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Ame no Mahou - Der Zauber des Regens

1. Platz des Herbst-/Winterwettbewerbes 2003
von

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Fuyubi - Wintersonne

Titel: Ame no Mahou - Der Zauber des Regens

Teil: 3/3

Teiltitel: Fuyubi - Wintersonne

Grund des Schreibens: Herbst-/Winterfanficwettbewerb bei Animexx

Platz: 1.

Genre: Darkfic, Romance, Comedy

Warning: dark, depri, teilweise com, sap, vielleicht etwas fluff

Pairings: ShinichiXRan (Haupt) KaitoXAoko (Neben)
 

Summary: Dunkelheit ist es, was einen umgibt, wenn der Geliebte unerreichbar fern und auch der einzige Mensch, den man noch einen wahren Freund nennen konnte, fortgegangen ist. Ran muss dies feststellen als mit Conans Abschied ihre Welt zusammenzufallen beginnt. Doch auf dem Weg der Dunkelheit gibt es immer noch die Möglichkeit sich umzuwenden und zurückzukehren. Aber was ist, wenn das Licht zu weit weg ist um zu führen? Weiter der Dunkelheit entgegengehen? Oder sich umsehen und nach anderen Lichtern suchen?
 

Bemerkung: Ah... ich sollte keine Versprechungen machen >.< Entschuldigt, aber ich war wieder so beschäftigt^^' Nya, auch egal jetzt...

Ich glaube, zu diesem Teil kann ich nicht viel sagen, also werde ich euch nicht lange aufhalten und wünsche Euch viel Spaß beim Lesen^^
 

Disclaimer: Weder "Meitantei/Detektiv Conan" noch "Majikku Kaito/Kaito Kid" mit ihren Charas gehören mir, sondern Gosho Aoyama. Ich leihe sie mir lediglich aus und mache keinen Profit hiermit. Der Inhalt dieser Story ist jedoch meiner Fantasy entsprungen und sollte er jemandem nicht gefallen bitte ich sie/ihn diese Geschichte kommentarlos zu ignorieren (ich habe nichts gegen konstruktive Kritik, ich möchte nur keine Flames oder ähnliches nur weil ich über ein Pairing, eine Situation etc. geschrieben habe, das jemandem nicht in den Kram passt.)
 

Feedback an: Simbakatha@aol.com oder hier in die Kommentare
 


 

Ame no Mahou - Der Zauber des Regens
 


 

Fuyubi - Wintersonne
 

Die Tage bis zum Winteranfang - dem offiziellen Winteranfang - vergingen wie im Flug. Es war, als würde ich getragen werden von unsichtbaren Flügeln, die sich selbst über die Zeit hinaufschwingen konnten, um mich so schneller zu dem Zeitpunkt zu bringen, an dem ich ihn wiedersehen würde.
 

Mein Umfeld nahm die Nachricht von Shinichis Rückkehr anfangs etwas skeptisch auf, doch da mein Vater ihn gesehen hatte, glaubten sie mir schließlich und freuten sich scheinbar mit mir. Ich wusste, dass die meisten es nicht wirklich taten. Dass sie es nur sagten und sich im Stillen wunderten, dass er doch wiedergekommen war, obwohl er es doch ihrer Meinung nach gar nicht gedurft hätte.
 

Nur Kaito freute sich aufrichtig für mich, als ich es ihm am Telefon erzählte.
 

"Schade, dass ich ihn nicht schon vorher gekannt habe, ich hätt' ihm einen guten Auftritt verschaffen können..."
 

Ich musste kichern, angesichts des in mir aufkommenden Bildes, wie Shinichi von ihm aus einem übergroßen Zylinder gezogen wurde.
 

"Er hatte einen guten Auftritt."
 

"Wirklich?"
 

"Ja. Er hat immer einen guten Auftritt."
 

"Ach?"
 

"Ja."
 

"Wie der Nikolaus?"
 

Ich blinzelte verwirrt. "Der Nikolaus?"
 

"Ja, der Nikolaus hat auch immer einen guten Auftritt. Oder willst du behaupten, es sei nicht beindruckend, dass er sich mit seinem Bauchumfang durch Schornsteine zwängt, die viel zu klein sind?! Mal von der Tatsache abgesehen, dass die meisten Häuser heutzutage gar keinen Schornstein mehr haben."
 

Bevor ich antworten konnte, musste ich mich erst einmal von der Kicherattacke erholen. "Okay, das stimmt. Und ja, Shinichi hat immer einen guten Auftritt. Wie der Nikolaus."
 

"Soso", seine hochgezogene Augenbraue und das beinah spöttische Grinsen, das auf seinen Lippen liegen musste, konnte ich mir lebhaft vorstellen. "Dann will ich hoffen, dass er einen hat, wenn ich ihn kennenlerne. Ansonsten bin ich enttäuscht und das wollen wir ja nicht, oder?"
 

Ich musste wieder kichern. "Natürlich nicht! Wo denkst du hin!"
 

Auch er lachte jetzt. "Wann lern' ich ihn denn jetzt eigentlich kennen? Ich nehme an, ihr wollt die Feiertage lieber alleine verbringen. Dann vielleicht zwischen den Jahren... Oh! Nein! Ich wollte mit Aoko über Neujahr ja nach Schweden..."
 

"Schweden?", warf ich verwundert ein.
 

"Ja, schönes Land im Norden von Europa. Kalt teilweise. Im Zentrum jedenfalls. An den Küsten ist es milder. Aber wir wollen es ja kalt haben. Also ich halte nichts davon im Winter irgendwo nach Süden zu reisen, nur weil es da warm ist. Im Winter muss es für mich kalt sein, nicht warm. Wenn es warm wäre, wäre es kein Winter, sondern Sommer und Sommer das ganze Jahr wäre ja ziemlich langweilig, nicht wahr?!"
 

Ich unterdrückte einen Lachanfall und stimmte ihm zu.
 

"Okay... dann also nach Neujahr... In der ersten Januarwoche, ja? Da passt es uns auch am besten. Und was machen wir? Essen gehen? Kino? Vergnügungspark? Wobei im Winter ist das schlecht... hat der im Winter eigentlich auf?" Er schien kurz zu überlegen und so nutzte ich die Gelegenheit und warf meinen Vorschlag ein:
 

"Wie wär's mit Schlittschuh laufen?"
 

"Schlittschuhlaufen?!"
 

"Ja, Schlittschuhlaufen."
 

"Hm..." ein paar Augenblicke herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung, dann: "Ich kann zwar nicht Schlittschuhlaufen, aber okay. 4. Januar, is' das okay?"
 

Wir machten noch Uhrzeit und Treffpunkt aus, dann beendeten wir das Gespräch. Eine Weile stellte ich mir vor, wie es sein würde, wenn die beiden zum ersten Mal aufeinander trafen. Shinichi wäre anfangs sicherlich noch etwas skeptisch, mit solchen Frohnaturen konnte er nicht immer gleich umgehen. Aber so weit ich wusste, verstand er sich mit Heiji auch sehr gut, also würde er dies mit Kaito nach einer Weile ebenfalls tun. Ich musste bei dem Gedanken daran lächeln.
 


 

~ ~ ~
 


 

Schließlich kam der 21.12. Es hatte schon zwei Tage zuvor zu schneien begonnen und so lag die Stadt nun unter einer weißen Decke, die sie ungewöhnlich unschuldig aussehen ließ. Ich saß in meinem Zimmer am Fenster und sah hinab, beobachtete die Leute auf der Straße: die Geschäftsmänner, die in aller Eile in ihre Büros hetzten; die Hausfrauen, die mit riesigen Einkaufstüten über die Straße schlidderten; die Kinder, die sich hin und wieder mit Schneebällen bewarfen. Nie war der Winter für mich so strahlend hell und voller Wärme gewesen wie in diesem Jahr. Es war, als hätte mir die tiefe Dunkelheit, die mich vor ein paar Wochen zu verschlingen drohte, die Augen für eine neue, schönere Welt geöffnet.
 

"Ran!", riss mich die Stimme meines Vaters aus meinen Gedanken.
 

"Ja?"
 

"Du hast Besuch!"
 

An seiner Tonlage konnte ich erkennen, dass es sich nicht um Shinichi handeln konnte. Etwas verwundert verließ ich mein Zimmer und ging ins Wohnzimmer, wo er schon auf mich wartete.
 

"Kaito! Um Himmelswillen, was ist passiert?!!" Sein Anblick ließ mich für einen Moment erstarren. Sein braunes, ohnehin schon strubbeliges Haar, sah noch zersauster aus. Sein Gesicht hatte vereinzelte Schnitte und Kratzer und seinen rechten Arm trug er in einer Schlaufe. Doch seine Augen waren das schlimmste. Sie leuchteten nicht mehr mit diesem typischen Kinderstrahlen, sie funkelten nicht mehr mit dieser unglaublichen Freundlichkeit. Sie waren stumpf und sahen müde aus, so als hätte er seit Tagen nicht geschlafen.
 

"Es ist nicht so schlimm, mach dir keine Sorgen." Auch seine Stimme hörte sich ganz anders an.
 

"Was ist passiert?!" Angesichts meines bestimmten Tones, merkte er wohl, dass ich nicht lockerlassen würde, bis er es mir erzählte. Für einen Augenblick blickten seine Augen in meine, mit einem Blick in ihnen, den ich nicht zu deuten vermochte. Dann seufzte er und senkte den Kopf.
 

"Ich bin da in was reingeraten, wo ich gar nicht rein wollte." Wahrscheinlich hatte er wieder jemandem helfen wollen und sich dabei übernommen. Ich kniete mich neben ihn und fuhr mit meiner Hand sanft über seine Wange, darauf bedacht nicht an seine Wunden zu kommen.
 

"Warst du bei der Polizei? Haben sie die Kerle erwischt?" Kurz starrte er mich überrascht an, dann fuhr er mit der seltsam leisen Stimme fort:
 

"Ja. Sie sind alle gefangen genommen worden, es ist keiner entkommen."
 

"Gut."
 

Eine Weile verging in Schweigen. Ich wartete darauf, dass er weitersprechen würde, aber er schien nach den richtigen Worten zu suchen. Es musste schrecklich für ihn gewesen sein, diesen Kerlen schutzlos ausgeliefert zu sein.
 

"Ran", begann er dann so plötzlich, dass ich unwillkürlich zusammenzuckte. "Ich muss mit dir reden."
 

Sein Blick hob sich und für einen Augenblick glaubte ich eine Person darin zu erkennen, die ich früher schon mal gesehen hatte. Lang bevor ich ihn überhaupt kennengelernt hatte.
 

Aber ich schüttelte nur den Kopf und vertrieb diesen lächerlichen Gedanken. Er brauchte nun jemanden zum Reden, jemandem dem er seine Gefühle anvertrauen konnte. Und ich war froh, dass er mich dafür ausgesucht hatte, denn so konnte ich ihm einen Teil dessen zurückgeben, was er mir gegeben hatte.
 

"Warte kurz hier. Ich mach dir einen Kakao."
 


 

~ ~ ~
 


 

Wir unterhielten uns an jenem Tag lange, so lange bis er sich alles von der Seele geredet hatte, was ihn bedrückte. Es war seltsam, ihn so niedergeschlagen zu sehen, aber es war verständlich. Er hatte schreckliches erlebt. Seine Erklärungen waren etwas wirr gewesen, ein wenig verklärt und so konnte ich nicht alles genau nachvollziehen, aber ich wusste, dass es schlimm gewesen war.
 

Wie genau er in die Sache hineingekommen war, konnte ich nicht heraushören. Anscheinend war er durch irgendeinen unglücklichen Zufall in eine Razzia hineingeraten, bei der die Polizei eine Verbrecherorganisation hochnehmen wollte. Während der aufkeimenden Schießerei wurde direkt neben ihm jemand erschossen.
 

Es musste schlimm für ihn sein. Ich selbst hatte mittlerweile schon einige Tote gesehen und war trotzdem jedes Mal aufs Neue entsetzt. Es war immer schrecklich, wenn jemand gewaltsam dem Leben entrissen wurde. Egal wer, egal wie.
 

Als er mir erzählte, dass der Mann neben ihm ihn um einen letzten Gefallen gebeten hatte, zitterten seine Hände so stark, dass ich sie nicht ruhig zu halten vermochte, als ich sie in meine nahm. Der Sterbende hatte ihn darum gebeten seiner Geliebten etwas auszurichten. Ich konnte mir vorstellen, wie unsagbar schwer es für ihn sein musste dies zu tun. Einer Frau gegenüberzutreten, die ohne Vorahnung und voller Freude auf ihren geliebten Mann wartet, und ihr sagen zu müssen, dass er nie wieder kommen würde.
 

Aber ich sagte ihm auch, dass ihr diese letzten Worte helfen würden. Dass sie dadurch nicht alles verlieren würde und wüsste, dass er sie bis in die letzten Sekunden seines Lebens geliebt hatte.
 

Am Ende des Tages ging er, noch immer ziemlich betroffen und betrübt und ich bot ihm an ihn nach Hause zu begleiten, aber er wollte lieber alleine sein. Ich konnte es verstehen, jeder brauchte manchmal etwas Zeit um nachzudenken.
 

Eine Weile stand ich noch am Fenster und musterte den klaren Nachthimmel. Die Sterne funkelten und glitzerten in ihrem schwarzen Himmelszelt und der Mond schien hell auf die Stadt unter sich, die von seinem Licht jedoch kaum etwas wahrnahm. Und dann war es wie in einem Traum und zwei starke Arme legten sich von hinten um mich, zogen mich an einen warmen Körper und zwei Lippen küssten meinen Hals, so sanft als wären es die eines Engels.
 


 

~ ~ ~
 


 

Weihnachten und Sylvester waren so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Wir verbrachten sie bei ihm zu Hause, ganz allein, nur wir beide, ganz besinnlich ohne irgendjemand anderen. Früher hatte ich es geliebt mit Familie und Freunden zu feiern, doch in diesem Herbst war mir klar geworden, dass ich die Feiertage mit Personen verbringen sollte, die mir wirklich etwas bedeuteten. Personen, denen ich auch etwas bedeutete und die mich bei allem unterstützen würden, ohne es mir ausreden zu wollen. Und es wurden die schönsten Feiertage meines Lebens.
 

Wir taten nicht viel mehr als in der Woche, in der er zurückgekehrt war. Es war einfach schön sich zu halten und zu küssen, manchmal kurz, manchmal lang, in der warmen Wohnung, während draußen die Welt in ein kaltes Kleid getaucht wurde.
 

Ein paar Mal telefonierte ich mit Kaito. Langsam schien er sich wieder etwas zu fangen, auch wenn er teilweise noch ein wenig betrübt war. Er schien zu der Witwe des erschossenen Mannes nicht durchdringen zu können, anscheinend war sie der festen Auffassung, dass ihr Mann noch da wäre, dass er noch lebte. Ich riet ihm es in ein paar Tagen noch einmal zu versuchen, dann wenn er schon länger nicht mehr nach Hause gekommen war und sie langsam merken musste, dass etwas nicht stimmte.
 

Ich hoffte, dass ich ihn bei unserem Treffen in der ersten Januarwoche etwas aufmuntern konnte.
 


 

~ ~ ~
 


 

Auch in den ersten Tagen des neuen Jahres blieben wir meist im Haus, gingen nur hin und wieder spazieren. Immer wenn uns ein Eichhörnchen über den Weg lief, musste ich an jenes denken, das Kaito damals aus dem Hut geholt hatte. Ich wusste gar nicht, ob es noch lebte.
 

Dann begann der 4. Januar und als ich morgens aufwachte, malte ich mir aus, wie es sein würde, wenn Shinichi und Kaito aufeinandertreffen würden.
 

Um neun Uhr schließlich weckte ich ihn, was er jedoch nicht als sehr liebevolle Geste empfand.
 

"Was'n?", murmelte er, während er sich den Schlaf aus den Augen rieb und ich musste grinsen.
 

"Komm! Aufstehen! Du musst noch frühstücken bevor wir losgehen, oder willst du nachher auf dem großen, weiten Eis verhungern?!"
 

Er sah mich mit so einen verwirrten Gesichtsausdruck an, dass ich in einen Lachanfall verfiel, von dem ich mich erst nach einer Weile erholte.
 

"Wir wollten doch mit Kaito und Aoko Schlittschuhlaufen gehen, hast du das schon vergessen?"
 

Sein Blick glitt kurz auf die Uhr. "Um neun Uhr morgens?!"
 

"Nein um elf Uhr morgens."
 

"Und warum soll ich dann jetzt schon aufstehen?", seine Frage war nicht mehr als ein leises Grummeln.
 

"Weil du sonst wieder ewig brauchst und wir zu spät kommen. Also los! Aufstehen!" Und ohne Vorwarnung zog ich ihm die Decke weg.
 

"Oh Mann... du bist schlimmer als meine Mutter..."
 

Ich warf ihm das Kissen an den Kopf, als er sich aus dem Bett rollte.
 


 

~ ~ ~
 


 

"So. Und wo ist jetzt dieser Kaito?"
 

Wir standen am Rand des großen Schlittschuhplatzes, bereits auf dem Eis, in Mitten der vielen Menschen die ebenfalls über gefrorene Wasser glitten. Von Kaito und Aoko war bisher jedoch nicht nichts zu sehen.
 

"Er wird hier irgendwo sein..."
 

"Wenn er uns vergessen hat und ich umsonst aufgestanden bin, ist er mir jetzt schon unsympathisch..." Ich rollte nur mit den Augen.
 

"Sie werden schon noch kommen. Es ist halt voll hier. Also sei nicht so ungeduldig." Ich schlug ihn leicht gegen den Arm und hielt dann weiter Ausschau. Allerdings konnte ich nur nach Kaito suchen, denn Aoko hatte ich vorher ja auch noch nicht kennengelernt.
 

Als Shinichi zu einer weiteren Bemerkung ansetzte, drehte ich mich in die andere Richtung, um dort zu suchen. Im nächsten Augenblick hörte ich jedoch nicht seine Stimme irgendeine trockene Bemerkung von sich geben, sondern:
 

"Waaahhhh!!"
 

"Wohw!!"
 

Ich drehte mich um, sah Shinichi aber nicht mehr dort stehen, wo er eben noch gewesen war. Stattdessen befand er sich nun etwas weiter rechts, mehr gestützt als stehend, während eine andere Person sich an ihn klammerte um nicht hinzufallen.
 

Augenblicklich fuhr ich zu den beiden. Shinichi hatte einen komplett verwirrten Gesichtsausdruck und schien noch gar nicht verstanden zu haben, was gerade passiert war. Die andere Person-
 

Ich blinzelte überrascht, als ich Kaito erkannte und presste meine Lippen aufeinander, um einen Lachanfall zu unterdrücken. Auch er blinzelte überrascht, wand danach aber den Blick nach oben, um ihn auf Shinichi zu richten. Dieser sah ebenfalls auf den anderen, fortwährend ziemlich verwirrt. Aus ihrer seltsamen Position hatten sie sich aber immer noch nicht gelöst.
 

Dann, ganz plötzlich, erschien ein dickes Grinsen auf Kaitos Lippen und er meinte zu mir:
 

"Okay, du hattest Recht. Er hatte wirklich einen guten Auftritt."
 

Angesichts dieses Satzes und Shinichis total verstörtem Gesichtsausdruck konnte ich den Lachanfall nicht mehr unterdrücken.
 


 

~ ~ ~
 


 

Während ich lachte, versuchte Kaito schließlich wieder auf seine eigenen Beine zu kommen, was ihm allerdings nicht wirklich gelang. Er schlidderte hin und her und fand auf seinen Schlittschuhen einfach keinen Halt, so dass er schließlich um Shinichis Hals geklammert endete. Der hatte seinen Gesichtsausdruck immer noch nicht geändert, hatte allerdings einen Hauch von Pikiertheit dazugemischt.
 

"Hi!", fing Kaito schließlich an, sein Gesicht so nah an dem Shinichis, dass es aussah, als wolle er ihn im nächsten Moment küssen. " Du bist dann wohl Shinichi, hm? Ich bin Kaito Kuroba, freut mich dich endlich kennenzulernen!" Er wollte ihm die Hand reichen, doch da er so nicht genug Halt hatte und hinzufallen drohte, ließ er es lieber blieben und grinste sein Gegenüber nur an.
 

Shinichi mittlerweile hatte seine eine Augenbraue hochgezogen und musterte den anderen skeptisch. Seinen Kopf hatte er dabei so weit wie möglich nach hinten gerichtet, dass es schon beinah unnatürlich aussah.
 

"Hi...", antwortete er schließlich, erwiderte jedoch nicht das Lächeln, das von Kaito ausging.
 

Als er gerade etwas sagen wollte, drang plötzlich eine andere Stimme über das Eis:
 

"Kaito? Kaito!! Wo steckst du schon wieder? Fährst du wieder unschuldige Leute über den Haufen?!"
 

Ein Mädchen mit blauen Augen und schulterlangen braunen Haaren fuhr durch die Menschen hindurch und schien etwas zu suchen. Als ihr Blick auf uns fiel, verfinsterte er sich augenblicklich und mit in die Hüfte gestemmten Händen kam sie vor uns zum Stehen.
 

"Hm! Das hätt' ich mir auch denken können, als du gemeint hast, du würdest mich niemals mit einer anderen Frau betrügen."
 

Kaito legte einen geknickten Blick auf. "Ach, Aoko... Es tut mir so Leid, dass du es auf solche Weise erfahren musst... aber bitte glaub mir, wenn ich dir sage, dass ich ihn nicht liebe. In unserer Beziehung geht es nur um wilden, leidenschaftlichen Sex!"
 

Aoko rollte mit den Augen, ich verfiel in den nächsten Lachanfall und Shinichis vor Entsetzen geweitete Augen drohten aus ihren Höhlen zu fallen.
 


 

~ ~ ~
 


 

Nach ein paar Minuten hatte ich mich wieder beruhigt und fuhr auf Aoko zu, doch bevor ich etwas sagen konnte, sprach sie mich an:
 

"Du bist Ran nehme ich an?" Ihr Gesichtsausdruck war immer noch recht finster und so nickte ich leicht zögerlich. Doch in diesem Augenblick hellte er sich auf und ich bekam ein freundliches Lächeln geschenkt. "Ich bin Aoko! Endlich lern ich dich mal kennen." Im ersten Moment noch etwas überrascht, erwiderte ich schließlich das Lächeln.
 

Als ihr Blick jedoch wieder auf Kaito hinter uns fiel, seufzte sie. Dann fuhr sie auf die beiden zu und versuchte ihren Freund von Shinichi wegzuziehen, der dies sehr willkommen hieß. Irgendwie schaffte sie es auch Kaito zu stützen, ohne dass sie beide hinfielen, doch er sah immer noch recht wackelig aus, wie er dort stand.
 

"Tut mir Leid, wenn er dir Probleme gemacht hat, aber er kann einfach nicht Schlittschuhlaufen. Ansonsten kann er alles, aber nicht Schlittschuhlaufen."
 

"Hey! Ich lern das schon noch! Und wenn es das letzte ist, was ich tue!"
 

"Es wird das letzte sein, was du tust, weil du dir wahrscheinlich irgendwann bei einem Sturz den Hals bricht."
 

"Ich bin noch nie hingefallen!", meinte Kaito empört, verlor in diesem Augenblick jedoch endgültig den Halt und fiel unsanft auf seinen Hintern. Ein resignierendes Seufzen drang aus seiner Kehle, dann sagte er in niedergeschlagenem Ton: "Was haltet ihr davon, wenn wir irgendwo einen Kaffee trinken gehen?!"
 

Aoko schüttelte erneut den Kopf, hatte diesmal aber ein kleines Grinsen auf den Lippen. Meines war deutlich größer, doch als mein Blick auf Shinichi fiel, wurde es zu einem glücklichen Lächeln, grinste er doch auch und half Aoko dann Kaito vom Eis zu kriegen.
 


 

~ ~ ~
 


 

Den Rest des Tages verbrachten wir abwechselnd in Cafés und Restaurants oder in diversen Geschäften. Wie wir schnell merkten, hatten Aoko und ich einiges gemeinsam und glücklicherweise schienen selbst Shinichi und Kaito in Sachen Büchern eine Gemeinsamkeit gefunden zu haben. Allerdings haperte es da noch etwas mit den gleichen Vorlieben.
 

"Weißt du...", fing Kaito einmal an, als Aoko und ich vorne weg liefen und uns die Schaufenster einiger Kleidergeschäfte ansahen. Die beiden Männer gingen hinter uns und waren mittlerweile zu Shinichis Lieblingsthema gekommen: Krimis. "Ich persönlich finde Sherlock Holmes ja nicht so sonderlich toll..."
 

Ein wenig geschockt drehte ich mich um, fast befürchtend, dass Shinichi schon auf ihn los gegangen wäre. Wenn er keinen guten Tag hatte, dann konnte er sehr empfindlich reagieren, wenn es jemand wagte etwas schlechtes über Sherlock Holmes zu sagen. Aber glücklicherweise war er an diesem Tag besser gelaunt, als es schien und so zuckte nur sein rechtes Augen ein wenig angespannt.
 

"Wieso nicht?"
 

"Nya, er hat nicht diese gewisse Tiefe, finde ich... Das soll jetzt nicht beleidigend gegenüber Doyle sein, ich finde, das ist das allgemeine Problem von Detektivfiguren. Eventuell sogar aller Heldenfiguren, die so unglaublich nobel sind. Für mich sind solche Leute, die immer gut sind und alles böse bekämpfen wollen, einfach unrealistisch. Besonders wenn sie dann auch immer noch gewinnen.
 

Meiner Meinung nach muss ein guter Charakter auch ein paar Schattenseiten haben, ein paar dunkle Geheimnisse, die ihn etwas menschlicher erscheinen lassen. Weil vollkommen unschuldig und sündenlos ist doch wirklich kaum ein Mensch auf diesem Planeten, oder?"
 

Ich war leicht beeindruckt von dieser Erklärung, Aoko rollte aber nur mal wieder mit den Augen. Anscheinend hörte sie so was häufiger. Shinichi jedoch schien ernsthaft darüber nachzudenken und - zu meiner Überraschung - nickte er dann zögerlich.
 

"Das mag stimmen, aber ist es nicht eigentlich das Privileg von Geschichten Übermenschen zu kreieren."
 

"Schon, aber wenn man nicht gerade Fantasy oder Sic-Fi, sondern einen sogenannten Reality-Roman liest, der unter Umständen wirklich passieren könnte, dann will man doch wenigstens ein wenig Realismus haben, oder nicht?"
 

Shinichi lachte. "Du hast immer noch ein Argument in Petto, oder?"
 

"Das ist meine Gabe", Kaito grinste, während Aoko seufzend meinte:
 

"Und mein Fluch... Komm, Ran! Gehen wir etwas schneller, bevor die zwei noch anfangen über gute Diebe zu reden, das is' nämlich Kaitos Lieblingsthema..." Sie packte mich am Arm und zog mich fort von den beiden Männern, von denen ich noch den Anfang ihres folgenden Dialogs mitbekam.
 

"Es gibt keine gute Diebe", sagte Shinichi bestimmt.
 

"Doch."
 

"Wen?"
 

"Robin Hood."
 

"Er hat die Reichen beklaut..."
 

"Ja, und es den Armen gegeben!"
 

"Er war trotzdem ein Dieb."
 

"Schon, aber ein guter!"
 

"Es gibt keine guten Diebe..."
 

"Doch."
 

Und diese Diskussion führten sie noch den ganzen Tag fort.
 


 

~ ~ ~
 


 

An diesem Tag kehrten wir erst spät am Abend zurück. Wir waren noch in einer Karaoke-Bar gewesen, auch wenn Kaito diesen Vorschlag später bereut hatte. Selbst Aoko hatte mir zugeflüstert, dass sie lieber mit Kaito Schlittschuhlaufen gehen würde, als Shinichi singen zu hören. Ich hatte irgendwann zwischen meinen ganzen Lachanfällen nur nickend zugestimmt und war bereits in den nächsten ausgebrochen, als Kaito schließlich ein Tuch hervorzauberte und es Shinichi in den Mund stopfte.
 

Während wir langsam die engen Straßen zu seinem Haus entlang gingen, musste ich hin und wieder immer noch kichern.
 

"Kriegst du dich bald mal wieder ein?", fragte Shinichi genervt, was mich aber nicht abhielt. Er seufzte. "So schlecht hab ich nun auch wieder nicht gesungen..."
 

"Doch!" und ich musste mich an seinem Arm festhalten, damit ich nicht hinfiel.
 

Nach einer Weile beruhigte ich mich wieder, musste aber erneut grinsen, als ich in sein beleidigtes Gesicht aufsah.
 

"Jetzt hör auf zu schmollen! Ich liebe dich trotzdem! Auch wenn du nicht singen kannst!" Ich küsste ihn und angesichts dessen schaffte er es nicht sein trotziges Gesicht aufrecht zu erhalten.
 

"Das will ich aber auch schwer hoffen!" Er grinste und küsste mich zurück.
 

Einige Zeit standen wir nur da und hielten uns wieder. Es war nicht mehr weit bis zu seinem Haus, doch in diesem Augenblick wollten wir lieber dort stehen, im kalten Winterwind, damit wir die Wärme unserer Körper umso intensiver spüren konnten. Und dann drangen die Worte sanft an mein Ohr, die er mir noch nie zuvor gesagt hatte. Ich hatte nie nach ihnen gefragt, sie nie benötigt, außer in der kurzen Zeit, in der die Dunkelheit mich zu verschlingen drohte, und doch war es das schönste, was ich je gehört hatte, diese Worte, aus seinem Mund, so sanft und leise wie ein Windhauch, die mich selbst in dieser eisigen Winternacht wärmten, wie es sonst nichts konnte:
 

"Ich liebe dich, Ran."
 


 

~ ~ ~
 


 

Die nächsten Tage und Wochen waren wie ein Traum. Ich fühlte mich von Tag zu Tag glücklicher. Noch immer taten wir nichts außer zusammen zu sein. Zu kuscheln, zu küssen, einander zu halten. Und jedes Mal wenn er mich losließ, um kurz etwas anderes zu machen, wünschte ich, er würde so schnell wie möglich wieder kommen und mich wieder halten. Ich konnte nicht mehr ohne ihn sein. Langsam war er zu etwas Lebensnotwendigem für mich geworden. Wichtiger als Wasser, wichtiger als Luft. Er war alles, was ich zum Leben brauchte, und wenn er mir genommen werden würde, dann würde ich sterben.
 

Ab und zu telefonierte ich noch mit Kaito. Seltsamerweise war er bei unseren Telefonaten immer noch bedrückt und nicht so ausgelassen fröhlich, wie bei unserem Stadtbummel. Ich vermutete, dass er Aoko gar nichts von dem Zwischenfall erzählt hatte. Warum konnte ich mir allerdings nicht erklären. Es war bestimmt nicht so, dass er mir mehr vertraute als ihr. Sicher, er war ein sehr vertrauensseliger Mensch, aber trotzdem. Er vertraute seiner Freundin, die er von klein auf kannte, sicherlich mehr, als mir, der er erst vor ein paar Monaten begegnet war. Es war sowieso seltsam, dass er von Anfang an mit dieser Sache zu mir gekommen war... aber vielleicht war es auch deshalb gewesen, da ich schon Erfahrungen mit dem Tod gehabt hatte. Ich war ihm schon so oft begegnet und Aoko nicht, und er wollte ihr diese schreckliche Erfahrung wohl ersparen.
 

Als ich ihn fragte, was mit der Witwe des Erschossenen war, schwieg er eine lange Zeit, bevor er mir schließlich antwortete. Sie glaubte ihm immer noch nicht, war immer noch der festen Überzeugung, dass er noch leben würde. Es ging mittlerweile schon so weit, dass sie glaubte, er würde am Abend heimkommen, mit ihr sprechen, sie umarmen und küssen. Ich war etwas geschockt darüber. Ich hätte mir nie vorstellen können, das Liebe in solche Verzweiflung führen könnte. Es war so traurig, wenn man darüber nachdachte. Diese Frau hatte ihren Mann mehr geliebt als alles andere auf der Welt und sie hatte vielleicht nicht mal gewusst, dass er an diesem Tag einen gefährlichen Auftrag hatte. Sie war davon ausgegangen, dass er am Abend wiederkommen würde und alles so wäre wie immer. Stattdessen kam nur ein Fremder, um ihr seine letzten Worte zu überbringen. Es war grausam, einfach nur grausam.
 

Ich weinte an diesem Abend nach dem Telefonat. Tränen um eine Frau und einen Mann, die ich nie gekannt hatte und deren Schicksal mir doch so nah ging. Als Shinichi mich sah, fragte er, was los sei, aber ich wollte es ihm nicht erzählen. Er hatte selbst schon so viel durchgemacht, er brauchte sich nicht auch noch darüber Gedanken machen. Ich drückte mich nur an ihn und er hielt mich wieder, fest umschlungen und stumm. Doch an diesem Abend war seine Umarmung wie die eines Geistes. Zwar sanft und tröstend, doch eisig wie der kalte Winterwind.
 


 

~ ~ ~
 


 

Die Tage vergingen weiter, waren genauso wie zuvor und doch ganz anders. Ich wusste nicht, was sich geändert hatte, was plötzlich anders war. Manchmal hatte ich das Gefühl, das Hause wäre eiskalt, obwohl die Heizung lief. Manchmal hatte ich das Gefühl, ich wäre ganz allein, obwohl ich ihn direkt neben mir spüren konnte.
 

Es fiel mir auf, dass mich diese Gefühle immer dann beschlichen, wenn ich zuvor mit Kaito telefoniert hatte. Vielleicht lag es an der Geschichte mit der Witwe und ihrem Mann, sie glaubte ihm immer noch nicht, leugnete alles und war fortwährend der festen Überzeugung, dass er noch bei ihr war. Sie ging nicht mehr zu ihrer Arbeit, weil sie nicht von ihrem Liebsten weg wollte. Sie sprach nicht mehr mit Freunden oder ihrer Familie. Sie war den ganzen Tag zuhause, allein, in der festen Überzeugung ihr Geliebter wäre bei ihr.
 

Ich sagte Kaito jedes Mal, dass alles gut werden würde, dass er sich nicht so viele Sorgen machen müsste, aber er schien das nicht zu glauben. Immer wieder versuchte er mir irgendwas zu erklären, doch ich verstand ihn einfach nicht. Ich wusste nicht warum, aber es war so seltsam, dass ich es einfach nicht verstand.
 

Eines Tages wurde das bedrückende Gefühl bei einem Telefonat so stark, dass ich unser Gespräch beenden musste. Ich hielt es nicht mehr aus, diese eisige Hand, die nach meinem Herzen griff, immer wenn wir auf dieses Thema zu sprechen kamen. Es war viel schlimmer als die Dunkelheit, die mich damals zu verschlingen drohte. Es war so kalt und grausam, nicht vergleichbar mit irgendetwas anderem, dass ich zuvor erlebt hatte.
 

Entschuldigend legte ich an diesem Tag einfach auf und rief nach ihm. Aber er kam nicht. Vielleicht schlief er, vielleicht war er in einem Zimmer und konnte mich nicht hören. Ich ging langsam durch das Haus, durch alle Zimmer, die so seltsam unbewohnt aussahen, so kalt... so verlassen... Ich wusste nicht, wie lang ich umhergeirrt war. Irgendwann hatte ich vergessen, was ich überhaupt gesucht hatte und so ging ich ins Bett. Und erst in der Nacht spürte ich ihn wieder, seine Nähe, aber sie war seltsam kalt.
 

Ich fragte ihn am nächsten Morgen nicht, wo er gewesen war. War einfach nur glücklich, dass er wieder bei mir war. Er redete nicht viel, schwieg die ganze Zeit und blieb nur da, um mich zu halten. Es war mir egal. So lange er nur da war, war mir alles andere egal.
 

Die Tage vergingen und das Telefon klingelte oft. Aber ich ging nicht mehr dran. Ich wollte nicht mehr mit Kaito sprechen. Es war so bedrückend geworden mit ihm zu sprechen. Es tat mir in der Seele weh um den Freund, den ich verlor, aber ich konnte es einfach nicht mehr. Irgendwann schaltete ich auch den Anrufbeantworter aus. Doch das Telefon klingelte weiter und bei jedem Ton zuckte ich zusammen. Also stöpselte ich den Apparat aus.
 

Ich rief nach ihm, doch er antwortete mir nicht. Es war fast so, als hätte ihn das Klingeln vertrieben. Ich suchte an diesem Tag nicht, denn ich war mir sicher, in der Nacht würde er wiederkommen - und so war es.
 

Ein paar Tage war es still im Haus. Wir redeten nicht miteinander, er hielt mich nur. Die meiste Zeit lagen wir im Bett. Nur ab und zu aßen wir etwas. Ganz selten und ich hatte immer das Gefühl, dass er sein Essen nur ansah und es nicht aß.
 

Dann klingelte es an der Haustür. Anfangs nur kurz, doch von Tag zu Tag länger, bis zu Stunden. Ich wollte nicht aufmachen, ich wollte mit niemandem reden. Ich wollte einfach nur alleine mit ihm sein. Doch wieder war er nicht da, wenn es klingelte und wieder kam er erst in der tiefsten Nacht, als alle Geräusche schon lange verstummt waren.
 

Manchmal stand ich am Fenster und sah hinaus auf die schneebedeckte Welt. Dann hielt er mich von hinten umschlungen, seine Umarmung jedes Mal so zart wie ein Windhauch. Ich erinnerte mich an das Bild in Kaitos Haus und mir fiel ein, dass ich diesen Ort sehen wollte, real, wie er da lag, in der strahlenden Sonne mit seinem weißen Kleid. Ich flüsterte den Namen des Bildes und drehte mich um, um ihn zu fragen, ob wir den Ort suchen sollten, aber er war wieder verschwunden.
 


 

~ ~ ~
 


 

Der Morgen war strahlend hell und klar, die Sonne schien hinab und wärmte die kalte Erde. Doch sie war nicht stark genug, um den Schnee zu schmelzen, und so blieb alles unter dem weißen Schutz verborgen.
 

Lächelnd ging ich die Treppe hinunter, um uns Frühstück zu holen, er lag noch oben und schlief. Es war ein schöner Morgen, so schön wie kaum ein anderer zuvor, doch als ich unten angelangt war und mich umwandte, um in die Küche zu gehen, da stand Kaito plötzlich an der Tür vor mir.
 

"Ran."
 

Er hatte nicht laut gesprochen und doch klang seine Stimme schrill in diesem Haus, in dem schon so lange kein Wort mehr erklungen war. Verwirrt sah ich ihn an, fragte mich, wie er hineingekommen war und was er wollte.
 

"Was willst du hier?"
 

"Ich muss dir etwas zeigen." Er trat auf mich zu und nahm mich an der Hand. Doch als er mich mitziehen wollte, schüttelte ich sie ab.
 

"Nein! Ich will nicht! Ich will hier bleiben! Hier bei ihm!"
 

Minuten starrte er mich an, dann senkte er den Blick und meinte leise. "Er ist nicht hier. Er ist dort, wo ich dich hinbringen will."
 

Verwundert sah ich ihn an. Aber er war doch hier, er war oben. Ich begann zu zweifeln und lief nach oben, aber er war weg. Er lag nicht mehr dort, wo er zuvor noch gelegen hatte. Oder war er vorhin schon weggewesen und ich hatte es nicht gemerkt? Ich wusste es nicht mehr. Dann trat Kaito ganz plötzlich hinter mich. Seine Stimme war wieder leise, monoton, seltsam traurig:
 

"Komm bitte mit mir, Ran. Bitte. Es wird Zeit."
 

"Bringst du mich zu ihm?" Mein Stimme war brüchig, zittrig, voller Angst und ich wusste nicht, warum.
 

Wieder brauchte er lange, bevor er antwortete und dann war es nur ein Seufzen und ein schwaches Nicken.
 

"Okay."
 

Ich nahm seine Hand und folgte ihm. An der Tür zog er einen Regenschirm aus dem Ständer. Ich wunderte mich, war es doch strahlender Sonnenschein draußen. Dann zog er die Tür auf und geleitete mich hinaus. Und dort stand ich, unter einem grauen wolkenverhangenen Himmel, aus dem kleine Wassertropfen fielen.
 

"Seit wann regnet es?", fragte ich verwundert, während wir zu dem Auto gingen, das vor dem Tor stand.
 

Wir stiegen ein und er startete den Motor. Ich sah zu, wie die Tropfen die Scheibe hinabrannen. Dann antwortete er mir schließlich. "Schon seit Weihnachten."
 


 

~ ~ ~
 


 

Wir fuhren eine lange Zeit, schweigend, ohne dass ich wusste, wohin. Aber es war mir egal, solange er mich dorthin brachte, wo er war. Ich beobachtete den Himmel, die Tropfen, die von ihm hinabfielen, die Landschaft, die nur nass war und die kein einziges Anzeichen von Schnee zeigte.
 

Mit der Zeit wurde es hügeliger, wir fuhren lange sich windende Straßen entlang, die voller Schlaglöcher waren und schließlich hielt er an. Er hielt mir die Tür auf und ich stieg aus. Dann gingen wir den Rest zu Fuß. Den großen Hügel hoch, bis wir am obersten Punkt angekommen waren - und wo sich uns das atemberaubendste Panorama darbot, das ich je gesehen hatte.
 

Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, es war das schönste was ich bisher gesehen hatte und ich war froh, dass er nun wieder bei mir war. Ich spürte ihn an diesem Ort stärker, als den ganzen Winter zuvor.
 

Ich blickte hinauf in den Himmel, sah den Regen immer noch hinunterfallen und ein unglaublich starkes Glücksgefühl durchströmte meinen Körper. Ja, so würde es immer sein. Meine Zweifel der letzten Wochen waren verschwunden, nun würde ich wieder glücklich sein.
 

"Gehen wir spazieren?"
 

Kaito antwortete mir nicht. Stand nur da, stumm und reglos, während ich unter dem Regenschirm hervor trat und näher an den Abhang ging.
 

"Ran...", ich musste mich nicht umdrehen, um zu sehen, wie er seinen Arm ausstreckte und auf mich zu gehen wollte. Ich wusste, dass er Angst hatte, ich würde hinabspringen.
 

"Sei nicht kindisch, ich springe schon nicht. Wieso sollte ich denn auch? Es gibt keinen Grund dazu. "
 

"Ran...", wiederholte er, erneut mit dieser monotonen, traurigen Stimme, die ich einfach nicht verstand und die mir aus seinem Mund so seltsam fremd vorkam.
 

"Was ist denn? Warum bist du denn so traurig? Es ist doch so wunderschön hier!" Mit strahlenden Augen sah ich über die Landschaft. Unterhalb des Abhangs führte eine kurvenreiche Straße entlang, die sich den nächsten Berg hinauf schlängelte und vor einem zerfallenen Schloss endete. Es schien erst vor einiger Zeit zusammengefallen zu sein. Der Regen hüllte alles in ein trübes Licht, aber mir gefiel es. Ich mochte den Regen nun, denn er war seit Weihnachten mein einziger Freund geworden.
 

"Ran... willst du es denn immer noch nicht verstehen?"
 

Ich lachte auf, während ich mich im Kreis drehte. Ich liebte das Gefühl im Regen zu tanzen, das Gesicht nach oben zu wenden und die darauffallenden Tropfen zu spüren.
 

"Was gibt es denn zu verstehen? Es ist doch alles klar."
 

Er schwieg eine Weile, während ich weiter tanzte.
 

"Ran... es ist vorbei. Dort drüben hat es geendet. Bitte zwing mich nicht dazu dir das Innere des Schlosses zu zeigen!"
 

Wieder musste ich lachen und drehte mich immer noch dabei. Es war so ein erhabenes Gefühl.
 

"Warum nicht? Da ist es bestimmt interessant."
 

"Verdammt noch mal, Ran!" Er hatte den Schirm weggeworfen und mich an den Schultern gepackt. Verwirrt sah ich zu ihm auf, in die blauen Augen, die normalerweise freundlich schauten, doch diesmal waren sie nur verzweifelt. "Ich hab es doch gesehen, ich hab es dir doch erzählt!"
 

"Erzählt? Du hast mir nichts erzählt."
 

Der Druck seiner Hände wurde stärker, er schien mit sich zu kämpfen. Doch als er sprach war seine Stimme ruhig.
 

"Ich versuche es dir seit Weihnachten zu erklären. Aber du willst es einfach nicht verstehen, Ran, warum nicht?"
 

Ich blinzelte verwirrt. "Aber du hast mir doch selbst gesagt, ich soll niemals aufhören zu hoffen."
 

Ein verletzter, geschockter Ausdruck trat in seine Augen. Dann nahm er den Blick ab. Ich wand mich mit einem Kopfschütteln aus seinem Griff und drehte mich wieder zu dem schönen Panorama um.
 

"Aber jetzt gibt es nichts mehr, worauf du hoffen kannst."
 

Ich begann wieder zu tanzen, lachend, ihn kaum hörend.
 

"Ran."
 

Wieder einmal hatte ich das Gefühl zu schweben, wie damals als ich ihn kennengelernt hatte, wie immer wenn er mich gehalten, gestreichelt oder geküsst hatte.
 

"Versteh' es doch endlich!"
 

Wie ein Zauber kam es mir vor und hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich gesagt, er ließe mich mit seinen Kräften schweben.
 

"Er ist weg! Er kommt nicht mehr!"
 

Weit über allem. Über allem Leid und allem Schmerz und aller Trauer.
 

"Ran..."
 

So würde es auf ewig sein, ich würde dieses Gefühl niemals wieder loslassen. Es sollte mein sein, bis ans Ende meiner Tage.
 

"Bitte!"
 

Was kümmerte es mich, was alle sagten? Es stimmte nicht.
 

"Versteh es doch!"
 

Es war nur das wahr, was ich glaubte.
 

"Ran..."
 

Wir würden auf ewig glücklich sein.
 

"Shinichi ist tot."
 

Und mein Gesicht wandte sich nach oben.
 


 

,Alle sagen, der Regen sei etwas trauriges. Ich denke, er hat etwas magisches, denn er ist der einzige, der dich dazu bewegt mit erhobenem Gesicht spazieren zu gehen, wenn es voller Tränen ist.'
 

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*Schluss noch etwas einwirken lässt*
 


 


 

Schlussbemerkung:
 

*seufz* Ich liebe diesen Schluss irgendwie o.O

Es war schwer für mich diese Story zu schreiben, nicht nur, weil ich Heteropairings nicht gewohnt bin, sondern auch, weil ich so schreiben wollte, dass man nicht gleich am Anfang merkt, dass Shinichi kurz nach dem Zwischenspiel bereits gestorben ist. Ich hoffe, das ist mir einigermaßen gelungen, es würde mich jedenfalls interessieren, wann ihr gemerkt habt, dass Shinichi nicht mehr lebt.

Die Frau, von der Kaito erzählt, ist natürlich Ran, sie ist von seiner Nachricht allerdings so geschockt, dass sie es nicht wahrhaben will und sich mit aller Kraft einbildet, dass Shinichi noch bei ihr ist. Die Schlittschuhszenen, wie auch seine Liebeserklärung sind nur Wunschvorstellungen, die niemals wirklich passiert sind, die sie in ihrer Fantasie aber derart intensiv erlebt, dass sie glaubt, es wäre wirklich.

Ich wollte das nur klarstellen, falls man meinen versteckten Gedankengang, der in der Story enthalten ist, nicht nachvollziehen kann (was ich aber keinem vorwerfe, ich weiß, dass ich manchmal ein wenig kompliziert denke^^')

Ich würde euch um einen Abschlusskommentar bitten, da - wie schon einmal gesagt - mir diese Story doch einiges bedeutet^^

Vielen Dank fürs Lesen, ich hoffe es hat euch gefallen und - auch wenn es doch recht traurig wurde gegen Ende - ihr Spaß hattet^^ (Kaito hat ja hoffentlich mit seinen Bemerkungen für ein klein wenig Humor gesorgt^^)



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Kommentare zu diesem Kapitel (36)
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Von:  Einzelfall
2012-06-23T23:45:09+00:00 24.06.2012 01:45
wow das istsoooo
einfach hammer.
irgentwie hatte ich es gewusst.das mit ran.^_^
du schreibst alles soo gut
schade das es so traurig ist aber
einfach hammer ff
lg.iduna
Von:  FarinaUrlaub
2011-10-27T10:37:38+00:00 27.10.2011 12:37
.......
ich bin gerade sprachlos.
um himmels willen, wo soll ich anfangen..??

also, ich schicke vorweg, dass das eine der besten ffs ist, die ich je gelesen habe.
dein schreibstil ist phantastisch; als würde ich ein buch eines professonellen schriftstellers lesen. sehr flüssig und angenehm zu lesen, tolle metaphern, da stimmt einfach alles.
die story - omg, einfach so unglaublich gut durchdacht und dargestellt. ich habe beim lesen keine sekunde lang dieses überraschende ende erwartet. du hast es unheimlich geschickt beschrieben und am ende perfekt aufgelöst, sodass es für mich ein grosser schock war, das ende zu lesen.
die wendung, die die geschichte nimmt, kam für mich so überraschend! einfach beeindruckend, die geschichte hatte eine unheimliche wirkung auf mich. ich musste erstmal eine minute auf den bildschirm starren, als ich den letzten satz gelesen hatte...

mir fällt überhaupt nichts schlechtes ein, das ist unglaublich..
WEITER SO! einfach eine rundum gelungene ff, die ich auf jeden fall weiterempfehle!!!
grosses komplimet : )
Von:  Anuri
2011-03-15T18:40:38+00:00 15.03.2011 19:40
Ich muss sagen du schreibst einfach toll. Du bringst Rans Gefühle wirklich gut rüber. Ich liebe auch Kaito, er ist wirklich toll und sehr gut getroffen.

Ich muss sagen als Shinichi sagte er müssen noch mal weg, dachte ich mir schon das er nicht mehr wiederkommt...aber als Kaito dann da war und erzählt, dachte ich dann...okay...doch nicht...als ich war bis nach dem Treffen der vier nicht sicher...
Das war total süß...auch wenn es ja eigentlich nie stattgefunden hat...

das einzige was ich echt schade finde ist, das die Freundschaft von Sonoko so unter den Schefel gestellt wird...ich weiß ja nicht, wie weit die Serie zu den Zeitpunkt war...aber Sonoko ist wohl die beste Freundin, die Ran haben kann. Ich weiß, dass das nicht wirklich in die Geschichte passt, aber er etwas schade ist es trotzdem...

Ansonsten ein wirklich gut geschrieben traurige Geschichte.
Von: abgemeldet
2009-01-26T21:11:11+00:00 26.01.2009 22:11
Wunderschön geschrieben.
Die ganze Zeit über hat deine geschichte so ein Gewicht, das man selber glaubt man könne nicht mehr atmen.
Das gefühl der verzweiflung und Trauer sind super rübergebracht worden.
Am liebsten habe ich die Szene am Ende, als Ran unter dem regen tanzt.
Irgendwie kann ich mir da ihre Verzweflung, ihre Sehnsucht am ehesten vorstellen und richtig spüren.
Hut ab, eine klasse Story.
Von: abgemeldet
2009-01-08T18:56:00+00:00 08.01.2009 19:56
hey,
deine story ist sowas von dermaßen traurig, ich hab wirklich geglaubt, dass shinichi wiedergekommen ist, als kaito von dem mann erzählt hat der neben ihm gestorben ist, hab ich tatsächlich gedacht es sei shinichi gewesen, aber als er dann einige sätze später doch noch auftauchte, hab ich das gleich wieder verworfen...
in manchen scenen danach, habe ich auch manchmal gedacht, dass ran diese frau war, die den tod ihres mannes nicht wahrhaben wollte, aber ich interpretiere immer etwas in geschichten und deshalb hatte ich das zu diesem zeitpunkt nicht wirklich geglaubt.

aber als shinichi immer wieder verschwand, habe ich irgendwie gewusst, dass er doch der mann war, das war dann doch zu merktwürdig, das er ganz plötzlich verschwunden ist...^^

also, um auf den punkt zu kommen: du hattest am ende gesagt, dass du nicht wüsstest, ob du das gut verpackt hast, dass man noch nicht denkt, shinichi wäre tot, aber ich finde du hast das ausgezeichnet gemacht, ich hab zwar geschrieben, dass ich einige augenblicke an shinichis rückkehr gezweifelt hatte, aber letzendlich hatte ich das nicht, erst als die sätze zu klar wurden, als dass ich noch denken könnte, er würde leben....
so^^ ich weiß nicht, ob du das alles was ich geschrieben habe verstehst, ich hoffe es, wenn nicht, dann tuts mir leid...^^

also, deine story ist toll, geschrieben, als auch inhaltlich...

liebe grüße

ai-alias-shiho
Von:  malacay
2006-11-02T19:23:40+00:00 02.11.2006 20:23
die geschichte is echt wunderschön
das ende ist traurig..aba das macht die gewschichte zu was besondere
meinen respekt *verbeug* ich wär zu sowas nicht fähig, aba du hast es drauf^^
ok, danke für die geschichte
deine mala-san
Von:  ChillOutManiac
2006-09-05T15:13:14+00:00 05.09.2006 17:13
echt ne tolle geschichte. und der schreibstil ist echt der hammer!! hab auch total lang rumgeflennt, obwohl das bei mir wirklich selten der fall ist!!! komm aus dem staunen gar nicht mehr raus. den ersten platz hast du wirklich verdient!
Von: abgemeldet
2006-02-04T15:30:32+00:00 04.02.2006 16:30
Die Geschichte ist total schön und sie ist toll geschrieben, es wundert mich kein bisschen, dass du dafür den ersten platz bekommen hast. ich hatte schon so eine vorahnung, dass der mann, der neben kaito gestorben ist, shinichi war.
ich kann nur sagen : Mach weiter so !!
Von:  Kikyou_02
2006-01-24T22:14:47+00:00 24.01.2006 23:14
Die Story ist echt total gelungen, ich finde du hast diese traurig-fröhlich Atmosphäre total gut rübergebracht, und ich bewundere deinen Schreibstiel.
Bye Kikyo3
Von: abgemeldet
2006-01-23T23:25:28+00:00 24.01.2006 00:25
Du bist doof!!!
*kopfschüttelt*
nein ganz im Gegenteil... du bist briliant!!!!
*unter tränen lächelt*
Man das ist scheiß traurig.... wie kann man nur sowas schreiben???? Du spinnst!! *knuddel* Ne nun mal ehrlich, ich finde deine Story total geil!!! Ich kann verstehn warum sie dien ersten Preis bekommen hat!!!
Ich hab schon am Anfang die Vermutung gehabt, das es Shinichi war der erschossen wurde und von dem Kaito immer wieder erzählt, aber erst auf Seite 12 ist es mir endgültig klar geworden!!
Ich bewundere dich für deine Fantasy und deinen Schreistiel echt toll....!! Ich weiß war nich was ich sagen soll!! Ich saß schon nach dem 1 Absatz gefesselt an meinem PC... und hab nicht aufgehört bis ich fertig war!!! Einfach klasse!!!


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