Zum Inhalt der Seite

Die Träne des Mondes

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Arghora

Kapitel 2 Arghora
 

Am gleichen Abend meines Schlafunfalls saßen wir drei um ein knisterndes Lagerfeuer in den Wäldern in der Nähe von Gardia, die für ihre Gefährlichkeit berühmt waren. Die Nacht war wolkenlos und wir konnten die Sterne und den Mond zwischen den Baumkronen am Himmel glitzern sehen. Leuchtende Glühwürmchen kreisten über unseren Köpfen während Tyr eine Geschichte erzählte:

"Die Wälder von Argohra stehen hier schon seit Tausenden von Jahren, so heißt es in den Geschichten, die sich die PCs erzählen und wie es in den Chroniken verschiedener Städte nachzulesen ist. In der Mitte des Waldes unter seinen Wipfeln verborgen, liegt die sagenumwobene Stadt Arghora, die schon seit Menschengedenken dort stehen soll. Die einstigen Bewohner der Stadt hatten die Macht über die fünf Elemente und gelten als die ersten Magiebegabten. Sie waren so mächtig, dass sie selbst Drachen versklavten und in Arghora zur Arbeit zwangen. Ihr Land beherbergte solchen Reichtum, dass sogar die Sklaven teure Gewänder am Körper trugen. Die weiten Ebenen und Wälder waren so fruchtbar und das Klima so mild, dass die Bauern drei Ernten im Jahr einfahren konnten. Die Berge brachten Silber, Gold und Diamanten für Schmuck und Stahl für Rüstungen und Waffen hervor. In den Flüssen fischte man nicht nur nach den unzähligen Fischen, sondern schürfte auch nach Edelsteinen und den Elementarkristallen, welche heute die Wavemaster für ihre Stäbe brauchen. Das Land hatte immer einen weisen und gütigen Herrscher und alle lebten in Reichtum. Die Diplomatie wurde dem Krieg vorgezogen, obwohl die gut gerüstete Streitmacht Anghoras jeden Eindringling vertrieben hätte und es herrschte überall im Land und mit den Nachbarländern Frieden und Eintracht.

Aber eines Tages gebar die Königin Zwillinge und von da an war das Volk von Anghora seinem schicksalhaften Untergang geweiht. Aus alte Schriften, von den weisen Männern des Landes übersetzt, ging hervor, dass bei einer Zwillingsgeburt nur einer der Neugeborenen überleben dürfe. Da beide Kinder aus einer Seele geboren waren, war eines der Neugeborenen mit der bösen Seite der Seele ausgestattet und das andere mit dem guten Teil. Diese Teile, so hieß es laut der alten Überlieferungen sind in jedem von uns vorhanden, mit dem Unterschied, dass der böse Teil mit dem guten Teil der Seele um die Vorherrschaft ringt und so jeder Mensch zwischen Gut und Böse hergerissen ist. Aber in einer Seele vereint, gleichen sich diese ältesten aller Urkräfte aus. Und deswegen wurde immer eines der Zwillingskinder getötet, damit sich das Gute und das Böse wieder vereinen konnte. Des weiteren enthielt eine alte Runentafel den Hinweis, dass sich das Schicksal des Landes erweisen würde, wenn eine Zwillingsgeburt von königlichem Blut eintreten sollte. Der König und die Königin brachten es aber nicht übers Herz, einen ihrer Söhne zu töten und gaben den einen, der den bösen Teil in sich tragen sollte, schweren Herzens einem Jäger mit, damit dieser das Kind mit in die tiefen und einsamen Wälder von Arghora mitnahm und dort aufziehen konnte - dorthin, wo das Kind keinen Schaden anrichten würde. Die Weisen hatten sich aber vertan und hatten den "guten" Zwilling in die Wälder geschickt, was sich aber erst mit der ewig voranschreitenden Zeit enthüllte. Die ersten Anzeichen für diesen Irrtum, gab es, als die herrschsüchtige und eitle Natur des Prinzen offenbar wurde. Als Knabe war er der Schrecken seiner Lehrer und Spielgefährten. Meistens, wenn sie den Zorn des kleinen Prinzen erregt hatten, liefen sie mit blutigen Nasen zu ihren Eltern. Es wurde so schlimm, dass immer wenige Mütter sich trauten, ihre Kinder dem wachsenden Zorn des Prinzen auszusetzen. Bald verbrachte er die Tage in Einsamkeit und nur einige seine Lehrer konnten ihn mit strengster Disziplin bändigen. Er selbst konnte sich nicht erklären, warum ihn alle Kinder mieden und er zog sich in seine Gemächer zurück. Er erkannte mit der Zeit, dass es wegen seines unbändigen Gemütes wegen war, aber seine Versuche Herr über seine Wut zu werden schlugen fehl. Er versuchte es, indem er sich bei den Kindern von ganzem Herzen entschuldigte und sie um Verzeihung bat: "Es tut mir leid, dass ich euch geschlagen hab. Ich weis dass ihr Angst vor mir habt, aber könnte ich nicht eine zweite Chance haben. Ich bin so einsam und hab ja keinen zum Spielen...und ich wäre froh, wenn ihr mir verzeihen könntet." Die Einsamkeit nagte so an seinem Herzen, dass er sogar anfing zu weinen. Kinder sind liebe Geschöpfe und sie vertrauten auf seine Worte und freuten sich sogar, ihn wieder in ihrer Mitte zu haben. Die Eltern der Kinder hatten natürlich ihre Bedenken, aber auch sie konnten die Bitte des Prinzen nicht abschlagen. Es ging alles gut und alle Kinder tollten und spielten wieder fröhlich miteinander. Das Königspaar war überglücklich, als sie ihren Knaben mit den anderen Kindern lachen sahen, und noch glücklicher waren sie, als ihr Sohn Abends in ihr Bett kroch und freudig von den Abenteuern erzählte, die er an diesem Tag erlebt hatte - wie jedes andere normale Kind. Der Prinz hatte sogar einen besten Freund: Slogan. Slogan sollte eine wichtige Rolle im weiteren Leben des Prinzen spielen. Und der würde der Einzige sein, der ihm je vergeben würde. Die Eltern glaubten, dass nun alles gut werden würde, aber weit gefehlt. Nach einiger Zeit fing der Königssohn wieder damit an Insekten die Beinchen und Flügel auszureißen und die anderen Kinder zu schlagen. Der Prinz verfiel in seine alte Wut und tötete eines Tages ein Mädchen beim Herumtoben.

Die Weisen, die der König aus allen vier Himmelsrichtungen kommen lies, wussten aber keinen Rat. Der Junge wusste keinen anderen Weg mehr und ging in den Tempel. Dort betete er zu den großen Steinstatuen und bat flehend um Hilfe: "Ich bitte euch ihr Götter. Lasst mich wie die anderen Kinder sein, damit sie keine Angst mehr vor mir haben und wieder mit mir spielen. Es war so schön wieder jemanden in der Nähe zu haben, der keine Angst vor einem hat. Und das Mädchen wollte ich nicht töten, der Zorn kam einfach über mich. Ihr barmherzigen Götter, nehmt diesen Zorn von mir, damit ich glücklich sein kann." Aber die barmherzigen Götter blieben bei den Tränen und dem Flehen des Jungen starr, kalt und keine Regung zeigte sich in ihren steinernen Gesichtern. Scheinbar von den Göttern verlassen zog sich der Prinz in vollkommene Abgeschiedenheit zurück und gab den Göttern und seinen Eltern die Schuld für sein Verhalten. Der Einzige, der ihn besuchte war Slogan. Aber wegen seiner Einsamkeit grollte der Junge nur noch mehr und als er dem Knabenalter entwachsen war, waren auch die jungen Mägde des Schlosses nicht mehr vor ihm sicher. Die Mägde, welche ein Kind von ihm erwarteten wurden auf Geheiß des Prinzen aus dem Schloss geworfen und mussten sehen, wie sie mit dem Kind zurechtkamen - und nicht selten haben sich einige von ihnen das Leben genommen, um ihrem Kind ein Leben in Schande zu ersparen. Aber das waren nicht die einzigen Schandtaten des Prinzen. Wer nicht einer Meinung mit ihm war, oder ihm sonst irgendwie missfiel, verlor allzuschnell seinen Kopf. Als der Prinz es allzu wild trieb und hunderte Bastarde nach ihrem Vater schrien, fasste das Königspaar den Entschluss, ihren Sohn zu töten und ihm Seelenfrieden zu schenken. Aber der Mordversuch misslang und kurzerhand fanden sich die Eltern des Prinzen unter der Axt des Henkers wieder. Er ließ ihre Leichen verbrennen und ihre Asche in alle Himmelsrichtungen streuen. Wer noch ein Wort über sie verlor, kam ebenfalls unter das Henkersbeil.

Aber noch bevor das Blut seiner Eltern auf dem Richtplatz getrocknet war, überkam ihn die Erkenntnis seiner Tat und er verfiel vollkommen dem Wahnsinn. Er setzte sich selbst die Krone von Arghora aufs Haupt und regierte das Land vom Thronsaal aus. Nie wieder trat der verbitterte König seinem Volk unter die Augen, seit dem Tag, an dem er seine eigenen Eltern getötet hatte.

In den folgenden Jahren litt das Volk groß Not unter dem Joch ihres neuen Königs, der sie maßlos ausbeutete und sie in Angst und Schrecken versetzte.

Manchmal saß der König Abends, wenn die Sonne unterging auf einem Balkon und sprach mit sich selbst: "Sie haben es alle verdient so behandelt zu werden. Sie müssen mich lieben - ICH bin ihr König. Nicht wahr?" Er drehte sich zu Slogan, der mit traurigem Blick antwortete: "Ja, mein König."

Eines Tages hörte ein junger Jägersmann von einem fahrenden Händler, der ihm im Wald begegnete, von der Not der Arghoraner. An dem Abend saßen die Beiden, der Jäger und der Händler, um ein Lagerfeuer, aßen Wildbret und der Jäger lauschte den Worten des Reisenden: "Die Arghoraner leben in ständiger Angst vor ihrem König. Er lässt sein Volk bis auf den letzten Tropfen ausbluten. Er soll sogar seine eigenen Eltern ermordet haben. Dieser Mann ist vom Bösen besessen." Auf die Frage des Jägers, warum sich keiner gegen den König erhebt, antwortete er: "Sie haben alle Angst um ihre Kinder. Bei jeder Familie, bei der ein Verdacht auf Rebellion aufkommt, werden die Kinder getötet, um ein Exempel zu statuieren. Und die anderen zu zeigen, was mit ihren Kindern geschieht, wenn sie sich auflehnen sollten."

Der Jäger dachte über die Worte des Händlers nach: "...Ich habe weder Frau noch Kinder und mein Vater hat mir gesagt, dass man Menschen in Not helfen muss. Ich werde mich morgen Früh aufmachen um das Volk von Anghora zu befreien."

"Hast du keine Angst, dass du sterben könntest?"

"Ich vertraue auf meinen Verstand, meine Kraft und auf die Götter, also hab keine Angst um mich."

Am nächsten Morgen machte der Jäger sich, wie er geschworen hatte, auf den Weg nach Anghora. Er war groß und von kräftiger Statur und alle Hoffnungen des Volkes, nach einem Helden, lagen auf seinen Schultern. Je näher der tapfere Jägersmann der Stadt kam, um so mehr hörte der König Geschichten über einen Fremden, der seiner Herrschaft ein Ende setzen wollte. Der böse König schickte seine besten Meuchelmörder aus, um den Jäger aus dem Weg zu schaffen. Sie lauerten ihm in einem kleinen Wäldchen vor den Toren der Stadt auf. Aber der junge Bursche witterte die Gefahr und überwältigte seine Häscher. Er schickte ihre Köpfe als Warnung zurück zum König. Das Volk war überglücklich und empfing den Jäger in der Stadt wie einen Helden. Sie bewirtete ihn gut und am Abend kamen immer mehr Menschen zu ihm, die ihm Essen, Trinken und ihre wertvollsten Gegenstände, die sie noch hatten, überreichten. Die Schmiede fertigten im Geheimen für ihn eine Rüstung mit Helm, Schwert, Schild und allem drum und dran an. Er versprach ihnen, sie schon am nächsten Tag von ihrem Tyrannen zu befreien.

Der König hatte durch einen Spion davon erfahren und empfing ihn, in voller Rüstung und umgürteten Schwert, in den königlichen Hallen. Der Jäger begab sich in aller Frühe und gerüstet zu Palast. Dort angekommen rief ihm der wartende König vom Thron höhnend entgegen: "Da bist du endlich. Ich habe mich gefragt, welcher einfache Mann so dumm sein kann, einen König zum Kampfe herauszufordern. Aber wie ich sehe, haben dich meine treuen Untertanen mit einer Rüstung, Schild und Schwert ausgestattet."

Durch die schmalen Augenschlitze in den Helmen konnte der Eine nicht das Gesicht des Anderen sehen.

"Ja, recht hast du und ich bin gekommen, um deiner Tyrannei ein Ende zu bereiten!"

Daraufhin zog der böse König sein Schwert und stürmte auf den Jägersmann zu.

Es entbrannte ein heftiger Zweikampf, bei dem viel zu Bruch ging. Unter anderem auch ein altes Artefakt, welchem die Macht über die Drachen zu herrschen innewohnte. Aber keiner der Kämpfenden bemerkte dieses Missgeschick. Die Drachen spürten, in ihrem Verlies tief unter der Erde, dass die magischen Fesseln von ihnen genommen waren und befreiten sich aus ihrem Gefängnis. Voller Wut über ihre Gefangenschaft flogen sie über Anghora und hüllten die Stadt mit ihrem Odem in Feuer und Schwefel. Selbst als der Palast brannte, hörten die Rasenden nicht auf zu Kämpfen, bis ein brennende Dachbalken runterstürzte und den König unter sich begrub. Der Jäger hörte den König unter dem Gewicht des Balkens aufstöhnen: "Du hast dich wacker geschlagen...und mich besiegt. Nimm mir bitte den Helm ab, ich kriege kaum Luft und ich möchte dir als Besiegter von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen." Der Jäger konnte dem Sterbenden die Bitte nicht abschlagen und zog ihm vorsichtig den Helm aus. Doch wie erschrak er, als er in sein Spiegelbild blickte und ihm der Helm aus den Händen glitt. Der König konnte sehen, dass Tränen unter dem Helm des Jägers hervorrannen: "Was ist? Sehe ich nach all den Jahren der Zurückgezogenheit so schrecklich aus?...Warum weinst du?"

"Mein Ziehvater hat mir erzählt, dass ich einen Bruder habe, aber dass...," ein Schluchzer erstickte seine Stimme. Seine Hände wanderten zitternd zu dem Lederriemen, der seinen Helm befestigte und hob ihn langsam vom Kopf. Jetzt wusste der König, warum der Jäger in Tränen ausgebrochen war - der Jäger hatte genau die gleichen Gesichtszüge wie er selbst, bis ins kleinste Detail. So konnte der Jäger nur sein Zwillingsbruder sein. Auch der verbitterte König brach in Tränen aus und rief: "Mein Bruder, ich hab einen Bruder! Ich wusste all die Jahre über, dass mir etwas fehlte. Ich wusste aber nicht was. Verzeih mir, was ich unseren Eltern angetan habe...Jetzt hat all die Einsamkeit ein Ende," und er hauchte mit einem Lächeln auf den Lippen, seinen letzten Atemzug aus. Der Jäger räumte den Balken auf Seite und nahm seinen toten Bruder in den Arm und flüsterte: "...Ich verzeihe dir!"

Dann gab der brennende Dachstuhl unter der Last des Daches nach und begrub die beiden unter sich."

Wir beide, Yuki und ich hatten die ganze Zeit gebannt Tyrs Worten gelauscht. Zum Ende hin waren wir beide am heulen und schneuzten abwechseln in ein Taschentuch, welches wir uns teilten.

"Das du auch immer so traurige Geschichten erzählen musst," sagte ich und rieb mir die Tränen aus dem Gesicht. Ich schämte mich nicht dafür, dass ich weinte.

"Ich dachte es wäre passend, hier im Anghorawald, die Geschichte von Anghora zu erzählen, aber jetzt könnt ihr aufhören ihr Heulsusen."

"Wir können heulen wie wir wollen," schluchzte Yuki.

Tyr sprach weiter und blickte dabei hinauf zum Mond: "Die ganze Stadt wurde von den Drachen zerstört und die wenigen Überlebenden verstreuten sich in alle Himmelsrichtungen. Ihr Spuren verschwanden in den Mühlen der Zeit, aber ihre Geschichte wurde von Generation zu Generation weitergegeben.

Man erzählt sich, dass die ausgebrannten Ruinen der Stadt noch immer im Herzen der Anghorawälder stehen und ein riesiger Drachenhort, mit den erlesensten Schätzen angefüllt, im Innern der Palastüberreste steht. Aber der Weg zur Stadt ist anstrengend und mit vielen Gefahren gespickt, weshalb auch bis heute noch keiner die Stadt gefunden hat. Und jeder der es versucht hat, wurde nie wieder gesehen. Wenn wir eines Tages stark genug sind, machen wir uns auf die Suche nach der Sagenumwobenen Stadt Anghora und werden sie auch finden!"

Dann waren wir noch eine Weile in unsere Gedanken vertieft und starrten Löcher in die Flammen. An dieser Stelle sollte gestanden werden, dass wir unser Lager nur 200 Meter vom Waldrand aufschlugen, um nach Möglichkeit bei Gefahr schnell ins Freie rennen zu können. Es gab wirklich viele starke Monster in den Wäldern, die plötzlich auftauchen konnten. Wir wollten nicht damit angeben und sagen können, dass wir in den Wäldern von Argohra unser Lager aufschlugen. Wir waren hier, weil Tyr meinte, dass es wunderbar sei, zwischen den uralten Baumriesen zu sitzen.

Manchmal wusste ich nicht, was ich von Tyr alias Kenji halten sollte. Kenji und Tyr waren sich ähnlich und doch so fremd. In der realen Welt hielt er sich von den anderen fern und kümmerte sich, mit wenigen Ausnahmen, nur um sich. Er redete nicht viel, aber im Verhältnis zu den anderen, erzählte er uns sozusagen ganze Romane. Das war auch in "The World" nicht anders, außer wenn er Geschichten erzählte. Aber hier machte er einen anderen Eindruck, als in der Realität. Er redete etwas mehr und er konnte bis jetzt auch an keinem Newbie oder PC, der in arge Bedrängnis geraten war, vorbeigehen, ohne ihm nicht geholfen zu haben. Und Lachen tat er ab und zu in "The World", was er im realen Leben nie getan hatte, seit ich ihn kannte.

Aber ich mochte mir keine Beurteilung über seine Verhalten anmaßen; wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein. Also widmete ich mich anderen Dingen. Aber sein Verhalten hatte bestimmt was mit seinen Problemen in der Realität zu tun.

Die Geschichte schien vergessen zu sein und Tyr und Yuki zogen mich damit auf, wie ich am Vortag in der Fledermaushöhle mal wieder nicht auf ihren guten Rat gehört hatte und beinahe wieder in die himmlischen Hallen aufgefahren wäre. Ich musste mir eine ganze Weile ihren Spott anhören bis sie endlich genug davon hatten. Ich durchkramte noch einmal meine Gedanken und glaubte Feststellen zu können, dass ich mich in dem letzten halben Jahr verändert hatte. Ich war nicht mehr so ängstlich wie vorher, aber jemand hatte mir mal gesagt, dass ich komische Gedankengänge hätte - ob das stimmte? Und gestorben bin ich sowieso noch nie, ich stand immer nur an der Schwelle des Todes.

Ich widmete mich wieder Tyr und Yuki. Tyr paffte an seiner Pfeife. Sie bestand aus einem Mahagoniholzschaft und einem silbernen Köpfchen. Sie schienen über den morgigen Tag zu diskutieren.

"Ich würde gerne nochmal in die Fledermaushöhle und dort weiter machen, wo wir gestern wegen eines Zwischenfalls, den wir auch noch raustragen mussten, nicht bis zum Endgegner vordringen konnten." Yuki sah mich tadelnd an und fuhr fort: "Du kannst ruhig mal auf das hören was ich dir sagen, dann könnten wir mal einen Dungeon abschließen." Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Wir hatten tatsächlich noch keinen einzigen Dungeon abgeschlossen und von einigen Schülern unserer Schule wurden wir die "No Dungeons" genannt. Aber das war uns egal, wir drei waren eh die Außenseiter. Ich war das Landei, dessen Vater, im Verhältnis zu vielen anderen Vätern, deren Kinder auf diese Eliteschule gingen, den niedrigsten Posten hatte. Unsere Schule war dafür berühmt, das sie Kinder vieler angesehenen Persönlichkeiten der japanischen Gesellschaft aufnahm. Yuki hatte keine herausragenden Persönlichkeiten als Eltern, was ihr auch egal war, weil sie sonst ein Snob wie die meisten anderen Kinder geworden wäre - wie sie meinte. Sie war durch eine Art Stipendium an diese Schule gekommen und wurde von vielen noch herabgelassener behandelt als ich. Kenji war eine eigene Kategorie. Sein Vater war der Leiter des Honda-Konzerns - der Big Boss. Und er wollte, dass sein Sohn so erfolgreich wie er werden würde und übte dementsprechend Druck auf ihn aus. Kenji war der jüngste Spross in der Familie wurde aber am meisten unter Druck gesetzt, obwohl er nie die Leitung des Honda-Imperiums übernehmen würde. Sein Vater war meist wegen eines wichtigen Meetings nicht vor Mitternacht zu Hause .

Auf jeden Fall waren wir die Außenseiter und mussten auch in "The World" den Spott unserer Mitschüler ertragen und Tyr, wie auch Kenji davon abhalten, auf diese loszugehen. Aber auf Yukis Rat hören konnte auch gefährlich sein, was natürlich ich am eigenen Leib erfahren durfte. Ich lächelte sie an. Sie schien zu verstehen und meinte: "OK beim ersten Versuch, bei dem Rätsel mit den Tränken habe ich mich vertan, aber so schlimm war das doch nicht. Gestern sind wir ja nicht einmal bis dahin gekommen."

"Jetzt untertreibst du aber. Wir standen vor der Halle des Endgegners und das Rätsel, um Einlass zu bekommen hattest du vermasselt. Anstatt von dem von dir ausgewähltem Trank volle HPs zu kriegen, wurden wir vergiftet und mussten den Eremiten auf dem Berg Irion aufsuchen, der uns als einziger heilen konnte - was für Strapazen. Natürlich haben wir dadurch auch nicht den Dungeon abgeschlossen," mischte sich Tyr ein.

Man konnte es drehen wie man wollte - Yuki hatte Mist gebaut. Sie hatte zwar ein Stipendium für die Schule und war sehr intelligent, aber auch etwas tolpatschig in gewisser Hinsicht. Ich war eher schusselig und dumm.

"Wir gehen Morgen in die Hauptstadt von Alania. Yuki, nach welchem Manga war dieser Teil des Servers nochmal benannt," erkundigte sich Tyr.

"Record of Lodoss War. Was willst du denn da?"

Ach ja, wenn wir unser wandelndes Notizbuch nicht hätten.

"Ich wollte mir endlich das Katana anschaffen, auf das ich schon vor sechs Monaten gespaart hatte. Aber irgend jemand hatte ja davon einen Zahnstocher gekauft."

Er starrte Yuki an, die mit der Hand auf ein altes "Das neueste Modell des Wavemaster-Degens mit Elementarschaden" klopfte, das an ihrem Gürtel befestigt war: "Jupp, danke!"

"Ich hoffe der Verkäufer hat es noch nicht verkauft."

Tyr wollte dieses Katana unbedingt haben, und hatte uns die Wochen nach dem Degen-Unfall die ganze Zeit in den Ohren gelegen, wie lange er doch dafür gespart hatte. Und als er endlich wieder das Geld zusammen hatte, war der Server gesperrt worden, bis vor einer Woche. Es wäre natürlich einfacher gewesen, den Degen wieder zurück zu geben, aber der Verkäufer meinte: "Kein Umtausch," und wies auf sein Ladenschild. Unter dem Schriftzug erschien auf magische Weise ganz klein gedruckt: "Kein Umtausch." Daher hatte der Laden anscheinend den Namen: "Der wunderliche Houdini GmbH". Und Yuki durfte es behalten.

Das war aber jetzt egal. Nachdem der Server seit einer Woche wieder zugänglich war, hatte Tyr den Verkaufer gebeten, das Katana noch für ein paar Tage zurück zu legen.

Deswegen beschlossen wir am nächsten Tag nach Gardia zu gehen und danach zu unserem alten Bekannten, dem Eremiten vom Berg Irion zu gehen. Dann Logten wir uns aus.
 

Am nächsten Morgen trafen wir uns in aller Frühe an der erloschenen Feuerstelle des gestrigen Abends wieder. Wir waren alle ausgeschlafen und bereit zu einem neuen Abenteuer. Wir bahnten uns einen Weg durchs Unterholz und standen fünf Minuten später am Waldrand. Der Wald ging in eine hügelige Graslandschaft über, auf der ab und zu ein paar Ginsterbüsche wuchsen. Etwas abseits vom Waldrand führte eine breite Straße entlang, die nach Gardia führte. Gardia, die Hauptstadt des Landes lag vier Meilen entfernt und man konnte sie in östlicher Richtung hinter einem schwachen Dunstschleier erkennen. Wir gingen zum Weg und folgtem ihm genau auf Gardia zu. Um diese Uhrzeit war kaum jemand unterwegs. Außer einer Gruppe, bestehend aus zwei Heavybladern und einem Archer, die vor uns war und ein weiblicher Wavemaster in Begleitung eines Twinblader hinter uns. Sie waren gut zu Fuß und als sie auf unserer Höhe waren, konnte ich ihrer Unterhaltung mithören.

"Ich hab mit "The World" angefangen, nachdem ich was von diesem Wavemaster gehört hatte. Und du?..." Sie zogen an uns vorbei. Ich hatte auch angefangen als auf allen Messageboards von Tsukasa geredet wurde. Ich glaube kaum, dass das Mädel von einem anderen Wavemaster gesprochen hatte. Wie hieß es noch damals? Es wurde überall von einem Wavemaster geredet, der sich nicht dem Willen der Scarlet Knights gebeugt hatte und von ihnen gejagt wurde, sie hatten sogar ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt. Die Scarlet Knights waren so etwas wie die Polizei und ihre Anführerin Subaru besaß Moderatorenrechte auf dem Server. Aber im weiteren Verlauf dieser Geschichte haben sie sich aufgelöst. Dieser Tsukasa konnte sich angeblich nicht ausloggen, wie es unter den PCs hieß, aber weiteres konnte man nicht darüber erfahren. Alles lag unter einem Mantel des Schweigens. Es gab aber eine Gruppe die ihn begleitete und was sie erlebten wurde von jemandem ich glaube es war ein Holba oder so, in dem Buch "Key of twilight" festgehalten, welches man für wenig Geld illegal bei fast jedem NPC-Händler kaufen konnte. Wer es besaß, dessen Account wurde gesperrt. Mir war aber aufgefallen, dass immer weniger darüber gesprochen wurde, obwohl diese Ereignisse erst drei Monate zurück lagen.

Ich kümmerte mich wieder um den Weg und achtete darauf nicht zu stolpern. Die Stadt rückte immer näher, aber plötzlich rief die Wavemaster, die uns eben überholt hatte und nun neben der Dreiergruppe ging: "Achtung Leute da kommt was!" Sie deutete auf eine Stelle im Gras, an der sich die Halme umbogen und auf die Gruppe zukam. Anhand der Bahnen im Gras konnte man erkennen, dass es mehrere Gegner waren. Aber sie kamen nicht nur von der linken Seite, sondern auch von der Rechten und zogen eine tödliche Schlinge zusammen. Wir waren noch eine halbe Meile von ihnen entfernt und konnten gut die Breschen im Gras sehen, welche die Angreifer hinterließen. Irgendwie erinnerte mich das an Jurassic Park 2.

Die fünf stellten sich Rücken an Rücken um dem Angreifer keine Möglichkeit zu geben, sie von hinten anzufallen. Tyr war kurz stehen geblieben und schien für einen flüchtigen Moment eine Stelle in der Graslandschaft anzustarren.

"Alles Ok?"

"Ja alles OK, Musashi," er wandte sich von der Stelle ab und wir gingen jetzt zügiger auf die Gruppe zu und konnten sehen, dass der Angreifer graues zottiges Fell hatte. Wenige Augenblicke später sprang ein Rudel von 7 Wehrwölfe aus der Deckung und fiel über die PCs her. Jetzt liefen wir und Yuki rief zu ihnen rüber: "Braucht ihr Hilfe?" Kaum hatte sie das gesagt, da lagen auch schon die zwei Heavyblader und der Archer grau und bewegungslos auf dem Boden, bevor sie sich auflösten.

"Ein bisschen Hilfe wär' nicht schlecht," erwiderte der Twinblader, der einen Angriff mit seinen gekreuzten Kurzschwertern parierte. In der Zwischenzeit hatte seine Begleiterin auf ihrer Seite einen Schutzwall errichtet. Yuki tat es ihr gleich und errichtete einen auf der anderen Seite, so dass sich eine Kuppel um sie bildete und die zwei erst einmal vor den Angriffen abgeschirmt waren. Wehrwölfe waren mittelschwere Gegner und die Ebenen um Gardia waren für sie berühmt. Hätten uns diese sieben angegriffen, so hätten wir bestimmt keine Chance gehabt. Aber mit den zwei anderen PCs hatten wir eine. Noch wenige Schritte und wir waren bei ihnen. Ich zog mein Breitschwert mit verstärktem Schaden, es war eine der Waffen, die ich mir von Tyrs Geld gekauft hatte, und holte über meinem Kopf zu einem Spalthieb aus. Der Wehrwolf wich dem Schlag geschickt aus, aber Tyr hatte seine Wurfdolche gezogen und deckte den Gegner mit den tödlichen geschossen ein, was mir einen erneuten Angriff ermöglichte. Yuki stand etwas abseits und konzentrierte sich darauf, ihren Zauber aufrecht zu erhalten. Ich traf und spaltete einem Wehrwolf den Schädel musste aber dann mit der Parierstange die Klauen eines anderen Wolfes abfangen und unter der Wucht der Schläge wurde ich zurückgedrängt und stolperte über einen Stein. Ich prallte mit dem Rücken auf den Boden und eine Sekunde später stand auch schon der Wehrwolf mit weit aufgerissenem Rachen über mir, so dass ich seine rasiermesserscharfen Zähne sehen und seinen heißen Atem auf meinem Gesicht spüren konnte. Sein Gewicht drohte mich zu ersticken und ich presste mit beiden Händen mein Schwert gegen seine Klauen. Ich dachte schon, ich müsste sterben und mobilisierte meine letzten Kraftreserven. Ich schaffte es ihn mit größter Mühe von mir runter zu schleudern. Ich war wütend, rappelte mich auf und drosch heftig auf den Wehrwolf ein. Der Twinblader tauchte durch die magische Mauer, als ob sie nur Luft wäre und rammte einem Angreifer eines seiner Kurzschwerter in den Rachen, worauf dieser röchelnd zu Boden ging. Gleichzeitig duckte er sich unter dem Schlag eines zweiten Wehrwolfs und stach diesem sein anderes Kurzschwert ins Herz. Yuki mischte sich jetzt direkt ein. Sie schwenkte ihren Stab über den Kopf und schleuderte dann dem Wehrwolf, der sich ihr zuwandte, ein wirbelndes Luftgeschoss entgegen und streckte ihn nieder.

"Geh ein Stück zu Seite," rief mir die Wavemaster zu. Ich verstand, sie wollte jetzt austeilen. Ich zog mich von dem letzten Wehrwolf zurück und kurz darauf bildeten sich kleine blaue Eiskristalle in der Luft und schwirrten in Kreisbahnen um den letzten Angreifer. Der Kreis wurde schnell enger und zog sich um den Körper des Wehrwolfs zusammen. Mit einem mal blieben die Eiskristalle für einen Augenblick in der Luft stehen, bevor sie auf den Gegner zuschossen und ihn in eine Eisstatue verwandelte.

Nach diesem harten Kampf standen wir erschöpft um den vereisten Wehrwolf. Ich konnte aus den Augenwinkeln sehen wie Tyr einem von zwei Wehrwölfen ein Wakizashi aus dem Kopf zog und das Blut an dessen Fell abwischte.

Der Twinblader streckte seine Hand aus stellte sich vor: "Ich bin Beowulf...Twinblader wie man sieht. Und das ist meine kleine Schwester die Wavemaster Livia Eiskristall. Danke für eure Hilfe." Ich schüttelte seine Hand und meinte: "Ich bin Musashi, Heavyblader wie man sieht." Wir mussten beide lachen.

"Und wer ist diese reizende junge Wavemaster hier," erkundigte sich Beowulf und gab Yuki einen Handkuss. Sie errötete leicht und stotterte: "Ich...ich heiße Yuki."

"Yuki, schöner Name." Sie nahm die Farbe von Purpur an. Natürlich schüttelte ich auch seine Schwester die Hand und als Beowulf zu Tyr kam, wandte sich dieser mit einem verächtlichem Blick ab und marschierte wutschnaubend weiter auf Gardia zu.

"Hat mich auch gefreut dich kennen zu lernen und danke für die Hilfe," Beowulf drehte sich zu uns und fragte: "Was hat er denn?"

"Äh, der ist immer so darauf. Einfach ignorieren," meinte Yuki.

"Das stimmt nicht," wandte ich ein, aber keiner schien das zu hören.

"Könnten wir eure E-mail-Adressen haben? Vielleicht können wir ja mal was zusammen unternehmen," fragte Livia: "Ach übrigens coole Haare."

"Ja, finde ich auch. Ich dachte mir, dass hier mal ein frischer Wind her muss, der sich auch traut, sich von den anderen abzuheben." Dabei lehnte ich mich lässig gegen den tiefgekühlten Wehrwolf woraufhin dieser klirrend in hundert Stücke sprang und ich langsam in meiner lässigen Stellung verharrend, dem Erdboden entgegensegelte. Mit einem dumpfen Klang prallte ich auf den Boden und wirbelte eine kleine Staubwolke auf. Natürlich musste mir das passieren; ich schien das Pech anzuziehen, wie das Licht die Motten. Alle lachten. Ich rappelte mich auf und klopfte mir den Staub aus der Kleidung. Nach diesem Kampf war mein erst vor drei Wochen gekaufter Brustpanzer und mein rotes Stirnband sehr zerschlissen, aber hier in "The World" konnte man die Ausrüstung bei einem Schmied oder Plättner reparieren - natürlich gegen Bezahlung.

Jetzt nahm ich die beiden etwas genauer unter die Lupe. Beowulf hatte lange dunkelgrüne Haare, die zu einem Zopf nach hinten geflochten waren, der unter einem genauso grünen Kopftuch hervorlugte, das unter einem Schlapphut mit einer riesigen grünen Straußenfeder versteckt war. Er hatte braune Augen und war etwas größer als ich, aber kleiner als Tyr, der gerade hinter einem Hügel verschwand. Beowulf trug noch eine braune Lederweste, eine rotweiß gestreifte Wollhose und riesige Stulpenstiefel, was ihm das aussehen eines verwegenen Piraten verlieh. Des weiteren trug er große rote Lederhandschuhe und die zwei Kurzschwerter am Gürtel. Seine Schwester war in ein Eisblaues bodenlanges Gewand gehüllt, das mit einer Borte, auf der silberne Eiskristalle funkelten, verziert war. Sie hatte blaue Haare, die ihr bis zu den Hüften gingen und die über den Ohren kunstvoll mit Perlen verflochten waren. In der Hand hielt sie einen schulterhohen Stab, der aus purem Eis gemeißelt zu sein schien und an dessen Kopf ein blauer Kristall glitzerte.

Nachdem endlich alle fertig waren mich auszulachen, gingen wir weiter.

Yuki wandte sich an Livia und zeigte auf ihren Stab: "Du glückliche hast einen Froststein gefunden. Ich suche schon eine ganze Weile nach einem Windkristall für meinen Stab, habe bis jetzt aber noch keinen gefunden. Und so selten wie die Dinger sind, kosten die eine Menge bei den Händlern."

"Ich hatte einfach etwas Glück. Aber ich kenne das mit den überteuerten Preisen bei den Händlern. Letztens hatte ich ein Buch über die Eismagie in den Händen, aber der Typ wollte 450.000 Goldstücke dafür haben...." Livia und Yuki unterhielten sich übers Shoppen und wir zwei Männer unterhielten uns über Gott und die Welt und hatten viel zu Lachen, als Beowulf einige Anekdoten aus ihrem Leben in "The World" zum besten gab.

Tyr trottete 300 Meter vor uns und bekam leider nichts von alledem mit.

Wir erreichten eine viertel Stunde später die Stadtmauern von Gardia, die hoch vor uns aufragten. Sie bestanden aus riesigen unbehauenen, schwarzgrauen Basaltblöcken, die nur ein Riese auf die Höhe von sieben Meter aufgetürmt haben konnte. Sie hatte dreieckige Zinnen und das mit Bronze beschlagene Haupttor ragte mindestens fünf Meter in die Höhe. Die gewaltigen Torflügel standen weit offen und gewährtem jeden Reisenden Einlass. Ein Stadtgardist stand je rechts und links an der Seite und begrüßte jeden mit: "Willkommen in unserer schönen Stadt Gardia." Oder wenn jemand die Stadt verließ: "Kommen sie bald wieder."

Wir tauschten unsere E-mail-Adressen aus und verabschiedeten uns von Livia und ihrem Bruder, der noch meinte: "Vielleicht sind wir es, die euch beim nächsten mal aus der Patsche helfen. Bis dann." Livia und Beowulf winkten uns noch, bevor sie hinter einem Haus verschwanden. Wir gingen weiter.

Im Gegensatz zu draußen, herrschte in Gardia ein reges Treiben auf den Straßen zwischen den vielen Fachwerkhäusern. Mittlerweile saßen an diesem Morgen mehr Spieler vor dem Computer und vertrieben sich die Zeit mit "The World".

Einige saßen schon vor den Tavernen und betranken sich mit Bier. Wie konnte man schon um diese Uhrzeit dem Alkohol frönen? Na gut, Tyr hat auch seine Pfeife, aber zum Glück hatten diese "Drogen" keine Auswirkungen auf den Körper und Tyr konnte sich auf gesunde Weise seiner Sucht widmen. Die Stadt hatte sich verändert. Vor der Schließung des Servers hatte im Zentrum eine Kathedrale gestanden, deren Türme über alle anderen Gebäude hinausragten. Aber jetzt war sie verschwunden. Und die Gassenanordnung schien sich auch geändert zu haben, was auch Yuki und Tyr auffiel. Wir bogen in eine Gasse ein, die laut einem Schild in das Gildenviertel führte. Dort hatten Waffenschmiede, Plättner, Alchimisten und andere Berufszweige ihre Läden direkt nebeneinander. In anderen Großstädten hatte jeder Beruf seine eigene Gasse und wenn man eine Rüstung brauchte, musste man in die Plättnergasse, oder bei Heiltrankbedarf in die Alchemistenstraße. Aber hier war das Händlervolk kunterbunt untereinander gemischt und man konnte hier einen Schmied neben einem Alchimisten sehen und dort einen Bäcker neben einem Plättner. In den verzweigten Gassen priesen die Händler lauthals ihre Ware an und man musste fürchten bei längerem Aufenthalt taub zu werden. Trotz der neuen Anordnung fand Tyr den kleinen Laden, in einer rauchigen Seitengassen.

Der Laden mit den mit Staub verschmierten Fenstern hatte den Namen "Kuriosus Koriander" und in den Schaufenstern standen, wie der Name schon sagte, kuriose Gegenstände. Unter anderem Schrumpfköpfe, ein anscheinend uralter Globus und derlei Zeug unter einer dicken Schicht Staub und Spinnweben. Wir betraten das Geschäft und mussten uns bei der niedrigen Tür ducken, um uns nicht die Köpfe zu stoßen. Ein Rabe auf einer Stange kündigte uns an: "Krah, Krah. Kundschaft, Kundschaft. Du alter Esel wo bleibst du denn! Kundschaft!"

Es roch nach Räucherstäbchen und auch im Laden herrschte ein großes durcheinander unter der Meterdicken Staubschicht. Der Rabe krächzte noch ein paar mal: "Kundschaft, Kundschaft," und gab dann auf. "Der Kerl scheint nicht verheiratet zu sein, sonst würde ihm seine Frau bestimmt die Hölle heiß machen, wenn sie dieses Chaos sieht," gab Yuki als Kommentar ab. Worauf ich nur meinte: "Der braucht eher ein Räumkommando der Armee, mit Sprengstoff und allem drum und dran." Eine kleine Tür an der Rückwand öffnete sich knarzend und unsere Lästermäuler verstummten sofort. Ein kleiner etwas dicklicher Mann mit einer Halbglatze, langen weißen Haaren und einer Brille auf der von Altersfurchen gezeichneten Knollnase betrat den Raum. Er verschwand hinter dem Tresen, der größer war als er und blieb verschwunden. Wir gingen vorsichtig auf den Tresen zu, als uns plötzlich ein Besen um die Ohren fegte. Der kleine Mann war aus seiner Deckung auf den Tresen gesprungen, wedelte wild mit seinem Besen und brüllte den ganzen Laden zusammen: "Ihr verdammten Diebe. Ich hab euch doch gesagt, dass ihr euch hier nicht mehr blicken lassen sollt. Aber ihr wollt ja nicht hören, also müsst ihr fühlen!" Und er schlug auf Tyr ein, der seine Arme schützend vors Gesicht hielt und auch anfing zu brüllen: "Hör auf Opa! Ich bin es Tyr. Der Kerl dem du das Katana verkaufen wolltest. Ich habe dich vor drei Tagen mit dir gesprochen, erinnerst du dich?"

"Tyr?...Ach TYR! Natürlich erinnere ich mich an dich. Es freut mich dich zu sehen."

Er legte den Besen auf Seite und streckte seine Arme in Tyrs Richtung. Ich dachte mir nur, dass ich dann nie so freudig erwarten werden wollte, wie von diesem Heinzelmännchen. Er drehte sich einmal um seine eigene Achse, blieb ruckartig stehen, sah mich an, dann Yuki und wieder mich. Danach winkte er Tyr zu sich und bedeutete ihm mit einer Geste, sich zu ihm runterzubeugen, damit er ihm ins Ohr flüstern konnte. Tyr tat es und der Mann hielt eine Hand an Tyrs Ohr und begann zu sprechen: "Ich habe das Katana noch. Es hat auf dich gewartet." Dann sah er wieder zu mir herüber und meinte: "Kennst du den Kerl mit der rosa Stachelfrisur hinter dir. Ich würde mich vor ihm Hüten. Der Kerl scheint nicht ganz dicht zu sein." Er drehte sich ein paar mal sinnlos um 360° und trällerte dabei ein Lied. Als er wieder stand, hatte er ein längliches Stück Seide, das etwas enthielt, in den Händen und überreichte es Tyr: "Hier ist es, pass gut auf es auf. Du musst es gut Füttern. Karotten isst es am liebsten und Milch."

"Kuriosus Koriander, wo steckst du. Du hast noch nicht zu ende gegessen. Wenn dir mein Essen nicht schmeckt, kannst du dir demnächst selber was kochen. Hörst du mich Kuriosus," konnten wir eine Frauenstimme hinter der Tür ausmachen. Kuriosus Koriander zuckte kurz zusammen und meinte dann nur: "Ich muss gehen...Ich komme schon du Alte Hexe...Sie ist zwar eine Kratzbürste, aber kochen kann sie." Er sprang vom Tresen und verschwand durch die Tür. Wir konnten noch hören, wie er von seiner Frau zusammengestaucht wurde: "Was nennst du mich eine alte Hexe. Du alter Esel könntest auch mal..." Das Bild einer ein Nudelholz schwingenden Frau versetzte uns in Angst und Schrecken und wir bliesen zum allgemeinen taktischen Rückzug, wie ich meinte, da wir uns sehr schnell draußen auf der Straße wiederfanden.

Wir zogen weiter durch die Gassen und bald darauf waren wir auch schon wieder pleite. Ich hatte mein gesamtes Geld für was zu Essen ausgegeben, Yuki für Schmuck und Tyr hatte schon beim Kuriosus sein ganzes Geld ausgegeben. Während ich mein Geld an einem Stand mit Himbeeren - ich liebe Himbeeren - verbraten hatte. Brauchte Yuki drei Stunden, in denen sie von einem Stand zum nächsten huschte und immer wieder sagte: "Och, ist das schön. Das auch...und das und das und das. Und dahinten bei dem Laden war noch was." Daraus resultierte, dass sie nach den drei Stunden ENDLICH kein Geld mehr hatte und ihr Körpergewicht in Ringen und anderem Schmuck tragen musste.

Der Berg Irion war vergessen, aber alle waren glücklich: Tyr hatte sein Schwert, Yuki viele neue Ringe und ich? Ich hatte Bauchschmerzen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück