gregor.

 

Eine Meute von Schaulustigen hat sich um ihn versammelt und glotzt auf den kleinen Bildschirm in seiner Hand. Aus dem Lautsprecher dringt unverkennbar Psys größter Hit, geräuschvoll untermalt von dem üblichen Kratzen und Schubbern, das entsteht, wenn jemand die Kamera beim Filmen nicht ruhig hält. Die Reaktionen der Umliegenden sind eindeutig. Sie lachen.

 

Fuck!

 

Für einen Moment bin ich geschockt. Wie konnte ich das nur vergessen? Ich hab doch gesehen, wie sie alle Bruno abgelichtet haben, während der sich auf der kleinen Bühne einen abgestottert hat. Natürlich gibt es da auch Aufnahmen von mir und vermutlich wird es nicht lange dauern, bis auch der Rest der Schule von der Sache Wind bekommt. Am Ende werde ich noch zu einem Meme, das im Internet viral geht. In dem Moment wäre ich dann wirklich ein Star. Also zumindest bis mir der nächste Idiot den Rang abläuft, weil er sich einen Komodowaran an die Nase gehängt hat oder so was in der Art. Aber bis es soweit ist, habe ich gerade offenbar meine 15 Minuten zweifelhaften Ruhms, egal ob ich das will oder nicht. Also Augen zu und durch.

 

„Hey, Vogel! Hast du für deinen nächsten Auftritt als Stripper geübt, oder was?“
 

Den Hohn und Spott, der aus Jakobs Stimme tropft, könnte man vermutlich in Flaschen füllen und als Heizöl verkaufen. Oder als Rattengift. Es ist wirklich unglaublich, wie viel Bosheit in diesem halben Hemd steckt. Dumm nur für ihn, dass er mir gleich die passende Vorlage für einen Konter geliefert hat. Langsam hebe ich meine Mundwinkel.

 

„Na logisch. Dein Vater hat sich schon Karten bestellt.“
 

Gut, die Andeutung, dass Jakobs Vater als Mann der Kirche irgendwie Interesse an kleinen Jungs haben könnte, ist schon ziemlich geschmacklos. Was Besseres ist mir auf die Schnelle halt nicht eingefallen, vor allem weil der Typ auch derjenige war, der damals bei den protestierenden Eltern in der ersten Reihe stand, als bekannt wurde, dass ich nicht am Hetero-Ufer fische. Und dass ich mich trotz dieser von der Bibel als Sünde ausgewiesenen Tatsache zusammen mit den armen kleinen Waisenknaben in einer Umkleidekabine tummele. Zum Glück hat die Schulleitung sein Gesuch damals abgelehnt, obwohl so ne Kabine für mich alleine vielleicht wirklich nicht das Schlechteste gewesen wäre. Aber bauliche Mängel haben das verhindert und so muss sich Jakob eben immer noch im gleichen Raum mit meinem schwulen Schwanz umziehen. Ätsch!

 

„Sag das nochmal!“, fährt Jakob auch prompt auf und ballt die Fäuste. Er kommt jedoch nicht weit. Aus der Traube, die sich um Gregors Tisch gebildet hat, erhebt sich Brunos riesige Gestalt. Es sieht aus, als würde ein Bär eine Schar Lemminge abschütteln. Wortwörtlich. Sein finsterer Blick ist direkt auf mich gerichtet.
 

„Halt die Klappe!“

 

Ey, ja was denn nun? Jakob will, dass ich mich mit ihm anlege, und Bruno will, dass ich die Klappe halte. Und jetzt? Können die sich vielleicht mal entscheiden, oder was?

 

Ein begeisterter Aufschrei rettet uns alle aus dieser Patt-Situation.
 

„Ich hab noch eins gefunden. Kommt her!“
 

Sofort verlagert sich der Fokus von den echten Anschauungsobjekten auf das nächste Display. Wieder tönt „Gangnam Style“ nebst allerlei Störgeräuschen aus den Lautsprechern. Dieses Mal mit ersticktem Prusten und Gackern im Hintergrund. Da muss einer geahnt haben, was passieren würde. Ich kann mir so richtig vorstellen, wie irgendeiner von den Fußballfatzkes seinem Sitznachbarn den Ellenbogen in die Seite gerammt und mit einem sensationslüsternen „Guck mal, Spaichi ist voll drauf“ sein Handy aus der Tasche gezogen hat, um den Spaß nicht zu verpassen. Tja, Spaß hat er jetzt gehabt. Fragt sich nur, wie lange er anhält.
 

„Hey, Bruno! Musstest du dir echt seine Eier angucken?“

„Wenn es wenigstens Möpse gewesen wären.“

 

Immer noch haben sich Brunos und mein Blick ineinander verhakt. Ich kann trotzdem hören, wie seine Fingerknöchel knacken, als er die Hände zur Faust ballt.
 

„Mach endlich den Scheiß aus“, grollt Bruno, jedoch nicht in meine sondern in Sebastians Richtung. Er ist derjenige, der den neuesten Clip ausgegraben hat und jetzt in der Gegend herumzeigt. Basti denkt jedoch nicht daran und grinst breit.

 

„Wieso sollte ich?“, fragt er doof nach und hält sein Handy auch noch extra hoch, damit es auch alle sehen können.

 

„Weil ich dir die Nase breche, wenn du’s nicht tust“, knurrt Bruno. „Mir einmal das Hirn bleichen zu müssen, hat gereicht.“

 

Für einen Moment ist es still, dann fangen wieder alle an zu lachen. Und natürlich wollen jetzt auch alle das neue Video sehen. Es ist wie ein Unfall, dem sich niemand entziehen kann. Ich jedoch hab genug. Als würde mich das alles nichts angehen, gehe ich zu meinem Platz, lasse mich auf meinen Stuhl fallen und blende die höhnischen Kommentare einfach aus. Sollen sie sich doch daran aufgeilen, bis sie ohnmächtig werden.

 

Pascal erscheint in der Tür. Bestimmt hat er mal wieder bis zur letzten Minute mit Michelle rumgeknutscht. Mit gerunzelter Stirn kommt er zu mir und fragt mich, was los ist. Ich schiebe ihm wortlos mein Handy rüber. Die Nachrichten, dass mich jemand bei einem geposteten Video getaggt hat, stapeln sich. Doch noch bevor Pascal sich zum Rächer der Enterbten aufschwingen kann oder sonstwie reagieren, erscheint unsere Englischlehrerin und verbittet sich sämtliche elektronischen Geräte auf den Tischen. Widerwillig packen alle ein und setzen sich. Als sie anfängt, an die Tafel zu schreiben, verstummt auch nach und nach das Gekicher. Ich mache mir allerdings nicht die Mühe, mein Heft rauszuholen. Stattdessen starre ich Brunos rasierten Hinterkopf und würde nur zu gerne ein Loch hineinbohren und Säure reinkippen. Das Hirn bleichen? Ich glaub, ich hör nicht richtig. Als wenn ihm nicht gestern allein bei dem Anblick fast einer abgegangen wäre. So ein Arsch!

 

 

Die nächsten zwei Tage gibt es trotzdem kein anderes Gesprächsthema als meinen nackten Hintern. Brunos Gurkentruppe hat sich sogar dazu herabgelassen, „Alle meine Entchen“ umzudichten und es, wann immer ich irgendwo auftauche, zum Besten zu geben. Besonders das „Schwänzchen in die Höh’“ scheint es ihnen angetan zu haben. Bei der achten Wiederholung oder so, gönne ich ihnen ein müdes Lächeln.
 

„Ihr seid ja sooo witzig“, presse ich mit gebleckter Oberlippe hervor. „Wollt ihr euch nicht langsam mal wen anders suchen, auf dessen Kosten ihr euch einen runterholen könnt?“

 

Als Antwort bekomme ich nur Gelächter. Bruno, der auf dem Boden sitzt und so tut, als würde ihn das alles nichts angehen, sieht nicht mal hoch.
 

„Guck mal, jetzt heult er gleich“, ruft Gregor und zeigt mit dem Finger auf mich.

 

„Mir egal“, rotzt Jakob dazwischen. „Solange er sich nicht auszieht.“

 

Wieder prusten sie los, bis Gustav sich endlich erbarmt.
 

„Hört mal Leute, lasst gut sein. Der Witz ist wirklich langsam ausgelutscht.“
 

„Von wem? Etwa vom Vogel?“

 

Brüllendes Gelächter und auch bei den anderen aus der Klasse sehe ich verschämtes Grinsen. Dabei war der Witz nun wirklich nicht komisch. So gar nicht komisch. In meinem Bauch brodelt es.

 

„Nicht …“, versucht Pascal mich noch zurückzuhalten, aber es ist schon zu spät. Mein Mundwerk hat bereits die Kontrolle übernommen, ohne vorher Rücksprache mit der Zentrale zu halten.
 

„Wisst ihr was?“, ätze ich möglichst giftig. „Wenn ihr so scharf auf meinen Hintern seid, wieso fragt ihr dann nicht Bruno, ob er euch ein paar Abzüge macht. Ich bin mir sicher, er hat ein Bild davon zu Hause über seinem Bett hängen.“

 

Im nächsten Moment ist es totenstill. Also natürlich nicht wirklich, denn schließlich sind wir nicht die Einzigen, die hier noch ihre Zeit absitzen müssen. Aber das Gelächter der blöden Bande ist verstummt und es kommt mir fast so vor, als würde ich das Geräusch von Pistolenhähnen und Messerschneiden hören, die gespannt und gewetzt werden.
 

„Was hast du gesagt?“

 

Bruno, der bis dahin auf dem Boden gesessen und so getan hat, als würde ihn das alles nichts angehen, hebt langsam den Kopf. Sein Blick fixiert mich so wie vor zwei Tagen schon. Darin liegt etwas, das ich nicht so recht zu deuten weiß. Ein unruhiges Flackern. Wie bei einem wilden Tier.
 

„Hey Spaichi! Willst du das etwa auf dir sitzen lassen?“

 

Paul, der ein ähnlich schneller Denker ist wie Bruno, hat ihm seine Pranke auf die Schulter geschlagen. Aus dem Nichts heraus blafft Bruno ihn an.
 

„Nimm deine Pfoten weg!“, knurrt er. „Oder bist du jetzt auch unter die Schwuchteln gegangen?“
 

Sofort zieht Paul seine Hand zurück.
 

„Hey, kein Stress, Bro. Ich hab doch nur …“
 

„Ist mir egal, was du hast“, faucht Bruno. „Du sollst aufhören, mich anzutatschen. Klar?“

 

Ehe Paul sich versieht, steht Bruno geballter Faust vor ihm und ist so kurz davor zuzuschlagen, dass es selbst mich ein bisschen gruselt. Doch dann, wie durch ein Wunder, beherrscht der rasende Riese sich und lässt die Hand wieder sinken. Stattdessen nimmt er mich aufs Korn.
 

„Und du hältst deine verdammte Fresse, klar? Ihr alle haltet die jetzt.“
 

Eigentlich hätte es beeindruckend wirken müssen, wie Bruno den gesamten Kurs anschnauzt, als wäre er der Donnergott höchstpersönlich. Aber das ist es nicht. Es ist einfach nur traurig. Und armselig. Wenigstens in meinen Augen.

 

„Armer Bruno.“
 

Ich weiß nicht, warum ich das sage. Ich weiß nur, dass ich im nächsten Moment rückwärts fliege und gegen Pascal taumele, der mich zum Glück auffängt.
 

„Ich hab gesagt, du solltst die Fresse halten“, zischt Bruno und in der Wut, die mir aus seinen Augen entgegensprüht, sehe ich noch etwas anderes. Etwas, das sich nicht gut anfühlt. So gar nicht. Es wird allerdings im nächsten Moment wirksam von einem weiblichen Hinterkopf verdeckt.
 

„Es reicht jetzt“, bellt Michelle energisch, wagt es aber trotzdem nicht, die Hand an Bruno zu legen und ihn wegzuschieben. „Wir sind doch hier nicht im Kindergarten. Krieg dich wieder ein. Gewalt ist nie eine Lösung.“
 

„Gewalt ist immer eine Lösung“, kommt ein unqualifizierter Kommentar von irgendwo aus der Menge und die merkwürdige Stimmung löst sich mit einem Mal in Wohlgefallen auf. Alle lachen, außer den paar Beteiligten, die sich rund um Bruno und mich versammelt haben. Der sieht zuerst noch so aus, als würde er Michelle einfach beiseite schieben, doch dann dreht er sich nur um und stapft zu seinem Platz zurück. Ich höre noch, wie Jakob auf ihn einredet, dass er „die Schwuchtel doch nicht damit durchkommen lassen könne“, aber eigentlich habe ich gerade ganz andere Probleme. Michelleförmige Probleme, denn die dreht sich mit einem geradezu mörderischen Gesichtsausdruck zu mir herum.
 

„Und du bist auch nicht viel besser“, keift sie mich an. „Immerzu musst du sticheln. Kannst du nicht wirklich einfach mal die Klappe halten?“
 

Weil ich merke, wie die neugierigen Augen sich wieder auf uns richten, klappe ich vorsichtshalber mein Visier runter. Kein Grund, unhöflich zu werden.
 

„Ich weiß nicht, wovon du sprichst“, gebe ich so lapidar wie möglich zurück. Dass ich das hinkriege, während mein Herz gegen meine Rippen wummert, als wäre ich gerade eine Marathon gelaufen, ist eigentlich echt eine Kunst. Michelle ist leider so gar nicht beeindruckt, aber immerhin senkt sie ihre Stimme ein bisschen.

 

„Na davon, dass du Bruno ständig provozierst. Wann immer jemand mit dem Scheiß anfängt, hast du nichts Besseres zu tun, als ihn auch noch mit reinzuziehen.“

 

Ich schnaube ein wohl einstudiertes, abfälliges Schnauben.
 

„Tja, warum wohl? Ist schließlich seine Schuld, dass die halbe Stadt mit dem Finger auf mich zeigt.“

 

Michelle schnaubt ebenfalls und es klingt fast noch beeindruckender als ich.
 

„Das Ganze wäre aber nicht passiert, wenn du nicht auf diese vollkommene Schnapsidee mit dem Kostüm gekommen wärst. Noch dazu ohne Unterwäsche!“

 

Ich will sie gerade darauf hinweisen, dass ne ganze Menge Leute ohne Unterwäsche durch die Welt laufen, aber das Auftauchen unseres Lehrers verhindert, dass wir weiter auf dieses pikante Thema eingehen können. Voller Befriedigung sehe ich, wie die blöde Ziege in der ersten Reihe verschwindet, bevor ich mich neben Pascal fallen lasse.
 

„Deine Freundin hat echt ein Rad ab.“

 

Normalerweise hätte ich jetzt mit Zustimmung oder wenigstens einem kleinen Lächeln von seiner Seite gerechnet. Leider gönnt mir Pascal nur einen kritischen Blick.
 

„Was?“, flüstere ich, weil von vorne schon irgendwas über Weltwirtschaft über uns hinwegschwallt und droht, mich instant zu Tode zu langweilen. Ein strenges Räuspern aus der Gegend der Tafel lässt mich die Augen nach vorne richten, aber meine Aufmerksamkeit liegt immer noch bei Pascal. Zuerst tut er zwar noch so, als würde er irgendetwas mitschreiben, aber weil ich nicht aufhöre, ihn mit auffordernden Blicken zu traktieren, murmelt er irgendwann:

 

„Vielleicht solltest du den Idioten einfach nicht ganz so viel Angriffsfläche bieten. Dann würden sie vielleicht …“

„Du meinst, ich soll den Schwanz einziehen?“

 

Vor lauter Entrüstung bin ich wohl etwas lauter geworden, als eigentlich angesagt gewesen wäre. Sofort nimmt mich unser WiPo-Folterknecht aufs Korn.
 

„Haben Sie etwas zum Thema beizutragen, Fabian?“

 

Ich mache ein möglichst unschuldiges Gesicht und schüttele den Kopf.
 

„Dann seien Sie doch so nett und verlegen die Gespräche über Ihr Geschlechtsorgan in den Biologieunterricht. Dort sind sie besser aufgehoben.“

 

Ich nicke artig und ignoriere die Grinser um mich herum. Auf einen peinlichen Auftritt mehr oder weniger kommt es nun wirklich nicht an. Zumal Pascal die Konversation nahtlos wieder aufnimmt, sobald uns Herr Küppers den Rücken zudreht.
 

„Ich hab nicht gesagt, dass du den Schwanz einziehen sollst. Nur vielleicht nicht ganz so weit raushängen.“

 

Pascals Mundwinkel zucken und ich verzeihe ihm den blöden Spruch. Es ist bei Weitem nicht das Schlimmste, was ich in den letzten Tagen zu hören bekommen habe.
 

„Haha, sehr witzig“, grummele ich. „Das war ja auch so nicht geplant.“

 

„Was war denn geplant?“
 

Der fragende Blick, den er mir zuwirft, ist mir irgendwie unangenehm. Hinter dem nicht sehr gut versteckten Vorwurf, dass es vielleicht doch auch ein kleines bisschen meine Schuld sein könnte, dass ich mich so zum Horst gemacht habe, lauert noch etwas anderes. Etwas, das vorher nicht da war. Etwas, das Michelle dorthin gepflanzt hat.

 

Ich antworte nicht auf Pascals Frage. Stattdessen tue ich so, als würde ich dem Unterricht folgen, aber in Wahrheit schneide ich nichts mehr mit. Als es endlich klingelt, bin ich weg. Ich flüchte nach einer knappen Verabschiedung und laufe den ganzen Weg zurück durch die Innenstadt zu Fuß. Dabei bekomme ich entgegen aller Ratgeber, die behaupten, ein langer Spaziergang wäre gut fürs Gemüt, eine Stinkwut. Auf Bruno, auf Gregor, auf Pascal und erst recht auf Michelle. Besonders auf Michelle. Oder auf Bruno. Ich bin mir nicht sicher, wer von den beiden den ersten Platz belegt. Ganz kurz setzt sich auch mal Pascal an die Spitze.
 

Wenn ihm das passiert wäre, würde ich ihn verteidigen bis aufs Blut. Und wenn seinem Michelle-Hasi-Mausi-Schatzi die Melonen aus der Verpackung gehüpft wären und jemand davon Fotos ins Internet gestellt hätte, wäre er garantiert nicht so gechillt. Dann würde er jedem, der es wagt die weiterzuverbreiten, höchstpersönlich den Krieg erklären. Aber mit mir kann man es ja machen. Ich bin ja nur der schwule, beste Freund.

 

 

 

Als ich zu Hause ankomme, ist mein Zorn immer noch nicht verraucht. Wie eine Herde wild gewordener Brontosaurier stampfe ich die Stufen des Treppenhauses nach oben. Unsere Nachbarn fallen vermutlich dadurch aus ihren Ohrenbackensesseln, aber das ist mir jetzt auch egal. Mit einem Knall werfe ich die Tür ins Schloss und erstarre im nächsten Moment, als mir aus der Küche ein „Fabian? Bist du das? Ist was passiert?“ entgegenschallt. Ist das etwa meine Mutter? Warum ist die denn schon hier?

 

„Ja,“ antworte ich und sehe, dass sie die Ärmel ihrer Bluse hochgekrempelt hat, als sie in den Flur kommt. Ihre Hände sind nass. Warum sind ihre Hände nass?

 

„Ich war gerade in der Gegend, da bin ich über Mittag kurz nach Hause gekommen und wollte schon mal das Abendessen vorbereiten. Ist alles in Ordnung?“

 

In Ordnung? Nein, eigentlich nicht. Eigentlich ist nichts in Ordnung. Nicht mehr, seit wir hierher gezogen sind.
 

„Ja, alles bestens“, murre ich. „Hab mich nur mit Pascal gestritten. Renkt sich wieder ein.“

 

Ich sehe, dass sie gerne Näheres wüsste, aber anhand ihres Blickes, der ohne ihr Zutun zur Küchenuhr huscht, wird deutlich, dass ihr für ein bohrendes Verhör die Zeit fehlt. Sie muss wieder zurück in die Kanzlei. Trotzdem runzelt sie leicht die Stirn und sieht mich prüfend an.

 

„Das hat aber nichts mit letztem Samstag zu tun, oder? Ich habe gehört, dass es da … einen Zwischenfall gab.“
 

Na klar! Irgendein Schlaumeier musste natürlich meiner Mutter stecken, was für einen missratenen Sohn sie hat. Wie wundervoll! Dass sie „zufällig“ in der Gegend war, kaufe ich ihr jetzt nicht mehr ab. Sie hat nur nicht abwarten können, mich auszuquetschen. So durchschaubar! Aber da kan sie lange warten.

 

„Ach, das war doch nichts. Nur ein bisschen Stress mit einem Kerl aus der Schule. Er hat Streit gesucht, es wurde ein bisschen unschön und dann sind wir rausgeflogen. Das war alles.“

 

Ein grand-canyon-tiefes Seufzen antwortet mir.
 

„Ach Fabian …“

 

Okay, der Tonfall heißt, dass sie sowieso schon alles wusste und es nur nochmal von mir hören wollte. Meine Version der Geschehnisse oder irgend so ein Anwaltskack. Ich hoffe nur, dass sie nicht noch davon Wind bekommt, dass das Ganze auf Social Media gelandet ist, sonst wird sie mir bestimmt auch noch ein Gespräch über Cybermobbing und das Recht am eigenen Bild ans Knie nageln und auf die Tour hab ich ja mal so gar keine Lust. Ich will einfach nur meine Ruhe haben. Vorzugsweise alleine.

 

„Ach Mama“, stöhne ich daher möglichst theatralisch zurück. „Ja, es war ne blöde Idee. Ja, ich hab was draus gelernt. Und nein, ich mache es nie wieder. Zufrieden?“

 

Meine Mutter verzieht das Gesicht.

 

„Du weißt doch genau …“

„Dass das hier ne beknackte Kleinstadt voller homophober Spießer ist? Ja, ist mir aufgefallen. Sonst noch was?“

 

Jetzt sieht meine Mutter gerade aus, als würde sie mir ganz gerne eine klatschen. Vorzugsweise mit einem Nudelholz. Dummerweise hat sie mir schon früh beigebracht, dass man das nicht macht. Tja, Pech gehabt, werte Erzeugerin. Gegen das Argument kommst du nunmal nicht an.

 

„Na schön“, meint sie schließlich seufzend und mit einem erneuten Blick auf die Uhr. „Aber falls du irgendwas auf dem Herzen hast …“

 

Wieder unterbreche ich sie, weil mir das wirklich langsam zu lange dauert.

 

„Ich habe dir nichts zu sagen, okay? Es ist alles in Ordnung. Mir geht es gut.“

 

Psychologen würden jetzt vermutlich anmerken, dass diese drei Sätze das Anzeichen dafür sind, dass es einem nicht gut geht. Als wenn die sich mit dem Scheiß auskennen würden.

 

„Wie du meinst“, gibt meine Mutter zurück. „Dann mach ich jetzt schnell noch den Auflauf fertig und wir reden heute Abend, ja?“

 

Ich gebe ein unbestimmtes Geräusch zurück, das sowohl „Ja“ oder „Nein“ oder auch „Ich geh mich derweil im Bad erhängen“ heißen könnte. Was davon es sein wird, sehen wir in ein paar Stunden. Ich hoffe auf „Nein“, weil sie bestimmt nach dem restlichen Tag zu müde sein wird, um sich noch mit mir abzuärgern. Sie hat gesagt, dass sie heute zu Herrn Häberle fährt. Es gibt wohl Schwierigkeiten mit der Abrechnung der OP. Der Mann macht sie mindestens so fertig wie ich.

 

 

Ohne mich noch weiter um ihre mütterlichen Befindlichkeiten zu kümmern, drehe ich mich um und verschwinde in meinem Zimmer. Einen Moment lang überlege ich, die Tür zuzuknallen, aber dann lasse ich es doch bleiben. Das wäre nun wirklich zu kindisch.

 

Mein Handy piept und ich greife ganz automatisch danach. Schon wieder hat mich irgendein Penner bei einem Video verlinkt. Und schon wieder ist es einer der drei Filme, die von mir im Netz kursieren. Nur, weil es eh nicht schlimmer werden kann, rufe ich den Beitrag auf und gucke ihn mir an. Die Hashtags dazu überlese ich lieber, schon allein weil #Gesichtsgrätsche noch einer der nettesten ist.

 

Auf der Aufnahme sieht man Bruno, wie er am Rand der Tanzfläche steht. Sein glasiger Blick ist auf mich und Pascal gerichtet, wie wir ausgelassen feiern. Dann, als hätte man einen Schalter umgelegt, setzt er sich in Bewegung. Direkt auf mich zu. Die Menge teilt sich vor ihm und dann rammt er mir die ausgestreckten Hände voll in den Rücken. Ich fliege hin und als nächstes ist die Aufnahme mit einem Pfirsich-Emoji verziert. Liegt vermutlich daran, dass die unzensierte Version immer wieder gelöscht wurde. Wenigstens etwas.

 

In ein paar Tagen haben sie das wieder vergessen.

 

Das sage ich mir zumindest immer wieder. Schon jetzt sind die Klickzahlen sinkend und es muss was Neues her. Neuer Content für neue User.

 

Die einzigen, die das nicht kapieren wollen, sind Bruno und seine Blödbacken.

 

„Dämliche Wichser“, grolle ich. Wenn ich ein Mädchen wäre, würden sie Bruno vermutlich auf die Schulter klopfen und ihn dazu beglückwünschen, dass er mich flachgelegt hat. Was er nicht hat. Nur um das mal festzuhalten. Es war ein fairer Handel. Wenigstens habe ich das gedacht, bevor diese ganze Scheiße angefangen hat.

 

Und das alles für einen Fick.

 

Unwillkürlich wandert mein Blick zu der Ecke neben dem Schreibtisch, in die ich Brunos Habseligkeiten gepfeffert habe, nachdem ich Sonntagabend von unserem Treffen zurück war. Das Hemd habe ich seitdem nicht angerührt. Es ist immer noch genauso dreckig und versifft wie am letzten Wochenende. Wahrscheinlich müffelt es inzwischen schon. Ich sollte es wirklich langsam mal in die Wäsche tun und ihm dann wieder mitbringen. Aber andererseits …

 

Mit zusammengekniffenen Augen rutsche ich vom Bett, tappe zu der Tüte und nehme sie genauer in Augenschein. Es ist eine weiße Plastiktüte mit schwarzem Blumenmuster. In dem Kranz aus stilisierten Blüten prangt der Name eines örtlichen Modehauses. Garantiert nichts, wo ich einkaufen würde, aber Bruno scheint dort Kunde gewesen zu sein. War bestimmt nicht billig, das Hemd.

 

Ich frage mich, was er wohl alles tun würde, um es wiederzubekommen.

 

 

 

Der nächste Morgen beginnt mal wieder mit einer Doppelstunde. Biologie ist angesagt und auch wenn ich das Fach vielleicht eine Winzigkeit interessanter finde als den Rest meines Stundenplans, kann ich es kaum abwarten, bis es endlich klingelt.

 

„Ich müsste da mal aufs Klo“, rufe ich gleich nach dem Gong, damit unser Biologieknilch nicht etwa auf die Idee kommt, durchzumachen. Er seufzt und winkt mich raus. Ich grinse mir eins, greife in meinen Rucksack und ziehe die besagte Tüte heraus. Um sicherzugehen, dass der Klotzkopf aus der letzten Reihe es auch mitkriegt, wedele ich ein bisschen umständlich damit herum, bevor ich sie halb zusammenfalte und mir unter den Arm klemme. Pascal guckt mich an, als wäre ich ein bisschen bekloppt.
 

„Was soll das denn?“, will er wissen, aber ich ignoriere ihn und mache mich endlich auf den Weg in die Örtlichkeiten. So ne Fünf-Minuten-Pause dauert schließlich nicht ewig.

 

Im Klo ist es kalt und riecht nach abgestandenem Wasser und billigem Klostein. Entweder hat dieses Bad denselben Designer wie das im Ochsen oder dieses Odeur ist ebenso standardisiert wie die Cheeseburger von Mäkkes. Ohne mich jedoch weiter mit einem Geruchscheck aufzuhalten, verziehe ich mich in die hinterste Ecke dieses Ausbunds an deutscher Architektenkunst. Irgendwer hat nämlich gedacht, dass es doch ne tolle Idee wäre, ganz am Ende hinter den Kabinen noch ein Fenster einzubauen. Wegen Luft und Licht und was weiß ich. Dummerweise haben die Schüler diese Ecke regelmäßig dazu benutzt, um auf dem Klo unbemerkt zu rauchen, sodass der Hausmeister schon vor etlichen Jahren den Fenstergriff abgeschraubt hat. Jetzt sammeln sich hier hinten statt Kippen nur noch Spinnennetze und schweinische Kritzeleien, die von eben jenem Hausmeister jede Woche in mühevoller Kleinarbeit entfernt werden müssen. Ich glaube, wenn es nach ihm gegangen wäre, dürfte man hier wieder rauchen.

 

Mit einem tiefen Atemzug lasse ich mich gegen die Wand fallen und bereue es gleich darauf wieder. Jetzt hab ich die Nase voller Kloluft und muss obendrein noch auf ein seltsames Gemälde starren. Ein Strichmännchen mit einem Riesenpenis. Man könnte denken, dass Bruno dafür Modell gestanden hat. Daneben die tiefsinnige Frage „Warum?!“ Wobei sich die vermutlich nicht auf den Penis bezieht. Ist immerhin mit nem anderen Stift geschrieben.

 

Die Toilettentür klappt und ich höre Schritte näherkommen. Zielstrebig geht irgendjemand an den Urinalen vorbei in den hinteren Teil. In Gedanken bete ich darum, dass das jetzt nicht irgendwelche Siebtklässler sind, die mich gleich mit kugelrunden Augen anglotzen und wissen wollen, was ich hier zu suchen habe. Erklären würde ich ihnen das nämlich nur höchst ungern. Und dass jetzt hier jemand einen abseilt, kann ich auch nicht brauchen.

 

Krach! Mit einem dumpfen Knall schlägt eine der Kabinentüren gegen die Innenwand der laveden Holzkonstruktion. Ursprünglich waren da wohl mal so Plastikknöpfe angebracht, aber an denen hat inzwischen der Zahn der Zeit genagt, sodass davon nur noch rudimentäre Reste vorhanden sind. Zu wenig, um einen harten Aufprall und das damit verbundene laute Geräusch zu verhindern.
 

Krach. Die nächste Kabine wird ebenso heftig aufgestoßen wie die erste. So langsam komme ich mir vor, wie in einem Horrorfilm, wo sich irgendwer im Keller versteckt hat und der irre Attentäter mit der Hockeymaske und dem Fleischermesser immer näherkommt.
 

Krach! Dieses Mal ist das Geräusch so nahe, dass ich weiß, dass, wer auch immer hier so einen Aufstand macht, gleich vor mir stehen wird. Allerdings hat er es nicht eilig. Er denkt offenbar, dass er mich hier in die Ecke getrieben hat. Was ein blödsinniger Gedanke ist, da ich den Treffpunkt schließlich vorgeschlagen habe. Ich weiß also, wer da kommt. Dementsprechend richte ich mich auf und zische:
 

„Geht’s vielleicht noch ein bisschen lauter?“

 

Bruno guckt mich an. Sein ganzes Gesicht ist zur Faust geballt und ich sehe ihm an, dass er nicht hier sein will. Mit was für einer Ausrede er sich wohl rausgeschlichen hat? Dass er auch gesagt hat, dass er aufs Klo will, glaube ich nicht. Das wäre zu auffällig gewesen. Allerdings ist das auch nicht mein Problem. Hauptsache er ist jetzt hier.

 

„Gib mir mein Hemd!“

 

Wow, ein ganzer Satz. Subjekt, Prädikat, Objekt oder so ähnlich. Keine Ahnung, ob das stimmt. Grammatik war noch nie so meine Stärke. Dafür blöde Sprüche.
 

„Hast du da nicht noch was vergessen?“, flöte ich und grinse Bruno an. Seine Augenbrauen nähern sich einander bedrohlich. Allerdings schweigt er, was wiederum meinen Witz kaputtmacht.
 

„Es heißt 'bitte'. 'Gibst du mir bitte mein Hemd?' wäre sogar noch höflicher. Nur um das mal festzuhalten.“

 

Brunos Brustkorb hebt und senkt sich und ich erwarte fast, dass er gleich anfängt, mit den Hufen zu scharren. Dampf, der aus seinen Nasenlöchern kommt, wäre auch nicht schlecht. Dann wäre es eindrucksvoller, wenn ich ihm gleich die Luft ablasse.

 

„Aber ich habe es nicht dabei.“

 

Zu sagen, dass Bruno ein dummes Gesicht macht, wäre in diesem Moment reichlich untertrieben. Er starrt erst mich an, dann die Tüte, dann wieder mich. Es reicht nicht mal, um eine Frage zu formulieren. Er sieht einfach nur aus, als würde er die Welt nicht verstehen.
 

Während er so dasteht und nichts tut, öffnet sich die Eingangstür erneut. Helle Stimmen deuten darauf hin, dass irgendwelche Unterstufler die Pause nutzen, um ihre Sextanerblasen auszuwringen. Sie binden für einen Moment Brunos Aufmerksamkeit, bevor sie wieder zu mir zurückkehrt. Im Hintergrund schwatzen die Kinder miteinander.

 

„Was soll das heißen?“, fragt er so leise, dass man es vermutlich dort vorne nicht verstehen kann. Dass hier jemand ist, haben die beiden Kiddies jedoch anscheinend schon mitgekriegt. Wieder sieht sich Bruno nach ihnen um. Dieses Mal zieht er eine Grimasse.
 

„Was glotzt ihr so? Verpisst euch!“

 

„Verpiss du dich doch“, kommt glatt zurück, aber dann machen die beiden doch, dass sie rauskommen. Als er sich wieder zu mir herumdreht, ist sein Stresspegel merklich gestiegen. Er bettelt geradezu darum, auf irgendetwas einzuschlagen. Vorzugsweise mich. Das gilt es zu verhindern.

 

„Es liegt bei mir zu Hause und wartet darauf, gewaschen zu werden“, werfe ich deshalb schnell in den Raum. Bruno runzelt die Stirn noch ein bisschen mehr.
 

„Du hast dich noch nicht darum gekümmert?“

 

Nein, hab ich nicht, du Blitzmerker.

 

„Tja, ich weiß nicht. Diese Woche war sooo viel los. Da muss es mir wohl entfallen sein.“

 

Mein leicht piksiger Tonfall und mein Gesicht, das in etwa so aussehen dürfte, als hätte ich in eine Zitrone gebissen, geben Bruno schließlich die entscheidenden Hinweise. Sofort senkt er den Blick und sieht plötzlich gar nicht mehr gefährlich aus. Eher unglücklich.

 

„Ich …“, beginnt er und schweigt dann. Auf ein 'Es tut mir leid' kann ich da wohl lange warten. Aber das ist mir auch egal. Ist ja nicht so, dass ich darauf angewiesen wäre.

 

„Aber natürlich werde ich mich an unsere Verabredung halten“, teile ich ihm hoheitsvoll mit, „Wenn der Preis stimmt.“

 

Jetzt hebt Bruno wieder den Kopf. Die Verwirrung ist zurückgekehrt und er stiert mich wieder wortlos an. So langsam frage ich mich, ob der Kerl eigentlich noch mehr Gesichtsausdrücke hat als „dumm“ oder „wütend“. Oh, halt. Jetzt kommt, glaube ich, so etwas wie „nachdenklich“ dazu.

 

„Was willst du?“, blafft er und kann damit nicht einmal einen halb blinden Chihuahua täuschen. Ich hab den Bär an den Eiern gepackt und kann ihn jetzt ganz genüsslich daran durch die Manege führen.

 

„Willst du Geld?“

 

Okay, vergiss es, Fabian. Er ist doch blöd.

 

Gottergeben rolle ich mit den Augen.
 

„Nein, du Schwachmat. Ich hab selbst genug Kohle.“

 

Hab ich nicht, aber das ist jetzt gerade auch egal.

 

„Ich dachte da eher an etwas, das nur du mir geben kannst.“

 

Das wird er ja wohl hoffentlich schnallen.

 

Wieder denkt er nach. Mitten in seine Grübelei hinein klingelt es zur nächsten Stunde. So langsam müssen wir in die Gänge kommen, wenn das hier noch was werden soll.

 

„Ich weiß nicht, ob ich …“, druckst er herum. „Ob ich das hinkriege.“

 

Jetzt bin ich es, der kariert aus der Wäsche schaut. Bruno ist zwar nicht der Hellste, aber schließlich heißt es nicht umsonst „dumm fickt gut“. Außerdem hat er die Aufgabe, mich zu befriedigen, doch beim letzten Mal auch ganz gut bewältigt. Okay, ein großer Teil seines Erfolgs lag sicherlich daran, dass ich einfach viel zu lange nicht hatte, aber so dumm hat er sich ja nun auch nicht angestellt. Das darf er gern wiederholen. Aufmunternd hebe ich die Mundwinkel.
 

„Ach, ich bin mir sicher, du schaffst das. Notfalls helfe ich dir eben ein bisschen auf die Sprünge.“

 

Ich grinse anzüglich und lecke mir ein ganz kleines bisschen über die Lippen. Klar werde ich mich nicht zu seinem Flittchen machen lassen, aber es ist ja nicht so, dass es mir nicht gefallen würde, mich ein bisschen näher mit so einem Prachtstück, wie Bruno es hat, zu beschäftigen. Bruno allerdings scheint den Gedanken ziemlich horrormäßig zu finden.

 

„Nein, ich … nein!“, wehrt er heftig ab. Himmel, er tut ja so, als würde ihm sein Schwanz abfallen, wenn ich ihn anfasse. Oder in den Mund nehme. Na schön, meinetwegen. Soll er sich doch selbst darum kümmern. Hauptsache, ich hab meinen Spaß.
 

Draußen auf dem Gang hört man Schritte. Jemand hat es offenbar eilig in den Unterricht zu kommen. Bruno zuckt regelrecht zusammen. Meine Güte, ist der heute schreckhaft.

 

„Okay, ich mach’s“, stößt er hervor. Ich werfe innerlich die Faust in die Luft. Na also, geht doch.

 

„Wieder am Sonntag um die gleiche Zeit? Ich bring auch das Hemd mit.“

 

Bruno starrt mich an. Für einen Moment überlege ich, ob ich jetzt das System vollkommen überlastet habe. Er sieht aus, als hätte ihm jemand einen Schlag mit einem Hammer verpasst. Einem sehr schweren Hammer. Dann, es fängt bei den Ohren an, sieht man, wie ihm das Blut ins Gesicht sschießt. Es ist allerdings kein Wutrot, das dabei entsteht. Mehr so ein Blassrosa mit leichtem Abdriften ins Purpur an den Enden.

 

„Du meinst …?“
 

Gott, ist der dämlich. Ich muss echt an mich halten, um nicht mit den Augen zu rollen.

 

„Ja natürlich meine ich. Also was ist jetzt? Haben wir einen Deal?“

 

Bruno atmet. Und nickt. Natürlich nickt er, was soll er auch sonst machen? Außer mich natürlich verprügeln, bis ich sein Eigentum wieder herausrücke. Aber diese Option scheint auf wunderbare Weise aus seinem Gehirn verschwunden zu sein. Ist vermutlich nicht genug Platz da oben. Bevor er seine Meinung noch ändern kann, presse ich entschlossen die Lippen aufeinander.
 

„Dann also am Sonntag. 16 Uhr. Und sei pünktlich.“
 

Das ich nicht vorhabe, es zu sein, muss ich ihm ja nicht verraten. Strafe muss schließlich sein.

 

Ich gehe an ihm vorbei, verfolgt von seinem verblüfften Schweigen. Der Triumph ist gnadenlos und weil ich gerade in so guter Stimmung bin, drehe ich mich an der vorderen Tür noch einmal am.
 

„Ach und Bruno?“ Er steht immer noch da, wo ich ihn zurückgelassen habe, und rührt sich nicht von der Stelle. „Bring Kondome mit. Ich hab keine mehr in deiner Größe.“

 

Damit verlasse ich das Bad und kann mir ein zufriedenes Grinsen nicht verkneifen. Das lief ja nun wirklich wie geschmiert. Jetzt gilt es nur noch, das Hemd zu waschen, und dann heißt es endlich: Wiedersehen macht Freude.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  -Chiba-
2023-01-15T09:56:00+00:00 15.01.2023 10:56
Hi^^
Bin gerade über deine Story gestolpert. Also den Anfang finde ich schon einmal richtig gut und ich bin gespannt, wie es weitergeht.

Vor allem hoffe ich, bald etwas mehr über Bruno zu erfahren.
Momentan habe ich nicht das Gefühl, dass er dumm oder der typische Schlägertyp ist. Ich werde das Gefühl nicht los, dass der "harten Kerl" nur eine Fassade und Bruno in Wirklichkeit schüchtern und unsicher ist. Unsicher vielleicht, weil er gerade in einer Orientierungsphase ist und niemanden hat, mit dem er darüber reden kann (außer vielleicht mit Fabian...irgendwann XD).
Vielleicht weiß er nicht, ob er auf Frauen oder auf Männer oder auf beides steht. Oder ob seine "kleine Schwäche" für das eigene Geschlecht eher eine "Krankheit" ist und er deswegen nicht "normal" ist. Du hast ja schon durchblicken lassen, dass die Menschen in diesem Kaff eher konservativ sind.
Und dann kommt so ein Paradiesvogel wie Fabian und stellt seine Welt noch mehr auf den Kopf. Ein junger Mann, der offen zu seiner Sexualität steht und sich nimmt, was er will, ohne sich unterkriegen zu lassen.
Aber ich kann mit meiner ersten Einschätzung auch komplett daneben liegen, die Story hat ja erst angefangen ^0^

Und ich hoffe auch, dass du bald oder zumindest irgednwann auflöst, was dem armen Bruno hier am Anfang durch den Kopf geangen ist, als Fabian eine weitere Gegenleistung für das Hemd gefordert hat.
Also an Sex hat er wohl eher nicht gedacht. Vielleicht, dass Fabian von ihm verlangt, dass er sich "outet"? Oder dass Fabian ihn zu seinem festen Freund machen will?

Ich freue mich auf jeden Fall auf die Fortsetzung ^.~

LG
Chi
Antwort von:  Maginisha
16.01.2023 14:15
Hey Chiba!

Oh, da freue ich mich aber, dass du hängengeblieben bist und noch dazu einen so langen Kommentar verfasst hast. Ich liebe es, Kommentare zu bekommen. (Also so von der kommunikativen Seite her. ^_^)

Als Dank/Lohn sei dir daher verraten, dass du mit deiner Einschätzung von Bruno gar nicht so falsch liegst. Als schüchtern würde ich ihn vielleicht nicht unbedingt bezeichnen. Aber es gibt definitiv Punkte, an denen er nicht so selbstsicher ist, wie er gerne wäre. Denen werden wir natürlich noch auf den Grund gehen. Und natürlich hat es auch einen Grund, dass er sich da ausgerechnet an Fabian reibt. Also bildlich gesprochen jetzt. ;D

An was Bruno gedacht hat, wird auch noch genannt werden, allerdings bezweifele ich, dass er das so direkt zugeben wird. Da muss man eventuell ein bisschen zwischen den Zeilen lesen, aber es war definitiv nichts Versautes und nichts von dem, was du vermutet hast. Eventuell bringt ja das nächste Kapitel da mehr Klarheit. ^__^

Hoffentlich bis zum nächsten Mal!

Zauberhafte Grüße
Mag
Von:  Ryosae
2023-01-13T21:48:44+00:00 13.01.2023 22:48
Hey Mag,
ach die Jugend und ihre schei* Handys! Einfach ALLES müssen die filmen und fotografieren.
War letzte Woche mit einer Freundin ein paar Cocktails trinken. Bei den "Kiddies" an den Tischen haben die einfach nur aufs Handy geschaut und sich wahrscheinlich gegenseitig getextet statt miteinander zu reden. Schrecklich!
Da überrascht es eher weniger, dass jemand so Gedankenverloren war und das Spektakel gefilmt hat.
Naja es war aber auch keine Glanzleistung von Fabian, nur um das nochmal zu erwähnen. xD

Es scheint Fabian aber auch echt egal zu sein wen er benutzt um Erleichterung zu bekommen. Hab ich was verpasst, oder hat er ihn am Vortag nicht noch gehasst? ^^"
Süß wie Bruno irgendwie innerlich mit sich kämpft. Hat er zuerst an einen Blowjob gedacht?

Schreib bitte schnell weiter! Ob es mehrere Runden geben wird, oder, und hallte mich bitte nicht für verrückt, gibt es mal ein Küsschen?!
We will see! :D

LG
Ryo
Antwort von:  Maginisha
14.01.2023 07:30
Hey Ryosae!

Oh, die Situation passt ja wirklich wie die Faust aufs Auge. Noch sind wir von dem Phänomen glücklicherweise noch etwas verschont, aber ich fürchte, die Zeit wird kommen, da man gewisse Familienmitglieder nur noch mit dem Spachtel von einem Bildschirm lösen kann. Mein Mann meinte gestern auch, dass man durch TikTok doch blöd werden muss. Tausende von diesen Minifilmen hintereinander weichen doch das Gehirn auf. (Dazu gibt es sogar Studien, die das belegen...)

Ob Fabian nun Bruno hasst oder eigentlich was anderes, schauen wir dann mal. Auch, an was Bruno gedacht hat, wird sich vielleicht noch erklären. Aber zu verraten, ob es einen Kuss geben wird, wäre nun wirklich ein zu großer Spoiler. ^_~

Heute ist Schreibpause, aber morgen haue ich wieder in die Tasten. Versprochen. ^.^

Zauberhafte Grüße
Mag


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