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Nights of Change

von

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Ich war etwas überrascht darüber, dass er bereits auf dem Fußboden hockte und dort mit seinen Bausteinen baute.

„Oh, Papa“, meinte er, als er mich bemerkte. „Ich bin gerade aufgestanden. Spielst du jetzt mit mir?“

Ich warf einen Blick auf das, was er aufgebaut hatte und schloss, dass er noch nicht sonderlich lange wach war. Damit müsste ich also nicht mit ihm schimpfen, weil er einfach aufgestanden war. Aber richtig war es trotzdem nicht.

„Christian, wenn du beim nächsten Mal aufwachst aus deinem Mittagsschlaf, kommst du bitte erst zu deiner Mama oder mir, okay?“, bat ich ihn ruhig und er nickte.

„Ich wollte ja, aber du hast mit jemandem geredet“, erwiderte er mir. „Da habe ich mich nicht getraut.“

Vielleicht war das auch gut so. Irgendwann würde ich Christian zwar mit dem Mann bekannt machen müssen, der gerade unser Gast war, aber noch nicht jetzt.

„Das ist in Ordnung. Ich habe mit dem Bekannten geredet, der im Moment unser Gast ist und da war es wirklich besser, dass du uns nicht gestört hast“, sagte ich ihm also und hockte mich zu ihm hin, um mit ihm spielen zu können. „Sollen wir das Dorf wieder aufbauen?“

Er schüttelte den Kopf.

„Ich möchte einen Turm bauen, der so hoch ist, wie ich“, verkündete er und grinste.

Ich hatte zwar meine Zweifel daran, nickte aber und begann mit ihm zu bauen.

Wir hatten gerade alle Steine zusammen gesucht, die wir dafür bräuchten, als ich Schritte im Wohnzimmer vernahm, die zu uns kamen, gefolgt von der Stimme des anderen, die nach mir rief.

Mein Sohn schien ihn auch gehört zu haben, denn sein Kopf wanderte in Richtung Zimmertür.

„Ich muss kurz …“, meinte ich zu ihm und wollte mich gerade erheben, als irgendetwas im Wohnzimmer zu Boden fiel.

Dies machte mich stutzig, weshalb ich nun aufsprang und aus dem Kinderzimmer eilte. Der Fremde lag unweit von der Tür am Boden und schien schon wieder nicht bei Bewusstsein zu sein. Außerdem zitterte sein Körper.

Vorsichtig ging ich zu ihm, wobei ich allerdings nicht merkte, dass mein Sohn mir gefolgt war, der verwundert den fremden Mann anstarrte, nach welchem ich da meine Hand ausstreckte.

Sein Fieber war anscheinend zurückgekehrt, denn sein Körper glühte förmlich.

„Was hat er?“, fragte Christian und ich deutete ihm an, dass er nicht näher kommen dürfe.

„Ihm geht es nicht gut und du solltest erst einmal nicht in seiner Nähe sein. Warte bitte in deinem Zimmer“, forderte ich ihn auf und er blieb dort stehen, wo er war, während ich den anderen hochhob.

Ich spürte den schwachen Herzschlag des Mannes, als ich ihn ins Gästezimmer trug und auch, wie sein Körper sich ein paarmal verkrampfte, ehe ich ihn endlich auf das Bett legen konnte. Was auch immer das jetzt war, es war definitiv nicht gut.

Ich beobachtete ihn einen Moment und sah, wie er bei jedem weiteren Krampf sein Gesicht verzog, als hätte er Schmerzen. Vorsichtig streckte ich meine Hand nach ihm aus, doch auf meine Berührung reagierte er überhaupt nicht und blieb bewusstlos.

Lag er hier etwa gerade im Sterben? Ich hatte zwar vorhin darüber sinniert, wie viel einfacher es für mich wäre, wenn er tot wäre, aber ich wollte doch nicht, dass sein Sterben jetzt so ablief.

Ob ich es einfach beschleunigen sollte? Ich könnte ihm ein Kissen auf sein Gesicht legen und ihn damit ersticken oder ich holte mir irgendetwas Spitzes, um es ihm in seine Brust und damit ins Herz zu stoßen. Das würde seine Qualen beenden, fühlte sich aber nicht richtig an.

Vielleicht gehörte dies ja auch zu seiner Verwandlung?

Ratlos beobachtete ich ihn für einen Moment und stellte fest, dass seine Krämpfe weniger wurden und auch das Zittern etwas nachließ. Noch einmal berührte ich ihn, doch immer noch reagierte er darauf nicht und auch sein Fieber war weiterhin hoch.

„Nathaneal?“, vernahm ich die Stimme meiner Frau und drehte den Kopf zur Tür, durch welche sie nun hineinsah. „Was hat er?“

Ich nahm meine Hand von ihm und erhob mich wieder.

„Fieber“, gab ich ihr zurück. „Das scheint wieder zurückgekommen zu sein, nachdem es vorhin eigentlich verschwunden war, und ich überlege gerade, ob dies jetzt heißt, dass er doch stirbt oder nicht, und ob ich es beenden soll oder eben nicht.“

Sie runzelte die Stirn und warf einen Blick zu dem Mann.

„Wir könnten versuchen, ihm das Fieber irgendwie zu erleichtern“, schlug sie dann vor. „Es ist noch nicht so lange her, dass Christian krank war. Vielleicht kann ich ein paar der Dinge, die ich bei unserem Sohn angewandt habe, bei ihm auch versuchen.“

Ich nickte. Einen Versuch war es zumindest wert. Ich war ohnehin gerade nicht so davon überzeugt, diesen Mann zu töten, auch wenn es ihn von seinem Leid erlösen würde. Ich wollte einfach keine vorschnelle Entscheidung treffen.

„Ja, ich denke, dies ist eine gute Idee“, stimmte ich ihr zu. „Wesentlich besser, als es meine war.“

Sie lachte und schüttelte den Kopf.

„Mit deiner Lösung wäre das, was du vorher für ihn getan hast, hinfällig gewesen“, meinte sie und gab mir einen Kuss. „Geh jetzt bitte wieder zu Christian, während ich mich um unseren Gast hier kümmere.“

Ich nickte und wandte mich ab, um wieder zurück zu unserem Sohn zu gehen, der immer noch mit seinen Bausteinen versuchte, einen Turm zu bauen. Neben ihm hockte sein Kuscheltier am Boden.

„Und jetzt der rote Stein“, murmelte er im Spiel, während er einen grünlichen Stein auf den Turm platzierte.

„Der ist aber grün“, korrigierte ich ihn und schritt auf ihn zu. Er sah mich fragend an, als ich ihm einen roten Baustein aus seiner Kiste hervorholte und gab.

Er betrachtete nachdenklich beide Bausteine, ehe er den roten Stein auf dem Turm befestigte.

„Der ist schon hoch, oder Papa?“, fragte er dann und ich nickte, was ihn zu freuen schien. „Der wird so hoch wie ich.“

Noch während er sprach, wackelte sein Turm und brach in sich zusammen. Einen Moment wirkte er überrascht, dann aber bildeten sich Tränen in seinen Augen.

„Hey, nicht weinen“, sagte ich ihm und nahm ihn in den Arm, um ihn zu trösten. „Wir bauen einfach einen neuen Turm, den wir stabiler machen, damit er nicht umfällt.“

Er nickte und ich ließ ihn wieder los, ehe ich mich zu ihm setzte und mit ihm zu bauen begann.

Seine Bausteine reichten zwar am Ende nicht für einen Turm, der so groß wie er war, dafür stand dieser allerdings sehr stabil, nachdem wir ihn fertiggestellt hatten. Christian schien trotz seines nicht erreichten Zieles zufrieden zu sein und hob sein Kuscheltier vom Boden, um mit diesem einmal drum herumzugehen.

„Guck, wie hoch der ist, Benny“, sagte er stolz.

Ich lächelte und warf einen Blick auf die Uhr. Ein wenig Zeit hatten wir noch, bevor es Abendessen für ihn gab.

„Soll ich dir jetzt etwas vorlesen?“, fragte ich ihn daher, doch er schüttelte den Kopf.

„Ich mag mit dir etwas in dem Buch malen, welches ich von Uropa bekam“, erwiderte er mir und drückte mir sein Kuscheltier in die Hand, ehe er zu seinem Schrank ging und dort aus den Schubladen Stifte und ein Heft herausholte. Ich legte sein Tier in sein Bett und ging dann zu ihm.

Das Lernheft, welches er hervorgeholt hatte, hatte er tatsächlich von seinem Urgroßvater bekommen, weil dieser der Meinung gewesen ist, dass die Ausbildung meines Sohnes gar nicht früh genug anfangen konnte. Ich fand es allerdings viel zu früh dafür, auch wenn in diesem Heft lediglich das Nachmalen von Formen und Mustern, sowie Farben geübt wurden.

Stolz schlug er das Heft auf und legte es auf seinen Tisch.

„Guck mal, Papa, das habe ich alles schon gemacht.“ Er zeigte mir ein paar der Übungen, die er bereits erledigt hatte, und ich sah tatsächlich, dass er mit jeder weiteren Seite besser geworden war. Lediglich die Ausmalbilder schienen ihm Probleme zu bereiten, denn diese hatte er kaum beendet oder gar angefangen.

„Heute mache ich das hier“, verkündete er mir, als er auf einer der Übungsseiten hängen blieb, ehe er leise die Spitzen von der Form zählte, die da vor ihm abgebildet war. „Drei. Es hat drei Spitzen. Dann ist das ein Dreieck, oder Papa?“

Er drehte seinen Kopf zu mir und ich nickte, nachdem ich einen Blick in sein Heft geworfen hatte. Er grinste, nahm sich einen Stift und begann die Formen nachzuzeichnen, so wie es ihm das abgebildete Beispiel zeigte.

Ich fand diese Aufgabe noch viel zu schwer für ihn, doch er bewies mir das Gegenteil und zeichnete nach nur zwei Fehlversuchen die Dreiecke so, wie sie verlangt wurden. Vielleicht war er ja doch schon ein wenig weiter als gedacht.

Er beendete diese und die nächste Übung ohne Probleme, stockte dann aber vor dem Ausmalbild. Es sollte anhand von Formen die richtige Farbe für die jeweilige Fläche gewählt werden und es war eigentlich eine der leichteren Aufgaben in diesem Heft.

„Wir haben noch etwas Zeit“, versicherte ich ihm, nachdem ich geprüft hatte, wie spät es war. „Wenn du magst, können wir das Bild ausmalen und dann in die Küche gehen.“

Er schüttelte den Kopf und schlug das Heft zu.

„Ich mag nicht mehr malen. Ich mag jetzt Mama helfen“, entgegnete er mir und stand auf. Dann nahm er sich die Sachen vom Tisch, die er geholt hatte, und brachte sie in die Schublade zurück, aus welcher er sie genommen hatte. Ich sah ihm dabei zu und als er auf mich zukam, nahm ich seine Hand und ging mit ihm ins Wohnzimmer.

Sofort merke ich, dass meine Frau nicht in der Küche war, sondern noch mit unserem Gast beschäftigt war, was mich zwar wunderte, ich mir aber nicht anmerken ließ. Stattdessen setzte ich mit Christian den Weg in die Küche fort, wo er mich, kaum dass wir dort waren, losließ und sich den Hocker holte, der ihm diente, damit er an den Schrank mit den Tellern und Gläsern kam. Wir hatten ihn bereits früh dabei helfen lassen, den Tisch zu decken, daher besaß er auch besagten Hocker, um an die Schränke zu kommen. Allerdings wusste er auch, dass er das nur durfte, wenn einer von uns anwesend war.

Er holte sich einen Teller heraus und stellte diesen vor sich auf der Theke ab, ehe er sich auch zwei Gläser hervorholte. Eines davon gab er mir, dann stieg er von seinem Hocker und brachte den Teller und sein Glas zum Tisch.

„Und Mama?“, fragte ich ihn und er drehte seinen Kopf zu mir um.

„Oh ja, stimmt“, meinte er dann und kam zu mir zurück. „Gibst du mir bitte noch eins heraus?“

Ich nickte und reichte ihm mein Glas, ehe ich mir ein neues aus dem Schrank nahm und es neben mir auf die Theke stellte. Dann holte ich das Brot hervor und platzierte es auf dem Tisch, während Christian zur Tür sah.

„Wann kommt Mama?“, wollte er wissen und ich hob ratlos die Schultern. „Sollen wir sie holen?“

„Nein, ich denke, du bleibst besser hier“, erwiderte ich ihm und strich ihm über den Kopf. „Ich schaue eben, wo sie bleibt.“

Ich ging an ihm vorbei ins Wohnzimmer und von dort weiter zum Gästezimmer, wo ich sie immer noch vermutete. Sie hockte dort auch vor unserem Gast, der immer noch bewusstlos im Bett lag. Neben ihr stand eine Schüssel mit Wasser, in welchem sie immer wieder die Tücher tauchte, welche sie dem Mann auf seine Brust und seine Stirn gelegt hatte.

„Wie geht es ihm?“, fragte ich sie und sie drehte ihren Kopf zu mir um.

„Das Fieber scheint ein wenig gesunken zu sein, aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein.“ Sie tauschte das Tuch von seiner Stirn mit einem aus der Schüssel und erhob sich danach. „Viel mehr können wir wohl gerade nicht für ihn tun. Auf die anderen Sachen, die ich probiert habe, reagiert er nicht.“

Ich nickte und warf einen besorgten Blick zu dem Bewusstlosen.

„Immerhin hat sein Zittern nachgelassen“, ergänzte sie und kam auf mich zu. „Lass uns jetzt nach nebenan gehen, damit wir zu Abend essen können und Christian in sein Bett kommt.“

Sie ging an mir vorbei, doch ich zögerte noch damit, ihr zu folgen. Warum nur beendete ich das Leid dieses Mannes nicht? Warum nur ließ ich zu, dass er sich quälte?

„Nathaneal?“ Meine Frau griff mich am Arm und ich drehte meinen Kopf zu ihr. „Komm jetzt. Er scheint in einen tiefen Schlaf verfallen zu sein und an seiner Seite zu warten, bis er erwacht, bringt uns nichts, wenn wir nicht wissen, wann das ist. Wir haben getan, was wir konnten.“

„Wir könnten es …“, begann ich, doch sie zog an meinem Arm und unterbrach mich damit.

„Es ist nur Fieber. Er liegt nicht im Sterben“, schimpfte sie mit mir. „Manchmal dauert so etwas, bis das wieder vorbeigeht, und bei Menschen ist das vielleicht nicht wie bei uns Vampiren. Gib ihm Zeit bis nach der Tagesruhe und dann sehen wir weiter.“

Ich nickte und folgte ihr nun doch in die Küche, wo uns Christian bereits brav erwartete. Ich setzte mich neben ihm und half ihm dabei, sein Brot zu schmieren, während sie uns etwas zu trinken eingoss, ehe sie sich damit zu uns setzte.

Nach dem Essen ging sie mit Christian Zähne putzen, während ich aufräumte und dabei einen Blick aus dem Fenster warf. Es dämmerte bereits und so langsam wurde ich müde. Die Nacht war aber auch lang und anstrengend für mich gewesen. Ich war so etwas zwar aus meinen Kriegsdienstjahren noch gewohnt, doch dies auch zu Hause zu erleben, missfiel mir.

Als alles verräumt war, betrat ich erneut das Wohnzimmer und ließ mich dort auf das Sofa nieder, ehe ich mich nach hinten lehnte und versuchte an nichts zu denken. Es funktionierte nicht wirklich, denn immer wieder kreisten meine Gedanken um das, was passiert war.

Meine Frau hatte recht. Er schlief jetzt und war nicht am Sterben. Aber wenn er dies nicht mehr täte, wie sollte es weitergehen? Würde er wieder ein Mensch werden? Würde er ein Vampir bleiben? Was sollten wir machen, wenn er einer von uns blieb? Er wusste doch gar nichts über uns, außer vielleicht die paar Informationen, die er als Jäger hatte, und die waren vermutlich nicht einmal korrekt.

„Liebster?“ Eine Hand berührte sanft meine Schulter und ich öffnete meine Augen, die ich bei meinem Versuch zu entspannen geschlossen hatte. „Christian schläft jetzt und wir sollten seinem Beispiel folgen.“

Ich nickte und sie ließ mich los. Ich seufzte, erhob mich und folgte ihr in unser Schlafzimmer.

Obwohl ich es nicht erwartete, schlief ich erstaunlich ruhig und erwachte erst wieder, als eine kleine Hand mich vorsichtig abstieß.

„Papa, steh auf. Es gibt Frühstück“, vernahm ich die Stimme meines Sohnes und öffnete vorsichtig die Augen. „Mama hat gesagt, ich soll dich wecken. Sie und Onkel Milan warten auf dich.“

Ich sah ihn einen Moment verwirrt an, da ich nicht wusste, von welchem Onkel er sprach. Dann fiel mir aber wieder der Mann ein, den ich gestern mit ins Haus geschleppt hatte. Sofort setzte ich mich auf.

„Ich beeile mich, sag ihnen das“, erwiderte ich dem Jungen und dieser lief hinaus aus dem Zimmer. Eilig zog ich mich an. Zu lange wollte ich meine Familie nämlich nicht mit diesem Kerl allein lassen, denn so wirklich Vertrauen in ihn hatte ich nicht.

Als ich ins Wohnzimmer kam, hörte ich ihn bereits mit meiner Frau sprechen.

„Er will einmal so wie ich werden und das gefällt mir nicht“, erzählte er ihr gerade, als ich in die Küche trat. „Ich habe damit damals nur angefangen, weil mein bester Freund sich auch beworben hatte. Mittlerweile ist er tot und ich auf diese Arbeit angewiesen, um meine Familie zu ernähren.“

Meine Frau sah zu mir, woraufhin auch er seinen Kopf zu mir drehte, während ich auf den Tisch schaute. Für ihn und Christian hatte sie Teller und Messer bereitgelegt, während für uns nur Gläser mit Blut bereitstanden.

„Geht es dir besser?“, fragte ich ihn direkt und ließ mich an meinem üblichen Platz nieder. Er nickte.

„Das Fieber hat nachgelassen und ich bin nicht mehr so müde“, erwiderte er mir. „Dafür hatte ich vorhin starken Durst und Hunger. Deine Frau sagte mir, dass ihr jetzt ohnehin frühstücken würdet und ich mich dazu gesellen könne. Nur daran, dass ihr hier einfach nur mit Blut in euren Gläsern sitzt, werde ich mich wohl nicht gewöhnen.“

Ich nickte und nahm mir mein Glas, während sich meine Frau zu Christian setzte und diesem ein Brot schmierte.

„Mir wäre es auch lieber, wenn ich nicht davon abhängig wäre und wie ihr Menschen normale Nahrung essen könnte“, meinte ich zu Milan. „Aber ich vertrage diese einfach nicht mehr.“

Er sah mich kurz fragend an, ehe er sich ebenfalls ein Brot schmierte und dieses halbierte.

„Hast du es schon einmal probiert?“, wollte er wissen und hielt mir eine der Hälften hin. „Ich meine, laut deiner Frau wirst du es ja wohl einmal vertragen haben, so wie dein Sohn auch. Sie sagte, dass alle Vampire bis zu ihrer Volljährigkeit menschliche Nahrung vertragen und erst danach damit aufhören.“

Ich stieß sein Angebot freundlich von mir, denn ich erinnerte mich durchaus noch an meinen Versuch, menschliche Nahrung zu mir zu nehmen, auch wenn das schon ein paar Jahrzehnte her war.

„Ich habe es schon ausprobiert und es ging mir danach nicht sonderlich gut“, erklärte ich ihm daher kurz und nahm einen Schluck von dem Blut. Er beobachtete mich einen Moment, schüttelte dann nur den Kopf und biss in sein Brot. Er kaute, runzelte dabei allerdings die Stirn.

„Ist vermutlich etwas ungewohnt mit deinen neuen Fangzähnen?“, kommentierte meine Frau. Stimmte ja, bevor er gestern wieder bewusstlos geworden war, hatte er sich über seine neuen Fangzähne beschwert. Nur warum er welche jetzt hatte, hatten wir bisher nicht herausgefunden.

Er schluckte herunter, was er im Mund hatte und legte das Brot weg.

„Das ist es nicht. Es schmeckt irgendwie nicht so, wie es sollte und ich …“, begann er und stockte dann plötzlich mitten im Satz, ehe er sein Gesicht verzog und aufsprang.

Noch ehe wir ihn fragen konnten, was los war, rannte er aus dem Zimmer.

Meine Frau warf mir einen irritierten Blick zu und auch Christian schien überrascht von dieser Aktion. Ich seufzte dagegen nur, da ich verstand, was hier gerade vor sich ging.

„Deswegen die Fangzähne“, murmelte ich dann. „Wäre ja schön gewesen, wenn ihm das erspart geblieben wäre.“

„Wovon redest du, Nathaneal?“, wollte meine Frau wissen, während ich mich vom Tisch erhob.

„Er hat eine Verwandlung durchgemacht und ist jetzt wie wir, deshalb verträgt er menschliche Nahrung nicht mehr“, erklärte ich ihr kurz und ging zur Küchentür. „Ich werde eben nach ihm sehen. Bleib du bitte mit Christian hier.“

Sie nickte und ich verließ die Küche, um Milan ins Badezimmer zu folgen. Ich fand ihn dort mit einem verwirrten und unzufriedenen Gesichtsausdruck vor unserer Toilette hockend.

„Sind eure Lebensmittel abgelaufen?“, fragte er, kaum, dass ich eingetreten war, und drehte seinen Kopf zu mir. „Ich habe davon Magenschmerzen bekommen und mir ist schlecht geworden. Ihr solltet eurem Sohn besser nicht davon essen lassen.“

Ich erwiderte ihm nichts, sondern ging nur auf ihn zu und half ihm wieder hoch, ehe ich ihm zum Waschbecken zeigte, damit er sich etwas säuberte und Wasser trinken konnte. Während er meiner stummen Aufforderung nachkam, spülte ich. Dann wandte ich mich zu ihm um.

„Als ich damals versucht habe, menschliche Nahrung zu essen“, erhob ich dann das Wort und er sah mich fragend an. „Als ich das versucht habe, hat mir das, was ich zu mir nahm, nicht so geschmeckt wie sonst, obwohl ich es bereits hunderte Male vorher gegessen hatte. Ich habe mir nichts dabei gedacht und davon ganze drei Bissen damals zu mir genommen. Es hat nicht lange gedauert, da hat mein Körper darauf reagiert. Ich bekam schreckliche Bauchschmerzen und habe das Gegessene erbrochen. Meine Schmerzen haben sich danach die ganze Nacht gehalten, genauso wie Übelkeit.“

Er schien über meine Worte nachzudenken, denn er runzelte die Stirn und starrte mich skeptisch an. Dann schüttelte er plötzlich den Kopf.

„Nein, nein, nein!“, schimpfte er und hob abweisend die Hände. „Das mag für dich so gewesen sein. Aber für mich ist das nicht so. Wenn das nämlich so wäre, müsste ich ja Blut trinken, um mich zu ernähren und so etwas tue ich nicht.“

„Und wie erklärst du dir dann das hier gerade?“, gab ich ihm zurück und er verzog das Gesicht.

„Keine Ahnung. Vielleicht war das abgelaufen, was ich aß“, meinte er. „Oder mir geht es halt noch nicht wirklich besser nach dem, was gestern mit mir passiert ist. Jedenfalls ist mir der Appetit jetzt vergangen. Ich denke, ich begnüge mich erst einmal mit Wasser.“

Er wandte sich von mir ab und ging zur Tür. Ich seufzte und folgte ihm ins Wohnzimmer.

„Es war aber nicht abgelaufen“, kommentierte ich schließlich, als wir erneut die Küche betraten. Er ignorierte mich und nahm sich ein leeres Glas aus dem Schrank, um dieses mit Wasser zu befüllen.

„Dann geht mir einfach noch nicht besser“, erwiderte er mir, nachdem er etwas getrunken hatte. „Am besten, ich warte noch ein wenig, bevor ich es mit Essen probiere.“

Mein Sohn drehte neugierig geworden seinen Kopf zu ihm um.

„Onkel, bist du etwa krank?“, fragte er direkt. „Dann musst du jetzt aber ins Bett. Mama sagt immer, wenn man krank ist, muss man ganz viel schlafen.“

Er warf dem Jungen einen zweifelnden Blick zu, ehe er dann doch ein wenig schmunzelte und den Kopf schüttelte.

„Nein, so schlimm ist es nicht“, sagte er und stellte sein nun leeres Glas in die Spüle. „Aber für kleine Jungen stimmt das, was deine Mama sagt. Die sollten ihr Bett hüten, wenn sie krank sind.“

Mein Sohn wandte sich an seine Mutter und diese nickte.

„Du solltest jetzt Zähne putzen“, meinte sie dann und half ihm vom Stuhl herunter. „Ich komme auch mit.“

Sie verließ mit ihm die Küche, wodurch Milan und ich wieder allein zurückblieben. Kaum, dass sie weg war, begann ich damit, den Tisch abzuräumen, wobei er mich schweigend beobachtete. Seine Essensreste warf ich allerdings weg, da ich nicht davon ausging, dass er von diesen heute noch etwas zu sich nehmen würde. Seinem Blick nach gefiel ihm das nicht wirklich.

„Was für eine Verschwendung“, kommentierte er und seufzte. „Vielleicht hätte ich das nachher oder morgen noch essen können.“

Er schien also immer noch der Meinung zu sein, dass sich sein Problem wieder geben würde. Diese Hoffnung hatte ich zwar auch, doch mittlerweile war sie nur noch sehr gering. Dieser Mann war nun ein Vampir und würde es auch bleiben. Jedenfalls sagte mir das mein Bauchgefühl.

„Wenn du zu einem späteren Zeitpunkt Hunger bekommen solltest, dann musst du dir etwas Neues machen“, gab ich ihm zurück und begann damit, unser Geschirr zu säubern. Er runzelte kurz verärgert die Stirn, ehe er sich ein Handtuch schnappte und mir half.

„Wann kann ich zu meiner Familie zurück?“, erhob er das Wort, nachdem wir alles gesäubert und weggeräumt hatten. „Sie sorgen sich garantiert um mich.“

„Wir wissen noch nicht, ob deine Probleme nur vorübergehend oder nun dauerhaft bestehen“, meinte ich zu ihm und ging mit ihm zurück ins Wohnzimmer. „Und erst einmal solltest du vielleicht deine Kollegen darüber informieren, dass es dir gut geht, damit sie niemand schicken, der nach deinem Verbleib sieht.“

Er wirkte nicht zufrieden mit meiner Antwort, schritt aber nur stumm zu seiner Tasche, ohne mir irgendetwas zu erwidern. Ich beobachtete ihn dabei, wie er in dieser nach etwas kramte, das wie Briefpapier aussah. Mit diesem und einem Stift ging er zum Sofa und ließ sich dort am Tisch nieder, während hinter mir meine Frau mit Christian auf dem Arm in dessen Zimmer ging.

„Dauert es nicht viel zu lange, bis dein Brief bei ihnen wäre?“, fragte ich Milan und er stoppte, um seinen Kopf zu mir zu drehen. „Oder ist das deine Methode, wie du sie kontaktierst?“

„Kennt ihr Vampire etwa schnellere Wege, um jemanden zu kontaktieren?“, erwiderte er mir verwundert und ich überlegte tatsächlich.

„Nein, eigentlich nicht. Unsere Boten sind nur wesentlich schneller als eure“, sagte ich ihm dann und warf einen Blick auf das, was er geschrieben hatte. „Wo willst du den überhaupt abschicken?“

Er schien kurz zu überlegen.

„Vielleicht in der Stadt, in der ich auch den letzten verschickt habe“, meinte er schließlich. „Ich könnte mit meinem Pferd dorthin reiten.“

Ein unzufriedenes Knurren entrang meiner Kehle. Ihn einfach so gehen zu lassen, gefiel mir nicht. Woher wüsste ich, dass er mich nicht verriet, wenn er von hier fortreiten würde?

„Ich bin dein Gast und nicht dein Gefangener“, ergänzte er und reagierte damit auf mein Knurren.

Ich nickte.

„Richtig, aber wir wissen noch nichts über das, was jetzt mit dir los ist. Gegenwärtig scheinst du ein Vampir zu sein und da du vorher nie einer warst und mit uns nicht gelebt hast, weißt du auch nicht, wie man als ein solcher überlebt. Du könntest mit deiner Unerfahrenheit dich und andere in Gefahr bringen“, erklärte ich ihm. „Ich werde dich begleiten und auf dich aufpassen.“

Er verzog genervt das Gesicht, ehe er seinen Brief zu Ende schrieb und ihn zusammenfaltete. Dann stand er mit diesem auf und ging zurück zu seiner Tasche. Ich sah ihm schweigend dabei zu, wie er den Brief mit Wachs und einem Stempel versiegelte, bevor er noch etwas auf diesem notierte und zu mir kam.

„Ich glaube aber nicht, dass sie dich in die Stadt hineinlassen würden“, meinte er dann und ich hob eine Augenbraue. „Du bist schließlich ein Vampir.“

„Und du auch“, gab ich zurück, was ihm nicht gefiel.

„Das ist nur vorübergehend und die werden es dort garantiert nicht einmal merken“, widersprach er mir und sah nachdenklich zur Seite. „Ich brauche nur meinen Mantel mit dem Wappen meiner Organisation, dann wird auch keiner irgendetwas hinterfragen.“

An den erinnerte ich mich. Von dem hatte ich ihn gestern befreit, nur wo meine Frau ihn danach gelassen hatte, wusste ich nicht.

„Ich kann meine Frau fragen, wo sie den gelassen hat und ob sie den mit deinen restlichen Sachen gewaschen hat, wenn du den benötigst“, erwiderte ich ihm also und wandte mich von ihm ab. „Warte eben hier!“

Ich hörte nicht, ob er etwas sagte, als ich in Richtung Kinderzimmer schritt und die Tür ein wenig öffnete, um hineinsehen zu können. Meine Frau saß mit unserem Sohn auf ihrem Schoß auf dessen Bett und schien mit ihm in einem seiner Bücher zu lesen. Sie bemerkte mich allerdings sofort und stoppte mit dem Vorlesen, ehe sie zu mir sah.

„Was gibt es?“, fragte sie direkt.

„Hast du alles von unserem Gast gewaschen, was er getragen hatte?“, entgegnete ich ihr eine Gegenfrage, was sie die Stirn runzeln ließ. „Er fragte nach seinem Mantel.“

Sie schüttelte den Kopf.

„Den habe ich nicht gewaschen, weil der nicht so schmutzig war und nicht mehr in die Maschine gepasst hat“, erklärte sie mir. „Ich habe ihn in den Schrank im Gästezimmer gehängt.“

Ich nickte.

„Dann werde ich ihm den geben und danach werde ich mit ihm den Brief wegbringen, den er an seine Leute schicken muss, damit die uns nicht belästigen“, sagte ich ihr und wandte mich wieder ab, wobei ich die Zimmertür schloss. Ich schritt zurück zu Milan, der mich mit verschränkten Armen ansah.

„Er ist im Schrank in dem Zimmer, wo du hier momentan untergebracht bist. Du kannst ihn dir eben holen und danach brechen wir auf“, wies ich ihn an und er kam meiner Aufforderung nach, ohne mich irgendwie zu hinterfragen. Während er sich seinen Mantel holte, wartete ich geduldig im Wohnzimmer und überlegte, ob es wirklich eine gute Idee war, mit ihm zu dieser Stadt aufzubrechen.

Als er zurückkehrte, hatte ich gerade meine Arme verschränkt und mich in Richtung Haustür gewandt. Ich hörte ihn seinen Mantel abklopfen, während er zu mir kam.

„Und du musst mich wirklich jetzt begleiten?“, hörte ich ihn, als er neben mir stoppte. Ich nickte und ließ meine Arme sinken, ehe ich zur Tür schritt und diese für ihn öffnete.

Er warf einen Blick zu den Waffen, die immer noch neben seiner Tasche lagen.

„Wir gehen unbewaffnet“, kommentierte ich dies sofort und er verzog das Gesicht. „Ich werde weder das Risiko eingehen, dass du dich oder andere gefährdest, noch werde ich es riskieren, dass du mich hintergehst und angreifst, wenn du die Chance dazu hast.“

Er schüttelte den Kopf und ging nun an mir vorbei durch die Tür hinaus.

„Wenn wir von meinen Leuten zusammen gesehen werden, muss ich allerdings so tun, als würde ich dich angreifen“, gab er zurück. Ich erwiderte ihm nichts, sondern folgte ihm nur hinein in den Wald, der unser Haus umgab.

Während unseres Weges sprachen wir nicht viel miteinander. Er beschwerte sich lediglich noch ein paarmal darüber, dass er auch hätte allein gehen können, was ich gekonnt ignorierte. Dafür fiel mir allerdings auf, wie wenig er auf seine Umgebung zu achten schien. So bemerkte er nicht, dass wir an mehreren Gestalten vorbeiliefen, die er als Jäger eigentlich ausgeschaltet hätte. Ich unterließ es, ihn darauf hinzuweisen, da ich ihn nicht dazu animieren wollte, diese anzugreifen. Momentan war er ohnehin waffenlos und im Nachteil dadurch.

Als wir jedoch in die Nähe der Stadt kamen, wurde er nervös und verlangsamte seinen Schritt.

„Ich weiß noch nicht, wie wir die Wachen überzeugen sollen, dass sie dir auch Zutritt gewähren“, sagte er schließlich und blieb stehen. „Oder willst du außerhalb der Mauer warten?“

Ich schüttelte den Kopf und warf einen Blick zu den Wächtern, die vor dem Stadttor positioniert waren, zu welchem unser Weg zuführte. Anscheinend ging Milan davon aus, dass ich die Menschen dort bisher gemieden hätte. Dabei war das definitiv nicht der Fall. Meine Frau und ich hatten schon oft genug mit denen dort Handel getrieben und ihnen gezeigt, dass wir zwar Vampire waren, mit ihnen aber trotzdem friedlich leben würden.

Ich schüttelte also den Kopf und schritt direkt auf einen der Wächter zu, der mir seine Lampe entgegenhielt, um mich in der Dunkelheit zu erkennen. Während ich mich ihm näherte, hob ich meine Hände, um ihm zu zeigen, dass ich unbewaffnet war.

„Ach, du bist es“, begrüßte er mich und warf dann einen Blick zu Milan. „Und an dich erinnere ich mich auch. Hast du den Vampir gefunden, den du gesucht hast?“

Ich wandte meinen Kopf zu meinem Begleiter um und bemerkte, wie er den Mann vor uns mit großen Augen anstarrte. Anscheinend war er überrascht darüber, dass dieser Wächter mich kannte.

Er schluckte und holte den Brief aus seiner Tasche hervor.

„Ich habe ihn noch nicht gefunden und bin nur zurückgekommen, um meinen Leuten zu schreiben, dass der Gesuchte nicht mehr dort ist, wo sie mich hingeschickt haben“, log er und reichte dem Wächter sein Schreiben. „Aber ich denke, um diese Zeit lasst ihr niemanden mehr hinein, oder?“

Der Angesprochene nickte.

„Das ist korrekt“, stimmte er ihm zu und wandte sich wieder mir zu. „Brauchst du das Übliche? Mir wurde nicht gesagt, dass du heute kommst und wir haben nichts …“

Ich schüttelte den Kopf.

„Nein, ich habe nur diesen Mann hier begleitet, weil er sich verlaufen hatte und er mir erzählte, dass er eigentlich hierher wollte“, erklärte ich ihm und er lachte.

„Ein Wunder, dass er dich nicht gleich getötet hat, Vampir!“, meinte er und sah wieder zu Milan. „Ich werde dafür sorgen, dass dein Brief abgeschickt wird, aber den Rest der Nacht wirst du außerhalb dieser Mauern verbringen. Wir haben nämlich die strikte Anweisung, die Tore nach Sonnenuntergang geschlossen zu halten.“

„Das macht nichts“, mischte ich mich ein und ging zu Milan. „Ich werde ihm meine Gastfreundschaft anbieten und ihm zeigen, dass wir nicht nur Monster sind.“

Wieder lachte der Wächter und wandte sich von uns ab, um wieder seine Position wie zuvor einzunehmen. Ich deutete Milan an, dass er mir folgen solle und er tat dies, wenngleich auch etwas zögerlich.



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