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Eren

Geheimnisse der Turanos
von

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No-Go an Halloween

„Denk dran, Eren, es ist kein Vergnügungsausflug, es ist eine Mission.“ Und da ist er, Ajax´ berühmt berüchtigerter Vortrag vor Missionsstart. „Nimm sie ernst oder ich werde Vater bitten müssen, dich von dem Auftrag abzuziehen. Es gibt auch andere Methoden, um den Jungen zu einer Antwort zu zwingen. Leider sind die aber nicht gerade unauffällig und der Junge würde uns erhebliche Probleme bereiten, wenn er uns mit seiner Entführung in Verbindung bringen könnte. Das heißt, es wäre für uns besser, wenn die Zielperson dann einfach verschwunden bleibt. Entweder als neues Mitglied unserer Bunkerfamilie oder eben als unvermeidbarer Kollateralschaden.“

 

Eren und sein Bruder sind auf dem Weg zum Eiscafé FrostYum, wo Max bereits auf ihn wartet, wie er ihm vor zwei Minuten geschrieben hat. Für Ajax bedeutet das natürlich: Eren ist zu spät. Und ein Turano kommt nicht zu spät. Und das bedeutet, noch mehr Strafe. Was genau, weiß der Junge allerdings noch nicht. Dazu hat sich sein Bruder noch nicht geäußert. Dafür ist er auch zu beschäftigt mit Vorträgen über das Turano-Niveau und Warnungen und Erinnerungen, wie er sich zu benehmen hat und wie die Mission seiner Meinung nach schneller abgeschlossen werden könnte und blablabla ... Als wüsste Eren das alles nicht schon längst.

 

Naja, zumindest muss er deshalb kein schlechtes Gewissen haben, weil er nur mit einem Ohr zuhört und seine Aufmerksamkeit mehr auf die Heilkräfte richtet, die noch immer geringer sind als er es gewohnt ist. Er ist wirklich froh über die Schmerzmittel von Dr. Ryu, die Handgelenke und Knöchel sind zwar inzwischen größtenteils verheilt, aber dennoch fühlt es sich so an, als wäre jede Zelle verkrampft, er hätte den schlimmsten Muskelkater seines Lebens und nebenbei ist ihm auch noch immer schwindelig. Im Großen und Ganzen alles Dinge, die er zum Glück gut überspielen kann. Das Schmerzresistenztraining ist doch zu etwas nütze.

 

„Ich weiß, Ajax. Ich verspreche, ich werde alles tun, um die Mission heute abschließen zu können“, verspricht der Junge feierlich und meint es auch so, denn Ajax´ Vorstellung vom Abschluss der Mission gefällt ihm nicht. Zumindest nicht die Variante, in der Max als Kollateralschaden sterben soll. Deshalb hat er sich fest vorgenommen heute alles daranzusetzen, um die Kräftefrage zu klären. Auch wenn es bedeutet, dass dann seine Schulzeit mit Freunden - manche mehr, manche weniger - vorbei ist.

 

Ajax biegt dem Navi folgend an der nächsten Ampel ab und die mechanische Stimme verkündet, dass das Ziel in fünfhundert Metern erreicht ist. Sie sind im äußeren Vorstadtring von Haikla City unterwegs, hier gibt es keine Wolkenkratzer oder riesige Firmen und Parkhäuser, hier sieht alles kleiner aus. Wohnhäuser mit maximal zwei, in seltenen Fällen drei Etagen reihen sich aneinander, ab und zu sieht man Geschäfte, Restaurants und Läden und dazwischen überall Bäume in herbstlichem Look. An jeder Ecke hängen Gespenster von den Straßenlaternen, die Gebäude sind mit allerlei Halloweendeko verziert, die verschiedensten Kürbislaternen brennen bereits vor den Häusern und die ersten kostümierten Kinder sind mit Körben in Kürbisform unterwegs, um von Fremden ihren Zuckervorrat auffüllen zu lassen. Sogar Hunde in Hot Dog- und Bienenkostümen begleiten die Süßigkeitenjäger. Für Eren ist das alles immer noch skurril, gemischt mit faszinierend und verwirrend.

 

Es wird sogar noch schräger als das Eiscafé in Sicht kommt. Es befindet sich direkt an einer Kreuzung mit einer Terrasse davor, auf der sogar noch Gäste sitzen und einem Torbogen daneben, der in den hinteren Gartenbereich führt. Das Schräge daran ist der bekannte Blondschopf am äußersten Tisch, der sich immer wieder ungeduldig umsieht. Eren musste zweimal hinsehen, um den Jungen zu identifizieren. Er ist doch tatsächlich kostümiert. Und wie! Von Kopf bis Fuß steckt er in einem Kürbiskostüm, bestehend aus grün-schwarz gestreiften Leggins und Pullover, einem bauchigen, breit grinsenden Kürbis darüber, orangefarbenen Turnschuhen und einer grünen Haube mit Blättern. Echt jetzt? So traut er sich auf die Straße? Eren fängt schon jetzt an sich fremdzuschämen, muss aber trotzdem belustigt schmunzeln.

 

Ajax findet es ganz und gar nicht so amüsant. „Was hat der denn bitte an? Weiß der Bengel nicht, dass er zu alt für Verkleidungen ist?“ Der Turano stöhnt genervt. „Hoffentlich erkennt dich niemand. Wenn herauskommt, dass sich ein Turano mit so jemanden in der Öffentlichkeit blicken lässt, war´s das mit dem guten Ruf.“

 

„Anscheinend gehören solche Kostüme zu Halloween eben dazu“, versucht Eren schulterzuckend Max zu verteidigen und deutet auf die anderen kostümierten Menschen. Manche sind sogar noch älter als Max und Eren.

 

„Mag sein, trotzdem ist es lächerlich“, entscheidet Ajax und parkt direkt vor dem Eiscafé. Den Motor lässt er laufen. „Lass dich nicht ablenken, er ist nicht dein Freund, er ist deine Zielperson und außerdem weit unter dem Turano-Niveau. Vergiss das niemals.“

 

Innerlich rollt Eren mit den Augen. Wieso muss sein Bruder das immer und immer wieder wiederholen? So kennt doch eh schon alle Vorträge in- und auswendig. „Ich weiß, Ajax. Ich werde dich nicht enttäuschen.“

 

„Das will ich auch hoffen“, rät der ältere Turano und entlässt Eren mit einem Nicken zur Beifahrertür.

 

Der Zwölfjährige dreht sich zur Tür um und zuckt sofort erschrocken zurück. Mit einem Kürbisgesicht direkt vorm Autofenster hat er jetzt ganz und gar nicht gerechnet. Natürlich hat Max sie schon längst bemerkt und ist an den Mustang herangetreten, um direkt vor Erens Fenster auf diesen zu warten. Eren öffnet kopfschüttelnd die Tür und steigt aus.

 

„Hey, Eren, immer noch so schreckhaft?“, witzelt der Grünäugige verschmitzt.

 

„Du bist so ein Dödel“, begrüßt Eren den Blonden, der nicht im geringsten so aussieht, als würde es ihm leidtun.

 

„Eren, achte auf deine Ausdrucksweise“, ermahnt ihn Ajax sofort, der sich etwas zur Seite gebeugt hat, um seinem Bruder ins Gesicht sehen zu können.

 

„Entschuldigung, Ajax.“

 

Der Mann schnaubt missbilligend. „Schreib mir, wenn ich dich wieder abholen kann oder irgendwas ist.“

 

„Keine Sorge, Mr. Erens Bruder, ich werde schon auf ihn aufpassen“, verspricht Max und legt Eren einen Arm um die Schultern.

 

Ist Eren der einzige, der das abgeneigte Funkeln in den braunen Augen bemerkt? Der junge Turano befreit sich von Max und versichert seinem Bruder erneut: „Ich hab alles im Griff, Ajax. Bis später.“

 

Ajax verzieht kurz nicht überzeugt das Gesicht ehe er sich im Fahrersitz aufrichtet. „Gut. Bis nachher.“

 

Eren schlägt die Tür zu, tritt einen Schritt vom Wagen weg und sieht ihm hinterher bis er bei der nächsten Kreuzung verschwunden ist. Und jetzt steht er das erste Mal allein, ohne Bodyguard, Babysitter, seinem Vater oder Ajax mit einem außenstehenden Jungen im Kürbisanzug in einer ihm völlig fremden Umgebung. Irgendwie fühlt es sich ungewohnt an, aber auch ein Stückchen nach ... Freiheit?

 

„Also, was jetzt?“, möchte Eren wissen und dreht sich zu Max um. Der Blonde hat einen äußerst angestrengten Gesichtsausdruck aufgesetzt, eine Hand am Kinn und mustert ihn kritisch von Kopf bis Fuß. „Geht´s dir gut?“

 

„Ja, ich versuch nur herauszufinden, als was du verkleidet bist“, antwortet Max grübelnd.

 

Eren sieht an sich hinunter. Wieso verkleidet? Mit der blauen Jeans, dem weißen Sweatshirt und der schwarzen Jacke darüber sieht er doch ganz normal aus. Und seine Male sind auch nicht zu sehen. Mit hochgezogener Augenbraue und die Hände in die Taschen gestopft sieht er den Kürbisjungen an. „Ich geh als Eren Turano.“

 

„Was?! Du kannst nicht als du selbst gehen!“, meint Max entrüstet.

 

Der Turano zuckt mit den Schultern. „Ich sagte doch, ich zieh kein Kostüm an.“

 

„Ja, aber ich dachte, das wäre eine Lüge, weil du mit einem supercoolen Kostüm aufkreuzen willst“, gesteht Max mit Schmollmund. „Ich dachte nicht, dass du dich wirklich nicht verkleidest. Hast du zumindest eine Tasche dabei?“

 

„Eine Tasche? Wozu?“, fragt Eren und legt den Kopf leicht schräg.

 

Max sieht so aus, als würde er nicht wissen, ob er das glauben soll oder nicht. „Na, für die Süßigkeiten? Wo willst du deine Beute sonst hin tun?“

 

„Ich hatte nicht vor welche mitzunehmen. Ich dachte, ich spende sie einfach dir“, erfindet Eren schnell eine Ausrede. An so etwas wie eine Tasche auf einer Süßes oder Saures-Tour hat er selbstverständlich nicht gedacht. Wie auch, wenn er so was noch nie gemacht hat?

 

„Magst du etwa keine Süßigkeiten?“

 

„Keine Ahnung“, antwortet Eren ehrlich und verlegen zugleich. „Ich hab noch nie welche probiert.“

 

Ungläubig weiten sich die grünen Augen, sodass Eren Angst hat, dass sie gleich aus seinem Schädel plumpsen. „Wie jetzt? Du hast wirklich noch nie Süßes probiert? Schokolade? Gummibärchen? Kuchen?!“

 

Bei jeder Aufzählung schüttelt der Junge den Kopf. „Ich hab doch schon mal erwähnt, ich hab ´nen ziemlich strengen Ernährungsplan.“

 

Fassungslos starrt der blonde Kürbis ihn einfach nur an. Sein Mund öffnet und schließt sich wie bei einem Fisch.

 

„Kannst du bitte damit aufhören? Die Leute gucken schon“, bittet Eren, dem aufgefallen ist, dass ein paar Passanten zu ihnen hinübersehen. Hoffentlich erkennen sie ihn nicht. Ach, woher denn? Trotzdem, Vorsicht ist besser als Nachsicht, wie Ajax jetzt sagen würde.

 

„Tschuldigung.“ Max schüttelt kurz den Kopf und klatscht sich gegen die Wangen, was die Aufmerksamkeit nicht gerade verringert. „Alles wieder gut. Dann ist heute eben eine zweifache Premiere für dich.“

 

Als er wieder zu dem Turano sieht, hat er ein viel fröhlicheres, hinterhältigeres Gesicht aufgesetzt. Irgendwie gefällt das Eren überhaupt nicht.

 

„Alles okay bei dir?“, möchte er vorsichtig wissen. „Du siehst aus, wie das berüchtigte Honigkuchenpferd.“

 

„Meinst du nicht berühmt?“, verbessert Max ohne seine Mimik zu ändern oder zu leugnen.

 

„Nein, berüchtigt. Wenn jemand so breit grinst, führt er meist irgendwas im Schilde“, erklärt er und kneift wachsam die blauen Augen zusammen. „Also, was hast du vor, Max?“

 

„Gut, erwischt. Komm mit.“

 

Ohne auf eine Antwort zu warten, packt Max kurzerhand Erens Handgelenk und zieht ihn hinter sich her, vorbei an Robotern, Vampiren und Zombies, ignoriert dabei jedes Wort aus Erens Mund und grinst weiter vor sich hin, ohne auch nur daran zu denken seinen Plan zu erklären.



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