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Eren

Geheimnisse der Turanos
von

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Alltag bei Familie Turano

Ajax bleibt vor dem Haupteingang des Anwesens stehen, wo ihnen sofort ein Angestellter entgegeneilt, der die Autoschlüssel übernimmt, um den Mustang in die Garage zu fahren. Eren, der noch immer deprimiert ist, folgt seinem Bruder ins Innere. In der Eingangshalle biegt Ajax Richtung Wohnzimmer ab, wo sich der Zugang zum geheimen Tunnel ins Labor befindet.

 

„Eren“, hält er den Jungen auf, der bereits die ersten Stufen hinaufgestiegen ist. „Lass keine einzige Übung aus, ja? Egal, ob wir heute schon auf einer Mission waren, dein Stundenplan bleibt der gleiche. Vielleicht finde ich Zeit später dazuzustoßen. Ich muss jetzt erst einmal Vater Bericht erstatten.“

 

„Ja, Ajax.“ Eren versucht sich die Erleichterung nicht anmerken zu lassen. Ohne Ajax wird das heute Training gleich viel entspannter werden. Immer noch anstrengend und schmerzhaft, aber nicht mehr foltermäßig schmerzhaft.

 

Unterwegs kommt er an ein paar Angestellten vorbei, die Wäsche hin und her tragen, putzen, patrouillieren und was sonst noch zu ihren Aufgaben gehört. Jeder einzelne von ihnen hält in dem was er/sie gerade tut inne, verbeugt sich leicht vor ihm und grüßt ihn mit „junger Herr Turno“. Auf halber Strecke zu seinem Zimmer kann er das Getue nicht mehr hören. Eren bleibt abrupt stehen und dreht sich um. „Hört bitte mit dem junger Herr auf. Ich hab euch schon oft gesagt, ihr könnt mich einfach Eren nennen und euch normal benehmen, nicht so künstlich unterwürfig. Das nervt.“

 

Ein paar wirken verunsichert, tauschen unschlüssige Blicke und wirken nervös. Ein älterer Herr im Anzug tritt einen Schritt vor, legt eine Hand aufs Herz und verbeugt sich leicht. „Tut uns leid, junger Herr Turano, aber das überschreitet unsere Position. Wir sind nicht befugt Sie bei Ihrem Vornamen zu nennen. Sie sind immerhin ein Mitglied der Turanofamilie und wir nur einfache Angestellte. Wir würden es niemals wagen, Ihnen respektlos gegenüber zu treten, indem wir Sie beim Vornahmen nennen, junger Herr.“

 

„Hmpf. Wie ihr meint“, grummelt Eren erschöpft von der sich immer wiederholenden Diskussion.

 

Ohne weitere Worte geht er in sein Zimmer und schließt die Tür hinter sich. Auch das wollte ihm eine Frau abnehmen, was er gerade noch so verhindern konnte. Die benehmen sich ja alle als wäre er ein hilfloses Baby, das nicht einmal eine Tür alleine öffnen kann. Oder sich sein eigenes Outfit zusammenstellen, fügt er gedanklich nach einem Blick auf die Kleiderstange neben dem Badezimmer hinzu, wo ein sauberer, gebügelter Trainingsanzug bereit liegt.

 

Wie können die es wagen?! Wie können die es wagen uns wie Babys zu behandeln?! Wir könnten jeden von ihnen mit einem Fingerschnippen töten! Warum sollten wir da keine Türen alleine öffnen können?!

 

Sie folgen nur ihren Befehlen. Sie können nichts dafür, dass unser Vater möchte, dass sie sich uns gegenüber so benehmen. Es ist eben unserem Status entsprechend. Auch wenn es sehr unangenehm ist von allen so verhätschelt zu werden.

 

„Ich hab schon zu hoffen gewagt, dass ihr verschwunden seid, weil sich niemand bei Ajax´ Vortrag zu Wort gemeldet hat“, gesteht Eren, während er dabei ist T-Shirt und Pulli auszuziehen.

 

Du wirst uns niemals los!

 

„Das befürchte ich auch“, stöhnt der Zwölfjährige. „Der Tag wird immer besser und besser.“

 

Und er ist noch nicht vorbei!

 

Nachdem er sich für das Training umgezogen und sich noch schnell einen Apfel aus der Küche gestohlen hat, er musste sogar das Frühstück heute ausfallen lassen, begibt er sich in den Speisesaal, wo bereits sein Privatlehrer auf ihn wartet. Auf dem Tisch stapeln sich Bücher über Bücher und ein Tablet. Der Professor, ein dünner, unsicher wirkender Mann, steht neben der langen Tafel. Zusammen mit der karierten Strickweste und der Brille wirkt er wie ein typischer, schlauer Nerd. Professor Blink ist wirklich überhaupt nicht selbstbewusst, aber einer der schlausten Köpfe von Haikla City, weswegen er für die weitere schulische Ausbildung ausgewählt wurde. Eren ist froh, dass er nicht mehr von der Frau unterrichtet wird, die ihm das Grundschulzeug beigebracht hat. Die hat ihn beim Sprechen immer angespuckt und Mundgeruch hatte sie auch. Fast so schlimm wie der Grobämi.

 

~~~

 

Um drei Uhr ist der Schulunterricht abgeschlossen und Eren raucht der Kopf von Integralen, chemischen Gleichungen und trockener Geschichte. Deshalb ist er ganz froh darüber, dass als nächstes ein kleiner Kampf auf dem Programm steht. Mit einem weiteren Apfel - der einzige momentan erlaubte Snack laut seinem Ernährungsplan - macht er sich auf den Weg in den Bunker.

 

Sein Halt ist das Schwimmbad, gleich neben der Sporthalle. Wie immer beobachtet er neugierig die anderen Menschen hier bei ihrem Training. Alle tragen dieselbe Trainingsuniform wie Eren. Der einzige Unterschied sind die Nummerierungen am Rücken und an der Brust, die identisch mit den Tattoos am Unterarm sind. Die Uniform besteht aus einer dunkelgrauen langen Hose mit orangefarbenen Akzenten und Nähten und einem gleichfarbigen T-Shirt. Dazu orange Handschuhe mit Klettverschluss am Handgelenk und schwarze Turnschuhe mit weißer Sohle, um ja keine Abdrücke auf dem hellen Boden zu hinterlassen. Turano hasst Dreck und Unordnung nicht nur Zuhause, sondern auch hier. Besonders hier, wo alles so penibel weiß ist.

 

Das gute am Bunker ist, dass hier niemand so übertrieben unterwürfig zu ihm ist. Niemand verbeugt sich, niemand nennt ihn junger Herr, niemand steht neben den Türen bereit, um sie ihm zu öffnen. Trotzdem merkt man deutlich, dass er eine höhere Position in der Hierarchie einnimmt. Die anderen gehen ihm aus dem Weg, lassen ihm den Vortritt und senken die Augen, wenn er sich ihnen nähert. Nur wenige sehen ihn direkt an oder wages es sein „Hallo“ zu erwidern.

 

Die Schwimmhalle ist ein großer Raum mit zwei Pools darin und je einer Sitzbank an der Wand. Ein Becken ist mit blauen Fliesen ausgekleidet, das andere mit grünen. Das grüne Becken ist noch dazu mit einem kleineren durch einen schmalen Durchgang verbunden, den ein Metallgitter versperrt. Zwei weitere Türen führen zu Umkleidekabinen und Duschen. Es riecht nach Meer und auch ein bisschen nach Fisch, vermischt mit dem typischen chlorhaltigen Hallenbadgeruch.

 

Außer einem Mädchen, das auf der Bank sitzt und Eren fast übersehen hätte, sind keine anderen Menschen hier. Das Mädchen ist ein bisschen jünger als Eren, vielleicht zehn oder elf Jahre. Sie ist dünn, hat ihre braunen Haare zu einem Dutt hochgebunden und trägt einen pinken Bikini mit einem Rock. Ein flauschiges Handtuch hängt um ihre Schultern. An ihrem Unterarm kann Eren FKM-021 und ein S darunter erkennen.

 

Irgendwie wirkt sie nicht sehr glücklich, so gedankenverloren wie sie zum hinteren Teil der Schwimmhalle sieht, dort wo das kleinere grüne Becken liegt.

 

Das ist das erstemal, dass Eren sie sieht. Ob sie neu ist? Natürlich kann sie auch schon ewig hier sein und Eren ist ihr einfach noch nicht über den Weg gelaufen. Immerhin der Bunker riesig und es leben hier sehr viele Menschen mit besonderen Fähigkeiten in Sicherheit vor der Außenwelt und deren Bewohnern, die solche wie sie nur rücksichtslos ausnutzen und benutzen wollen.

 

Als die Tür hinter Eren ins Schloss fällt und der Schlag als Echo im Raum widerhallt, schreckt die Brünette hoch. Sie springt schnell auf die Füße, taumelt kurz und wird vor Verlegenheit ganz rot im Gesicht. Mit den Fingern knetet sie die Ecke ihres Handtuchs und starrt schüchtern ihre Zehen an, die in Badeflipflops stecken. Ihr „Hallo“ ist so leise, dass Eren es ohne sein gutes Gehör vermutlich gar nicht gehört hätte.

 

„Hi“, grüßt Eren freundlich zurück. „Ich bin Eren. Bist du meine Trainingspartnerin?“

 

Das Mädchen nickt.

 

Als sie nach ein paar Sekunden immer noch kein Wort sagt, fragt der Junge weiter: „Also, wie heißt du?“

 

„Wilma“, nuschelt sie in ihren nicht vorhandenen Bart.

 

Sehr gesprächig ist die ja nicht.

 

Lass sie. Sie ist eben schüchtern.

 

Dem Jungen ist es ganz recht, dass seine Trainingspartnerin keine Quasselstrippe ist. So hat er diesen Punkt schneller abgehakt ohne Ablenkungen, die das Training in die Länge ziehen. Eren geht an Wilma vorbei in die Umkleide, um sich umzuziehen und die Reste des Apfels zu entsorgen. Wenige Minuten später sitzt er in Badeshorts am grünen Beckenrand. Das Wasser ist kalt, weshalb sein Oberkörper von einer leichten Gänsehaut überzogen ist.

 

„Fangen wir an?“, fragt Eren das Mädchen.

 

Wilma nickt zaghaft, legt das ordentlich zusammengefaltete Handtuch auf die Bank und tritt ans Becken heran. Anstatt sich wie Eren zunächst hinzusetzen, springt sie einfach kopfüber ins Wasser. Kurz darauf taucht sie wieder auf, die Wangen leicht rosig und die Augen auf die Wasseroberfläche gerichtet.

 

„Weißt du, wie lange das hier dauern soll?“ Darüber stand nämlich nichts in Erens Stundenplan. Der Zwölfjährige lässt sich komplett in den Pool sinken und schwimmt ein paar Züge in die Mitte.

 

„Herr Ajax sagte, solange Ihr die Luft anhalten könnt. Es sollen aber mindestens 30 Minuten sein, sonst bekommen Sie eine Strafe“, murmelt Wilma ans Wasser gerichtet.

 

Eren rollt leicht mit den Augen. War klar, dass Ajax dafür gesorgt hat, dass es Strafen gibt, auch wenn er selbst nicht anwesend ist. „Okay. Wegen mir kann´s losgehen.“

 

Wilma nickt, dann taucht sie auch schon ohne Luft zu holen unter. Eren dagegen atmet zuvor den Kohlendioxid aus, um anschließend tief Luft zu holen und taucht dann erst unter. Unterwasser erwartet ihn erst einmal eine ungewöhnliche Show. Wilma krümmt sich vor Schmerz, hat die Augen geschlossen und den Mund zu einem stummen Schrei geöffnet. Ihre Zähne sind spitz, wie die eines Haifischs, die Nägel sind zu Krallen geworden und ihr Körper ist komplett von kleinen rot-lilafarbenen Schuppen bedeckt. Die Beine sind verschwunden, stattdessen schlägt ein Fischschwanz durchs Wasser. Entlang ihrer kompletten Wirbelsäule bis hin zur Schwanzflosse zieht sich eine niedrige, durchsichtige Flosse.

 

*Eine Meerjungfrau?*, staunt Eren, dem im letzten Moment noch eingefallen ist, dass er den Mund besser geschlossen hält.

 

Sie ist niedlich.

 

Niedlich? Ich finde sie sieht aus wie ein zu groß geratener Fisch.

 

Wilma öffnet ihre Augen, die komplett gelb geworden sind, ohne erkennbare Sklera, mit einer schlitzförmigen Pupille. Trotzdem schimmert ihr unsicheres Wesen hindurch. Besonders als sie verlegen den Kopf wegdreht und mit zwei Schwanzschlägen zum Gittertor schwimmt, um dieses zu öffnen.

 

Eren hat schon in Büchern über übernatürliche Wesen aus Flaurana von Sirenen gelesen, aber noch nie eine live gesehen. Geschweige denn gegen eine gekämpft. In den Büchern stand nichts darüber, wie man Kräfte, wie die seinen, gegen Meerjungfrauen einsetzt.

 

Wilma schwimmt zurück in die Mitte des gut fünf Meter tiefen Beckens. Und sie ist nicht mehr allein. Ein ganzer Schwarm von Nadelfischen huscht um sie herum. Die kleinen glatten Körper schimmern silbern im Licht der Neonröhren. Ihre spitzen Schnäbel sehen schmerzhaft aus. Nach ein paar Sekunden haben sich die Nadelfische etwas beruhigt und sind bereit für den Kampf. Alle Schnäbel auf Eren gerichtet warten sie auf Befehle von Wilma.

 

„Bereit?“, möchte die Sirene wissen.

 

Eren hebt den Finger als Zeichen, sie solle noch eine Sekunde warten. Der Junge schwimmt an die Oberfläche zurück, holt noch einmal tief Luft und taucht dann wieder auf die Höhe von Wilma. Mit einem Nicken gibt er ihr das Startzeichen und macht sich bereit. Schon beginnt das Training. Nur eine kleine Handbewegung genügt und die Fische gehorchen sofort dem stummen Befehl des Mädchens. Der Schwarm rast auf Eren zu, bereit ihn mit ihren gefährlichen Schnäbeln zu durchbohren.

 

Während Wilma selbst nur im Hintergrund ihre fischige Armee lenkt, hat Eren alle Hände voll zu tun, um nicht von den Fischen getroffen zu werden. Es ist ein Ausweich- und Ausdauertraining für Unterwasserkämpfe, weshalb es Eren untersagt ist selbst anzugreifen oder seine Kräfte zur Verteidigung zu nutzen. Nur ausweichen, mehr ist verboten und wird bestraft.

 

Die nächsten 33 Minuten weicht der Junge den Fischen aus, die ihn ohne Pause von allen Seiten attackieren. Durch ihre hohe Zahl treffen ihn die Angriffe immer häufiger, je mehr Zeit vergeht. Überall an seinem Körper hat er kleine Einstiche, die zwar relativ schnell verheilen, aber dennoch schmerzhaft sind und zu ungesundem Blutverlust führen. Das Wasser hat schon bald eine leicht rote Farbe angenommen. Hinzu kommt noch der Sauerstoffmangel, der ihm immer schlimmere Kopfschmerzen bereitet bis er merkt, dass er kurz vor einer Ohnmacht steht. Da hat er das Training beendet, ist aufgetaucht und hat gierig Sauerstoff inhaliert.

 

Der nächste Punkt seines Stundenplans ist eine Reihe von gewöhnlichen Muskelübungen mit allerlei Geräten, die man auch in Fitnessstudios findet. Eren hat schon längst bemerkt, dass all seine Trainingspunkte heute so gewählt wurden, dass kein Ajax danebenstehen muss, um ihn kritisieren zu können. Am liebsten hätte er dann einfach geschwänzt, nur leider hat er entweder einen Trainingspartner oder andere heimliche Aufpasser in der Sporthalle, die sicher Ajax petzen würden, wenn er sich vor den Übungen drückt. Außerdem gibt es überall versteckte Kameras. So bleibt ihm nichts anderes übrig als mitzumachen.



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