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Die Rumtreiber und der Fluch des Siegelrings

Slow Burn Remus/Sirius | abgeschlossen
von

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Macht kommt von machen - Juni 1976 (2/9)

„Das passt alles zusammen“, sagte James grimmig. Sie saßen auf ihren Betten im Schlafsaal. Nur Sirius setzte sich neben Remus, als der seine Erzählung beendete.

„Ja“, pflichtete Sirius James bei. „Ich habe mich schon die ganze Zeit gewundert, warum Slytherins buchstäblich neben ihrer Haustür einen Mord – naja, nicht ganz, aber fast – begehen würden. Nicht gerade listig, oder?“

„Schon –“, setzte Remus an.

James ließ ihn nicht ausreden: „Und Alinac ist ein Ravenclaw. Der wusste vermutlich als einer der Ersten, dass die beiden Jungs Muggelstämmige sind.“

„Ja, aber –“

„Und er ist klug genug, es den Slytherins in die Schuhe zu schieben“, warf Sirius wieder ein.

„Und wie wir alle wissen, werden nicht nur Slytherins zu schwarzen Magiern, oder? Über Weihnachten haben die Auroren doch zum Beispiel Cybele Lovegood festgenommen. Das stand dick in der Zeitung. «Erster Erfolg des neuen Zaubereiministers Harold Minchum.» Die war eine Hufflepuff und sitzt jetzt für Mord in Askaban.“ James sah düster in die Runde. „Nur weil niemand von uns sich das vorstellen kann, heißt das nicht, dass es nicht auch Hufflepuffs, Gryffindors und Ravenclaws gibt, die heimlich glauben, dass Muggel und Muggelstämmige nichts wert sind. Mit dem richtigen Anreiz kann ich mir gut vorstellen, dass welche überlaufen. Oder schon immer auf der dunklen Seite standen.“

Remus nickte so betreten, dass Sirius ihm einen Arm um die Schulter legte. Er lehnte sich kurz in die Berührung, dann sagte Remus: „Trotzdem haben wir keinen Beweis.“

„Schon. Aber brauchen wir denn einen?“, fragte Peter, der nervös an seiner Socke herumzog. „Wir könnten doch einfach den Lehrern sagen, was du gesehen hast, und dann behalten sie ihn im Auge.“

„Du willst das den Lehrern überlassen?“, gab James mit leicht fassungslosem Blick zurück.

„Also…“, murmelte Peter, aber Sirius überrollte ihn bereits:

„Wir sollten Alinac beschatten. Moony kann ja jetzt Leute aufdecken“, er drückte Remus‘ Schulter, dann ließ er ihn los, „wir haben den Tarnumhang, sind zu viert… Wurmschwanz könnte sogar als Ratte spionieren.“ Seine grauen Augen leuchteten. „Wir könnten ihn erwischen.“

„Aber wir haben noch Prüfungen. Und dann ist das Schuljahr fast zu Ende.“

„Müssen wir ihn eben schnell erwischen.“

„Das müssen wir sowieso. Wir können doch nicht riskieren, dass er noch irgendjemand anderes angreift“, warf James ein.

„Wenn er es denn überhaupt war.“

„Ja, Moony, wenn er es überhaupt war.“ James rollte die Augen. „Genau das rauszufinden, ist doch das Ziel, oder?“

Remus musste an Lily denken und dann sagte er mit fester Stimme: „Ja.“

 

Am nächsten Morgen teilten die vier sich auf. Während Remus zu seiner Muggelkunde-Prüfung ging und James und Sirius Arithmantik absolvierten, sollte Peter sich verwandeln und in der Verbotenen Abteilung nachsehen, ob das Buch noch da war. Es war schade, dass Alinac es in der Nacht zugeschlagen hatte, aber sie hatten die leise Hoffnung, dass sie anhand dessen, wie die Seiten fielen, doch noch herausfinden konnten, was er gelesen hatte.

Alinac selbst zu überwachen, war unnötig: Er saß mit Sirius und James in der Prüfung („Natürlich hat er nicht Muggelkunde belegt…“) und machte keinerlei Anstalten, irgendjemanden anzugreifen.

„Hat nur die ganze Zeit wie ein Wahnsinniger drauflosgeschrieben“, spottete James beim Mittagessen, „als würde viel Text auch viele Punkte bedeuten…“

Peter reckte immer wieder nervös den Hals, um den Ravenclaw-Tisch im Blick zu behalten.

„Und, hast du was rausgefunden?“, fragte James ihn leise.

„N-nicht wirklich. Das Buch war ziemlich schwer… Ich hab’s nicht sofort aufgekriegt.“

„Du hast dich aber schon zurückverwandelt, oder?“, murmelte Sirius trocken.

„J-ja, irgendwann schon“, antwortete Peter flüsternd und wurde ein wenig rot um die spitze Nase. „Aber auch dann – das Buch hat geheult, als ich es angefasst habe, und dann musste ich mich beeilen. Madam Pince kam angerauscht und hat es wieder ins Regal gestellt. Das Einzige, was ich vorher noch gesehen habe, war der Kapiteltitel: «Opfer-Rituale».“

Sirius zog die Nase kraus, was Remus noch nie gesehen hatte. Auch wenn der Anlass widerwärtig war, der Anblick war irgendwie niedlich.

„Er steht auf“, sagte James plötzlich. Remus und Sirius fuhren herum, um Alinac nach zu starren.

„Ich geh schon“, erklärte Sirius. James drückte ihm unter dem Tisch das Bündel Tarnumhang in die Hand und dann lief Sirius eiligen Schrittes hinaus.

„Was machen wir eigentlich, wenn wir ihn bei irgendwas erwischen? Wir können ihn ja schlecht dabei filmen. Und dann haben wir wieder keinen Beweis.“

„Was meinst du, «filmen»?“, fragte James und musterte Remus neugierig.

„Das ist wie fotografieren, nur dass das Bild sich bewegt.“

„Also… fotografieren?“, fragte James und zog eine Augenbraue hoch.

„Ähm. Ja.“ Remus winkte ab. „Ich meine nur – wie beweisen wir irgendwas?“

James schien auch noch nicht so weit gedacht zu haben. „Gucken wir doch erstmal, was wir entdecken…“

„Ja. Okay.“ Doch Remus ließ der Gedanke nicht los. Was war es denn, bei dem sie Alinac erwischen wollten? Beim Lesen von grauenvollen Büchern? Zu unkonkret. Beim Verhexen von Schülern am helllichten Tag? Zu unwahrscheinlich. Beim Versuch, das Dunkle Mal an den Himmel zu brennen? Zu unrealistisch…

Remus war für den Nachmittag eingeteilt, Kontrollgänge zu machen, da es draußen schüttete und die von den Prüfungen ganz nervösen Schüler größtenteils im Schloss blieben. Doch das hielt ihn nicht davon ab, sich weitere Gedanken über Alinac zu machen. Er streifte vom Erdgeschoss hinauf bis in den vierten Stock und wieder hinunter. Hier und da ermahnte er jüngere Schüler, auf den Gängen nicht zu zaubern, doch wenn sie es weiterhin taten, sobald er sich umgedreht hatte, ignorierte er sie. Im zweiten Stock gab es ein großes Klassenzimmer, in dem die Erstklässler ihre Zauber üben durften. Gelegentlich kam Remus vorbei, um nachzusehen, ob sich bereits einer mit einem schiefgegangenen Flipendo die Zähne ausgeschlagen hatte. Doch die meiste Zeit lief er nur herum und hing seinen Gedanken nach.

Alinac war ihm zwar immer aufgeblasen vorgekommen, und ehrgeizig, aber nie bösartig. Nun gut, als Oliver Smith und Mathilda Miller das Schulsprecher-Paar geworden waren und er nicht, hatte er schon gezeigt, wie missgünstig er war, weil er keine Macht bekommen hatte. Aber Remus konnte sich nicht daran erinnern, dass er jemals seine Verachtung für Muggelstämmige oder seine Verehrung für Du-weißt-schon-wen geäußert hatte. Naja… vielleicht war er dafür einfach zu klug.

Remus lief gerade am Wandbehang, der hinunter in die Eingangshalle führte, vorbei, als er ein seltsames Geräusch hörte. Er runzelte die Stirn. Es klang, als würde Stoff zerreißen.

Da war es wieder.

Mit verengten Augen ging er zum Wandbehang und hob ihn an. Die Treppe nach unten war leer und auch, als er seinen erleuchteten Zauberstab hob, war nichts auszumachen. Stattdessen hörte er wieder das Geräusch. Er ließ den staubigen Wandteppich los und fixierte eine Holztür im Korridor. Es kam von dort. Remus legte ein Ohr an die Tür und lauschte. Diesmal war es ganz deutlich, das Geräusch von zerreißendem Textil. Er kannte es nur zu gut von den Jahren, in denen er während seiner Verwandlung noch seine Kleidung getragen hatte…

Remus löschte seinen Zauberstab und legte die Hand auf den angelaufenen Türknauf. Er wusste, dass hinter dieser Tür ein großer Abstellraum war. Leise drückte er die Tür auf.

Die Vorhänge waren zugezogen und der Raum war spärlich erleuchtet, doch Remus sah sofort, dass ein langhaariger Junge seinen Zauberstab durch die Luft schwang wie eine Peitsche. Er stand mit dem Rücken zur Tür und es schien, als hätte er Remus nicht bemerkt. Überall auf dem Boden lagen kleine weiße Federn verstreut.

Wann immer der Junge den Zauberstab bewegte, zischte etwas durch die Luft, obwohl er kein Wort sagte. Dann sah Remus das, worauf der Junge zielte. Im ersten Moment dachte er, es wäre ein Kind. Doch dann wurde ihm klar: Es war nur ein alter Umhang, ausgestopft mit Kissen, die auf einen Stuhl gestapelt worden waren. Dort, wo die Schultern sein sollten, war ein Polster gegen die dahinterliegende Steinwand gelehnt. Der Junge hatte ihm die Kapuze aufgesetzt, sodass deutlich war, wo der Kopf sein sollte.

Wieder peitschte der Zauberstab wortlos durch die Luft und mit einem lauten Ratschen erschien ein tiefer Schnitt auf der Brust des Ziels. Federn aus dem zerfetzten Kissen stoben auf und segelten lautlos zu Boden. Remus gefror das Blut in den Adern. Wäre das ein echter Mensch, hätte der Junge ihm eine Wunde zugefügt wie von einem Schwert. Der Junge trat ein paar Schritte vor und richtete den Kissenstapel wieder an. Remus erkannte die fettigen Haare und die lange Hakennase.

Auf das Kissen unter der Kapuze war mit Tinte eine Brille gezeichnet.

 

Remus hastete mit donnerndem Herzen hinauf zum Gemeinschaftsraum und erzählte James und Peter, was er gesehen hatte. James‘ Gesicht war blank wie eine leere Tafel, doch Peter fing beinah augenblicklich an zu zittern.

„Was war das für ein Zauber?“, fragte James schließlich.

„Ich weiß es nicht. Snape spricht ja nicht, wenn er zaubert. Aber das war was Böses. Ich hab‘ es gespürt. Er wollte jemandem wehtun.“ Remus hatte unterschlagen, dass der Kissenstapel ausgesehen hatte wie James. Weder wollte er seinem Freund Angst machen, noch, und das schien ihm wahrscheinlicher, wollte er ihm einen Grund geben, direkt nach unten zu stiefeln und Snape in Stücke zu hexen und damit von der Schule zu fliegen.

Remus musste sich ablenken. Da Sirius noch immer nicht wieder aufgetaucht war, machte er sich im Schlafsaal wieder daran, an der Karte zu arbeiten. Zunächst schlug er in Lehrbuch der Zaubersprüche – Band 6 nach, wie er Objekte mit dauerhaften Zaubern belegen und so aus gewöhnlichen Gegenständen magische Artefakte machen konnte. Dann setzte Remus sich im Schneidersitz auf den Fußboden, das gelbliche Pergament vor ihm auf den Holzdielen.

Peter schaute ihm interessiert zu, als er den Zauberstab hob, während James nur aus dem Fenster zum Quidditch-Feld hinüberstarrte. Dadurch, dass Madam Hooch dieses Jahr früh auf Heilurlaub hatte fahren müssen (im frühen Herbst war sie von einem Klatscher böse an der Schläfe getroffen worden und seit daher nicht ganz die Alte gewesen), war die Saison zusammengerafft und das Finale bereits im April ausgetragen worden. Inzwischen hatte James seit knapp zwei Monaten kein Spiel mehr gemacht. Er schien ein wenig zu leiden, oder nachzudenken.

Remus fasste die Karte fest in den Blick und konzentrierte sich darauf, was sie als Ergebnis seines Zaubers tun sollte, nicht, was sie sein sollte. Dann murmelte er „Homeni Revelii“ und führte die Zauberstabbewegung so aus, dass das Ziel eindeutig das Pergament war.

Peter sog geräuschvoll die Luft ein und daraufhin kam James herüber, um einen Blick auf die Karte zu werfen. Die feinen Grundrisse aus Tintenlinien waren auf einmal gefüllt mit hunderten kleinen schwarzen Punkten. Ab und zu wuselte ein Punkt von einem Ort zum anderen, durchschritt Türen und Korridore, schlüpfte Treppen hinauf und Geheimgänge entlang. James pfiff leise durch die Zähne: „Hübsch, Moony.“

Und jetzt sah Remus auch, was das Beste an dem Ganzen war (wenn ein einzelner Klecks sich bewegte, war es besonders deutlich): Jeder einzelne Punkt war versehen mit dem winzigen Namen derjenigen Person, die er verkörperte, geschrieben in einer krakeligen Handschrift – Remus‘ Federkiel-Handschrift. „Deine Sauklaue kann man zwar kaum lesen, aber das sollte ausreichen“, grinste James. „Guckt mal hier, Tatze!“

Und tatsächlich. Remus sah, wie ein winziger schwarzer Punkt mit der Beschriftung «Sirius Black» langsam in einem verlassenen Korridor auf und ab lief. Er befand sich im Westflügel des Schlosses. Am Ende führte eine schmale Wendeltreppe hinauf in einen Turm, den Ravenclaw-Turm. Oben im kreisrunden Gemeinschaftsraum der Ravenclaws (sie hatten ihn vorerst so eingezeichnet, wie sie ihn sich vorstellten, denn sie waren noch nicht dort gewesen) tummelten sich dutzende Punkte und Namen.

„Könnt ihr Alinac sehen?“, fragte Remus und hob die Karte vom Boden an, um sie sich mit zusammengekniffenen Augen näher ans Gesicht zu halten. „Ach ja, da ist er!“

Und als hätte David Alinac ihn gehört, bewegte sein kleiner Punkt sich zur Tür des Gemeinschaftsraums, trat hinaus und begann, die Wendeltreppe hinabzusteigen. Als er Sirius‘ Korridor erreichte, hielt Sirius‘ Punkt in seinem Herumgetigere inne und drückte sich an die Wand. Im nächsten Moment begann er, Alinac zu verfolgen.

„Das ist wirklich der Wahnsinn“, murmelte James. Sie beobachteten, wie Sirius Alinac durch drei Stockwerke nachschlich, dann durch den Geheimgang hinter dem Wandbehang, und schließlich durch die Eingangshalle bis nach draußen. Auf den Ländereien blieben sie erst stehen, als sie den Waldrand erreicht hatten.

„Was machen die da?“, fragte James erstaunt. „Es schüttet immer noch!“

„Sirius trägt sicher den Umhang. Alinac muss denken, er wäre allein.“

„Ja, aber da? Da ist doch nichts. In der Gegend musste ich mal Büsche entgnomen, weil Hagrid ein neues Kürbisbeet anlegen wollte. Da ist dann aber nie was draus geworden, sinnlosestes Nachsitzen überhaupt…“

„Schaut mal!“, sagte Peter und deutete weg von Sirius und Alinac. Stattdessen verfolgten sie, wie soeben Severus Snape und Regulus Black durch die Kerkertür aufgetaucht waren und sich nun durch die Eingangshalle in Richtung Eichenportal bewegten.

„Ihr glaubt doch nicht…“

„Finden wir’s raus“, sagte James entschlossen, sprang auf und zückte seinen Zauberstab.

Die drei nahmen die Beine in die Hand, während Remus die Karte sicher in der Innentasche seines fadenscheinigen Umhangs verstaute.

„Ach, wartet mal!“, sagte James, als sie bereits unten im zweiten Stock waren.

„Tatze?“, flüsterte James im Laufschritt in den Taschenspiegel, den er hervorgezogen hatte. „Tatze!“

Es dauerte einen Moment, dann hörten sie Sirius‘ Stimme aus James‘ Spiegel kommen. „Krone?“

Remus sah von der Seite her ein graues Auge in der Spiegelung.

„Snape und dein Bruder kommen. Wir glauben, dass sie sich mit Alinac treffen wollen. Wir kommen auch. Wir schleichen zwischen den Bäumen lang, sonst sehen sie uns. Komm zu diesem Baumstumpf mit den Pilzen, den wir neulich gesehen haben!“

„Okay, aber woher –“

„Erzählen wir dir gleich.“

Als Remus, Peter und James den Waldrand erreichten, waren sie bereits durchnässt. Alinac, Snape und Regulus Black standen zusammengedrängt im Regen und diskutierten miteinander. Snape klebte das lange nasse Haar am Kopf. Remus beobachtete, wie Regulus immer wieder Blicke über die Schulter warf und eindeutig wie jemand aussah, er nicht beobachtet werden wollte. Er verengte die Augen.

Im nächsten Moment zog Sirius neben ihm den Tarnumhang vom Kopf und Remus zuckte erschrocken zusammen. Sirius grinste, sagte aber nichts. Seine Haare waren von der Feuchtigkeit aufgewirbelt.

„Hast du mitgekriegt, worüber sie reden?“, fragte James mit leiser Stimme.

„Ich bin mir nicht ganz sicher. Aber es klang danach, als würden sie einen Ort suchen.“

„Okay…“ Remus runzelte die Stirn. Von hier konnten sie nicht hören, was die drei besprachen, aber als sie sich plötzlich in Bewegung setzten, schoben die vier Gryffindors sich tiefer zwischen die dicht stehenden Bäume.

Alinac, Snape und Regulus liefen ein Stück am Waldrand entlang, dann traten auch sie zwischen die Bäume und verschwanden beinahe augenblicklich im Halbdunkel. Remus und die anderen schlichen auf leisen Sohlen vorwärts. Zwischen den engstehenden Bäumen war der Boden fast trocken.

Sie folgten den dreien einige Minuten lang, bis sie auf eine kleine Lichtung hinaustraten. Hier war ein riesiger Baum umgestürzt und hatte ein Loch im dichten Blätterdach hinterlassen. Der Wurzelballen lag auf der Seite, mit abgebrochenen Wurzeln, die in die Höhe zeigten. Die Gryffindors versteckten sich dahinter, sodass das tote Holz wie eine Wand zwischen ihnen und den anderen dreien aufragte.

Sirius legte den Zeigefinger an die Lippen, warf sich den Tarnumhang wieder über (James zuckte unwillkürlich) und stahl sich weiter vorwärts. Überall lag trockenes Laub und auch, wenn man Sirius nicht sehen konnte, konnte man ihn dennoch hören.

„Was war das?“, hörte Remus Regulus laut fragen.

„Das hier ist ein Wald. Glaubst du etwa, wir wären alleine?“, schnarrte Snape als Antwort, dann wandte er sich offenbar Alinac zu. „Also? Ist dir dieser Ort genehm?“ Seine Stimme war gedehnt, gelangweilt.

„Er wird ausreichen, denke ich…“, gab Alinac ebenso herablassend zurück.

„Wie schnell kannst du fertig sein?“, fragte Regulus, als wartete er schon seit Wochen darauf, diese Frage stellen zu können.

„Das hängt davon ab, wie schnell –“

Snape schnalzte mit der Zunge. „Das will ich gar nicht wissen. Lasst mich raus aus eurem Spiel.“

Remus hörte, wie sich Fußschritte über den Waldboden bewegten. Er war sich nicht sicher, ob es Snape war, der sich verziehen wollte, oder Sirius, der näher heranschlich.

„Ich sag euch, irgendwas ist da!“, rief Regulus mit seiner Kinderstimme und dann murmelte er: „Lumos.“

Remus lauschte angestrengt, aber es war kein Laut zu hören. Dann, nach und nach, bewegten sich zögerliche Schritte in ihre Richtung. Alarmiert starrte er James und Peter an. Ihm schlug das Herz bis zum Hals.

Geistesgegenwärtig zückte James den Zauberstab, doch Remus schüttelte vehement den Kopf. Wenn sie sich durch Zauber verrieten, würden sie nie herausbekommen, worum es hier ging.

Mit einer ruckartigen Bewegung deutete er auf Peter. Der zuckte zusammen, als hätte er ihn geschlagen. Remus sah ihn auffordernd an und James, dem ein Licht aufzugehen schien, nickte aufgeregt. Auf der anderen Seite der Wurzeln trat Regulus näher.

Peter schloss mit angestrengtem Gesichtsausdruck die Augen, schmolz zu seiner Rattenform zusammen, dann raschelte er durch das Laub um die Wurzeln herum und zeigte sich den drei anderen.

„Ach, nur eine Ratte“, sagte Alinac abfällig, auch wenn Remus sich sicher war, ein erleichtertes Seufzen zwischen seinen Worten zu hören. Remus hob mit spitzen Fingern Peters zurückgelassene Kleidung auf.

„Na gut…“ Der Lichtschein, der leicht über den Wurzelstamm hinweggestrahlt hatte, entfernte sich wieder. Dennoch zog jetzt auch Remus seinen Zauberstab. Nur für alle Fälle.

„Nun“, schnarrte Snape lustlos, „wenn ihr mich nicht mehr braucht, gehe ich jetzt. Macht, was ihr wollt.“

„O-okay“, gab Regulus zurück.

Noch im gleichen Moment hörten sie, wie ruckartige Schritte und das Schleifen eines Umhangs leiser wurden. Für einen Moment war es still und Remus stellte sich vor, wie die zwei dort draußen sich ratlos ansahen, jetzt da ihr Vermittler verschwunden war.

„Bis wann brauchst du das Ergebnis?“, fragte Alinac schließlich.

„Auf jeden Fall vor Schuljahresende“, gab Regulus sofort zurück. Er klang ein wenig atemlos.

„Das ist kein Problem, solange du mir bringst, was ich brauche.“

„Aber wie soll ich das denn machen? Überall sind Lehrer, Vertrauenssch–“

„Das ist nicht mein Problem“, antwortete Alinac kalt. „Ohne deinen Beitrag kannst du es vergessen.“

„Na gut“, knurrte Regulus und plötzlich klang er viel mehr wie Sirius. „Ich finde schon jemanden.“

„Gut. Ich brauche danach noch mindestens zwei Tage, also reiz es nicht bis zum Ende aus.“

Regulus antwortete nicht.

„Wenn du nicht noch mehr zu sagen hast, gehe ich jetzt ins Trockene. Ich habe keine Lust, noch von diesem hirnlosen Hagrid im Wald erwischt zu werden.“ Alinac stieß verächtlich die Luft aus. „Auch wenn ich ihm gerne mal einen Fluch auf den Hals hetzen würde.“

„Ich glaube nicht, dass man Hagrid mit Flüchen viel anhaben kann“, gab Regulus kühl zurück. Remus war überrascht – er hatte bisher nicht den Eindruck gehabt, dass der kleine Junge den Älteren widersprechen würde.

„Ach so? Und warum glaubst du das?“

„Ist das nicht offensichtlich?“ Regulus stieß höhnisch die Luft aus. „Find’s doch selbst raus.“

Alinac gab eine Art Grollen von sich, dann machte er sich auf den Weg in Richtung Waldrand. Gerade, als Regulus ihm folgen wollte, gab es ein Rascheln und dann einen erstickten Schrei. Offenbar war er gestolpert. Alinac lachte ihn mit einem kreischenden Unterton aus.

Die beiden verzogen sich ohne weitere Worte. Erst nach über einer Minute traute Remus sich, wieder normal zu atmen.

„Ihr könnt rauskommen“, sagte Sirius. „Sie sind weg.“

„Hast du ihm ein Bein gestellt?“, fragte James grinsend und Sirius hob schmunzelnd die Hände, als wüsste er nicht, worum es ging. Sie hielten sich im Schutz der Bäume, um nicht noch weiter nass zu werden. Peter stand hinter einem Stamm weiter links von ihnen und lugte vorsichtig um die Ecke. Nur sein Gesicht leuchtete zwischen den Stämmen hervor.

„Ich sagte, sie sind weg. Du kannst rauskommen.“

„Oh!“, machte James, dann lachte er. „Remus, gib dem Armen doch mal seinen Umhang, damit er seinen Wurmschwanz verdecken kann.“

Sirius und Remus lachten auf, aber dann erbarmte Remus sich und reichte Peter seine nasse Kleidung.

„Also“, sagte Sirius, „was glaubt ihr, was genau sie vorhaben?“

„Ich bin mir nicht sicher. Aber nichts Gutes. Wofür bräuchte man sonst ein heimliches Treffen im Verbotenen Wald, auf einer abgelegenen Lichtung“, antwortete Remus.

„Davon können wir wohl ausgehen“, gab auch James zurück.

„Sollten wir es jetzt vielleicht einem Lehrer sagen?“, fragte Peter, während er sich seinen Umhang über den Kopf zog.

„Du spinnst wohl!“, rügte James ihn entschieden.

Remus holte die Karte heraus und schaute nach, wo sich die kleinen Punkte namens Regulus Black, Severus Snape und David Alinac befanden.

„Was ist das denn?“, fragte Sirius, der sich neben ihn stellte. Remus konnte den Duft seiner Haare riechen, als Sirius sich eine feuchte Strähne aus dem Gesicht strich.

„Ach das, das ist die Karte.“

Die Karte des Rumtreibers“, sagte James feierlich.

„Des was?“

„Findet ihr nicht, dass es passt?“ Er zuckte die Schultern. „Lily hat uns neulich so genannt… Und sie hat damit schon Recht, oder?“ Remus und Sirius vermieden tunlichst, sich anzusehen.

„Also dann: Die Karte des Rumtreibers. Ich hab‘ sie mit einem Aufspürzauber belegt. Wenn ich alles richtig gemacht habe –“

„– hast du, Moony!“, warf James ungeduldig ein.

„– zeigt sie jede einzelne Person auf dem Gelände, egal ob unsichtbar, verwandelt oder was auch immer. Sie lügt nie.“ Remus nickte ernst.

„Wow“, gab Sirius zurück und nahm ihm das Pergament ab. „Genial. Aber wieso steht da dann «Severus Snape» und nicht «Schniefelus»?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Centranthusalba
2023-11-10T17:01:08+00:00 10.11.2023 18:01
„Büsche entgnomen“ 🤣🤣🤣🤣🤣🤣 Ich musste es zweimal lesen, um es zu kapieren. Hat mich kurz vom Sofa geworfen 😂😂😂😂

Ich vermute, Regulus geht es um den Ring… irgendwie…

Und Remus hat sich mit dem Zauber auf der Karte jetzt selbst ein Bein gestellt. Ich sehe schon James in ihr kleines Liebesnest reinplatzen 🙈🙈🙈
Antwort von:  behrami
10.11.2023 21:48
Hahaha, freut mich, dass ich dich erheitern konnte


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