Nachsitzen
"Unglaublich, ihr seid erst einen Tag hier und habt euch schon jeder eine Stunde nachsitzen eingehandelt..."
Sie saßen im Gemeinschaftsraum der Gryffindors. Das Feuer loderte und James war gerade dabei, irgendetwas mit seinem Haar anzustellen.
"Und durchwuschel dein Haar nicht, du siehst so schon schlimm genug aus"
Remus sah ihn gereizt an, doch James gab nur ein breites Lächeln zurück und wuschelte weiter. Sirius grinste ihn von der Seite her an. Peter machte Hausaufgaben. Es war erst der erste Tag, doch sie hatten schon eine Unmenge Hausaufgaben auf.
Remus seufzte. "Wann müsst ihr noch mal nachsitzen?", fragte er mit einem Blick auf Sirius.
"Am nächsten Donnerstag, is' noch 'ne ganze Weile hin."
"Jaah, noch eineinhalb Wochen... Wir haben noch eineinhalb Wochen zu leben, Sirius", feixte James. Alle lachten, bis auf Remus.
"Donnerstag? Aber da ist Vollmond!", sagte er nachdenklich besorgt.
"Jaah", überlegte James, "hast du vielleicht Angst, dass sich die Whelms in einen Werwolf verwandelt und uns zerfleischt?"
Wieder lachten alle, ausser Remus, dem urplötzlich übel wurde. Er verabschiedete sich und ging hinauf in den Schlafsaal.
"Was'n mit dem...", fragte James und starrte ihm schuldbewusst hinterher.
Sirius zuckte mit den Achseln und James begann wieder, sein Haar zu zerstrubbeln.
*
Die erste Woche in Hogwarts verging wie im Fluge. Das lag wahrscheinlich daran, dass die vier Freunde täglich durch Hogwarts streiften, und immer wieder etwas neues Aufregendes oder eine Gelegenheit für einen neuen Streich fanden. James und Sirius wurden binnen einer Woche als die"Obersten Tunichtguten" der Schule bekannt und genossen es richtig, wie einige sich scherzhaft vor ihnen verbeugten, den Königen der Streiche. Als Rache fürs Nachsitzen schafften Sirius und James einen Baby-Hippogreif in Whelm's Büro (Remus fragte gar nicht erst, wo sie ihn herhatten, so sehr schauderte ihm vor der Antwort) und Madam Hooch's Teller verhexten sie so, dass alles, was darauf getan wurde, sofort schmolz. Doch mit dem raschen Vergehen der ersten Woche rückte auch der Donnerstag der zweiten Woche bedrohlich näher. Es war nicht so, dass Sirius und James Angst vor dem Kommenden hatten, sondern eher einfach keinen Bock auf Nachsitzen. Am Mittwoch waren sie beide so mies gelaunt, dass Peter und Remus fast einen halben Meter hinter ihnen hergingen und den ganzen Tag kein Wort sagten. Der Donnerstag war noch trister, zumal es regnete wie aus Kübeln. Die Jungs hatten nun allesamt schlechte Laune, wobei Peter aussah, als fürchte er nur, dass Sirius und James ihn anschreien würden und Remus dreinblickte, als müsse er gleich nachsitzen. James zog einen kleinen goldenfarbenen Ball mit Flügeln aus der Tasche und ließ ihn fliegen, ehe er ihn kurz danach fing.
Sirius blickte ihn begierig an.
"Wo hast du den denn her?"
"Geklaut", sagte James lässig und spielte weiter mit dem Schnatz. Ein paar Mädchen am Nachbartisch sahen ihn mit großen Augen an. "Als wir Flugunterricht bei Hooch hatten." Er lächelte breit und ließ den Schnatz wieder einmal los und fing ihn sofort wieder. Als er merkte, dass die Mädchen ihn ansahen, durchwuschelte er sein Haar.
"Könntest du damit aufhören, ich versuche, zu lesen", fuhr ihn Remus so mürrisch an, wie sie ihn noch nie erlebt hatten. Er vergrub sich wieder in seinen Wälzer und Sirius und James warfen sich einen viel sagenden Blick zu.
Um sechs verabschiedeten sich James und Sirius von ihren Freunden und machten sich auf zum Büro von Whelms. Auf dem Weg dorthin mühten sie sich nicht einmal, leise zu sein, als sie Whelms beschimpften.
Als sie vor ihrer Tür angekommen waren, brauchten sie nicht erst anzuklopfen, um von Professor Whelms herein"gebeten" zu werden. Sie saß an ihrem Schreibtisch, wie immer in schwarzem Samt und blickte sie mit ihren Rabenaugen unverkennbar amüsiert an. Die Jungs hatten keine Zeit, zu fragen, denn Mr Filch, der Hausmeister war soeben hinter ihnen eingetreten und gluckste vergnügt. Professor Whelms hob die Stimme.
"Sie werden den Boden des Pokalzimmwers putzen -" Sirius und James stöhnten - "auf Muggelart."
"Was?! Das können sie nicht tun!", platze es aus James heraus.
"Oh doch, mein Lieber, das kann ich", sagte sie mit einem unheimlichen grinsen und vergrub sich hinter einigen Aufsätzen, während Filch sie ins Pokalzimmer bugsierte.
Und so schrubbten sie. Eine Stunde, zwei Stunden, drei Stunden, sie hörten bald auf, zu zählen. Eins war ihnen klar, sie wollten nie wieder Nachsitzen müssen. Es war nach eins als Filch sie gehen ließ.
"Oh mann, diese verdammte -" Sirius gebrauchte ein Wort, bei dem Remus ihn zurechtgewiesen hätte. James nickte zustimmend.
"Hey Mann, hast du etwa Bock, ins Bett zu gehen?", fragte er mit einem breiten Grinsen.
"Nöh Mann"
Sie beschlossen, die Ländereien ein wenig zu erforschen. Alles schien bereits zu schlafen, im Schloss brannte kaum Licht und die Ländereien lagen unheimlich friedlich da. James blickte zum Himmel. "Hey, Vollmond. Wenn uns jemand sieht, wir sind Schlafwandler" Er zwinkerte Sirius zu. Auf einmal ertönte ein Heulen. Die beiden zuckten zusammen.
"Hey, hast du etwa Angst?" Sirius grinste.
"Du bist doch selbst zusammengezuckt. Hey, mal schaun, was das war."
Sie folgten dem Heulen, welches immer lauter war. Sie kamen der Ursache dieser Geräusche näher und näher. Was immer diese Laute von sich gab, es litt schreckliche Qualen. Sie gingen weiter bis sie einen Hügel erreichten. Wenige Meter vor ihnen stand ein riesiger Baum, eine Weide. Das Heulen schien von der Weide auszugehen. Einen Moment lang zögerten sie. Die Versuchung war zu groß. Bevor sie sich entscheiden konnten, hörten sie plötzlich, wie das Heulen lauter wurde. Das Tier oder was auch immer da heulte, näherte sich ihnen. Und das nicht langsam. Sie wollten rennen, doch keiner von beiden wollte sich das eingestehen. Und so blieben sie wie angewurzelt stehen. Ihre Blicke waren starr auf den Baum, etwa zehn Meter vor ihnen gerichtet. Dann sahen sie, was oder besser wer da so sehr heulte. Aus einem Tunnel unter einer der vielen Wurzeln der Weide kam ein Hund... Nein, das war kein Hund, sondern ein Werwolf. Der Werwolf schien schlimme Qualen zu erleiden, er ächzte, stöhne und heulte. Jemand aus dem Schloss musste ihn doch hören. Sirius sah aus, als wolle er losrennen, auf und davon, doch er besann sich, als er sah, was der Werwolf tat. Er verwandelte sich. Erst die Beine, dann ging der Schwanz zurück, dann stand er aufrecht und dann... Dann erschien der Kopf von Remus Lupin.
