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Wer braucht schon Psychologie?!

Andrew und Nuka
von

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Der zweite Brief

Der zweite Brief
 

Nuka wachte mit einem Mal auf. Verwirrt blinzelnd sah er sich um. Der Fernseher lief vor ihm. Er musste wohl am Morgen davor eingeschlafen sein.

/Wir haben jetzt schon 1 Uhr...Was hat mich überhaupt geweckt?!/

Das laute Klingeln des Telefons ließ ihn aufschrecken.

/Das war's.../

Er seufzte und erhob sich mit einem Ächzen.

Mit schweren, tapsigen Schritten ging er zum Telefon und hob ab.

"Sanatchev?!"

"Hier ist Rob!"

Nuka runzelte die Stirn. Rob flüsterte und hörte sich aufgeregt an. Das tat er eigentlich immer nur dann, wenn Andrew nicht wissen durfte, dass er telefonierte.

/Was ist denn jetzt schon wieder passiert?!/

"Hmm...? Was ist denn los, Robbie?"

"Irgendetwas stimmt nicht mit Drew! Da waren heute Morgen so zwei Briefe in der Post! Einer war für dich. Schon wieder in den falschen Briefkasten geschmissen."

"Ja, und?!"

"Na, wir kriegen nie Briefe! Ich wollte unseren gerade aufmachen, da hat Andrew ihn sich geschnappt und selbst gelesen. Ich hab ihn genau dabei beobachtet. Er hätte fast einen Panikanfall gekriegt. Glaub mir, ich weiß wie das bei ihm aussieht, das hat er oft! Nuka, ich mache mir richtig Sorgen! Er hat danach so getan, als wäre nichts! Aber da ist irgendwas! Er hat den Brief im Safe in seinem Zimmer eingeschlossen! Das macht er nie! Und dann hat er mich einfach gefragt, was ich essen will, und sich ans Frühstückmachen gesetzt! Ich hatte bis jetzt keine Gelegenheit dich anzurufen, er ist jetzt auf der Toilette."

Nuka hatte allem schweigend zugehört. Er machte sich ebenfalls Sorgen. Es war nicht Andrews Art Rob Sachen zu verschweigen oder gar irgendetwas wegzuschließen.

"Und was soll ich jetzt machen?! Soll ich runterkommen?!"

"Ja! Tu das! Und rede mit ihm! Bitte!"

"Rob? Mit wem telefonierst du da?"

Nuka konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen. Andrew hatte wohl etwas mitbekommen.

"Nichts, nichts! Ich bin jetzt fertig!"

Es wurde einfach aufgelegt.

Nuka seufzte und betrachtete den leise tutenden Hörer in seiner Hand. Langsam und nachdenklich legte er auf und fuhr sich durch die Haare.

/Andrew hat also einen Brief gekriegt und ihn danach weggesperrt...Was soll das wieder bedeuten...? ,Panikanfall'?! ,das hat er oft'?! Hab ich noch nie was von gemerkt!/

Kopfschüttelnd schlurfte er ins Badezimmer und kämmte sich kurz durch die Haare. Dann verließ er die Wohnung.
 

Rob öffnete ihm die Tür. Er sah nervös aus.

"Er redet nicht mit mir! Er weiß, dass ich dich angerufen habe und redet nicht mehr mit mir! Was soll ich machen?!"

Nuka seufzte und zerwuselte Robs Haare.

"Keine Sorge...Ich werde die Wogen wieder glätten. Wo ist er denn jetzt?"

"In seinem Zimmer...Er meinte gestern, er würde noch einen dritten Patienten annehmen und guckt sich jetzt verschiedene Akten an."

Nuka nickte und ging an Rob vorbei den Gang entlang. Zögernd trat er an Andrews Schlafzimmertür heran. Verwundert bemerkte er, dass sie geschlossen war. Andrew machte seine Tür nie zu! Sie war immer wenigstens angelehnt!

/Himmel! Was läuft hier ab?!/

Ein wenig beunruhigt klopfte er an das weiß gestrichene Holz.

"Komm rein, Nuka."

Nuka seufzte auf.

/Er hat es also schon geahnt.../

Zögerlich drückte er die Klinke hinunter und schob die Tür auf.

Andrew saß auf dem Stuhl vor dem Bett und war über verschiedene Akten gebeugt, die auf der Matratze lagen. Er blickte kurz auf. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen.

"Na? Wie geht's dir?"

/Er benimmt sich normal..._Zu_ normal für meinen Geschmack.../

"Ganz gut...Und dir so?"

Er schloss hinter sich die Tür und ließ sich bewusst lässig auf die Bettkante sinken.

Andrew zuckte mit den Schultern.

"Kann nicht klagen."

"Prima."

Sie schwiegen sich an.

Andrew hatte seinen Blick wieder auf die Blätter gerichtet und Nuka betrachtete eingehend die weiße Zimmerdecke. Stille.

/Mist! Gespräch abgerissen! Wie soll ich nur auf den Brief zu sprechen kommen?! Am Besten...Am Besten bin ich direkt! Es bringt nichts um den heißen Brei herumzureden!/

"Und? Was Interessantes in der Post gehabt heute?"

"Ne. Nur Werbung und Rechnungen."

/Rechnungen?! Aber wegen Rechnungen regt er sich doch nicht so auf, dass er ,fast einen Panikanfall' kriegt! Er lügt schon wieder!/

"Hohe Rechungen?"

"Es geht. Ich kann es mir gerade noch leisten. Deshalb möchte ich auch einen neuen Patienten annehmen. Wir könnten wieder etwas mehr Geld vertragen..."

/Scheiße! Er geht nicht drauf ein! Na dann, Andrew, eben noch direkter!/

"Ich habe gehört, dass da auch ein netter Brief drin war...Einer für mich und einer für dich...Was stand denn so drin?"

Andrew zuckte zusammen. Er erstarrte vollkommen. Dennoch hörte sich seine Stimme weiter vollkommen normal an.

"Nichts Besonderes. Nur Werbung für so eine Fernsehsendung. Die wollten uns einladen."

Nuka verzog leicht wütend den Mund und erhob sich.

"Mensch! Jetzt hör auf zu lügen und erzähl mir was drin steht, verdammt!"

Andrew warf ihm einen erschrockenen, verstörten Blick zu. Er war laut geworden.

Nuka konnte es nicht leiden auf die Folter gespannt zu werden.

"N...nichts steht drin! Nichts Wichtiges!"

"Aha! Und warum verschließt du ihn dann?!"

"I...Ich...Nur so halt."

Nuka raufte sich das Haar und lief im Zimmer auf und ab. Langsam verlor er die Nerven. Irgendwie hatte er ein schlechtes Gefühl. Da war was faul. Sein Magen zog sich merklich zusammen, als er versuchte sich vorzustellen, warum Andrew sich so aufgeregt hatte.

"Gott! Bist du stur! Jetzt erzähl doch einfach was los ist!"

Andrew biss sich auf die Lippe, senkte den Blick und krallte seine Finger in den Stoff seines Hemdes.

Mit einem Mal kam er Nuka so verletzlich vor.

"Ich kann es dir nicht sagen..."

"Wieso nicht?! Wenn da ein Brief für mich dabei ist, dann musst du ihn mir geben! Dann geht mich das auch an! Also, wo ist mein Brief?!"

"Ich kann nicht! Er will ihn mir wegnehmen! Verdammt!"

Ein Beben ging durch Andrews Körper. Er vergrub sein Gesicht in seinen Händen und schluchzte auf.

Nuka erstarrte und stierte den braunhaarigen Wuschelkopf verwirrt an, der so plötzlich die Fassung verloren hatte. Die ruhige Maske, die der Psychologe sich aufgesetzt hatte, brach entzwei.

"Ich...Ich verstehe nicht. _Wer_ will dir _was_ wegnehmen?!"

Andrew brachte nur ein lautes Wimmern zu Stande.

Nuka ließ sich neben ihn auf die Knie nieder. Beruhigend strich er über Andrews Rücken. Jetzt war er wirklich besorgt! Was war nur passiert?!

"Sch...Beruhige dich, Darling..."

Andrew wand sich zu ihm um und schlang die Arme um seinen Hals, vergrub sein Gesicht in seiner Halsbeuge. Nur zögernd legte Nuka seine Arme um den zitternden Körper. Andrew so aufgelöst zu sehen, verwirrte ihn.

"Mein Vater...Er hat herausgefunden, wo ich bin...Rob...Er will mir Rob wegnehmen! Er hat sein Sorgerecht! Ich darf ihn gar nicht bei mir haben! Sie wollen uns trennen! Ich muss ihn wiedersehen! Ich werde wieder ganz alleine sein! Gott, ich bring mich um! Ich will nicht!"

Nuka schluckte. Entsetzt zog er Andrew vom Stuhl an seine Brust und auf seinen Schoß. Er lehnte sich an das Bettgestell und legte den Kopf in den Nacken. Die immer noch weiße Zimmerdecke grinste ihn scheinbar höhnisch an.

Er fand keine einzige Antwort auf diese Eröffnung. Sein Kopf war genauso blank wie die Decke. Er wollte sich gar nicht erst vorstellen, was es für Andrew bedeutete vielleicht das Wichtigste in seinem Leben zu verlieren.

"Scheiße..."
 

Andrew lachte hysterisch auf.

Nukas Worte waren immer so treffend.

Weinend und lachend gleichzeitig versuchte er sich an Nuka festzuklammern.

Alles Mögliche schoss ihm durch den Kopf.

/Ich könnte einfach abhauen! Rob und ich fliehen wieder! Das vorige Mal hat es doch auch geklappt! Das geht!/

Er schüttelte heftig den Kopf.

/Nein! Du Trottel! Es geht wieder schief! Du siehst es doch hier! Er hat dich wieder gefunden! Nach einem Jahr hat er dich wieder gefunden! Er kriegt dich! Trottel! Arschloch! Er kriegt dich!/

Andrew schluchzte auf. Er bekam wieder diese grauenvollen Kopfschmerzen.

/Was soll ich denn tun?! Niemand ist da! Niemand!/

Langsam schnürte ihm der ganze Druck die Kehle zu. Panik überflutete seine ganzen Gedanken, machte denken schier unmöglich. Alles verschwamm vor ihm. Lichter flackerten vor seinen zusammengepressten Augen. Er schnappte nach Luft und krallte sich in Nukas T-Shirt fest. Er atmete tief und zitternd ein, versuchte seinen Atem wieder zu beruhigen. Panikattacke!

/Du bist ganz allein! Du musst dich ihm stellen!/

/Er kriegt mich! Er nimmt ihn mir weg! Ich komme nicht gegen ihn an! Ich bin vollkommen machtlos gegen ihn!/

Andrew wimmerte auf und krümmte sich zusammen. Er begann zu zittern. Gleich würde es schwarz vor seinen Augen werden.

"Andrew! Beruhige dich wieder! Das ist kein Grund so durchzudrehen!"

Ein rüdes Rütteln an seiner Schulter holte ihn wieder zurück. Heftig blinzelnd sah er auf. Nukas Gesicht war verschwommen und flackernd vor ihm.

/Nuka! Nuka hilft mir! Das macht er bestimmt! Das tut er! Wenn ich nur.../

"Andrew, beruhige dich jetzt erst einmal. Wir reden da jetzt drüber. Du gibst mir meinen Brief."

Irgendetwas in Andrew brannte durch.

Andrew presste seine Lippen fast ein wenig hart auf Nukas und drängte seine Zunge in den vor Überraschung geöffneten Mund. Seine Hände fuhren unter Nukas T-shirt und über die warme Haut, die ihn dort erwartete. Während eine Hand weiter nach oben wanderte, öffnete die andere Nukas Hosenknopf und zog den Reißverschluss schnell hinunter.

Nuka stemmte sich mit einem Mal gegen ihn. Und zwar so plötzlich, dass Andrew nach hinten zu Boden kippte.

Verstört blieb er liegen und blinzelte zur Decke hinauf. Er fasste gar nicht, was gerade passiert war. Nuka beugte sich über ihn und sah ihn mit einem undeutbaren Blick an.

"Tu mir das bitte nicht noch einmal an, Andrew...Tu es nicht, wenn du es nicht ernst meinst..."

Andrew keuchte auf. Er fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht.

"Gott...Ich weiß auch nicht, was...tut mir Leid...das...das wollte ich nicht...ich..."

Nuka strich ihm sanft durch die Haare.

/Er ist immer so lieb! Ich hab ihn nicht verdient! Ich wollte gerade mit ihm schlafen, nur damit er bei mir bleibt! Ich wollte ihn ausnutzen! Scheiße!/

Andrew schluchzte auf.

Doch dann fasste er einen Entschluss. Er würde es auch alleine schaffen.

"Geh...Nuka, geh bitte und komm nie wieder...ich will nicht, dass du...verdammt..."

Andrew drückte seine Handflächen vor seine Augen, damit er bloß nicht aufsah und in Versuchung geriet in Nukas schöne, Trost spendende Augen zu sehen. Wieder brach ein Schluchzen aus ihm heraus. Warum lief es nie, wie er es wollte?! Was hatte er getan?!

"Du bist ein riesiger Idiot, Darling..."

Nuka zog die Hände von seinem Gesicht und hauchte ihm einen Kuss auf jedes zugepresste Augenlid.

"Ich werde jetzt mit Sicherheit nicht abhauen und dich allein lassen...Was für ein Mensch wäre ich dann?!"

/Ein gut erzogener Mensch, der das tut, um was ihn andere Leute bitten! Verdammte Scheiße!/

"Nuka...du bist hier der Idiot..."

Nuka lachte ihn an.

"Na, dann ist ja gut! Schließlich ist es besser selber ein Idiot zu sein, als sich in einen verliebt zu haben oder?!"

Andrew stockte und schob seine grauen Gedanken, kurz beiseite. Was hatte er da gehört?!

"Du hast dich in mich verliebt?!"

Nuka stockte, grinste dann ertappt und nickte.

"Tja...müsste eigentlich..."

Irgendetwas in Andrew machte ,Klick'. Nuka hatte sich in ihn verliebt?! Durfte er das überhaupt? Verwirrt biss er sich auf die Unterlippe und suchte nach einer Erwiderung, die möglichst neutral war. Er wollte sich alles später nüchtern ansehen und die Pro und Contras abwägen.

"Dann tust du mir Leid...Ich bin nicht zum Lieben da..."

Andrew richtete sich etwas auf und starrte starr vor sich Löcher in die Luft.

Liebe hatte ihm bis jetzt immer nur Ärger eingebracht. Genauso wie das Leben überhaupt. Vielleicht brachte das alles nichts...?

"Sag so etwas nicht, Darling..."

Nuka setzte sich hinter ihn und zog ihn an seine Brust. Mit einem Seufzen vergrub er sein Gesicht in Andrews Halsbeuge und umarmte ihn sanft.

"Du hörst dich so dumm an, wenn du so etwas sagst..."

Andrew lachte leise auf. Genoss aber die warmen Berührungen. Er lehnte sich sogar an Nukas Brust und atmete den zarten Zimtgeruch ein. Die Wärme war das einzige, das ihn vor der Panik bewarte. Ihm wurde klar, dass Nuka so wichtig für ihn war, wie ein Schwimmreifen für einen Ertrinkenden.

Jedoch kam ihm sein Problem wieder in den Sinn. Dabei wollte er es doch nicht mehr ansprechen...

"Das liegt daran, dass ich dumm bin! Welcher Trottel bringt es dazu, dass man ihm seinen Bruder wegnimmt?!"

"Man wird ihn dir nicht wegnehmen...Das schaffen sie nicht...Du...Ich weiß nicht, was in deiner Vergangenheit los war, aber du musst es ihnen sagen...Das hilft dir bestimmt gegen deinen Vater zu gewinnen."

Andrew schnaubte auf.

"Das Opfer ist immer der Täter."

"Quatsch! Hör auf so pessimistisch zu denken! Hör jetzt endlich mal auf überhaupt daran zu denken!"

Nuka legte seine Hände an seine Seiten und begann zu kitzeln. Er fand heraus, dass der Psychologe sehr kitzelig war. Natürlich war es unangebracht, aber es lenkte Andrew ab.

Dieser ließ es nämlich über sich ergehen und schloss danach ein wenig entspannter die Augen, als Nuka ihn warm mit seinen Armen umschlang. Langsam beruhigte er sich wieder. Außerdem wärmte Nuka ihn und ließ ihn sich beschützter fühlen.

"Ich muss es ihm sagen..."

"Was...wem...?!"

"Rob...Ich muss es Rob erzählen...die Sache mit dem Brief..."

"Fängst du schon wieder an..."

Andrew presste leicht verzweifelt seine Augen aufeinander.

"Ich muss wieder damit anfangen...Ich darf es nicht vor mir hinschieben. Das macht alles nur noch schlimmer..."

"Gut...Dann reden wir gleich..."

"Ich werde reden, du tust irgendetwas anderes."

"Ja ja...also dann redet ihr gleich. Aber erst einmal kuscheln wir. Das beruhigt."

Andrew seufzte auf und ließ sich von Nuka wie ein kleines Kind herumschaukeln. Und für ein paar Momente konnte er sich vollkommen entspannen. Leider aber auch nur für ein paar Momente, denn es klopfte an der Tür.

"Darf ich reinkommen?"

Andrew seufzte auf. Er nickte Nuka leicht zu.

"Du kannst reinkommen, Rob. Andrew muss mit dir reden."

Die Tür wurde leise aufgemacht. Rob steckte verstört und zögernd den Kopf durch die Türspalte.

"Komm rein, Rob..."

Andrew erhob sich. Er fuhr sich seufzend durch die Haare und setzte sich wieder auf den Stuhl. Mit einer müde aussehenden Geste deutete er auf das Bett.

"Setz dich...Nuka...würdest du im Wohnzimmer warten, bitte...?"

Nuka nickte leicht und erhob sich, schloss die Tür hinter sich.

/Na...Hoffentlich geht das gut.../
 

Nuka blickte auf, als es an der Tür klingelte. Er zögerte. Den Ton des Fernsehers, in dessen Kanälen er eben noch herumgezappt hatte, wurde ausgeschaltet.

"Ich mach auf!"

Nuka erhob sich langsam und horchte. Er hoffte, er hatte Andrew und Rob nicht gestört.

Es kam keine Antwort.

Dafür klingelte es aber wieder.

/Was für ein grauenvoller Klingelton.../

Der Russe durchquerte das Wohnzimmer und lugte durch den Spion der Tür. Stirnrunzelnd musterte er sein Gegenüber.

Ein Mann im mittleren Alter vielleicht jünger mit schwarzen, etwas lässig unordentlichen Haaren und in ebenso lässiger Jeans mit brauner Wildlederjacke.

/Den kenne ich ja gar nicht...Ich habe gedacht, ich kenne alle von Andrews Freunden...?/

Der Mann auf der anderen Seite der Tür runzelte die Stirn und blickte unschlüssig auf einen Zettel in seiner Hand hinab.

/Hmm...vielleicht ein Telegramm oder so was...Ich sollte aufmachen, vielleicht ist es wichtig./

Nuka öffnete die Tür und lächelte den Mann fragend an.

"Was kann ich für Sie tun?"

"Äh..."

/Sehr intelligente Antwort.../

"Wohnt hier nicht ein Andrew Bucker?"

"Doch, ich bin sein Freund. Was wollen Sie denn?"

Der Mann sah ihn verdutzt an, doch dann grinste er.

Nuka runzelte darauf die Stirn.

/Komischer Kauz.../

"Ich würde Andrew gerne sprechen. Wo ist er gerade?"

"Nun, er redet gerade mit seinem Bruder hinten in der Wohnung. Wenn Sie hier drinnen warten möchten, ich könnte ihn holen."

"Das wäre sehr nett."

Der Mann trat sich die Füße an der Fußmatte ab und trat lächelnd ein.

"Sie sagen, er redet mit seinem Bruder? Mit Ron?"

Nuka wollte gerade etwas erwidern, als ihm aufging, was der Mann gerade gesagt hatte. Er hatte ,Ron' gesagt, nicht ,Rob'.

"Nein, er redet mit Rob."

Nuka traf ein verwirrter Blick.

"Rob? Wo ist denn Ron?"

"Ron ist doch tot?!"

Nuka sprang erschrocken vor und ergriff den Mann am Arm, der so plötzlich vollkommen blass geworden war und gefährlich geschwankt hatte.

"Das kann nicht sein!"

"Was?! Setzen Sie sich erst einmal! Alles in Ordnung?"

"Nein! Nichts ist in Ordnung!"

Der Mann ließ sich zitternd auf einem der Sessel nieder und fuhr sich durch die Haare.

"Es ist rein gar nichts in Ordnung! Mein Name ist Damon, Damon Bucker. Ich bin Ron und Andrews Bruder."

Nuka brauchte einen Moment, bis er verstand, was der Mann da vor ihm gesagt hatte. Dann musste er schlucken.

/Er hat es nicht gewusst?!/

"Oh..."

Das war das Einzige, was er herausbrachte.

Damon atmete tief ein und fuhr sich mit den Händen durch die Haare. Er schien sich irgendwie schon wieder gefasst zu haben.

"Seit wann ist er tot? Woran ist er gestorben?"

"Ähm...Andrew hat mir erzählt, er wäre im Ausland an irgendeiner Krankheit gestorben. Ich weiß nicht, wann. Tut mir Leid, dass müssen Sie ihn gleich selbst fragen."

Damon nickte bedächtig.

"Ja...Das tue ich...Könnten Sie ihn denn...?"

Auf einmal hörte man lautes Gerumpel aus Andrews Zimmer. Ein lauter Schrei und kurz darauf das Knallen einer Tür.

Nuka sah erschrocken auf. Rob stürmte wutschnaubend am Wohnzimmer vorbei. Kurz darauf vernahm man wieder ein lautes Türeknallen.

Verwundert ließ er den fremden Mann da, wo er war, und trat an die Tür zum Flur um von einer Seite zur anderen zu blicken.

/Was ist denn jetzt bitte schön kaputt?!/

Andrews Schlafzimmertür wurde wieder geöffnet und Andrew eilte heraus. Nukas Blick blieb leicht geschockt an dem Handabdruck an dessen Wange hängen.

"Himmel! War das Rob?!"

Andrew lief einfach an ihm vorbei und hämmerte regelrecht panisch gegen die dünne Holztür.

"Rob! Komm da raus! Du..."

"Ich gehe nicht zurück! Ich will nicht! Ich bring mich um! Ich springe jetzt aus dem Fenster! Ich will nicht zu ihm zurück! Ich hasse ihn!"

Ein lautes, etwas schepperndes Klirren kam aus dem Zimmer. Glas war zerbrochen.

"Gott, Rob! Was tust du?!"

Nukas Augen weiteten sich. Er realisierte, was gerade passiert war.

/Er hat das Fenster.../

Mit einem Satz war er bei der Tür und klopfte ebenfalls laut dagegen.

"Rob! Hör mit dem Scheiß auf!"

"Halt deine Fresse, Nuka! Du hast keine Ahnung! Ich werd's nicht aushalten! Das Arschloch hat 6 Jahre aufzuholen! Wenn ich zu ihm komme, bin ich so gut wie tot! Ich geh da nicht allein und ausgeliefert, serviert wie auf einem Silbertablett hin! Da kann ich auch gleich aus dem Fenster springen!"

Andrews Finger krallten sich plötzlich mit unglaublicher Kraft in Nukas Arm. Er stöhnte auf vor Schmerz und drehte sich zu dem Psychologen um, der verzweifelt nach Luft schnappte und langsam auf die Knie sank. Seine Augen waren vollkommen verdreht und sein Gesicht so verzerrt, dass Nuka vor Entsetzen keinen einzigen richtigen Gedanken fassen konnte.

"Andrew! Gott verdammter Mist!"

Nuka ließ sich neben dem langsam bewusstlos werdenden braunhaarigen Wuschelkopf nieder und strich ihm besorgt die Haare aus dem Gesicht.

/Scheiße! So viel Chaos an einem Tag!/

Damon kam in den Gang. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen, als er seinen Bruder auf dem Boden liegen sah.

"Ich gehe nicht mehr zu ihm zurück! Ihr könnt mich vom Asphalt abkratzen!"

Man hörte wieder ein Klirren und dann einen leisen Schmerzenslaut.

Damon reagierte schnell. Er nahm Anlauf und rammte mit der Schulter gegen die Tür. Das Holz splitterte und flog auf.

Damon fiel regelrecht ins Zimmer.

"Wer sind Sie?! Lassen Sie mich los!"

"Halt die Klappe! Ich lasse nicht zu, dass ich noch einen Bruder verliere! Hör auf zu zappeln, du Mistkröte!"

Der Schwarzhaarige zerrte den wild um sich schlagenden Rob aus dem Zimmer und an Nuka vorbei.

"Nuka! Wer ist der Irre! Lass mich los, verdammt!"

"Halt den Schnabel, verdammte Hacke!"

Rob trat Damon gegen sein Schienbein und riss sich los. Damon schrie gellend auf und sank sich das Bein haltend gegen die Wand.

Rob wollte gerade ins Wohnzimmer flüchten, wahrscheinlich um die Wohnung zu verlassen, stockte dann aber im Schritt, als er Andrews auf dem Boden liegen sah.

"Was hat er?! Ist er zusammengebrochen?!"

"Wonach sieht es denn aus, verdammt?!"

Nukas Zischen brachte Rob wieder zu Verstand. Er wurde ganz gefasst.

"Das ist eine Panikattacke. Du musst ihn ins Bett bringen."

Nuka knurrte auf und fasste Rob scharf ins Auge, während er sich aufrichtete und Andrew auf seine Arme hob.

"Das hast du ja mal wieder toll hingekriegt! Hast du dir überhaupt schon einmal überlegt, wie er sich fühlt?! Du musst jawohl am Besten wissen, wie leicht er sich aufregt!"

Sein wütender Blick wurde ruhig aber auch einsichtig erwidert.

"Tut mir Leid. Ich hab nicht daran gedacht...Ich muss gleich unbedingt noch einmal mit ihm reden...Ich muss mich entschuldigen..."

Nuka seufzte nickend und erhob sich. Er trat an den beiden vorbei und schob Andrews Schlafzimmertür auf.

/Gott...Diese Familie hat einen Knall!/
 

Andrew schlug zitternd die Augen auf. Das erste, was er sah, war Robs besorgtes Gesicht.

"Wie geht es dir?"

"Ich..."

Andrew fuhr sich mit der Zunge über seine trockenen Lippen um sie zu befeuchten. Es brachte nichts. Sein Mund war genauso trocken. Seine Kehle ebenfalls.

"Ich habe Durst..."

Sofort füllte ein Glas mit Wasser sein Blickfeld aus. Rob half ihm sich ein wenig aufzurichten und hielt ihm das kühle Glas an die Lippen. Er begann gierig zu trinken.

Und verschluckte sich auch prompt.

Sein Bruder seufzte, stellte das Glas auf den Nachttisch und klopfte ihm fürsorglich auf den Rücken.

"Du weißt doch, dass du nicht zu schnell trinken darfst. Manchmal frag ich mich echt, wer von uns beiden das Kind ist..."

"Ich frag mich schon die ganze Zeit, ob _du_ überhaupt schon den Kindergarten hinter dir hast, du Rotzlöffel! So ein Idiot..."

Andrew zuckte erschrocken zusammen und erblickte einen ihm vollkommen fremden Mann, der ihn etwas schief angrinste.

"Na? Wieder aufgewacht, Andrew?"

"K...Kenne ich Sie?!"

Der Schwarzhaarige lächelte leicht und ließ sich auf den Stuhl neben seinem Bett nieder. Er wirkte ein wenig geknickt.

"Klar kennst du mich...Du kennst mich seit ungefähr 26 Jahren, du Schluffi!"

Andrew stockte der Atem.

/Schluffi?! Das hat mich bisher nur einer genannt.../

"D...D...Damon!"

"A...A...Andrew!"

Andrew seufzte, als Damon ihn nachäffte, musste dann aber doch leicht grinsen.

"Es ist lange her..."

"Ja...um genau zu sein mehr als 23 Jahre...Du hast dich nicht sehr verändert."

"Du dagegen sehr..."

Damon nickte nur und grinste sein übliches Grinsen, seine Maske, die er schon damals getragen hatte.

"Du hast einen Brief von Georgie bekommen?!"

"Nenn ihn nicht so!"

Damon begann zu lachen und Andrew musste nach Luft schnappen und schlucken. Er hatte ihn regelrecht angegiftet. Die Angst vor seinem Vater war noch immer da und Andrew hatte sich noch nie mit Damons gleichgültiger Art anfreunden können. Jedoch musste er sich beherrschen. Er durfte nicht so überreagieren.

"Soll ich gehen? Ihr redet da so..."

"Ne, bleib ruhig hier, du Bandwurm."

"Beleidige ihn nicht immer, Damon!"

Damon runzelte die Stirn und sah ihn an. Andrew zog die Decke etwas enger heran. Es hatte ihn schon immer etwas beunruhigt, wenn der Schwarzhaarige ihn so durchdringend aus seinen dunklen, düsteren Augen angesehen hatte.

"Er ist mein Bruder. Ich darf das tun, Andrew."

/Gott! Seine Stimme ist so ruhig und selbstsicher!/

Andrew schluckte seine leichte Bewunderung hinunter und spürte wie Wut in ihm aufstieg. Wie konnte es dieser Kerl wagen...?!

"Er ist nicht dein Bruder! Er ist _mein_ Bruder, aber nicht deiner! Wenn du da gewesen wärst, als er geboren wurde, dann wäre er dein Bruder! Aber du hast uns ja einfach unserem Schicksal überlassen! Was meinst du, welche Sorgen wir uns um dich gemacht haben?!"

Damon schnaubte wütend auf. Er richtete sich merklich im Stuhl auf.

"Sorgen?! Ihr?! Ihr wart doch die, die sich einfach nicht mehr gemeldet haben! Ich habe ein halbes Jahr lang zig Briefe an euch geschickt und ihr habt nicht einen einzigen davon beantwortet!"

"Du lügst! Das..."

Andrew stockte und blinzelte. Langsam zählte er eins und zwei zusammen.

"Es war Vater...Er muss wohl...die Briefe..."

Damon schien sein plötzliches Gestammel zu verstehen.

"Ja...Das muss er wohl getan haben...Er wollte mich schon immer loswerden...Ich hatte schon so eine Ahnung, als er mich aufs Internat abgeschoben hat..."

Andrew nickte kaum merklich. Er schluckte die leichte Wut hinunter.

Doch da gab es noch eine Sache.

"Hast du etwas von Ron gehört?"

Damon seufzte und senkte den Blick. Er fuhr sich durch die Haare, die so lang geworden waren, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten.

"Er ist doch tot -das hat jedenfalls Nuka gesagt-, was sollte ich schon von ihm gehört haben?!"

Andrew schluckte schwer. Sein Blick strich von Damon zu Rob, der ihrem Gespräch bis jetzt interessiert gefolgt war, wieder zu Damon und dann auf die rote Decke, in dessen Stoff er seine Finger krallte.

Rob bemerkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Auch Damon fasste ihn scharf ins Auge.

"Was ist los?! Hast du was zu sagen?"

Er atmete tief durch. Das Atmen fiel wieder schwerer, sein Herz begann wieder schneller zu pochen. Noch ein wenig mehr Stress, ein wenig mehr von Robs Gebrüll und er hing wohl gleich wieder im Land der Bewusstlosigkeit.

"Ron...Er ist nicht tot..."

"Was?!"

Andrew zuckte zusammen, als er Damons lauten Ausruf hörte.

"Was soll das hier?! Verarscht ihr mich?! Erst verliere ich fast den Verstand, weil dein ,Lover' -oder was immer der auch darstellen soll- mir noch halb im Flur erzählt, dass mein ältester Bruder Ron tot ist, dann habe ich hier das Geschrei von dieser Made zu ertragen und jetzt willst du mir verklickern, dass Ron doch nicht tot ist?!"

"Ich wünschte, er wäre tot!"

Andrew schlug entsetzt eine Hand vor seinen Mund. Er hatte das fast schon gebrüllt!

Damon sah ihn fassungslos und vollkommen perplex an.

"Wie...?! Ich verstehe nicht..."

"Er...hat mit mir geschlafen...wir waren zusammen...jedenfalls habe ich das geglaubt...Irgendwann habe ich ihm gesagt, dass ich ihn liebe und...am nächsten Tag ist er abgehauen...Er hat mich mit Vater allein gelassen...Vater wollte nicht, dass Rob erfährt, dass man sich einfach von ihm lösen kann...Deshalb musste ich ihm versprechen, dass ich die Geschichte von Rons Tod bestätige...Ich weiß nicht mehr, was wir Rob als Ausrede aufgetischt haben...Ich...Ich war damals so...verstört...Ich..."

"Du Arschloch! Du Mistkerl!"

Andrew zuckte entsetzt zurück, als Rob von der Bettkante aufsprang und ihn so plötzlich anschrie. Seine Stimme überschlug sich regelrecht.

"Du warst ,verstört'?! Weißt du, wie viele Wochen ich heulend im Bett gelegen habe?! Scheiße!"

Rob stürmte aus dem Zimmer und knallte die Tür laut hinter sich zu. Damon warf Andrew einen erschrockenen, schnellen Blick zu und folgte dem Jungen.

Der Braunhaarige starrte beiden ausdruckslos hinterher.

/Noch ein Mal...und ich bin so stumpf wie Vater...ob er auch so viele Probleme hatte und dann so kalt geworden ist...? Vielleicht liegt das wirklich in den Genen.../

Ruhig legte er sich zurück und bettete seinen Kopf auf einem der großen Kissen, die er so mochte und bequem fand.

Er war vollkommen ruhig, vollkommen entspannt. Bis Tränen sich in seinen Augen sammelten und schließlich langsam über seine Wange rannen. Laute Schluchzer brachen aus ihm heraus und er krümmte sich wie unter Schmerzen zusammen.

"Nein!"
 

Nuka steckte besorgt den Kopf durch die Tür, die Damon offen gelassen hatte. Der Russe hatte Robs zweiten Ausbruch auch mitbekommen. Aber er wusste diesmal nicht, worum es ging. Jedenfalls war es verdächtig leise in Andrews Zimmer.

"Drew? Darling?"

Entsetzt blickte er zum Bett. Andrew lag zusammengekrümmt da und zitterte unkontrolliert.

"Was ist los?! Was ist passiert?!"

"Ich hab es schon wieder getan!"

Nuka runzelte die Stirn. Er trat ins Zimmer und schloss die Tür leise hinter sich. Langsam kam er auf das Bett zu und setzte sich auf die Bettkante. Vorsichtig legte er seine Arme um die bebenden Schultern und zog ihn an sich. Sofort fiel ihm die ungewöhnliche Wärme auf, die der Körper ausströmte. Zögernd hielt er eine Hand an Andrews Stirn.

"Du hast Fieber?!"

"Ja...hab ich immer nach Panikattacken...ich halt den Stress...einfach nicht aus...Das ist alles..."

Der Psychologe stammelte und sprach sehr leise. Nuka hatte Schwierigkeiten ihn zu verstehen.

Der Russe seufzte und vergrub sein Gesicht in Andrews Haaren.

"Du hast eben so etwas gesagt...Was hast du wieder getan?"

"Gelogen...Ich habe Rob, Damon und dich belogen..."

Nuka runzelte die Stirn.

"Ich verstehe nicht..."

"Ron...Ich habe dir erzählt, er wäre tot...ist er aber nicht...Er ist nur für mich gestorben..."

Der Russe musterte ihn lange, versuchte eine Regung außer Erschöpfung in Andrews Gesicht zu erkennen. Verwirrt dachte er nach.

"Warum hast du mir das so erzählt?"

"Ich...weiß nicht...Eigentlich hätte ich es erzählen können, nachdem wir Vater verlassen haben, aber...ich hatte wohl vor genau dieser Reaktion Angst..."

"Verständlich...Soll ich mit ihm...? Ach, nein. Das machst du mit Sicherheit gleich selbst..."

Andrew schüttelte den Kopf.

"Ich werde nicht mit ihm reden. Er wird mir jetzt nicht zuhören...Außerdem fühle ich mich noch nicht so gut...Alles dreht sich in meinem Kopf...Wenn ich mich jetzt noch mal so aufrege, kann man mich für die nächsten Tage vergessen. Ich könnte höchst wahrscheinlich nicht einmal eine Kaffeetasse halten, ohne dass ich etwas verschütte."

Tröstend fuhr Nuka durch Andrews Haare und legte sich neben den Psychologen bequem aufs Bett. Nachdenklich betrachtete er Andrews ihm zugewandten Rücken.

"Es hört sich so an, als hättest du mit solchen Panikanfällen schon viele Erfahrungen gemacht..."

Nuka sah nur ein angedeutetes Nicken.

Nun schwiegen sie sich an. Es war ein wenig angespannt. Irgendwie wusste niemand, was er sagen sollte.

Schließlich seufzte Andrew auf und wandte sich zu ihm um, so dass sie sich ins Gesicht sehen mussten. Sie blickten sich lange an.

Nuka betrachtete das blasse, krank aussehende Gesicht vor sich. Die großen Augen, die seinen Blick so verzweifelt erwiderten, die Tränenspuren, die über die Wangen führten, die zerwühlten Haare und die leicht zitternden Lippen.

"Nichts in meinem Leben läuft so, wie ich es plane..."

"Das tut es nie...Sieh dir mein Leben an...Meine Eltern sterben, ehe ich ihnen auch nur einen meiner Freunde vorstellen kann, ich werde für etwas angeklagt und eingesperrt, was ich nicht getan habe...Und ich treffe dich. Das war mit Sicherheit auch nicht geplant, aber unsere planlose Begegnung ist positiv, findest du nicht?"

Andrew sah ihm irgendwie ausdruckslos ins Gesicht. Ihm lief ein eisiger Schauder über den Rücken. Keine Regung.

Im nächsten Moment seufzte er erleichtert auf.

Ein fragendes Lächeln hatte sich auf Andrews Lippen gelegt.

"Du meinst, an allem kann man etwas Positives finden?"

Nuka nahm Andrews Gesicht in seine Hände und hauchte ihm einen zarten Kuss auf die Lippen.

"Ungefähr...ja...Zwischen all dem Schlechten gibt es auch etwas Gutes."

Der Braunhaarige seufzte und schüttelte leicht schmunzelnd den Kopf. Vorsichtig rutschte er näher an Nuka heran und schmiegte sich an ihn. Ihre Gesichter lagen sich genau gegenüber und sie mussten sich direkt in die Augen sehen. In Andrews Gesicht arbeitete es. Er musste wohl über etwas nachdenken und schien hin und her gerissen.

"Was ist, Darling?"

Auf Andrews Gesicht breitete sich ein zärtliches Lächeln aus.

"Du weißt immer ganz genau, was in mir vorgeht, nicht wahr?!"

Nuka zuckte die Schultern und lächelte zurück.

"Ich bin die Person, die dich am meisten liebt. Ich muss dich so gut kennen."

Andrew küsste ihn kurz. Ein leichter Rotschimmer hatte sich auf seinem Gesicht ausgebreitet. Nuka schloss entspannt die Augen und lauschte ihrem Atem, der sich vermischte, so dass es sich anhörte, als würde nur eine Person im Zimmer sein. Eine angenehme Vorstellung.

"Du siehst so zufrieden aus..."

Ein wenig überrumpelt blinzelte Nuka sein Gegenüber an.

"Na ja...ich...tut mir Leid, aber..."

"Muss Liebe schön sein, dass du den Ernst des Lebens vollkommen vergisst..."

Nuka schwieg. Andrew hatte sich wohl dafür entschieden ihm zu erzählen, was er wollte. Wenn er schon so anfing.

"Was willst du?...Soll ich ein todtrauriges Gesicht machen?! Ich liege hier zusammen mit dir...Ich kann nicht anders, tut mir Leid..."

Andrew schmunzelte und schüttelte den Kopf.

"Nein...ich will, dass ich genau so vergessen kann...Lenke mich ab...wenigstens für einige Zeit..."

"Was meinst du d...?"

Nukas Frage wurde unterbrochen. Andrew presste seine Lippen auf seine.

Nuka verstand.

Sofort schlang er seine Arme um Andrew und verwickelte den Wuschelkopf in einen zarten Zungenkuss.

/Ich werde mich zwar nachher dafür töten, aber wenn es ihm hilft.../



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