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Von Hoffnung und Verrat

von

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Es dämmerte bereits, als Eivor erwachte.

Mit müden Augen musterte sie ihre Umgebung. Die Sonne war fast versunken und es war kühler geworden.

Es dauerte einige Minuten, bis Eivor wieder bei klarem Verstand war und ihr bewusst wurde, weshalb sie hier war und was sie hier getan hatte.

Ihr Blick wanderte herüber zu ihrem Pferd, das noch immer angebunden an einem kleinen Holzzaun stand.

Angestrengt spähte sie über die Felder. In der Dämmerung war es schwer auszumachen, ob sie jemand beobachtete.

Besser, sie brachen direkt auf.

Eivor griff nach ihrem Bogen, der noch immer neben ihr auf dem Boden lag und tastete dann nach ihrem Köcher, der nur zwei Ellen dahinter lag.
 

Während sie sich aufrichtete, um ihr Pferd bereit zu machen, sprach sie mit lauter Stimme.

„Eysa! Wach auf, wir müssen aufbrechen!“

Konzentriert spannte sie die Satteltaschen auf ihr Pferd und fluchte kurz unmerklich, als ihr der Köcher herunter fiel und die Pfeile auf dem Boden landeten.

Sie wurde ungeduldig.

„Eysa!“, rief sie wieder in die Dämmerung, während sie damit beschäftigt war, die Pfeile aufzuheben.
 

Kurze Zeit später war der Köcher verstaut.

Nun fehlte nur noch Eysa, die Eivors Nervenkostüm langsam auf die Probe stellte.

Je dunkler es wurde, desto mehr Geräusche vernahm Eivor aus ihrer Umgebung.

Sie hatte vor dem Aufbruch heute Mittag keine Fackel mitgenommen, da sie geplant hatte, vor Sonnenuntergang wieder in der Siedlung zu sein.

Sie prüfte noch mit einem schnellen Griff, ob ihre Axt an ihrem Gürtel saß und holte tief Luft, um noch einmal Eysas Namen zu rufen, während sie sich zu ihr umdrehte.

Doch der Platz, an dem sie beide heute Mittag beieinander gelegen hatten, war leer.

Eysa war nirgendwo auszumachen.
 

Eivor stockte der Atem.

Nein.

Das konnte nicht sein.
 

„Eysa?!“

Eivors Augen weiteten sich, während sie panisch Eysas Namen in die immer weiter zunehmende Dunkelheit rief.

Sie blickte hektisch um sich, suchte nach Hinweisen.

Sicher war Eysa hier noch irgendwo und erlaubte sich bloß einen Scherz mit ihr, versuchte Eivor, sich zu beruhigen.

Doch schnell musste sie feststellen, dass sie tatsächlich allein war.
 

„Bei Odin! So ein verdammter Mist!“, presste sie aufgebracht hervor, während sie sich eilig auf ihr Pferd setzte.
 

„Synin! Ich brauche deine Hilfe!“

Eivors Blick wanderte nach oben, in Richtung des nun fast schwarzen Himmels.

Sehen konnte sie ihren Raben nicht, bemerkte jedoch, wie Synin sich nur Sekunden später auf ihrer rechten Schulter nieder ließ.

Eivor schloss konzentriert ihre Augen, um durch die ihres Raben sehen zu können.
 

Die Siedlung. Ein kurzes, prägnantes Bild des Langhauses erschien vor ihrem inneren Auge.

Eysa musste dorthin zurück gekehrt sein.

Eivor ahnte nichts Gutes.
 

„Bei Thors Hammer. Bitte lass sie nichts angestellt haben“, murmelte sie, während sie nervös einige Brotkrumen aus ihrer Tasche fischte, um Synin ihre Belohnung zu geben.
 

Dann ritt sie hastig los.

Tausend Dinge gingen ihr durch den Kopf, während sie schneller als jemals zuvor auf dem Rückweg zur Siedlung war.

Sie hoffte mehr als alles andere, dass Eysa diesmal keine Dummheiten angestellt hatte und dass sie sie lebend und ohne Ärger antreffen würde.

Zugleich wurde Eivor bewusst, dass sie wieder einmal bei Eysa gelegen hatte.

Wieder einmal war sie schwach geworden, wo sie hätte stark bleiben sollen.

Zwar hatte sie wieder einen kleinen Teil über Eysa erfahren, doch bei Weitem nicht so viel, wie es Valka zufrieden stellen würde.

Eivor ärgerte sich über sich selbst und darüber, dass sie nicht in der Lage war, ihre eigenen Gefühle zu kontrollieren. Eysa hatte diese Anziehungskraft auf sie, die sie selbst nicht verstand.

Sie kannte dieses junge Mädchen kaum und doch war sie auf dem Weg zur Siedlung, als würde Fenrir selbst hinter ihr her jagen.
 

„Nein, das war es jetzt!“ Eivor nahm sich fest vor, Eysa zur Rede zu stellen. Sofern das noch möglich war.

Sie war angekommen.
 

Noch im Galopp sprang Eivor von ihrem Pferd, rollte sich gekonnt ab und hetzte dann keuchend zum Langhaus, stetig hoffend, Eysa hier anzutreffen.
 

Als sie durch die Tür in die große Halle gelangte, entwich ihr ein erleichtertes Stöhnen.

Zeitgleich wurde ihre Mine finsterer, als sie Eysa fand, wie sie, etwas kochend an einer der Feuerstellen saß und Eivor lächelnd grüßte.
 

„Da bist du ja, Schlafmütze. Komm her und setz dich zu mir. Ich habe etwas vorbereitet, als Dank.“

Eysa lächelte Eivor glücklich zu und deutete auf eine merkwürdig aussehende Flüssigkeit, die sie in dem Topf vor sich kochte.
 

Eivor ignorierte dies jedoch, stampfte wütend auf Eysa zu und schlug ihr den Löffel aus der Hand. Rasend blickte sie Eysa an.
 

„Sag mal, hast du den Verstand verloren?! Einfach wegzulaufen, ohne mein Wissen?! Nach allem, was die letzten zwei Tage passiert ist?! Ich habe dir gesagt, keine Alleingänge mehr! Niemand außer mir will dich hier, Eysa! Ich habe damit gerechnet, dich an einem Strick von einem Baum schneiden zu müssen! Verstehst du das?!“

Eivor war merklich rasend vor Wut.

Doch alles, was Eysa ihr entgegenbrachte, war ein merkwürdig friedliches Lächeln.

Eivor schüttelte fragend den Kopf. Sie war sichtlich irritiert von dieser Reaktion.
 

„Eivor, bitte setz dich. Wir wollen doch nicht alle aufwecken.“

Eysa bedeutete Eivor, sich neben sie auf die Bank zu setzen, während sie den Löffel aufhob, den Eivor ihr wütend aus der Hand geschlagen hatte.

Wortlos rührte sie damit weiter in der dunkelbraunen Brühe herum. So lange, bis Eivor sich widerwillig setzte.

Erst dann hörte sie auf, und sah zu der blonden Kriegerin herüber.
 

„Es tut mir leid, dass ich einfach so gegangen bin. Ich hätte es nicht tun sollen, du hast Recht. Ich weiß, dass diese Entschuldigung für dich schwer zu glauben scheint, nachdem ich dir schon mehrfach versprochen habe, so etwas nicht mehr zu tun.

Aber ich wollte dich wirklich nicht wecken. Im Gegenteil. Ich brauchte ein wenig Zeit. Zeit, um mein Geschenk für dich vorzubereiten. Ich möchte dir danken, Eivor. Für all die Güte und all dein Wissen, das du mir in der kurzen Zeit, in der ich hier bin hast zuteil werden lassen. Und besonders für dein Vertrauen.“

Eysa griff Eivors Hand.

Doch Eivor blickte sie weiterhin finster an.
 

„Ich bin in den Wald gegangen und habe einige Pilze gesammelt. Ich wusste nicht, mit was ich dir sonst eine Freude machen könnte. Ich habe dir ja nichts zu bieten. Aber ich hatte gehofft, wir könnten uns bei einem gemeinsamen Abendessen noch einmal so schön unterhalten, wie wir es vorhin taten. Ich hoffe, du magst Pilzsuppe.“

Eysa lächelte verlegen. Sie wusste, dass das, was sie Pilzsuppe nannte, nicht besonders appetitlich aussah.

Dennoch hatte sie diesen Versuch gewagt.
 

Eivors Gemüt beruhigte sich allmählich.

Ein Abendessen als Dank. Darauf wäre sie wahrlich nicht gekommen.

Ihr finsterer Gesichtsausdruck lichtete sich, sie schenkte Eysa sogar ein kleines Lächeln.

Dennoch musste sie noch eine Sache klar stellen.
 

„Eysa, das ist wirklich schön von dir. Und ich freue mich darüber. Aber ein letztes Mal... keine Alleingänge mehr. Ich bitte dich darum.“
 

Eysa nickte demütig, bevor sie aufstand, um vom Tisch hinter ihnen zwei Becher zu greifen.

Nach einem kurzen, prüfenden Blick reichte sie einen Eivor, den anderen behielt sie.
 

„Was ist das?“, fragte Eivor, während sie, etwas abgeschreckt vom Geruch des Getränks, kurz den Kopf schüttelte.
 

„Ich habe es aus Kräutern gemacht. Ein Getränk, um deinen Appetit anzuregen. Nur für den Fall, dass die Suppe so furchtbar schmeckt, wie sie aussieht.“

Eysa zwinkerte Eivor mit einem Lächeln zu.

Diese lachte kurz auf, während sie unsicher in den Becher starrte.
 

„Und das kannst du? Kräuter zusammen brauen? Das sieht wirklich übel aus und riecht furchtbar.“

Eysa bemerkte Eivors Skepsis, hatte jedoch auch hier die passende Antwort parat.
 

„Klar, das habe ich von meinem Vater gelernt. Und der sagte mir immer: Was nicht schmeckt, hilft umso besser. Also, Skål!“

Eysa setzte ihren Becher an und leerte ihn mit einem Zug.

Ihr Gesichtsausdruck sprach Bände und Eivor hätte den Inhalt am liebsten in die Blumen gegossen.

Doch konnte sie so unhöflich sein? Eysa hatte sich so viel Mühe mit all dem gemacht.

Ihr Essen gekocht und sogar, das konnte sie von hier aus sehen, Kerzen auf ihrem Bett verteilt.

Sie wusste, worauf Eysa hinaus wollte. Und doch fragte sie sich, worüber diese wohl mit ihr reden wollte. Eivor sprach diesen Gedanken direkt aus.
 

„Also. Du wolltest dich mit mir unterhalten? Worüber?“
 

„Du musst erst trinken, Eivor! Sonst wird Thor sauer sein. Sieh, ich habe meinen Becher geleert.“

Eysa musterte sie herausfordernd.
 

Noch ein letztes Mal blickte Eivor in den Becher vor sich.

Sie war sichtlich unentschlossen, dieses Getränk wirklich zu sich zu nehmen.

Doch Eysas Blick weckte ihren Kampfgeist. Schließlich hatte diese ihren Becher mit einem Mal geleert. Das konnte Eivor sich nicht nehmen lassen.

Und was sollte schon passieren, Eysa war ein junges, unbedarftes Mädchen.
 

Eivor trank.

Sie leerte den Becher ebenfalls in einem Zug und krümmte sich direkt danach vor Magenschmerzen. Es war ein brennender Schmerz.

Ein kurzes Würgen entfuhr ihr, während sie sich den Bauch hielt.
 

„Kräuter sagtest du? Schmeckt eher wie Scheiße!“

Eysa lächelte stumm und strich Eivor beruhigend über den Oberarm.
 

„Nur die Ruhe, Eivor. Die Schmerzen gehen bald vorüber.“

Eysas neuer Tonfall gefiel Eivor nicht. Sie drückte sich merkwürdig selbstbewusst aus.
 

Eivor fühlte, wie ihr heiß wurde.

Wenig später setzte Schwindel ein. Sie hatte das Gefühl, alles doppelt zu sehen.

Kurz fragte sie sich noch, warum Eysa diese Probleme nicht hatte, bevor

sie einen Augenblick später fühlte, wie ihr das Atmen schwerer fiel.

All die Umgebungsgeräusche, sie klangen dumpf und als wären sie hunderte Meter weit entfernt.

Ihre Augen wurden schwer, eine Art Schläfrigkeit machte sich in ihrem Körper breit.

Schlussendlich verloren ihre Muskeln an Kraft.

Sie konnte sich nicht mehr auf der Bank halten und kippte nach vorn auf den Tisch.
 

Während sie das Gefühl hatte, sich übergeben zu müssen, spürte sie, wie jemand sie auf die Beine zog und stützte.

Sie glaubte, diese Person sei Eysa, wusste aber auch, dass sie offenbar nicht bei klarem Verstand war.

Wenig später fand sie sich auf ihrem Bett liegend wieder.

Eysa, die neben ihr saß, streichelte ihr beruhigend über die Wange.

Eivor mochte dieses Gefühl nicht, war jedoch unfähig, sich dagegen zu wehren.

Keiner ihrer Muskeln bewegte sich, so sehr sie es auch versuchte.
 

Der Nebel um ihren Verstand lichtete sich mit jeder Minute, die sie da lag und beinahe in Zeitlupe begriff sie, dass sie Eysa nun zu sehr vertraut hatte.

Jeder ihrer Versuche aufzustehen oder um Hilfe zu rufen scheiterte.

Ihr Verstand wurde klarer und klarer und doch tat ihr Körper nicht das, was ihr Geist verlangte. Eivor wusste damit nicht umzugehen. Diese plötzliche Hilflosigkeit ließ sie in Panik verfallen. Sie wollte nach ihrer Axt greifen, doch so sehr sie es auch versuchte, ihre Muskeln waren wie gelähmt.

Während sie verzweifelt versuchte, sich aus diesem Zustand zu befreien, hörte sie, wie Eysa anfing zu reden.

Dumpf, aber die Worte als solche kamen deutlich bei ihr an.
 

„Da sind wir nun, Eivor vom Rabenclan. Eine große Kriegerin, der Wissen und Weisheit nachgesagt wird. Und doch vertraut sie einem fremden Mädchen, das plötzlich und unbeholfen in ihrer Siedlung auftaucht. Ich hatte eigentlich vor, dieses Spiel noch ein wenig weiter zu führen, aber da du mir so bereitwillig dein Vertrauen geschenkt hast, musste ich das gar nicht.“

Eysa lachte belustigt auf. Niemals hätte sie gedacht, dass Eivor es ihr so leicht machen würde, ihr Vertrauen in einer solch kurzen Zeit zu gewinnen.
 

„Was hat das... zu bedeuten? “, presste Eivor hervor. Es klang fast, als wäre sie betrunken.
 

„Beruhige dich, Eivor. Es ist alles in Ordnung. Ich würde mich bloß gern noch etwas mit dir unterhalten. Nur deswegen bin ich hier. Man sagt nämlich, dass du eine Möglichkeit gefunden hast, in die Welten der Asen und Jötun zu reisen. Und ich würde gern wissen, ob das wahr ist.“
 

Langsam, ganz langsam verstand Eivor, was gerade geschah.

Eysas Ankunft, die Hilflosigkeit, die Verzweiflung. Das alles war bloßes Schauspiel.

Und sie war darauf herein gefallen.

Valka hatte sie gewarnt. Sigurd hatte sie gewarnt. Und nun... war es zu spät.

Sie lag vor Eysa, völlig wehrlos. Sie schwor sich, sich selbst ab sofort in Schweigen zu hüllen.

Doch sie verspürte diesen merkwürdigen Drang, Eysa eine Antwort auf ihre Frage zu geben. Auch, wenn sie dies auf keinen Fall wollte.

Sie glaubte zu wissen, dass der Trank, den Eysa ihr gab dafür verantwortlich war.

Und sie lag richtig.

Eivor versuchte mit aller Kraft ruhig zu sein und nicht auf die Frage zu antworten.

Doch je mehr sie es versuchte, desto stärker wurde der Drang, Eysa einfach jede Frage zu beantworten.
 

„Komm schon Eivor, dich dagegen zu wehren ist zwecklos. Die Altweiberklaue holt alles aus dir heraus, was ich wissen möchte. Und weißt du, was das Schöne ist? Wir haben Zeit. Ihre Wirkung hält über Stunden an und am Ende wirst du dich an rein gar nichts erinnern.“

Eivor nahm verschwommen Eysas boshaftes Lächeln wahr.

Sie wollte ein weiteres Mal um Hilfe rufen, doch wieder gelang es ihr nicht.

Nichts von dem, was sie sagen wollte, kam wirklich aus ihrem Mund.

Stattdessen gab sie unfreiwillig die Wahrheit preis. Wissen, das nur ihr und Valka vorbestimmt war. Aus gutem Grund.
 

„Was man sich erzählt ist wahr. Asgard... Jötunheim... ich war mehrmals dort.“

Immer wieder fielen Eivor die Augen zu, obwohl sie noch immer bei klarem Verstand war. Sie wusste, dass sie einen nicht wieder gut zu machenden Fehler beging, indem sie Eysa von diesen Dingen erzählte.

Doch gegen die Wirkung des Tranks hatte sie keine Chance, dessen war sie sich sehr wohl bewusst.

Sie konnte lediglich hoffen, dass Eysa aufhörte, weitere Fragen zu stellen oder dass jemand die beiden fand und das Mädchen stoppte.

Doch nichts von beidem trat ein.

Eysas Grinsen wurde immer düsterer, während sie anfing, weiter zu sprechen.
 

„Asgard. Das Heim der Asen. Wo Yggdrasils Triebe die Welt tragen.“

Eysa stand auf und blickte verträumt an die Decke. Sie konnte nur ahnen, wie schön und erhaben dort alles sein musste.

Während Eysa in ihren Gedanken versunken von Asgard schwärmte, bemerkte Eivor, dass nicht unweit ihres linken Fußes ihr Rüstungsständer mitsamt ihres Kettenhemds stand. Eysa hatte ihn zur Seite geschoben, um sie auf das Bett zu legen.

Wenn Eivor es schaffte ihn umzustoßen, würde sie sicher genug Lärm erzeugen, um Randvi und Sigurd zu wecken, die im Nebenraum bereits schliefen.

Doch noch immer konnte sie sich nicht so bewegen, wie sie es wollte.

Sie musste eine andere Möglichkeit finden.

Angestrengt überlegte sie, während sie Eysa weiterhin beobachtete.

Sie war körperlich eingeschränkt. Doch ihr Verstand funktionierte.

Lediglich die ausgesprochenen Worte waren vom Zauber des Tranks betroffen.

Es gab nur eine Option.

Synin.
 

Eivor versuchte, ihre Gedanken auf ihren Raben zu lenken.

Sie schloss die Augen und konzentrierte sich, so gut sie es nur konnte.

Noch nie zuvor hatte sie Kontakt zu Synin aufbauen können, ohne dies laut auszusprechen. Doch sie musste es versuchen.

Vor ihrem geistigen Auge sah sie sie nun. Synin hatte auch Eivor wahrgenommen.

Doch Eivor hatte das Gefühl, nicht mit ihr kommunizieren zu können.

Wie sollte sie ihrem Raben ohne Worte vermitteln, dass sie in Schwierigkeiten war?
 

Plötzlich packte Eivor jemand hart bei den Schultern.

Sie Verlor den Gedanken an Synin und riss die Augen auf. Eysas vom Wahn getriebener Blick traf sie.
 

„Wie? Wie kommt man dort hin?... Sag es mir!“

Ein dumpfer Schlag traf Eivors rechte Wange, so hart, dass sie kurz das Bewusstsein verlor.

Als sie nach einigen Augenblicken wieder zu sich kam, hatte sie für den Bruchteil einer Sekunde Synin vor Augen.

Sie schien Eivor zu suchen.

Der nächste harte Schlag. Wieder ins Gesicht. Und wieder kam Eivor einige Sekunden später erst zu sich.
 

„Dieser verdammte Trank! Er sollte dich gesprächig machen und nicht töten!“, schrie Eysa an Eivor gewandt.

Noch ein Schlag.

Diesmal so hart, dass Eivor nicht direkt wieder zu sich kam.

Das Bild von Synin erschien noch einen kurzen Moment vor ihren Augen, bevor es komplett dunkel wurde.
 

„So ein Mist!“, brüllte Eysa rasend, während sie Eivor zum wiederholten Mal bei den Schultern packte, um sie aus der Bewusstlosigkeit zu holen.

Doch ohne Erfolg.

Als sie bemerkte, dass sie zu weit gegangen war, ließ sie schnaubend von Eivor ab.

Sie war so wütend auf sich selbst, dass sie einen Dolch zog und ihn Eivor an die Kehle hielt. Sie wusste, dass Eivor zu töten bedeutete, keine weiteren Informationen zu bekommen. Doch ihre Wut brauchte einen Ableiter.

Langsam bohrte sich die Klinge in die weiche, dünne Haut an Eivors Hals.

Ein kleines Rinnsal Blut begann, aus der Wunde zu fließen.

Eysa hielt inne und betrachtete es für einen Moment.

Dann traf sie ein Schlag am Kopf.
 

Erschrocken sprang sie vom Bett auf und blickte um sich, konnte jedoch niemanden erkennen.

Ihren Dolch fest in der Hand stand sie neben dem Bett und beobachtete ihre Umgebung. Bis auf den Schlag der sie traf, war alles ruhig.

Niemand war dort.

Doch noch bevor sie sich wieder sammeln konnte, traf sie erneut etwas am Hinterkopf.

Wieder drehte sie sich um.

Wieder war niemand zu sehen.
 

„Was soll das?... Wer ist da?!“, rief sie in den Raum.

Ein kurzer Moment der Stille trat ein.
 

Dann spürte sie, wie sich etwas in ihren Haaren festkrallte. Sie schlug wild um sich, doch noch bevor sie sehen konnte, was sie dort angriff, verlor sie bereits ihr rechtes Augenlicht.

Eysa schrie vor Schmerzen auf und hielt sich die Hände vor das Gesicht.

Sie spürte, wie das warme Blut aus ihrer leeren Augenhöhle trat und hatte Mühe, die Balance zu halten.

Aus Angst, ein erneuter Angriff könnte sie treffen, trat sie einige Schritte zurück... und stieß dabei den Rüstungsständer um.

Dieser ging mit einem lauten, rasselnden Geräusch zu Boden.

Eysa fuhr erschrocken herum. Sie wusste, dass ihr nun nur noch die Möglichkeit zur Flucht blieb.

Mit ihrem noch verbliebenen Auge suchte sie hektisch nach einem Stück Stoff, um die schmerzende, stark blutende Wunde zu bedecken.

Doch sie fand nichts.

Ihr Blick fiel ein letztes Mal auf Eivor, die noch immer bewusstlos da lag.

Kurz zögerte sie, dann riss sie ein Stück aus Eivors Kleidung heraus und presste es auf die Wunde, während sie einen Schmerzensschrei unterdrückte.
 

„Das war noch nicht das Ende!“, brüllte sie wütend an Eivor gewandt, als sie aus der Halle des Langhauses Schritte und Rufe hörte.
 

Und während sie zügig das Zimmer verließ, entdeckte sie Synin, die auf Eivors Tisch saß und genüsslich die Reste ihres Augapfels verschlang.



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