Zum Inhalt der Seite

Devil's Blood

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

The way I feel

"Ja? Mama? Ich bin's, Mariko." ... "Ja, tut mir leid." ... "Ja, ich weiß. Ich bin noch bei Toya, könnte spät werden. Nur damit du Bescheid weißt." ... "Gut, bis später." Seufzend ließ Mariko den Hörer sinken. "Ouh Mann, bei dem ganzen Aufstand hab ich doch glatt vergessen, zu Hause zu sagen, wo ich überhaupt hingehe", dachte sie. "Aber Toya kann ich jetzt auf gar keinen Fall alleine lassen. Ouh, bitte lass Hiro jetzt nichts dummes anstellen. Ich möchte mich am liebsten in zwei teilen, damit ich auf beide aufpassen kann. Mensch, meine beiden Idioten... Als ob das alles nicht schon schlimm genug wäre, nein da müssen sie sich ausgerechnet jetzt auch noch zerstreiten!"
 

~*~*~*~*~*~
 

Toya saß auf seinem Stuhl, der noch immer ans Bett geschoben war. Er hielt ein braunes Lederband, mit einem großen, ovalen, roten Stein als Anhänger, in der Hand. Diese Kette hatte einst Yue gehört. Toya hatte bis vor kurzem nicht gewusst, wie sie überhaupt in seinen Besitz gekommen war. Er hatte sie schon immer gehabt, seit er hier auf der Erde lebte. Jetzt, wo er seine Erinnerungen wieder hatte, wusste er, dass sein Bruder sie ihm damals geschenkt hatte.

"Hier, für dich", hatte er gesagt und sie ihm entgegengehalten. "Und jetzt hör auf zu heulen! Ich mag dich genau so sehr wie Sumi." Ach ja, wie oft hatte er deswegen geweint? Weil Yue plötzlich nur noch Augen für Sumi hatte. Ihretwegen hatte er keine Zeit mehr für Toya. Aber Toya hasste Sumi nicht dafür. Im Gegenteil, sie war sehr nett gewesen. Hätte er sie einfach hassen können, dann wäre es doch leichter gewesen.
 

"Du hast doch noch Hiro." Das hatte Yue hunderte male zu ihm gesagt. "Und ich lass dich auch nicht hängen. Du bist schließlich mein Bruder."
 

Wie gern hätte er Yue jetzt so lächeln sehen wie damals. Es war bereits abends. Yue war noch immer nicht zu sich gekommen. "Ob Hiro ihn wirklich nicht mit Absicht schlimmer verletzt hat?", dachte Toya. Er legte vorsichtig die Hand auf Yue's Brust. Sein Herz schlug anscheinend gleichmäßig. "Was mach ich eigentlich hier?", fragte Toya sich. "Was wenn er aufwacht? Er wird nur wieder auf mich losgehen. Hiro hatte recht, er wird mich töten." Er ließ den Kopf auf die Bettdecke fallen. "Mein eigener Bruder... und ich kann gar nichts dagegen tun. Aber selbst wenn er mich umbringt, ich MUSSTE ihn schützen. Ich konnte doch nicht zulassen, dass Hiro IHN statt dessen tötet. Lieber sterbe ich, bevor ich zulassen, dass ER stirbt." Seufzend schloss er die Augen. "Ouh Mann, als ob es nicht schon schlimm genug wäre, dass ich voll den Hiro-Komplex hab, nein, jetzt hab ich auch noch 'nen Bruderkomplex. Ich bin echt voll krank."
 

~*~*~*~*~*~
 

Die Tür ging auf. Toya fuhr erschrocken hoch. Mariko war wieder ins Zimmer gekommen. "Also, ich hab meiner Mama Bescheid gesagt", meinte sie. "Danke, Mariko", sagte Toya leise. "Danke, dass du bei mir bist." "Ach was, is doch nicht der Rede wert. Dazu sind Freunde doch da."
 

"Dann...", begann Toya. "Ist... Masa nicht mein Freund..." Mariko stockte der Atem. Sie wusste, dass sie gerade etwas Falsches gesagt hatte. "Tut mir leid, so hab ich das nicht gemeint." Sie setzte sich auf den Schreibtisch.

"Hör mal, du hast doch zu ihm gesagt Geh, wenn du mich nicht auch töten willst! Also hör mal... dass er wirklich gegangen ist, beweist doch in dem Fall nur, dass er dich mag." "Wenn das so wäre", sagte Toya wütend. "...dann hätte er nicht gesagt, dass er meinen eigenen Bruder kalt machen will!"
 

"Falsch!", antwortete Mariko knapp. "Gerade WEIL er dich mag, hat er das gesagt und glaub mir, so wie ich ihn kenne, würde er das auch jeder Zeit tun." Toya sagte nichts. Das war doch absurd. Es war alles völlig krank. "Ich mein das jetzt ernst, Toya", fuhr Mariko fort. "Weißt du, ich glaub nicht, dass er dich Toya-sama genannt hat, um dich zu verarschen. Er meint das ehrlich. Er fühlt sich dir noch immer genau so untergeben wie damals, im 14. Jahrhundert. Er würde alles tun, was du willst. Und er denkst jetzt sicher, du nutzt das aus."

"Das tue ich aber nicht!", schrie Toya. "Shit, er ist mein Freund, und nicht mein Butler! Ich will nicht, dass er mich mit euere Hoheit anspricht. Ich will, dass er wieder so ist wie vorher. Bevor Yue mich angegriffen hat, bevor ich meine Erinnerungen zurück hatte. Er soll mich wieder Idiot nennen und sich aufführen wie der Klassenclown. Er soll sich von mir aus auch wieder mit anderen prügeln und dafür Ärger mit den Lehrern kriegen. Es ist mir egal." Er ließ den Kopf wieder auf die Bettdecke sinken. "Ich will, dass alles wieder so ist, wie vorher." "Das wird es frühestens dann, wenn Garasu vernichtet ist", seufzte Mariko.
 

"Und sag mal", begann Toya und hob den Kopf. "Woher weißt du dass alles jetzt eigentlich? Irgendwie check ich das noch nicht so ganz." Mariko blickte nachdenklich zu Boden. "Na ja, wie gesagt", murmelte sie. "Ich hab schon 'ne ganze Weile so komische Träume. Es ist nur reeller als Träume, eher wie Visionen. Ich weiß alles von eurer Vergangenheit als Dämonen. Ich kannte Yue... und ich kannte Garasu." Sie legte eine kurze Pause ein. Der Name Garasu schien selbst ihr nicht leicht von der Zunge zu gehen.
 

"Als er dich an jenem Tag auf dem Pausenhof attackiert hatte, wusste ich es plötzlich. Dass er dein Bruder ist und so..." Sie seufzte. "Tut mir leid, mehr weiß ich auch nicht. Ich hab keine Ahnung, was ich mit der ganzen Sache zu tun habe." "Ist schon okay", versicherte Toya ihr. "Aber eins ist sicher! Auch wenn Hiro nicht so dafür ist, aber ich werde euch beiden helfen, ganz egal wobei. Ihr seid meine besten Freunde." Lachend fügte sie hinzu: "Auch wenn ihr zwei blöde Idioten-Dämonen seid, die total auf dem Schlauch stehen." "Auf dem Schlauch stehen?", wiederholte Toya fragend. "Wieso?" Wieder musste Mariko lachen. "Ha ha, na da müsst ihr schon noch selber drauf kommen", meinte sie.
 

~*~*~*~*~*~
 

Das Aufprallen eines Basketballs ertönte in der Nacht. Regen prasselte hart auf die Dächer der Häuser von Tokio. Hiro's Klamotten klebten wie eine zweite Haut, klatschnass an ihm. Seine Haare verhinderten ihm die Sicht. Und dennoch traf er immer wieder in den Basketballkorb, der über dem Garagendach angebracht war. Es war ziemlich kalt. Eindeutig zu kalt, um mit T-Shirt, mit durch und durch nassem noch dazu, mitten in der Nacht Basketball zu spielen. Das einzige Licht, dass er zur Verfügung hatte, war der automatische Bewegungsmelder der Einfahrt.

"Geh schon! Oder willst du mich auch töten?", hallte es immer wieder in seinem Kopf. "Bitte, wenn er mich los haben will...", dachte er. Er warf den Ball gegen das Garagentor. "...dann hätte er das auch gleich sagen können." Der Ball flog zurück in seine Hände. "Dämlicher Idiot!" Das Metall, aus dem das Netz des Korbes bestand, gab ein klirrendes Geräusch von sich, als der Ball in den Korb traf. "Wenn er unbedingt draufgehen will... von mir aus." Er knallte den Ball erneut mit voller Wucht gegen die Wand. Er prallte ab und rollte auf die Straße. "Du kannst mich mal, Toya!", schrie Hiro. "Du kannst mich kreuzweise, du dämlicher Idiot!" "Idiot!", schallte das Echo der Nacht zurück. Hiro sank auf dem nassen Asphalt in die Knie. "Genau", murmelte er. "Idiot..." Er strich sich die Haare aus dem Gesicht. "Ich bin der größte Vollidiot aller Zeiten..."
 

~*~*~*~*~*~
 

Toya lag schlafend auf dem Sofa im Wohnzimmer. Da Yue in seinem Bett lag, hatte er sich hier hingelegt. Mariko saß in eine Decke eingewickelt auf dem Sessel neben ihm. "Er muss ganz schön erschöpft sein", dachte sie. Trotz all der Aufregung hatte letztendlich die Müdigkeit über ihn gesiegt. Mariko hingegen bekam kein Auge zu. Nicht jetzt, wo sie wusste, dass Yue noch immer bewusstlos da oben lag. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte, wenn er aufwachen sollte. Es war sowieso von Anfang an eine bescheuerte Idee gewesen, ihn hierher zu bringen. Klar, Garasu hatte seine Hände im Spiel. Warum sonst, sollte Yue denken, Toya hätte Sumi getötet? Aber wie sollten sie ihm vom Gegenteil überzeugen? "Masa...", flüsterte Toya. Mariko fuhr erschrocken hoch. Sie blickte zu Toya hinüber. Seine Augen waren immer noch geschlossen. "Nein, Masa!", wisperte er und wälzte sich von eine Seite auf die andere. Mariko seufzte. "Was soll ich bloß mit den beiden machen?", fragte sie sich selbst.
 

~*~*~*~*~*~
 

Es war Montag Morgen. Toya war gerade dabei, sich für die Schule fertig zu machen. Yue lag noch immer regungslos da. Wie eine lebende Leiche. Es war Toya wirklich nicht recht, ihn alleine zu Hause zu lassen. Andererseits war er seit zwei Tagen bewusstlos. Wie hoch standen die Chancen, das er gerade jetzt, wenn Toya in der Schule war, aufwachen würde? Unsicher nahm Toya seine Schultasche und verließ das Zimmer. Er hatte nicht einmal die Hausaufgaben gemacht. Ach was, Hiro hatte schon viel öfter keine gehabt. Wenn Toya sie einmal nicht hatte, würde es schon nicht so schlimm sein. Vielleicht konnte er bei Mariko abschreiben. Seine Eltern kamen erst heute abend nach Hause. Bis dahin musste er sich etwas einfallen lassen. Was sollte er mit Yue anstellen? Er dachte den ganzen Weg zur Schule darüber nach, doch es wollte ihm keine Lösung einfallen. Als er an der Straßenecke vorbei kam, an der er sonst immer auf Hiro wartete, hatte er ein mulmiges Gefühl im Magen. Es war komisch, einfach weiter zu gehen.
 

Er öffnete die Tür zum Klassenzimmer. Noch nicht viele Schüler waren da. Er war viel früher hier, als sonst. Mariko saß verschlafen auf ihrem Platz. "Morgen", begrüßte Toya sie. "Morgen", murmelte Mariko. "Gibt's was Neues?" Toya schüttelte den Kopf. "Nichts", seufzte er. "Könnt ich nicht seinen Puls fühlen, würd ich sagen, er ist tot." "Wir hätten ihn gleich ins Krankenhaus bringen sollen", meinte Mariko. "Ach ja, und was sollten wir denen deiner Meinung nach sagen? Sorry, aber dieser Dämon wollte mich umbringen, also hat ein anderer Dämon ihm ein Katana rein gerammt?! Ich glaub nicht, dass das so gut gekommen wäre." "Auch wieder wahr", seufzte Mariko.
 

Toya blickte sich im Klassenraum um. Als Mariko seinen suchenden Blick bemerkte, sagte sie: "Er ist nicht hier." Toya zuckte zusammen. "Äh, ich... äh...", stotterte er, doch er konnte wohl nicht abstreiten, dass er nach Hiro Ausschau gehalten hatte. "Es würde mich wundern, wenn er hier wär", fuhr Mariko fort. "Hast du schon mal auf die Uhr geschaut, wie spät ihr sonst immer kommt? Er wird wahrscheinlich wieder die Versammlung verschlafen." "Hmm", murmelte Toya. Mariko versuchte zwar, ihn zu beruhigen, aber obwohl es nichts seltenes war, wenn Hiro zu spät kam. Heute machte sie sich trotzdem Sorgen. "Er wird sich doch wohl nichts angetan haben", dachte sie. "Dem trau ich alles zu." "Guten Morgen", sagte ihr Lehrer, als er in die Klasse kam. Wie jeden Morgen, gingen die Schüler mit ihrem jeweiligen Klassenlehrer in die Aula zur morgendlichen Besprechung.
 

Nach dieser wurde die Anwesenheitsliste überprüft. "Masanaru Hiro?" Stille. "Hätte mich gewundert, wenn der mal pünktlich wäre", maulte der Lehrer. "Mag bezweifeln, dass der krank ist. Kommt bestimmt nur wieder zu spät."
 

Und tatsächlich ging in diesem Moment die Tür auf. Toya hielt unbewusst die Luft an. Völlig außer Atem stand, keuchend, Hiro im Türrahmen. "Tut mir leid", schnaufte er. Der Lehrer seufzte. "Ja ja, schon gut. Setzt dich einfach." Wortlos trottete Hiro zum einzig freien Platz im Klassenzimmer. Und das war der neben Toya. Es war das erste mal, seit Toya sich erinnern konnte, dass er es absolut nicht genoss, dass Hiro neben ihm saß. Vielleicht gerade deshalb, weil er es zu sehr genoss. Hiro sagte keinen Ton. Kein "Guten Morgen"... gar nichts. Toya hörte nur seinen noch immer schnelleren Atem neben sich. Er musste mal wieder verschlafen haben und den ganzen Weg bis hier her gerannt sein. Allein das Geräusch, das schnelle Atmen seines Freundes brachte Toya's Puls ebenfalls zum rasen. "Macht mich das etwa an?", dachte er knallrot. Er senkte den Kopf, so dass seine Haare sein Gesicht bestmöglich verdeckten. "Das ist ja pervers!"
 

Noch nie war Toya so glücklich gewesen, als es endlich läutete. Normalerweise ging er ganz gern zur Schule, weil er hier Mariko und Hiro sehen konnte, aber heute war einfach ein grauenvoller Tag gewesen. Mariko musste sich genau so furchtbar gefühlt haben. Schließlich stand sie zwischen den Fronten und wusste nicht, was sie tun sollte. "Gehen wir zusammen nach Hause, Mariko?", fragte Toya sie, als sie auf den Hof vor der Schule gingen. "Ich hab doch heute Klassensprecherversammlung, schon vergessen?", antwortete Mariko. "Ach ja, stimmt ja..." Toya hatte es wirklich vergessen. "Hiro muss nachsitzen", flüsterte Mariko ihm zu. "Vielleicht kann ich mal mit ihm reden." Toya schüttelte den Kopf. "Nein, lieber nicht. Ich will nicht, dass er am Ende auf dich auch noch sauer ist. Trotzdem, danke. Also, bis Morgen." "Ja, ähm, Toya?", rief Mariko ihm nach. Toya drehte sich zu ihr um. "Was?" "Wenn was mit Yue ist, ruf mich an, ja? Und wenn du Hilfe brauchst, wegen deinen Eltern auch!" "Danke", sagte Toya lächelnd.
 

"Ja, wenn er bis heute Abend nicht aufwacht, weiß ich nicht, was ich machen soll", dachte Toya noch auf dem nach Hause Weg.
 

~*~*~*~*~*~
 

"Sakasa!", rief plötzlich jemand. Toya blieb stehen und drehte sich um. Ein Mädchen kam auf ihn zu gerannt. Es war dasselbe, mit dem Mariko zusammengestoßen war. Die, die mit Yue in der Spielhalle gewesen war. "Hallo! Ähm, tut mir leid", sagte sie. "Ich hab vorhin gehört, wie du mit diesem Mädchen über Yue geredet hast." "Ähm, ja?", antwortete Toya. Woher wusste dieses Mädchen eigentlich, wie er hieß? Er kannte sie doch kaum. "Weißt du, wo er ist? Ich mache mir Sorgen, weil er nicht in der Schule war." "Ähm, nein", log Toya. "Ich weiß es auch nicht. Ich kenn den Typ ja gar nicht weiter." "Ouh, dann... entschuldige bitte. Ich dachte nur... egal. Bis irgendwann!" Und mit diesen Worten rannte sie davon. "Wie kommt sie auf die Idee, dass ich ihn kenne? Hat er ihr etwas erzählt?"
 

~*~*~*~*~*~
 

Das Mädchen rannte um die Ecke und blieb dann stehen. "Verdammt", murmelte sie und biss sich auf die Unterlippe. "Hätte er nicht einfach die Wahrheit sagen können? Ich konnte ja nicht einfach fragen, ob ich mit zu ihm kommen und Yue besuchen durfte. Dann hätte er sich gewundert, woher ich weiß, dass Yue bei ihm ist. Es darf nicht auffliegen. Noch nicht."
 

~*~*~*~*~*~
 

Toya schloss müde hinter sich die Haustür. Er hatte die letzten Nächte nicht besonders viel geschlafen. Das Sofa war ja auch nicht halb so bequem wie sein Bett. Er zog die Schuhe aus und ging die Treppen nach oben. Als er die Zimmertür geöffnet hatte, ließ er erschrocken seine Schultasche fallen. Yue, der auf dem Bett saß, und den Kopf mit den Händen auf den Knien abstützte, blickte auf. Toya's Puls raste. Er konnte keinen Muskel in seinem Körper bewegen. "Toya", sagte Yue nur. Seine Stimme klang schwach und leise. Toya zitterte.
 

"Yue...", wisperte er. "Bitte... hör mir zu, ich..." "Nein", unterbrach Yue ihn. "Es ist vorbei. Er... hat mich nicht mehr unter Kontrolle." "Was?", sagte Toya erschrocken.
 

Erst jetzt fiel ihm auf, dass Yue seine Kette mit dem roten Stein, in der Hand hielt. "Das... war mal meine", sagte Yue, als er Toya's Blick bemerkte. "Ich hab sie dir damals geschenkt. Sie ist sehr wertvoll, weißt du?
 

...Beinahe hätte ich dich getötet... Dabei waren du UND Sumi..." Er wandt den Blick von Toya ab. Wie verzweifelt er aussah. "Ihr beide wart für mich die wichtigsten Menschen auf der Welt. Als ob es nicht schon schlimm genug wäre, dass ich einen von euch verloren habe, nein, da lass ich mir auch noch von Garasu einreden, dass DU sie getötet hättest. Lächerlich!"
 

"Yu...e", wisperte Toya, den Tränen nahe. In Gedanken sagte er sich selbst: "Ich bin wirklich eine Heulsuse." "Dabei würdest du nicht mal 'ner Fliege was antun, Brüderchen. Was so 'ne Gehirnwäsche alles bewirken kann..." "Also doch!", dachte Toya. "Garasu hatte ihn kontrolliert. Nur deswegen war er so gewesen." Er wusste nicht, wodurch Yue von Garasu's Kontrolle befreit worden war, aber es war ihm in diesem Moment egal. So sehr er es auch versuchte, er konnte seine Tränen nicht mehr zurückhalten.
 

"Yue", schluchzte er, rannte zu seinem Bruder und fiel ihm in die Arme. Yue legte tröstend die Arme um ihn. "Aua, nicht so fest", jammerte er. "Ich bin immer noch verletzt." "Oh, tut mir leid", entschuldigte Toya sich und ließ ihn wieder los. "Ich bin bloß so froh, dass du wieder ganz der Alte bist." "Mir tut's leid", seufzte Yue. "Was ich dir angetan hab. Ich wollte das nicht, bitte verzeih..." "Ach was", unterbrach Toya ihn. "Es war ja nicht deine Schuld."
 

"Sag mal, wo ist Hiro?" Toya zuckte zusammen. "Er...", murmelte er. "Ist nicht da. Keine Ahnung, wo er ist." "Hmm? Komisch. Das ist das erste mal, dass ich mitkriege, dass ihr beide nicht zusammenklebt." Toya schwieg. "Ich muss mich doch bei ihm bedanken." "Bedanken?", wiederholte Toya fragend. Yue zeigte auf seine Verletzung. "Na dafür! Wer weiß, ob ich je Garasu's Gedankenkontrolle entkommen wäre, wenn er mich nicht verletzt hätte." Toya verstand nicht ganz, was Yue meinte. "Als ich bewusstlos war, kamen mir plötzlich die Erinnerungen, die Garasu mir verdreht hatte. Offenbar hatte er keine Möglichkeit in dieses Haus einzudringen und mich erneut zu hypnotisieren. Weißt du, er hat mir seinen Namen angedreht, um die Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. In der Gestalt, die er im Moment hat, hättet ihr ihn niemals erkannt." "Wieso?", fragte Toya.
 

"Ihr seid ihm schon begegnet. Dieses Mädchen, sie nennt sich Akari Usami, sieht ganz nett aus und wirkt wie ein kleines, schüchternes Mädchen. Garasu hat seine Rolle wirklich gut gespielt. "Das... war Garasu?", fragte Toya verwirrt. Im wurde Angst und Bange, wenn er daran dachte, dass er vor weniger als einer halben Stunden noch mit ihr, oder besser, mit ihm, geredet hatte. "Aber wieso versteckt er sich?", wollte er wissen. "Er wollte mich benutzen, um dich zu töten. Und danach mich töten", erklärte Yue. "Mit mir als Marionette hätte er nur die halbe Arbeit gehabt und außerdem fürchtet er Hiro." "Was? Ich dachte, er wär so stark..." "Das ist er auch", unterbrach Yue ihn. "Aber Hiro hat seine Pläne schon einmal durchkreuzt. Klar, dass er ihm jetzt lieber aus dem Weg geht." "Hmm, auch wieder war", murmelte Toya. "Also, solange du in Hiro's Nähe bleibst, stehen die Chancen ganz gut, dass er dich nicht angreift", meinte Yue. "Das ist jetzt leider nicht mehr so leicht", seufzte Toya. Yue blickte ihn fragend an. "Wieso das denn?" Toya seufzte. Auch wenn er eigentlich überhaupt keine Lust dazu hatte, begann er doch widerwillig, zu erzählen.
 

~*~*~*~*~*~
 

"Masa!", rief Mariko, als sie Hiro über den Schulhof gehen saß. Die Klassensprecherversammlung war vorbei. Hiro's Nachsitzen scheinbar auch. "Na, hat dich Sewaru sehr hart dran genommen?", fragte Mariko ihn. Hiro gab ein leises Gebrummel von sich, welches man als "Ja" auffassen konnte. "Hör mal", begann Mariko vorsichtig. "Toya geht's echt mies." "Echt?", fragte Hiro. Dann sagte er: "Schön", und kehrte Mariko den Rücken. "Ach komm schon, Hiro!", drängte diese weiter und lief ihm nach. "Wieso könnt ihr euch nicht wieder vertragen? Streit ist das Letzte, was wir jetzt gebrauchen können." "Das kannst du ja dem sagen, der sich freiwillig von seinem Bruder abschlachten lässt!", fuhr Hiro sie an und ging davon. "Ach Hiro", seufzte Mariko. Sie wusste, dass es nichts bringen würde, ihm noch einmal nachzulaufen. "Wieso müsst ihr beide es nur noch komplizierter machen?"
 

~*~*~*~*~*~
 

In der Zwischenzeit hatte Toya Yue von ihrem Streit erzählt. "Mensch, seid ihr kitschig", meinte dieser kopfschüttelnd. "Was denn?", erwiederte Toya empört. "Ich hab's für DICH getan! Nur weil er dir..." "Und wenn ich jetzt sage, geh zu ihm und entschuldige dich", sagte Yue. "Tust du das dann auch?" Toya antwortete nicht. "Was ich sagen will, ist... Hör mal, ihr seid doch die besten Freunde Seit ich denken kann, wart ihr unzertrennlich. Ich war manchmal genau so eifersüchtig, wie du auf Sumi. Ich dachte, er nimmt mir noch glatt meinen kleinen Bruder weg. Aber ich will nicht, dass ihr euch meinetwegen zerstreitet." "Aber...", murmelte Toya. "Er mag mein Freund sein, aber er kann mir doch nicht meinen Bruder ersetzen! Ich konnte doch nicht zulassen, dass er dir was antut. Ich brauche dich doch!" Wieder fiel er Yue in die Arme. "Hey, is ja gut. Ich verspreche dich, ab jetzt bleib ich bei dir, ja? Aber dafür versprichst du mir, dass du dich mit Hiro wieder verträgst, okay?" Toya gab nur ein Schniefen von sich.
 

"Du brauchst ihn doch auch, oder?" ... "Hey, gib's schon zu, Brüderchen!", meinte Yue lachend und wuschelte Toya durchs Haar. "Hmm", brummelte Toya. "Na also, geht doch!" "O-nii-san", sagte Toya und nahm die Kette, die auf dem Bett lag in die Hand. Er legte sie Yue um den Hals. "Nimm DU sie wieder", sagte er. "Damit du nicht wieder vergisst, auf wessen Seite du stehst." Yue lächelte. "Mach ich schon nicht", versicherte er. "Deine Augen", begann Toya. "Als du unter Garasu's Kontrolle standest, war dein linkes Auge weiß." Er blickte in Yue's dunkle, fast schwarze Augen. "Hmm, wird wohl daran liegen, dass Garasu selbst ein weißes Auge hat. Schau, die Krähenfedern sind auch weg." Das war Toya noch gar nicht aufgefallen. Dass sein Bruder nun nicht mehr diese Federn in den schwarzen Haaren hatte. "Ja, stimmt", sagte er. "Ich bin froh, dass du wieder du selbst bist, O-nii-san." "Und ich erst", meinte Yue lachend.
 

~*~*~*~*~*~
 

Nachdem die beiden Geschwister sich noch eine ganze Weile unterhalten hatten, stand Yue plötzlich auf. "Ich sollte jetzt gehen", sagte er. "Deine Eltern kommen doch heute abend wieder." "Sie sind nicht wirklich meine Eltern", widersprach Toya. "Hier auf der Erde schon. Und sie kennen nur dich als ihren Sohn, also geh ich jetzt." Toya folgte ihm die Treppen nach unten. "Wir sehen uns Morgen in der Schule", sagte Yue und öffnete die Haustür. Doch bevor er gehen konnte, hielt Toya ihn zurück und legte die Arme um ihn. "Lass mich bloß nie wieder im Stich, klar?", sagte er. "Klar Bruder", versicherte Yue ihm. "Keine Sorge, ich lauf dir schon nicht weg. Bis Morgen." "Ja", seufzte Toya. "Bis dann." Die Haustür fiel hinter Yue zu. "Und was, wenn Garasu ihn sich jetzt wieder krallt?", dachte er. Ja, das war wirklich seine größte Angst. Er hatte ihn einmal verloren. Noch einmal würde er es nicht ertragen.
 

~*~*~*~*~*~
 

Es war am nächsten Morgen. Kurz nach dem Lehrer kam Hiro schnaufend in die Klasse getorkelt. Noch bevor er eine Erklärung für sein zu spät kommen, abgeben konnte, murmelte ihr Lehrer: "Ich weiß, ich weiß. Setz dich hin." "Der Lehrer hat ihn auch schon aufgegeben", meinte das Mädchen, das hinter Toya saß, kichernd. Sie verstummte jedoch sofort, als Hiro sich auf seinen Platz neben Toya setzte.
 

"Also, schlagt bitte euer Buch auf Seite achtzehn auf", sagte der Lehrer. Toya blätterte geistesabwesend in seinem Buch herum.
 

Er war so froh, dass die Sache mit Yue wieder ins Reine gekommen war, dass er gar nicht mehr über den Streit mit Hiro nachgedacht hatte. Aber im Unterricht konnte er sich davor nicht verschließen. Schließlich saßen er und Hiro nebeneinander. Und wie auch am gestrigen Tag wurde er auch nun wieder knallrot. "Das bringt mich noch um", dachte er. "Was bringt mein Herz nur so zum rasen, wenn ich ihn nur sehe?!" "Toya", flüsterte Hiro plötzlich. Toya zuckte zusammen. "Was? Äh,... ich hab nicht... ich meine, ich wollte nicht...", stotterte er. Hiro blickte ihn fragend an. Toya erwiederte seinen Blick nicht, sondern starrte in die genau entgegengesetzte Richtung. "Mist, er muss gemerkt haben, dass ich rot geworden bin." "Ich muss mit dir reden", flüsterte Hiro. Toya riss die Augen auf. "Masanaru!", ertönte die wütende Stimme ihres Lehrers. "Wenn du schon jeden Morgen zu spät kommst, dann hör wenigstens auf, den Unterricht zu stören!" "Jahaa", maulte Hiro und flüsterte Toya noch zu: "Nach der Schule."
 

~*~*~*~*~*~
 

Es war in der Mittagspause. Toya saß an seinem Tisch im Klassenzimmer. Hiro saß auf dem Fensterbrett bei ein paar Jungs. Sie unterhielten sich und aßen ihre Pausenbrote. Am liebsten hätte Toya gleich jetzt mit ihm geredet. Was er ihm wohl sagen wollte? Toya betete, dass er ihren Streit beenden würde. Mariko saß auf Toya's Tisch. "Mach nicht schon wieder so ein Gesicht", sagte sie. Sie hatte ihm nicht erzählt, dass sie gestern doch mit Hiro gesprochen hatte. Genauso wenig hatte Toya ihr gesagt, dass Hiro mit ihm reden wollte. "Yue ist wieder ganz der alte, das ist doch toll", fuhr Mariko fort. Alles was mit Yue vorgefallen war, hatte er ihr allerdings schon erzählt. Nur reichte ihm das noch nicht so ganz. Er hätte es so gerne Hiro gesagt.
 

~*~*~*~*~*~
 

Plötzlich ging ein Raunen durch die Bänke. "Was will DER hier?", fragte ein Mitschüler. "Toya!", flüsterte Mariko und stupste ihn an. Toya drehte sich zur Tür um, zu der alle anderen auch blickten. "'tschuldigung, dass ich euch beim Essen störe", sagte Yue lächelnd und ging zu Toya. Hiro sprang vom Fensterbrett auf. Er wollte schon los rennen, hielt dann jedoch inne. "Morgen, Brüderchen", sagte Yue. "Was willst du hier?", fragte Toya überrascht. "Na hör mal, gestern hast du dich aber wesentlich mehr über meine Anwesenheit gefreut", erwiederte Yue empört. "Du erweckst viel zu viel Aufsehen", murmelte Toya und zog Yue am Hemdkragen näher heran, so dass er nicht so laut sprechen musste. "Weißt du, du hast keinen besonders guten Ruf hier an der Schule."
 

"Tut mir leid, aber ich wollte dir nur noch meine Adresse geben, Brüderchen. Das hab ich gestern vergessen und ich wusste nicht, ob ich dich nach der Schule sehe, also dachte ich..." "Und nenn mich in der Öffentlichkeit nicht Bruder!", unterbrach Toya ihn. "Muss ja nicht jeder wissen. Da würden nur wieder zu viele Fragen aufkommen." "Ja ja, schon gut", maulte Yue und drückte ihm einen Zettel in die Hand. "Ich geh ja schon wieder. Ach übrigens:..." Er senkte die Stimme. "Sie ist heute nicht in der Schule." Er erhob sich und trat vom Tisch zurück. "Schönen Tag noch." Und damit war er auch schon verschwunden, so plötzlich wie er gekommen war.
 

~*~*~*~*~*~
 

"Wow", seufzte Mariko und blickte noch immer zur Tür. "Der is ja richtig süß!" Toya verdrehte die Augen. "Lass es lieber, Mariko", murmelte er. Und stopfte den Zettel mit Yue's Adresse in seine Tasche. "Wen meint er mit SIE?", wollte Mariko wissen. "Na Garasu, wen sonst", antwortete Toya. "Oder besser Akari Usami." "Ach so", sagte Mariko.
 

Hiro starrte unverwandt zu ihr und Toya herüber. "Was geht hier vor sich?", dachte er. "Wieso taucht DER plötzlich hier auf?"
 

Nach der Schule gingen sowohl Toya, als auch Hiro und Mariko zu ihren jeweiligen AGs. Toya hatte Büchereidienst. Er war gerade dabei einige Bücher, die Schüler zurück gegeben hatten, einzusortieren, als ein zierliches, blondes Mädchen auf ihn zukam. "Hey, Sakasa", sagte sie. "Ja, was ist?", fragte Toya. "Masanaru hat sich letzte Woche ein Buch für ein Referat ausgeliehen, aber er hätte es schon längst wieder abgeben müssen." "Typisch", dachte Toya. "Kannst du nicht kurz rüber zum Fußballplatz gehen und ihn darauf ansprechen? Die haben doch gerade Training, oder?" Toya senkte schweigend den Kopf. "Du bist doch mit ihm befreundet, oder? Tu mir den Gefallen", bat das Mädchen ihn. "Du weißt doch, dass ich ihn mag... Ich trau mich nicht ihn selber anzusprechen", murmelte sie. Ihre Wangen waren gerötet. "Der hält mich doch sicher für 'ne Streberin, wenn er mitkriegt, dass ich in der Bücherei-AG bin."
 

Irgendwie gefiel Toya es überhaupt nicht, zu hören, dass sie Hiro mochte. Wie kam sie nur darauf? Sie kannte ihn doch nur vom Sehen. "Von mir aus", murmelte er und stand auf. "Dann ordne du die hier wieder ein", er drückte ihr einen Stapel Bücher in die Hand. "Da...danke, Sakasa!", sagte das Mädchen, offenbar sehr erleichtert. "Weißt doch, dass ich ihn mag", wiederholte Toya auf dem Weg. "Pah..."
 

~*~*~*~*~*~
 

Er ging Richtung Fußballplatz, als ihn plötzlich jemand rief: "Toyaaa!" Der Angesprochene drehte sich um. Im Gras unter einem Baum saß Mariko und winkte ihn heran. "Hey, was machst du hier?", fragte er sie. "Na, wonach sieht's denn wohl aus?", fragte Mariko. Neben ihr saßen im Gras verteilt noch ein paar anderer Mädchen. Alle vor einer Staffelei. "Ich male", sagte Mariko und zeigte ihm ihr Bild. "Stimmt, du hast Kunst-AG." "Ja, wir sollen eine Herbstlandschaft malen und ein paar von uns haben die Lehrerin gefragt, ob wir uns dazu hier raus setzen dürfen. Da hat man die Herbstlandschaft ja praktisch vor den Augen. Und was machst du hier?" "Ich geh runter zum Fußballfeld... zu Masa." "Ooouuh", sagte Mariko und blickte ihn grinsend an. "Na, Ehekrach beendet?" "Ach, sei doch ruhig", maulte Toya und in Gedanken fügte er hinzu: "Was heißt hier eigentlich Ehekrach?" "Ich soll an ein Buch erinnern, dass er sich ausgeliehen hat", erklärte er. "Was?", meinte Mariko kichernd. "Der Typ kann lesen?" "Wie gemein du manchmal bist", sagte Toya lachend. "Also, bis später." "Ja, bis dann!"
 

Gerade als Toya den Hügel herunter gelaufen war und vor dem Fußballfeld stand, ertönte ein Pfiff. "Tooor!", schrie eine Stimme. "Spitzen Schuss, Masanaru!" Toya musste lächeln. Ja, das war Hiro wie man ihn kannte. Er war ein klasse Spieler. Und er machte dazu noch eine wahnsinnig gute Figur dabei. "Was denk ich denn da schon wieder?", schimpfte Toya mit sich selber. Wieder ertönte der Pfiff des Sportlehrers. "Okay, das ist genug für heute", rief er der Mannschaft zu. Toya lief zur Umkleide. Dort konnte er Hiro später am besten abfangen.
 

Hiro drehte den Wasserhahn auf und hielt seinen Kopf darunter. Das kalte Wasser lief ihm bis ins Genick. Auch wenn es im Oktober nicht mehr so warm war, tat eine kleine Abkühlung nach dem Training gut. "Mach's gut, Masanaru", rief ein anderer Schüler Hiro zu. "Ja, bis demnächst." "War 'n spitzen Spiel." "Hey, willst du etwa wieder mit nassen Haaren heim laufen?", fragte ein anderer ihn. "Klar, is doch gut für die Abwehrkräfte." Der andere Junge lachte. "Du bist echt krass", sagte er und verließ die Umkleide. "Man sieht sich." "Ja, ciao!", rief Hiro ihm nach und trocknete sich mit einem Handtuch die Haare ab. Er war der letzte in der Umkleide. Heute ließ er sich mit Absicht lange Zeit. Er hatte wirklich keine große Lust, mit Toya zu reden, aber es musste sein. So wie das im Moment war, konnte es nicht bleiben. "Bin ich etwa aufgeregt?", dachte er und nahm seine Sporttasche über die Schulter. "Ach was, ich für mich schon auf wie ein kleines Mädchen."
 

Als er die Tür zur Umkleide öffnete, wäre er beinahe mit Toya zusammen geknallt. "Wouh, was machst DU denn hier?", fragte er. "Äh, ich,... ähm, wollte...", stotterte Toya. "Mist, ich hab doch schon fast auswendig gelernt, was ich sagen wollte", dachte er. "Wieso kriege ich jetzt wieder keinen Ton raus?" "Ich soll dich daran erinnern, dass du irgendein Buch abgeben musst", sagte er so schnell, dass er selbst kein Wort verstanden hatte. "Ouh, ach das. Ja, ich hab's dabei." Er wühlte in seiner Tasche herum. "Kannste gleich mitnehmen." Er drückte Toya ein Buch in die Hand. Es war irgend etwas über Geschichte. Es interessierte Toya nicht.
 

"Ähm,...", begann Hiro, nach einigen peinlichen Sekunden, in denen sie sich schweigend gegenüber gestanden hatten. "Du... wolltest mit mir reden?", half Toya ihm auf die Sprünge. "J... ja...", stotterte Hiro. "Also,... was ist mit Yue?" "WAS?", schrie Toya in Gedanken. Was ist mit Yue? Was ist mit Yue? DAS wollte er ihn fragen? Also bitte, das konnte ja wohl nicht sein ernst sein. "Er...erinnert sich wieder", sagte Toya so ruhig wie er nur konnte und lehnte sich gegen die Wand der Sporthalle. "Es war so, wie wir dachten. Garasu hatte in kontrolliert." "Dann ist also alles wieder in Ordnung...", murmelte Hiro. Was für ein trockenes Gespräch. Toya hasste es, doch er konnte es nicht ändern. Sein ganzer Körper zitterte wie Espenlaub.
 

"Hör zu, Toya, ich...", begann Hiro. Es klang, als hätte er sich ganz schön überwinden müssen, den Mund aufzumachen. "E...es tut mir leid. Tut mir leid, dass ich dich so angeschrien hab, aber..." Er stand Toya gegenüber, schaute jedoch zu Boden. "Ich hatte so eine Wut auf Yue. Weißt du,... er ist dein Bruder. Er war dir immer so wahnsinnig wichtig. Wichtiger als alles andere. Er durfte immer bei dir sein. Und als er dann plötzlich in dieser Welt auf Garasu's Seite stand..." Wieder musste Hiro eine Pause machen, um Luft zu holen. "Ich konnte nicht verstehen, wie er so dumm sein konnte. Er wusste deine Zuneigung gar nicht zu schätzen. Und ich... ich hab mir den Arsch aufgerissen für dich und alles was ich zu hören bekam, war, ich solle verschwinden?!" Wieso musste er schon wieder so schreien? Es verstärkte nur das Schuldgefühl, dass Toya ständig in der Brust drückte. Er fühlte sich, als hätte ihm jemand die Kehle zugeschnürt. Es schmerzte, als er versuchte, einen Ton über die Lippen zu bringen.
 

"Es... tut... mir...", wisperte er. Er fühlte sich, als würde er jede Sekunde verglühen. "tut mir...leid."
 

"Weißt du, es stimmt", fuhr Hiro fort. Er blickte noch immer starr auf den Boden. Sein Blick sah so verzweifelt aus. So hatte nicht einmal Toya, Hiro oft zu Gesicht bekommen. Der sonst so fröhliche Ausdruck auf seinem Gesicht. Wohin war er verschwunden? Er wirkte doch sonst immer so sorglos. "Ich kann es nicht abstreiten. Wenn Yue dir noch einmal zu nahe gekommen wäre,... Ich hätte ihn wahrscheinlich umgebracht. Es hat nichts damit zu tun, was meine Aufgabe ist, oder war. Es ist nur so, dass... Ich hab nichts gegen Yue. Im Gegenteil, ich mag ihn wirklich sehr und es wäre mir sicher nicht leicht gefallen, aber... Ich mag ihn nun mal nicht so wie dich. Du bist mein bester Freund." Seine Stimme bebte. Seine Worte klangen so unsicher. Als hätte er Angst vor jeder einzelnen Silbe, die er aussprechen musste. "Ich will dich nicht verlieren!", sagte er und packte Toya an den Schultern.
 

Toya's Herz schlug mit jeder Sekunde noch schneller. Er versuchte dagegen anzukämpfen, doch es ging nicht anders. Das rot seiner Wangen verblasste nicht. Die Berührung von Hiro's Händen, seine Worte... was war es, was Toya so reagieren ließ? Er wusste es nicht.
 

"Ich...", wisperte Hiro. Wieso klang seine Stimme auf einmal so leise? Hatte er nicht gerade noch wütend geschrien? "Ich kann nicht anders..." Was war das plötzlich für eine Spannung zwischen ihnen? Es verursachte regelrecht ein Kribbeln in Toya's Bauch. "Masa", hauchte er leise. Das Buch fiel aus seinen Händen auf den Boden. Er legte die Hände auf Hiro's Brust. Er wollte ihn von sich weg drücken. Das wollte er doch, oder? Also, wieso ging es nicht? "Wieso tun meine Hände nicht dass, was ich will?", dachte Toya panisch. Anstatt ihn wegzustoßen oder ihn zu schlagen, legte er nur sanft die Hände auf seine Brust! "Es... tut mir so leid", flüsterte Hiro ihm ins Ohr. Dann küsste er sanft seine Lippen. Toya stockte der Atem. Sein Puls raste. Seine Hände zitterten. Hiro's Hand streichelte ihm durchs Haar. Die andere umklammerte seine Hüfte. "Masa", wisperte er. Er wusste nicht, ob er es nur gedacht hatte, oder ob die Laute wirklich über seine Lippen gekommen waren. Noch immer spürte er die sanften Bewegungen von Hiro's weichen Lippen auf seinen eigenen. Er öffnete leicht den Mund, und ließ zu, dass Hiro's Zunge, die seine berührte. Wie sie, sie zärtlich kitzelte. Es fühlte sich einfach zu gut an. Er krallte die Finger in Hiro's Hemd. Ein leises Stöhnen entwich ihm. Ihr Kuss wurde immer intensiver. Hiro presste seine Lippen auf Toya's. Drückte ihn sanft an sich.
 

"Masa", stöhnte Toya leise und drückte ihn leicht von sich. Doch Hiro ließ nicht von ihm ab. Er fuhr mit der Hand unter Toya's Hemd. "Hör... auf", hauchte dieser. "Nicht... lass... das! ...Masa!"
 

Plötzlich war ein lautes "Klatsch" zu hören. "Was soll das?", schrie Toya, Hiro an, der auf den Boden blickend, ihm gegenüber stand und sich die Hand an die Wange hielt. "Bist du noch ganz dicht?", schrie Toya völlig fertig. Er hätte los heulen können. "Du hast sie ja nicht mehr alle! Wieso machst du so was? Du bist doch nicht wirklich... schwul, oder? Das ist ja ekelhaft! Es ist unnormal, also tu das ja nie wieder!" Er hob rasch das Buch vom Boden auf und rannte davon.
 

Hiro lehnte den Kopf gegen die kalte Steinwand. "Nein", murmelte er. "Ich bin nicht schwul." Seine Wange brannte. Auch wenn Toya viel schwächlicher war, als er. So fühlte sich die Stelle, wo er ihn geschlagen hatte, doch an, als würde seine Haut verbrennen. "Es ist also ekelhaft, ja?" Er musste lachen. Doch der Ausdruck seiner Augen passte nicht zu diesem Lachen. "Aber es hat dir gefallen, nicht,... Toya?"
 

Toya rannte bis hoch zum großen Schulgebäude. Er wusste nicht einmal, ob er dabei an Mariko vorbeigekommen war, oder ob sie schon gegangen war. Er konnte sich nicht erinnern, ob sein Herz jemals so schnell geschlagen hatte. Natürlich, es war nicht normal. Er hatte nur die Wahrheit gesagt. Aber dennoch... Er hatte etwas dabei empfunden. Und wie! Wenn Hiro unnormal war, dann war er es alle male.
 

~*~*~*~*~*~
 

"Oh, da bist du ja wieder. Das hat aber lange gedauert", sagte das blonde Mädchen zu ihm, als er in die Bücherei kam. Außer ihnen beiden waren schon alle gegangen. "Hey was ist los?", fragte sie, als er das Buch einfach auf den Tisch knallte. "Ich geh jetzt", murmelte er nur und ließ sie einfach stehen. "Aber was...", wisperte sie. "Was hat er denn?"
 

~*~*~*~*~*~
 

Eilig lief Toya nach Hause. Er konnte nicht mehr klar denken. "Wieso? Wieso macht er so was?", fragte er sich immer und immer wieder. "Das kann doch nicht sein! Dass Masa wirklich schwul ist... das glaub ich nicht. Okay, er hatte noch nie so 'ne richtige Freundin, aber er guckt doch jedem Minirock nach, der vorbeiläuft. Ich kenn ihn schon viel zu lange, und er hat nie... Nein, dass KANN nicht sein. Das wäre mir doch aufgefallen. Wieso benimmt er sich in letzter Zeit so komisch?" Er klingelte. Eine kleine, zierliche Frau mit orangerotem Haar öffnete die Tür. "Hallo Schatz", sagte sie. "Komm rein, das essen ist schon fertig." Wortlos trottete Toya an ihr vorbei. "Was ist los? Du wirkst so niedergeschlagen." "Ich fühl mich nicht gut. Ich... hab jetzt keinen Hunger", antwortete Toya und ging nach oben. "Hoffentlich wirst du nicht krank", murmelte die Frau. "Sie ist immer so nett zu mir...", dachte Toya. "Sie und auch Papa... Dabei sind sie doch gar nicht meine Eltern."
 

~*~*~*~*~*~
 

Er lag in seinem Zimmer auf dem Bett. "Was ist eigentlich mit mir?", dachte er. "Wer weiß, was Masa sich dabei gedacht hat, aber was hab ICH mir gedacht? Warum hab ich ihn nicht gleich weggestoßen?" Er legte sich die Finger auf den Mund. Wieder schlug sein Herz schneller. "Wieso hab ich immer solches Herzklopfen? Es ist ja schon so, wenn ich ihn nur sehe, und vorhin, da..." In Gedanken lief diese Szene wie ein Film vor ihm ab. "Ich dachte, mein Herz würde explodieren." Er krallte die Hände in sein Kopfkissen. Tränen liefen über seine geröteten Wangen. "Shit, am Ende bin ICH noch schwul. Ich hab ja sogar zu Mariko gesagt, dass ich ihn... liebe. Ach was, so ein Schwachsinn! Das glaub ich nicht. Das kann gar nicht sein! Er verwirrt mich nur, das ist alles." Kurz darauf schloss er die Augen und schlief trotz der Aufregung, vor Erschöpfung sofort ein.
 

~tbc~



Fanfic-Anzeigeoptionen
Blättern mit der linken / rechten Pfeiltaste möglich
Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2004-10-11T21:24:31+00:00 11.10.2004 23:24
Waa du kannst wirklich gut schreiben!! ich bin immer wieder begeistert! ^^ supii geschichte! Woa ich mag die Story voll und die Leutchen auch!! Mach weiter so!! ^^ ich freu mcih schon tierisch auf das nächste Kapitel!!
Mata ne! *wink*
Von: abgemeldet
2004-09-23T19:13:00+00:00 23.09.2004 21:13
.____.
der arme Toya... totales Chaos der Gefühle... jaja... das kenn ich.. durchleb ich gerade auch ~_____~ *drop*


40 Kapitel O__O? alter... da kommt ja noch was auf mich zu xD *rofl*

also immer schön weiter posten ^^


Zurück