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Death Never Dies

von

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Vertrau mir...

Das kleine Dorf Salem war das einzige, das im Tal der Tränen lag, das völlig von der Außenwelt abgeschottet war. Das Leben in diesem Gebiet war relativ schwer, da die Gegend sehr trocken war und der Boden karg und unfruchtbar. Doch die Bewohner hatten gelernt mit dieser Situation umzugehen und fühlten sich relativ wohl, dort wo sie lebten. Der Turm der alten Kirche ragte weit in den Himmel und konnte selbst aus der Ferne noch gut erkannt werden. Daneben stand eine riesige Bibliothek, die von dem jungen Andrew Johnes geführt wurde. Er liebte die tausend von alten Büchern, die dort in den großen Regalen gestapelt waren. Er pflegte sie als wären sie seine Kinder, obwohl er es sich nicht vorstellen konnte, einmal selbst welche zu haben.
 

Er stöberte gerade in einem großen , alten Buch über schwarze Magie, dessen Umschlag kunstvoll verziert war. Seine langen, schwarzen Haare hingen ihm über die Schultern und seine düsteren Augen starrten gebannt auf die bedruckten Seiten. Dabei bemerket er nicht, dass sich noch jemand in der Bibliothek befand. Erst als er umblätterte, verspürte er die Anwesenheit einer weitern Person. Verwundert richtete er sich auf und streifte suchend durch die Gänge, die von den Regalen gebildet wurden. Durch die großen Fenster strahlte das helle und warme Sonnenlicht und zeichnete sich auf dem marmornen Boden ab. Nachdem er alle Ecken des riesigen Saales durchsucht hatte, kam er zu dem Entschluss, sich geirrt haben zu müssen.

Da er am vorherigen Tag erst spät ins Bett gegangen war und an diesem Morgen schon früh wieder aufgestanden war, war er noch etwas müde und auch sein Gang zum Schreibtisch zurück war eher schleifend.

"Also, dass so einer wie du in einer Bücherei arbeitet hätte ich nicht gedacht!" Eine junge Frau, die in einem schwarzen, langen Mantel eingehüllt war, stand plötzlich vor seinem Tisch und schaute sich begeistert um, bis ihre Augen wieder zu ihm wanderten. Erschrocken sprang Andrew auf, wobei er sein Buch zuschlug, welches dann ihre Aufmerksamkeit weckte.

"Schwarze Magie!? Fährst wohl drauf ab?" Etwas hastig krallte sie sich das Buch und blätterte ein wenig darin herum.

"Ich wüsste nicht, was Sie mein Lebensstil angeht!" Mit leicht bitterer Miene entriss er es ihr wieder und stellte es an seinem Platz im Regal zurück, wo noch weiter Bücher dieser Art standen, die er zum Teil auch schon gelesen hatte.

"Entschuldigen Sie mich bitte! Das war natürlich nicht in meiner Absicht!" spielte sie ihm mit einem leichten dramatischen Klang vor und konnte sich ein Grinsen kaum verkneifen, als er ihr gereizt in die Augen blickte.

"Bitte, sagen wir doch du!" Sie reichte ihm freundlich lächelnd die Hand.

"Meinetwegen! Aber nun verrate mir mal wer du bist und was du hier suchst!" Obwohl er sich auf ihren Vorschlag einließ, erwiderte er ihre Begrüßung nicht, sondern setzte sich wieder an seinen Schreibtisch, wo er noch schnell ein paar Listen durchschaute. Sie nahm ihm seine Unhöfflichkeit nicht übel und setzte sich auf den Stuhl gegenüber von ihm.

"Ich heiße Nadja Cooper! Zur Zeit reise ich eigentlich ziellos durch die Gegend, wobei ich ganz nebenbei noch ein bisschen was über die verschiedenen Städte, ihrer Vergangenheit und so, erfahren möchte!" erzählte sie ihm.

"Aha! Ist ja schön! Und was willst du jetzt von mir?" Seine Begeisterung für ihr Hobby hielt sich sehr in Grenzen.

"Das wirst du dir doch denken können! Ich will, dass du mir etwas über diese Stadt....oder besser gesagt über dieses Dorf erzählst!" Gespannt auf seine Reaktion legte sie sich mit ihrem ,Oberkörper auf seinen Tisch und schaute in sein finsteres Gesicht, das auf diese Worte plötzlich leicht blass wurde.

"Kannst du dir dafür nicht jemanden anderes suchen? Du siehst ja, dass ich für Märchenstunden keine Zeit habe!" Mit gereiztem Unterton in der Stimme legte er seine Listen zur Seite und suchte sich eine neue Aufgabe, mit der er sich beschäftigen konnte, um ihr möglichst aus dem Weg zu gehen.

"Erstens kannst du mir nicht erzählen, dass dich die Arbeit hier glatt überrennt und zweitens hat man mich auf meine Fragen zu dir geschickt, weil du mir da eine ganz tolle Geschichte erzählen könntest!" Als Nadja das gesagt hatte, richtete er seinen Kopf auf und blickte sie mit großen Augen an. Sein Gesicht war ganz weiß geworden und seine Hände fingen zu zittern an.

"Du lügst!" Er versuchte gefasst zu wirken, schaffte es aber nicht.

"Nein!" rechtfertigte sie sich.

"Ich hab ein paar Leute auf den Feldern gefragt und die haben alle gesagt, wenn ich etwas über so eine Katastrophe wissen will, die vor 20 Jahren passiert sein soll, dann soll ich zu Andrew Johnes in die Bibliothek neben der Kirche gehen!" Nadja verstand nicht, warum er so darauf reagierte.

"Diese verdammten Idioten!" fluchte er leise vor sich hin, stand auf und verschwand hinter seinen Regalen. Nadja hatte das Gefühl, dass irgend etwas bei der ganzen Sache nicht stimmte und folgte ihm. Mit verschränkten Armen stand er in einer Ecke und lehnte sich gegen die Wand, wobei er murmelnd böse Worte knurrte.

"Hey, erzähl mir einfach was los ist! Was ist in der Vergangenheit denn so schlimmes passiert?" Vorsichtig legte sie ihre Hand mit den schwarzen Fingernägeln auf seine Schultern und ging noch etwas näher auf ihn zu, behielt aber dennoch einen gewissen Abstand.

"Du wirst mir ja eh nicht glauben!" Ohne ihr nur einmal in die Augen zu sehen, machte er sich wieder auf den Weg nach vorn, suchte sich das Buch heraus, in dem er gelesen hatte, bevor Nadja herein kam und setzte sich auf seinen Platz, wo er es zu lesen begann.

"Entweder du vertraust mir und erzählst mir die Geschichte oder ich werde wohl weiterreisen müssen. Schließlich kann ich dich ja nicht dazu zwingen und wenn du lieber der Meinung bist, es ist besser zu schweigen und sich hinter Büchern zu verstecken: Bitte, dann tu es! Ich hätte dir schon geglaubt!" Nadja machte sich auf den Weg zur großen Holztür, die sie öffnete, um dann nach draußen zu gehen. Andrew saß einen Moment da wie angewurzelt, bis er endlich seinen Mund aufmachte.

"Warte mal kurz!" Hastig stürmte er zu Tür, bevor sie sich schloss und hielt Nadja am Arm fest, damit sie nicht weiterging.

"Machen wir einen kleinen Spaziergang?" fragte er sie kleinlaut, worauf sich auf Nadjas Gesicht ein Lächeln bildete.

Eine grausame Entdeckung...

Während sie durch die Stadt hinaus zum Feld gingen, fiel Nadja auf, dass sie von allen Seiten angestarrt wurden. Furchtsame und zornige Augen folgten ihnen den Weg entlang, die sie nicht ganz verstand. Mütter trugen ihre Kinder in die Häuser und Arbeiter umschlangen die Griffe ihrer Werkzeuge, die sie gerade in der Hand hatten so fest, als wollten sie die beiden jeden Augenblick damit angreifen.

"Sag mal, kannst du einfach so die Bücherei alleine lassen?" flüsterte sie ihm leise und möglichst unauffällig zu.

"Die kommen eh nicht, wenn ich drin bin! Sie leihen sich erst Bücher aus, wenn ich das Haus verlasse!" Ohne auf die ganzen Bewohner zu achten, deren Blicke er nun schon zu Genüge kannte, führte er sie zu einem kleinen Feldweg, auf deren einer Seite eine Holzbank stand. Da sie endlich aus der Sichtweite der Leute waren, wurde Nadja wieder gelassener und setzte sich mit Andrew hin.

"Hast du dir eigentlich schon die Kirche angeschaut?" fragte er sie und schaute sie eine kurze Zeit lang an, bevor er seine Augen auf den blauen Horizont über ihnen richtete.

"Nein. Wieso? Gibt es da irgendetwas tolles zu sehen?"

" Alle aus Salem sind sehr gläubig und gehen jeden Tag in diese Kirche! Ich war da noch nie drin, obwohl ich eigentlich auch gläubig bin!" Er zog unter seinem schwarzem Hemd eine Kette hervor, an der ein wunderschön glänzendes Silberkreuz hing, das edel verziert war.

"Ich versteh nicht ganz, auf was du jetzt hinaus willst!" Nadja konnte einfach nichts anfangen mit den Dingen, die er ihr erzählte.

"Es gab mal vor 20 Jahren eine Sektengemeinschaft hier in Salem mit dem Namen Black Brothers, die sich auf die Erschaffung des "perfekten Lebens" spezialisiert hatten und in den Untergeschossen dieser Kirchen ihren Hauptsitz hatten. Einer von ihnen war Adam Parker. Er war ein verrücktgewordener Wissenschaftler, der permanent daran arbeitete diesen perfekten Menschen zu entwickeln!"

"Aber das klingt für mich eher nach einem Teufelskreis!" grübelte Nadja, als sie sich seine Worte noch mal durch den Kopf gehen ließ.

"War es auch! Aber die Leute schätzten sie und unterstützen sie wo sie nur konnten. Es ging das Gerücht um, dass diese Sekte Boten wären!" Andrew blickte kurz um sich, um sicherzustellen, dass ihnen auch niemand zuhörte.

"Parker hat sein Leben lang daran gearbeitet und als er schließlich ein menschliches Opfer hatte, konnte er seine mühselig ausgearbeiteten Theorien ausprobieren und es klappte! Doch gerade nachdem er seine Kreatur erschaffen hat, starb er...........es war so, als würde er mit der Vollendung seiner Schaffung, den Sinn in seinem Leben verlieren!" Um sich ein wenig zu sammeln, schloss Andrew die Augen und ging etwas in sich.

"Und was ist dann passiert?" fragt Nadja neugierig.

"Diese Schöpfung war die Ausgeburt des Bösen und sein einziger Gedanke war es zu zerstören. Dieses Wesen war nicht nur in der Lage, magische Angriffe auszuführen, sondern entwickelte innerhalb von kurzer Zeit eine hohe Intelligenz. Es drohte den Menschen mehrere Male und als die nicht hören wollten, verschonte es die Stadt nicht länger sondern machte sie den Erdboden gleich! Viele Menschen wurden dabei getötet! Da mein Vater ebenfalls zu diesen Black Brothers gehörte, gaben ihm die Leute die Schuld an der ganzen Sache. Um seinen Ruf wieder herzustellen, blieb ihm nichts anderes übrig als gegen dieses Biest zu kämpfen, wobei sie sich gegenseitig köpften!" Andrew fiel es sichtlich schwer, über dieses Thema zu reden, weil er es mit eigenen Augen miterleben musste.

"Aber wieso sind dann alle Leute hier so gegen dich, wenn doch dein Vater dieses Biest bekämpft hat?"

"Ihrer Meinung nach, bekämpft sich das Böse immer selbst! Und ich bin ja sozusagen der Überrest des Bösen!" Mit betrübten Gesicht spielte er mit seinen Kreuzanhänger.

"Aber, wenn hier alle so gläubig sind, dann müssten sie dir doch verzeihen können! So was lehrt uns doch der Glaube!"

"Mit dieser Meinung wirst du hier etwas alleine stehen! Die denken alle das, was ihnen gerade so in den Kram passt!" Er blickte ihr noch mal ins Gesicht, wobei ihm diesmal erst richtig ihre eisblauen Augen auffielen, die ihm aber doch ein Gefühl von Wärme vermittelten.

"Dann sollten wir uns vielleicht doch mal diese Kirche ansehen!" Begeistert von ihrer Idee sprang Nadja von der Bank auf und zerrte ihn mit hoch.

"Was willst du dort?" "Wenn dann finden wir nur dort was! Mit diesen Leuten stimmt doch was nicht, wenn sie solche Ansichten haben, bzw. solche Menschen schätzen, die ihnen den Tod bringen! Du hast gesagt, sie würden alle diese Kirche besuchen. Also! Worauf warten wir noch?!" Ohne, dass Andrew noch irgendetwas sagen konnte, wurde er zur Kirche mitgeschleift.

Da es schon allmählich Abend wurde, zogen sich die Einwohner in ihre Häuser zurück, was eine ideale Gelegenheit für die beiden bot, sich unbemerkt in die Kirche zu schleichen. Der Eisengriff, der großen Eingangstür war kalt und Andrew hatte auch etwas Schwierigkeiten, sie zu öffnen. Aber schon nach wenigen Sekunden stand ihnen nichts mehr im Weg, dieses Gebäude zu betreten. Im inneren war es düster und eisig, weswegen Andrew zuerst den Schalter betätigte, welcher automatisch alle Fackeln, die an den Wänden angebracht waren, anzündete. Eine geniale Erfindung, wie er fand. Auf den ersten Blick schien alles ganz normal zu sein. Die Holzbankreihen, die zum Altar führten, die vielen Kerzen und Heiligenbilder, welche die kalten Steinwände zierten und natürlich auch das Jesuskreuz. Doch betrachtete man dieses Kreuz genauer, so erkannte man, dass da keine Holzfigur hing, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut, dessen sterbliche Überreste ans Kreuz genagelt wurden. Ungläubig schritten sie zum Altar vor, um sich die Sache aus der Nähe zu betrachten. Da der Körper des Mannes schon zu verwesen angefangen hatte und auch einen ekelhaften Aasgeruch im Gebäude verbreitete, musste er schon längere Zeit dort hängen. Die Augenlider waren weggeschnitten worden, sodass die verschleierten Augen zum Vorschein traten. Die Lippen waren ebenfalls abgetrennt und dann zugenäht worden. Mit einem spitzen Gegenstand wurden ins Fleisch des Toten Schriftzeichen eingeritzt und das am ganzen Körper. Schwarzes Blut klebte an den Tausenden von Wunden, die sich über eine Landschaft von toter, gräulicher Haut erstreckten. Rostige Nägel bohrten sich durch die Hand- und Fußgelenke. Um die Hüften herum schnürte sich ein Leinentuch tief ins Fleisch, das den Unterleib bedeckte. Über die Bauchdecke zog sich ein Schnitthalbkreis, dessen Hautlappen von einem kleinen Stück Faden am Körper gehalten wurde. Bei diesem Anblick stieg Ekel und Abscheu in ihnen hoch und ihre Gesichter färbten sich kreidebleich.

"Wer macht so was?" Nadja betrachtete sich die verstümmelte Leiche von oben bis unten, wodurch ihr speiübel wurde.

"Ich hab keine Ahnung!" Vorsichtig zog Andrew sein Taschenmesser aus seiner Hosentasche und näherte sich langsam der Leiche.. Mit zittrigen Fingern durchschnitt er den kleinen Faden, worauf die Bauchdecke nach unten klappte. Nadja wurde schwarz vor Augen und sie musste sich übergeben. Andrew hingegen erschrak so sehr, dass er nach hinten kippte und zu Boden fiel. Die Innereinen des Gekreuzigten waren entnommen worden und stattdessen war ein verwester Menschenkopf hineingelegt worden. Die Augen waren ausgestochen, seine Haare waren völlig durch das Blut verklebt und aus dem geöffneten Mund ragten kleine, weiße Maden heraus, die langsam aber sicher den Schädel auffraßen.

"... wer um alles in der Welt........... bringt........so was .. fertig?" Zitternd versuchte Andrew wieder auf seine Beine zu kommen, was ihm aber relativ schwer fiel, weil er kaum Kraft in ihnen spürte. Er schlich langsam auf Nadja zu, die mit den Nerven völlig am Ende war. So etwas hatte sie in ihrem ganzen Leben noch nie gesehen. So viel dunkelrotes, ja fast schon schwarzes Blut machte ihr Angst. Doch plötzlich ertönte das schallende Geräusch der Kirchturmglocken, deren sechs Schlage sich weit über die Stadt verbreiteten.

"Ich glaube, wir sollten besser gehen!" Andrew half ihr aufzustehen, wobei er nochmals die Leiche betrachtete. Er starrte ihr tief in die verschleierten Augen, die sich plötzlich bewegten und seinen Blick erwiderten. Andrews Atem stockte, aber sein Herz raste, als müsste es um sein Leben rennen. Langsam bewegte sich der Kopf der Leiche aus der geneigten Haltung in die Aufrechte. Nadja sah nun auch, was da vor sich ging und krallte sich deshalb fest an Andrew. Ein kalter Schauer überkam beide. Mit einem Schlag riss der Tote seinen Mund auf, wodurch die Fäden, die diesen zugehalten hatten, das Fleisch durchrissen. Man konnte deutlich eine schwarze Zunge sehen, die über das blutige, zahnlose Fleisch strich.

"Lass uns von hier abhauen!" Andrew packte ihre Hand und zog sie grob mit sich. Genau in diesem Moment, spie diese lebende Leiche einen warmen, breiten Strahl Blut auf die Zwei, der sie voll am Rücken traf. Durch die Wucht des Blutstrahls donnerten beide hart zu Boden. Andrew versuchte auf dem glitschigen Grund aufzustehen, was ihm aber nicht gelang. In der Hoffnung, dieses Monster sei verschwunden, drehte er sich um zu dem Kreuz. Aber was er sah, war nicht das, was er eigentlich gedacht hatte. Nun hing keine verstümmelte Leiche mehr am Kreuz, sondern eine ganz normale Jesusstatue, die ganz friedlich dort stand. Andrew traute seinen Augen nicht. Noch vor wenigen Sekunden war da ein Untoter, der es auf die beiden abgesehen hatte und jetzt war da nur noch eine simple Holzfigur.

"...aber du hast das... doch auch gesehen......was ich da ähm.. da..!" Stotterte Nadja, wobei sie angewidert das Blut von ihrem Mantel wischte.

".....ganz ruhig,...........dafür...gibt es ....bestimmt eine ...Erklärung. Aber zuerst... gehen wir mal hier raus..!" Etwas eilig zerrte Andrew Nadja aus der Kirche, wobei er im vorbeigehen die Fackeln löschte.

"Und wo wollen wir jetzt hin?" Nadjas Knie fühlten sich wie Pudding an und sie schwor sich so schnell keine Kirche mehr zu betreten.

"Wir gehen zu mir!" Andrew versuchte gerade das klebrige Blut aus seinen langen Haaren zu bekommen.

"Und wo wohnst du bitteschön?!"

"Über der Bibliothek hab ich ein paar Räume, die ich mein Eigen nennen darf!"

"Du wohnst neben dieser Kirche?!" Nadja war wenig begeistert von der Vorstellung, nur durch eine Mauer von diesem Gebäude getrennt zu sein.

"Du kannst auch gerne in der Kirche schlafen, wenn dir das lieber ist!" Langsam schritt Andrew auf die Bücherei zu, gefolgt von Nadja, die sich nun doch wohler bei dem Gedanken fühlte, durch eine Wand getrennt zu sein. Andrews Wohnung lag auf dem Dachboden der Bibliothek und bestand aus drei Zimmern. Ein Schlafzimmer,. Ein Badezimmer und eine kleine Küche. Während Nadja ein Bad nahm, um sich wieder einigermaßen zu entspannen, versuchte Andrew das Blut aus seinen und Nadjas Kleidung zu bekommen. Nebenbei entdeckte er auch noch Blutspritzer auf seinen Shorts, aber um nicht ganz nackt rumraufen zu müssen, ließ er die erst mal noch sein. Nachdem er die Sachen gereinigt hatte, musste er seine Haare wieder sauber bekommen, die noch immer völlig verklebt waren. Aber das Waschbecken in der Küche reichte dafür nicht aus und deswegen musste er wohl oder übel ins Bad, wo sich Nadja schon seit über einer Stunde aufhielt. Ohne anzuklopfen ging er einfach hinein, schnappte sich den Duschhahn für die Dusche, die neben der Badewanne stand, in der Nadja lag und fing an, seine Haare sauber zu spülen.

"Musst du jetzt reinkommen!!! Du siehst doch, dass ich mich noch bade!!" Nadja drehte sich eilig auf den Bauch, wobei sie ihn böse anstarrte.

"Ich bin nicht der Typ, der sich an badenden Weibern aufgeilt! Und außerdem weiß ich, wie eine Frau aussieht!" Andrew schaute dem rötlichen Wasser zu, wie es im Ausguss verschwand.

"Bist du schwul?" Nadja blickte ihn mit verwundetem Gesicht an.

"Keines von beiden! Ich bin weder schwul, noch finde ich Frauen sehr interessant! Und auf Tiere stehe ich auch nicht, falls dir das noch irgendwie in den Sinn kommen sollte!" gemütlich stellte Andrew das Wasser ab und fing an, seine Haare abzutrocknen.

"Du bist ein echt komischer Vogel, weißt du das?!"

"Jeder Mensch ist einzigartig!" Andrew schritt auf die Wanne zu und kniete sich davor, wobei er ihr Gesicht betrachtete.

"Ich geh noch mal runter in die Bibliothek! Wenn du was essen willst, in der Küche müsste noch was sein!" Er zog sich seine Sachen an und verschwand wieder in seiner Bücherwelt. Nadja wurde nicht schlau aus ihm. Andrew verbrachte anscheinend sein ganzes Leben zwischen diesen alten, verstaubten Bücher, die für ihn die Welt zu sein schienen. Nach einigen Minuten stieg Nadja wieder aus der Wanne und suchte ihre Kleider zusammen. Eigentlich wollte sie nicht neugierig sein, aber irgendwie interessierte sie es, wie er so lebte und was er so alles in seinen Schränken versteckte. Nachdem sie in der Küche, bis auf ein paar Gläser, Teller und ein bisschen etwas zu essen, nichts fand, wurde ihre Aufmerksamkeit auf den großen Schrank im Schlafzimmer geweckt. Es war ein alter Holzschrank, der mit einem kleinen Messingschlüssel verschlossen war. Langsam sperrte sie ihn auf und öffnete die Türen. Sie entdeckte, das die Regale herausgenommen worden waren, damit ein paar abgedeckte Bilder darin Platz fanden. Vorsichtig zog Nadja das Samttuch herunter und schaute sich die Gemälde an, die sie darunter fand.

" ...was.. ist.. das?" stammelte sie verwirrt, während sie eines herausnahm und genauer betrachtete. Auf dem weißen Papier war mit Blut ein Bild von einer hübschen Frau gemalt worden. Sie schaute sich nun auch die anderen an, auf denen immer die gleiche Frau gezeichnet worden war und jedes mal waren sie mit Blut angefertigt worden. Neben den Bildern fand sie ein paar blutverschmierte Messer und ein altes, an den Seiten schon leicht eingerissenes Photo. Mit zitternden Händen zog sie dieses Photo heraus und schaute es sich mitgroßen Augen an. Sie erkannte Andrew, der um die sieben Jahre alt war und glücklich in den Armen seiner Mutter lag. Es war die selbe Frau, die auch auf den Blutzeichnungen zu sehen war. Nadja verstand nicht ganz, warum er seine Mutter gezeichnet hatte und das auch noch mit seinem eigenen Blut, wie es aussah. Schließlich merkte sie, dass sie dieses Sachen eigentlich nicht sehen dürfte und legte deshalb alles schnell wieder auf seinen ursprünglichen Platz und verschloss den Schrank wieder. Nadja machte sich Sorgen um ihn, da ja irgendetwas nicht mit ihm stimmen konnte. Deswegen wollte sie nachsehen, was er gerade so machte und feststellen, ob es ihm gut im Moment ging. Leise schlich sie die Treppen zur Bibliothek herunter, damit er sie nicht hörte. Am Ende der Stufen blieb sie stehen und schaute ihm zu, wie er an seinem Schreibtisch saß. Nur ein kleiner Kerzenleuchter spendete ihm Licht in diesem dunklen Raum, während er etwas zu schreiben schien.

"Soll ich zu ihm oder soll ich nicht?" grübelte Nadja vor sich hin und entschied sich schließlich für letzteres. Wieder oben angekommen, atmete sie erst mal tief ein und versuchte alle Gedanken wieder zu ordnen, die ihr im Kopf umhergingen. So einen Tag hatte sie noch nie in ihrem Leben erlebt und musste sich jetzt erst davon erholen. Erschöpft ging sie zum Bett und legte sich darauf. Ohne es zu merken schlief sie bereits nach wenigen Sekunden tief und fest. Erst spät beendete Andrew seine Arbeit und wollte nur noch in sein gemütliches Bett. Er löschte gerade die Kerze, als er plötzlich einen Stechenden Schmerz am ganzen Rücken fühlte. Mit fest zugekniffenen Augen versuchte er den Schmerzensschrei zu unterdrücken, der ihn fast die Lunge zerfetzte. Seine Muskeln verkrampften sich, wodurch sein ganzer Körper von einer Welle von Schmerzen überflutet wurde, die ihn zu Boden sinken ließ. Nach einigen Sekunden der Starre schaffte er es seinen Rücken zu berühren, der zu pulsieren anfing. Eine warme Flüßligkeit rinnte zwischen seinen Fingern hindurch. Seine Augen verkleinerten sich schlagartig und wurden glasig. Drei breite Risse hatten seine Haut am Rücken zerfetzt und diese triefende Wunde brannte höllisch.

Was ist nur los mit dir?...

Zuckend öffnete Nadja langsam ihre Augen. Die Müdigkeit stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben, aber irgendein Geräusch hatte sie aus dem Schlaf gerissen und dem wollte sie nachgehen. Sie setzte ihre Füße auf den Holzboden, auf dem sich das kalte Mondlicht abbildete, das durch das Fenster strahlte. Das leise Knarren bei jedem Schritt nahm sie kaum zur Kenntnis. Zu groß war die Neugier. Zuerst schaute sie in der Küche nach. Leer. Blieb also nur noch das Badezimmer. Nadja verweilte einen kurzen Moment vor der geschlossenen Tür und lauschte. Sei glaubte ein leises Schluchzen wahrgenommen zu haben. Ihre zittrigen Finger umschlangen die Klinke, die sich quietschend Nadjas Bewegung hingab. Erstarrt blickten ihre Augen auf die Badewanne, die umgeben war von mindestens dreißig Kerzen. In der Wanne lag zusammengekauert in einem Gemisch aus Blut und Wasser Andrew. Sie entdeckte auch die Risse auf seinem Rücken, die aber stückchenweiße immer kleiner wurden.

"Gibt's den das?" Ihre Stimme zitterte, als sie zusah, wie die Wunde schließlich völlig verschwand. Ungläubig ging sie auf ihn zu und streckte ihre Hand nach ihm aus. Zögernd berührten ihre Fingerspitzen seine weiße, kalte Haut. Es fühlte sich an, als würde man lebenden Schnee berühren. Doch plötzlich schreckte er auf und starrte sie völlig entgeistert an. Seine Augen schienen nicht zu erkennen, wer da vor ihm stand. Es spiegelte sich Angst in ihnen wieder. Sein Atmen schien zu rasen, als er sie anschaute.

"Sag mal, was ist denn los mit dir?" Sanft strich sie über die blasse Haut seines Gesichtes. Er schien noch immer nicht zu begreifen, wer da vor ihm stand, bis er schließlich wieder zu sich kam.

"....Nadja...!?" huschte es heiser über seine Lippen.

"Komm erst mal aus der Wanne, bevor du dich noch erkältest!" Vorsichtig half sie dem nassen und nackten Körper von Andrew aus dem kalten rötlichen Wasser . Doch seine Beine waren zu schwach um seinen Körpergewicht standzuhalten und deshalb kippte er in ihre Arme, die ihn sicher auffingen. Nadja spürte nun die Kälte, die seinen Körper umgab am ganzen Leib und seine Haare rochen noch ein wenig nach Blut.

"Ich bring dich lieber mal ins Bett! Da kannst du dich in Ruhe aufwärmen!" Mühselig schleifte sie ihn zum Bett, legte ihn darauf und deckte ihn liebevoll zu. Andrew schleif, zu Nadjas Verwunderung, ziemlich schnell ein. Sie hatte irgendwie das Gefühl, dass ihn irgendetwas sehr erschrocken haben musste. Nach einigen Minuten des Grübelns legte sie sich auch zu ihm und suchte unter der Decke nach seiner Hand, die sie dann sanft streichelte. Er tat ihr Leid und sie würde ihm gerne helfen, wenn sie es könnte. Der Vollmond schien in dieser Nacht nicht vom schwarzen Himmel weichen zu wollen, als wolle er vor dem Tag schützen. Nadja träumte in dieser Nacht sehr schlecht. Immer wieder tauchte die Gestallt des Gekreuzigten vor ihr auf und Andrew Gesicht, als er sie so entgeistert angeschaut hatte.

Die warmen Sonnenstrahlen verteilten ihr Licht im ganzen Zimmer und weckten Nadja langsam auf. Sie brauchte einige Zeit, um zu begreifen, wo sie sich befand. Doch nachdem sie sich gestreckt hatte und langsam wieder munter wurde, wurde ihr alles wieder klar. Gemütlich warf sie einen Blick auf die andere Seite, des Bettes auf der Andrew geschlafen hatte, aber dieser war schon aufgestanden. Doch irgendetwas schien noch unter der Decke zu sein. Verwirrt zog sie eine Augenbraue hoch, wobei sie nach der Decke griff und sie wegzog. Ein kreischender Schrei schallte durch den Raum. Nadja war total verschreckt und wurde leichenblass, als sie einen abgehackten Kopf unter ihrer Decke fand. Es war der Kopf des Gekreuzigten, den sie am vorherigen Tag in der Kirche gesehen hatten. Das Bettlaken war blutgetränkt und auch an ihren Füßen klebte etwas von dem Blut. Völlig verängstigt sprang Nadja vom Bett und lief die Treppen zur Bibliothek hinunter, wo sie Andrew in die Arme fiel.

"Hey, was ist denn los?" fragte Andrew sie, dem es schon wieder gut ging. Fast schon zu gut.

"....oben im ...Bett....der Kopf...von gestern...!" schluchzte Nadja und krallte sich an Andrews Lederweste fest. Sofort stürmte er mit ihr an der Hand rauf in seine Wohnung. Kurz vor dem Bett entriss sich Nadja aus seinem Griff, um sich diesen Anblick ein zweites Mal zu ersparen. Sie schloss die Augen und machte sich Innerlich schon auf sein Entsetzen gefasst, doch sie hörte nichts. Ungläubig öffnete sie ihre Augen und schaute in sein verwundertes Gesicht.

"Da ist doch nichts!" Er zuckte mit den Achseln, während er die Decke anhob, um ihr zu zeigen, dass sich dort wirklich nichts befand.

"Aber....da.. war.. er ..doch ..gerade noch...!" Völlig entgeistert schleifte sie ihre Füße zum Bett, wo tatsächlich nichts mehr lag. Kein Kopf mehr aus dessen offenen Hals kaltes Blut zusammen mit gelblicher Gehirnmasse floss, keine verschleierten Augen, die sie durchdringend anstarrten und kein offener Mund mit dem losen, blutigen Zahnfleisch und der schwarzen Zunge, der drohte sie mit Blut zu bespeien. Das Laken war so rein und strahlend und es war nicht ein kleiner Blutfleck darauf zu sehen.

".... das... kann doch....nicht sein....!" Sie fiel vor dem Bett auf die Knie und fing schrecklich an zu weinen. So etwas hatte sie in ihrem ganzen Leben noch nie durchmachen müssen. Sie zweifelte an ihren Sinnen und ihren Vertrauen zu sich selbst.

" Hey, nicht weinen! Ich glaub dir doch. Wenn du das so sagst, wird das schon so gewesen sein!" Andrew beugte sich zu ihr, legte seine Hand auf ihre Schulter und versuchte sie zu trösten.

"Irgendwas stimmt doch hier nicht! Erst das mit der Kirche, dann du und jetzt das!" Ihre Stimme wurde zwar aggressiv, aber durch ihr Weinen klang sie eher jammernd.

"Mir war doch nur etwas übel. Mehr nicht. Ich hab halt etwas zu viel gearbeitet!"

"Lüg mich nicht an! Ich hab die Wunden gesehen und ich hab gesehen wie sie wieder verheilt sind. Du willst mir doch nicht ehrlich sagen, dass dir nur übel war?!" Kraftvoll schlug sie seine Hand von ihrer Schulter und verkroch sich in einem Eck des Zimmers.

"Das musst du geträumt haben! Ich wüsste doch dann auch was davon, wenn es so wäre!" Er ging auf sie zu, doch sie stieß ihn erneut von sich weg.

"Erzähl mir nichts!! Du malst ja auch Bilder von der Mutter und das mit deinem eigenen Blut!!!" fauchte Nadja böse, worauf Andrew fast einen Herzinfarkt bekam.

"Woher weißt du das?" Er packte sie grob an den Schultern und rüttelte sie, während er ihr finster in die Augen starrte.

"Fass mich nicht an!" Völlig außer sich trat Nadja ihn mit dem Fuß in den Magen und schnellte dann zum Schrank, in dem sie die Sachen gefunden hatte.

"Hier hast du sie alle!" Nadja schleuderte eines nach dem anderen quer durch das Zimmer, wobei sie keine Rücksicht auf sie nahm. Andrew stockte der Atmen, als er dabei zusehen musste.

"Was fällt dir ein, meine Privatsachen zu durchsuchen?" Wütend sprang Andrew vom Boden auf, ging auf sie zu, holte mit seiner Hand aus und verpasste ihr eine Ohrfeige, wie sie noch nie eine bekommen hatte, mitten ins Gesicht. Nadja brauchte ein paar Sekunden um zu begreifen, was gerade mit ihr passiert war, doch als sie den stechenden Schmerz in ihrer Wange fühlte merkte sie erst wieder, was passiert war.

"Nicht mit mir, Andrew!" In Nadjas Augen brannte eine Flamme der Wut, die sie auf ihn hatte. Andrew ging es da nicht anders. Er hasste sie für das, was sie getan hatte und hätte fast schon noch einmal zuschlagen können, wenn er sich nicht zusammengerissen hätte. Diese Bilder waren sein Heiligtum gewesen und er hätte sie nie freiwillig einen Menschen gezeigt, weil sie ihm dafür viel zu kostbar waren.

"Verblute doch, wenn du das nächste Mal wieder deine kranken Bilder malst!" knurrte sie ihn finster an und stürmte schließlich aus dem Zimmer die Treppen hinunter. Schlagartig bereute Andrew sein Verhalten wieder und rannte ihr hinterher.

"Warte doch! Es tut mir leid! Ich wollte dich wirklich nicht schlagen!" flehte er sie an, wobei er die Treppen so schnell hinterstolperte, dass er schon fast fiel und sich dabei wahrscheinlich noch das Genick gebrochen hätte, doch das war ihm alles in diesem Moment egal. Er wollte sie nicht verlieren, da sie der erste Mensch war, der ihm glaubte. Vertrauen, ein Gefühl, dass er schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gespürt hatte.

"Bitte, Nadja! Geh nicht!!" bettelte er sie an, aber Nadja ließ nicht mit sich reden. "Ich will nicht mehr! Ich hab die Schnauze voll von allem hier und besonders von dir!" Völlig außer sich knallte Nadja die Tür der Bibliothek zu, nachdem sie diese verlassen hatte. Dieses Knallen halte in Andrew Kopf immer wieder wie ein endloses Echo. Vor seinem Schreibtisch blieb er stehen. Seine schwarze Haarmähne hing ihm strähnig ins Gesicht, sein Herz klopfte in einem schrecklich hämmernden Takt in seiner Brust und in seinen Augen brannten Tränen, die er versuchte zurückzuhalten.

"Verdammt!" brüllte er und schlug zuerst mit seiner Faust auf den Tisch, bevor er sich den Stuhl schnappte und ihn zertrümmerte. Als nächstes musste der Schreibtisch daran glauben, den er mit aller Kraft umwarf. Durch den Lärm wurden Ratten aufgescheucht, die sich zwischen den Regalen eingenistet hatten. Genau in diesem Moment, als er eine von ihnen sah, zückte er seinen rasiermesserscharfen Brieföffner aus seiner Westentasche und schleuderte ihn genau auf dieses Tier. Volltreffer. Der Brieföffner durchbohrte den Schädel, wodurch die Augen weit herausquollen. Blut tropfte aus der aufgesprungenen Schädeldecke auf den kalten Boden. Am Ende mit seinen Nerven, raste er die Treppen hinauf in seine Wohnung, wo er sich ein leeres Blatt Papier schnappte, sich eines der Messer holte, die er im Schrank aufbewahrte und sich dann auf den Boden setzte. Vorsichtig setze er mit dem Messer an seinem rechten Zeigefinger an und schnitt seine Haut ein kleines Stück auf. Sofort strömte Blut aus der Wunde. Genau auf das hatte er gewartet und begann wieder ein bild seiner Mutter zu malen. Seine Augen waren weit aufgerissen und starrten permanent auf das Blatt. Er gab ihr ein strahlendes Lächeln und wunderschön funkelnde Augen, doch aus diesem leuchtenden Augen liefen bittere Tränen. Als er fertig war schrieb er noch einen Text darunter, der aber leicht verlief.

"Bitte komm zurück zu mir!" In seinem Kopf machte sich ein pochender Schmerz breit, sein Herz klopfte wie wahnsinnig und sein Atem raste durch seine Lunge, bis er schließlich ohnmächtig wurde und zu Boden kippte.

Alles nur ein böser Traum?...

Draußen bedeckten düstere Wolken den blauen Himmel und es begann wie aus Eimern zu regnen. Während ein greller Blitz vom Horizont schoss, zog ein lauter Donner über das Land. Nadja streifte verlassen durch Salem. Der Regen durchnässte sie, aber dies bekam sie gar nicht so recht mit, da sie völlig in Gedanken versunken war. Direkt abreisen wollte sie ja nun auch nicht, selbst, wenn sie es Andrew so gesagt hatte. Es geschah ja aus reiner Angst, die sich in Wut äußerte. Ihre Wange schmerzte noch immer sehr. Andrew konnte wirklich ordentlich zuschlagen. Dies hatte er zu genüge unter Beweiß gestellt.

"Na, junge Dame! Wohin des Weges?" riss sie eine freundliche, dunkle Stimme Nadja aus ihrer Gedankenwelt. Vor ihr stand ein älterer Herr und reichte ihr freundlich lächelnd seinen Schirm. Nadja brachte keinen Ton heraus, sondern versuchte nur die Tränen zu unterdrücken.

"Na, sie sind ja völlig durchnässt. Wie wäre es, wenn ich sie auf eine Tasse Tee einlade? Dann können sie sich auch gleich noch etwas aufwärmen!" Ein leichtes Nicken von Nadja genügte dem Herrn und er führte sie zu seinem Haus. Dort angekommen, holte er eine warme Decke, die er Nadja überreichte, die auf dem Sofa lag.

"Vielen Dank!" nuschelte sie, während sie sich in die Wolldecke eingrub.

"Wenn sie noch eine Tasse möchten, brauchen sie es nur zu sagen!" Mit einem freundlichen Lächeln auf dem Gesicht überreichte er ihr ihren Tee, der noch sehr heiß war.

"... ist schon OK! Machen sie sich wegen mir keine so großen Umstände!" Endlich huschte auch ein leicht freundlicher Ausdruck über ihr bleiches Gesicht.

"Sie waren gestern mit Andrew Johnes zusammen oder irre ich mich da?" Schnell schnappte er sich einen Stuhl und platzierte sich damit genau vor ihr.

"Ja, das schon, aber könnten wir vielleicht "du" zueinander sagen? Ist mir immer etwas lieber! Ich bin Nadja!" Sie streckte ihm die Hand entgegen, die er gerne annahm.

"Ich bin Bill. Bill McDree!" Einen kurzen Moment lang schauten sie sich freudig in die Augen, doch schon im nächsten musste Nadja niesen.

"Oh! Gesundheit!.... also woher kennst du ihn?" Fuhr Bill zu seiner ersten Frage zurück, die ihm wichtig zu sein schien.

"Nun ja, ich wurde zu ihm geschickt, als ich mehr über die Vergangenheit dieser Stadt erfahren wollte. So hab ich ihn kennen gelernt!" Nadja sah bei diesem Thema nicht sehr glücklich aus, da die ganzen Erinnerungen wieder in ihr hochkamen.

"Ich hoffe jeden Tag, dass er endlich anfängt, damit aufzuhören!" Auf Bills Gesicht machte sich ein betrübter Ausdruck breit, während er dieses in seinen großen Händen vergrub, die kleine Narben trugen, die er wohl vom Arbeiten auf dem Feld hatte.

"Wie lange kennst du ihn schon?" fragte Nadja ihn, nachdem sie kurz einen Schluck Tee genommen hatte.

"Seit er ein kleines Baby war! Ich hab sein ganzes Leben mitverfolgt und mir dabei immer gewünscht, mehr für ihn tun zu können!"

"Ich will nicht aufdringlich sein, aber mich würde interessieren, was du damit meinst!" Nadja wurde ganz hell hörig, als er sich dazu entschied, ihr Andrews Lebensgeschichte zu erzählen.

"An seine Mutter erinnere ich mich noch, als hätte ich sie gestern erst das letzte Mal gesehen. Ich mochte sie sehr gern, weil sie eine freundliche, lebensfreudige Frau war, für die Andrew die ganze Welt war. Andrew hatte seinen Vater zwar nie kennen gelernt, aber so lange er seine Mutter hatte, war er glücklich. Sie hat ihm alles beigebracht, was er wissen musste, hat ihm viel vorgelesen und sorgte immer dafür, dass es ihm gut ging, auch wenn es mal nicht so leicht war. Ich hab in meinem ganzen Leben noch nie so glückliche Menschen gesehen, die einfach mit dem, was sie hatten, zufrieden waren. Doch dann wurde seine Mutter eines Tages plötzlich sehr krank und kein Arzt weit und breit war in der Lage, ihr helfen zu können. In der Hoffnung, ihr würde es bald besser gehen, verbrachte Andrew den ganzen Tag neben ihren Bett und passte auf sie auf. Wenn ich ihn nicht ab und zu etwas mit nach draußen genommen hätte, wäre er wahrscheinlich auch noch krank geworden. Doch ihr ging es einfach nicht besser und weil sie sich nicht mehr zu helfen wusste, da ihre Schmerzen immer schlimmer wurden, hat sie Andrew gebeten, sie zu töten, damit ihr Leiden endlich ein Ende hätte. Andrew tat es, in dem Glauben, dass sie nach dem Tod weiterlebt, so wie sie es ihm immer gesagt hatte. Aber da hatte er sie wohl falsch verstanden. Als sie dann am nächsten Morgen immer noch nicht wieder bei ihm war, ist Andrew zu mir gerannt und hat mir alles unter Tränen gestanden. Der Kleine hatte ja noch keine Erfahrungen mit dem Tod und die, die er hinter sich hatte, waren die schlimmsten in seinem ganzen Leben. Ab diesen Tag redete er mit niemanden mehr und zog sich vollkommend zurück. Ich habe dafür gesorgt, dass ihm die Bibliothek überlassen wird, weil er Bücher ja so liebte und gleich seine Wohnung ja darüber war. Alle drei Tage bringe ich ihm etwas zu essen und zu trinken vorbei, weil er von selbst nicht in die Geschäfte geht, aus Angst sie würden ihn wegen seiner Vergangenheit irgendwie dumm anreden!" Bill stoppte hier. Er wirkte leicht traurig, da ihm Andrew immer sehr leid tat, weil auch niemand etwas mit ihm zu tun haben wollte.

"Jetzt hab ich aber noch eine Frage! Als ich am Anfang gesagt habe, dass ich zu ihm gegangen, um mehr über die Vergangenheit dieser Stadt zu erfahren, hast du gesagt, dass du hoffst, dass er bald damit aufhört! Das habe ich nicht ganz verstanden!" Nadja umklammerte die heiße Tasse mit ihren Fingern so fest, dass man glauben konnte, sie wollte sie zerdrücken.

"Er hat dir sicher erzählt, dass es eine Sekte hier geben haben soll und dass sein Vater damit etwa zu tun hatte usw. , oder?" Nadjas Nicken war für ihn Antwort genug, um zu wissen, was sie nicht verstand.

"Die Geschichte erzählt er immer, wenn man ihn nach seinem Vater fragt oder eben nach der Vergangenheit der Stadt... ich denke aber, dass er einfach nach dem Tod seiner Mutter unter schweren Albträumen litt und er einen davon vielleicht zu ernst genommen hat... als Kind kennt man ja den Unterschied zwischen Traum und Wirklichkeit nicht immer!" Nur so konnte sich Bill Andrews Verhalten erklären.

"Ihr habt euch gestritten, nicht wahr?" Bill sagte dies mit einer solchen Sicherheit, als wüsste er die Antwort schon. Nadja war es unangenehm darüber zu sprechen, aber irgendwie glaubte sie, Bill würde die Angelegenheit wohl eher verstehen und so gestand sie es ihm. Sie erzählte ihm alles, warum sie sich mit Andrew gestritten hatte und Bill schenkte ihr auch den erwarteten Glauben.

"Ich will dir jetzt nicht zu nahe treten oder deine Entscheidung zu gehen kritisieren, aber es wäre vielleicht besser gewesen, wenn du seine Entschuldigung angenommen hättest!" Ein ungutes Gefühl stieg in Bill auf, dass Nadja nicht so ganz verstand.

"Ich glaube, dass er es nicht mehr verkraftet alleine gelassen zu werden!" Er blickte ihr so tief in die Augen, als wollte er ihr mit ihnen zeigen, was er meinte.

"Du glaubst doch nicht etwa, dass er sich etwas antun könnte!" Erschrocken fuhr Nadja hoch und das unscheinbare nicken von Bill, ließ sie die Tasse zu Boden werfen und sofort nach draußen rennen.

"Hey Nadja , warte!" Eilig stürmte Bill ihr hinterher . Draußen regnete noch immer und es schien kein Ende nehmen zu wollen. Nadja kamen die weinigen Schritte zur Bücherei wie ein nie endender Pfad ins Nichts vor. Sie traute Andrew einfach alles zu in diesem Moment. Einem Menschen der keinen Ausweg und keinen Sinn mehr in seinem Leben sieht, würde einfach alles tun, um Erlösung von seinem Leid zu finden. Endlich erreichte sie die Tür zur Bibliothek. Hastig rüttelte sie an der Türklinke, doch sie ließ sich nicht öffnen. Zu ihrem Schreck musste sie feststellen, dass abgeschlossen war.

" Das gibt's doch nicht! Die war doch noch offen, als ich vorhin gegangen bin!" jammerte sie, während sie noch weiter an der Tür rüttelte, in der Hoffung, sie würde doch noch nachgeben.

"Er wird zugesperrt haben!" Bill erreichte außer Atem die völlig aufgelöste Nadja , die sich die Schuld dafür geben würde, wenn Andrew sich etwas antat. Nie könnte sie sich so etwas verzeihen.

"Normalerweise sperrt er nie ab!" Diese Worte waren für Nadja nun keineswegs das, was sie im Moment gebrauchen konnte, sondern vergrößerten ihre Angst um Andrew nur noch mehr. Doch da kam ihr eine Idee. Sie schnappte sich einen Stein, der durch den Regen ganz glitschig geworden war und schlug damit das nächste Fenster ein. Nachdem sie die Scheibe so bearbeitet hatte, dass sie ohne sich groß zu verletzten durch konnte, sprang sie hinein, gefolgt von Bill, der sich bei der ganzen Einsteigaktion etwas schwerer tat. Hastig stürmte sie die Treppen zu Andrews Wohnung hinauf und überflog dabei ein paar Stufen.

"Oh mein Gott!" Nadja traute ihren Augen nicht und wich einige Schritte zurück. Vor ihr sah sie Andrews zuckenden Körper, der am Boden in seinem eigenen Blut lag und in dessen Brust ein großes Küchenmesser steckte, dass sich tief in seinen Brustkorb gebohrt hatte. Mit zitternden Händen umschlag Andrew das blutverschmierte Messer und versuchte es noch ein Stück tiefer in seinen triefenden Körper zu rammen. Blut gurgelte aus seinem Mund und seine Augen blinzelten ein paar mal kraftlos.

"Hör auf damit!" schrie Nadja ihn an und ließ sich vor ihm auf den Boden fallen, um ihn daran zu hindern, sich die scharfe Klinge noch weiter in seinen pochenden Leid zu drücken.

"Lass... mich... !.. Geh weg!.. Sonst heilt die Wunde.. nur wieder..!" Er hatte die Klinge schon viel zu tief in seinem Körper stecken und das Blut das aus seinem Körper triefte, schien kein Ende nehmen zu wollen. Wenn nicht bald etwas geschehen würde, dann würde Andrew es mit Sicherheit nicht überleben. Soviel stand für Nadja fest.

"Spinnst du denn jetzt total!" fauchte sie ihn wütend und verzweifelt an und versuchte seine Hände von dem Griff wegzureissen, damit sie es endlich herausziehen konnte. Nun kam auch Bill in den Raum, der wegen der Sache mit dem Einstieg durchs Fenster noch etwas Luft zu brauchen schien.

"Du musst mir helfen, er will das Messer nicht loslassen!" Nadja konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten, die über ihre Wangen rollten. Sie hatte nie gewollt das es soweit kommt und wenn sie die Möglichkeit gehabt hätte, würde sie alles tun, um noch mal die Zeit zurückdrehen zu können. Doch diese Möglichkeit war ihr nicht gegeben und so musste sie alles tun, was in ihrer Macht stand, um Andrew zu helfen. Schnell und kraftvoll packte Bill Andrews Arme und zog sie zu sich, damit Nadja nun ungehindert das Messer aus der triefenden, heißen Wunde ziehen konnte. Ein schmerzliches Stöhnen drang über Andrews Lippen, als sie langsam die Klinge entfernte, die sich förmlich in sein Fleisch gebrannt hatte. Nach ihr endlos vorkommenden Sekunden hatte sie es endlich geschafft, die blutige Klinge aus seinem Leib zu entfernen und legte sie erst mal bei Seite. Über seine Lippen tropfte noch immer viel Blut und er blickte Nadja noch kurz in die Augen bevor die Schmerzen zu stark für ihn wurden und er das Bewusstsein verlor. Vorsichtig ließ Bill Andrews Arme los und ging mit Nadja ein paar Schritte zurück. Nadja zitterte am ganzen Leib. Sie wusste nicht recht, was sie nun tun sollte und hoffte nun einfach darauf, dass sich seine Wunde wieder von selber schloss, so wie sie es in der vergangenen Nacht schon beobachtet hatte. Plötzlich strahlte ein helles Licht aus Andrews Körper, dass ihm wie eine schützende Hand umschlang. Langsam begann sich das Loch in seinem Brustkorb wieder zu schließen und das Blut, das den Boden tränkte, floss in seinem Körper zurück. Nachdem alles wieder verheilt war, verschwand das Licht genauso geheimnisvoll, wie es erstrahlt war. Ein paar kleine, weiße, glitzernde Federn schwebten wie aus dem Nichts gekommen sanft auf dem Boden und auf Andrew. Bill und Nadja waren sehr erstaunt über das, was sie da gerade gesehen hatten und insgeheim dachten beide bei sich, dass Andrew wohl ein himmlisches Schutzschild in sich trug, dass ihn beschützte. Es dauerte auch nicht lange, bis Andrew langsam wieder zu sich kam und erschöpft seine Augen öffnete. Sein Kopf dröhnte und schmerzte etwas und auch sein Gleichgewicht schien er nicht gleich wieder zu finden.

"Alles wieder okay?" Vorsichtig schritt Nadja auf ihn zu, als er sich mit etwas Mühe auf das Bett gesetzt hatte und versuchte sich wieder zu sammeln. Im ersten Augenblick schien er sie nicht zu registrieren und hielt sich seinen Kopf. Zögerlich suchten seine Augen schließlich den Raum ab, bis sie auf Nadja trafen, die er wieder so unverwandt anblickte, bis er sich wieder erinnerte.

"Ich dachte, du wolltest abreisen!" Seine Stimme klang belegt und er wandte den blick wieder ab von ihr, da er es nicht ertrug ihr in die Augen zu sehen. Nadja atmete tief ein.

"..das war nicht so gemeint!" Leicht betrübt kniete sie sich vor ihm hin. "Ich hab so was einfach noch nicht erlebt. Meine Nerven sind da ein bisschen mit mir durchgegangen... es tut mir leid!" Sie wandte ihren Blick auf den Boden.

"Ich wollte deine Privatsachen nicht durchsuchen. Ist dumm gelaufen... Kannst du mir da vielleicht noch mal verzeihen?" Mit zitternden Fingern wischte sie sich die Tränen aus den angeschwollenen Augen.

"Ist schon okay!" Erbeugte sich zu ihr vor und nahm sie in seine Arme.

"Na ja, ich denke ich werde dann wohl besser mal wieder gehen!" verabschiedete Bills ich von ihnen und verschwand durch die Tür, wobei ihm Andrew leicht lächelnd hinter blickte. Doch dann wurde Andrew kurz schwarz vor den Augen. Er noch etwas zu schwach und brauchte noch Ruhe.

"Weißt du was, du legst dich jetzt schön in dein Bett und ich koch dir was, damit du wieder zu Kräften kommst!" Nadja half ihm, dass er sich richtig in sein Bett legen konnte und deckte ihn zu, bevor sie in die Küche gehen wollte. Die Suppe half Andrew sich wieder etwas besser zu fühlen.

"Ich will jetzt mal nicht neugierig sein, aber weißt du warum du dich anscheinend selbst heilen kannst?" fragte Nadja leise, nachdem sie den leeren Teller zur Seite gestellt hatte.

"Ich weiß es schon seit meiner Kindheit, dass ich es kann, aber woher es eigentlich kommt, weiß ich auch nicht. Bemerkt habe ich es das erste Mal, als ich eine Vase von meiner Mutter kaputt gemacht habe. Dabei schnitt ich mich an den Scherben, aber die Wunde heilte sofort wieder!" Andrew war irgendwie froh, es jemanden mal erzählen zu können.

"Deine Mutter liebte Bücher, nicht wahr?" fragte Nadja ihn, worauf er zu lächeln anfing.

"Ja, sehr. Sie hat immer gesagt, dass jedes Buch seine eigene Seele hat. Das hat mich ziemlich fasziniert!" In seinen Augen konnte man ein kleines Funkeln erkennen.

"Welches Buch hat dir am meisten gefallen?" Andrew überlegt einen Augenblick lang. "Wenn die Liebe den Tod umarmt! Dieses Buch hab ich schon als Kind geliebt und es bestimmt schon etliche Male durchgelesen!" Sie redeten noch lange über Bücher und deren Geheimnisse, bis Andrew vorschlug die Bücherei doch etwas zu durchstöbern. Doch als sie die Treppen hinuntergegangen waren, entdeckte Andrew das zerbrochene Fenster und warf Nadja einen verräterischen Blick zu, die leicht verlegen wurde.

"Das war schon so, als ich herkam!" Errötet drehte sie den Kopf zur Seite. "So ganz zufällig schlägt jemand grundlos eine Scheibe hier ein?!"

"Ja, so was kommt ja nicht selten vor, das Sachen grundlos beschädigt werden!" redete sich Nadja raus.

"Aber das du was tun würdest, hätte ich nicht gedacht!" Andrew klopfte ihr auf die Schulter und lächelte sie an.

"Schon okay. Ich muss es nur abdecken, damit es nicht hereinregnete!" Er schritt langsam zu dem offenen Fenster und überblickte den Scherbenhaufen am Boden. Schließlich durchstöberten sie die alten Bücherregale, die weit hinten in der großen Halle standen.

"Wie alt sind diese Bücher eigentlich?" erstaunt überblickte Nadja die überwältigende Auswahl. "Manche sind Hunderte von Jahren alt!" Während Andrew sich einem anderen Regal widmete, entdeckte Nadja ein Buch über Salem. Neugierig schnappte sie sich das buch und blätterte etwas darin herum. Doch sie fand weder etwas von einer Sektengemeinschaft namens "Black Brothers" noch von einer Zerstörung der Stadt. Also musste es stimmen, was Bill ihr gesagt hatte. Schnell steckte sie das Buch zurück und suchte Andrew auf, der sich ein anderes Buch gekrallt hatte und darin lass. Wissbegierig schaute sie ihm über die Schulter.

"Was ließt du da?" Diese Frage riss Andrew aus seiner Gedankenwelt und ließ ihn zusammenzucken. "Die Himmelstür zur Hölle! Es geht um einen Krieg zwischen Himmel und Hölle!" Er klappte das Buch zu und wollte es zurückstellen, doch da wurde es ihm von Nadja aus der Hand gerissen. "Erzähl mal mehr!" Nadja zerrte Andrew zu den Tischen im vorderen Bereich der Halle und setzte sich dort mit ihm hin.

"Also im Großen und Ganzen geht es um einen Engel, der sich in einen Dämonen verliebt. Da sie sich nicht voneinander trennen konnten, trafen sie sich abwechselnd im Himmelsbereich und in den Schluchten der Hölle. Als dies herauskam gab es Krieg zwischen diesen beiden Mächten. Ein furchtbarer Krieg, der viele Opfer forderte. Aber wie das Buch ausgeht, kannst du selber nachlesen!" Er zwinkerte ihr zu und stand von seinem Stuhl auf. Langsam schritt er zum Fenster und ließ seinen Blick hinausschweifen.

"Hey die Sonne scheint ja wieder !" Nadja war ihm gefolgt und freute sich, die warmen Sonnenstrahlen zu sehen, die alles gleich wieder freundlicher erscheinen ließen. "Wie lange möchtest du eigentlich noch bleiben?" fragte Andrew sie, ohne sie aber dabei anzusehen.

"Willst mich wohl doch loshaben?" Nadjas Miene verzog sich leicht.

"Nein, würde mich ehrlich freuen, wenn du länger bleiben würdest, als du eigentlich vorhattest!" Er lächelte sie sanft an, worauf sie ihm sich voller Freude um den Hals warf.

Sag lebe wohl...

Von dem Tag an verstanden sich die beiden ausgezeichnet. Andrew zeigte ihr nicht nur seine wunderbare Welt der Bücher, sondern auch die Natur rundum Salem. So vergingen vier Wochen in denen sie sich näher kennen lernten. Schließlich zeigte Andrew ihr auch die Stellen, an denen er viel Zeit mit seiner Mutter verbracht hatte. Er führte sie durch den dichten Wald hindurch zu einer kleinen Höhle, die einige Meter unter die Erde ging. Vorsichtig entfachte er eine kleine Fackel und brachte Nadja ins Innere der Höhle. Es war relativ eng und um sich nicht zu verbrennen, befestigte Andrew die lodernde Fackel an der kalten, kargen Felswand.

"Und hier hast du echt viel Zeit mit deiner Mutter verbracht?" Langsam setzte sich Nadja auf den Boden, wobei sie sich umblickte.

"Ja. Sie hat immer gesagt, hier in dieser Höhle wäre soviel Ruhe und Energie, wie man sie kaum wo anders finden kann!" Er legte sich neben sie und blickte an die Decke.

"Wenn du ganz genau nach oben schaust, kannst du ein leichtes Glitzern sehen!" Andrew deutete mit seinen Finger nach oben, worauf sich Nadja neben ihn auf den Boden legte.

"Ein glitzern wie ein Sternenhimmel!" Ihre Augen finden zu funkeln an.

"Nein, es ist noch viel schöner!" Er fand keine Worte, um diese Schönheit zu beschreiben, die in allen Farben über ihnen glitzerte.

"So schön wie das Lächeln eines Engels!" kam es leise über Nadjas Lippen. Erstaunt blickte er ihr in die Augen.

"Was schaust du so?" Doch ohne Antwort zu bekommen, beugte er sich über sie und küsste sie sanft auf ihre Lippen. Zwar war Nadja leicht verwundert, aber sie hatte nichts dagegen und erwiderte seine Küsse, die immer leidenschaftlicher wurden. Langsam wanderten seine Lippen ihren Hals hinunter, während seine Hände über ihren Körper streiften und sie plötzlich ziemlich fest packten. Nadja versuchte seinen Griff etwas zu lockern, doch stattdessen hielt er sie noch mehr fest.

"Andrew! Lass bitte los!" flehte Nadja ihn an, aber er wurde noch besitzergreifender und hielt ihre Arme fest, die ihn wegzustoßen versuchten. Er stülpte ihren schwarzen Ledermantel über ihre Schultern, aber nicht ganz, sodass sie ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt war. Nadja bekam Angst vor Andrew, da er einfach nicht mehr auf sie zu hören schien.

"Es geht nun zu weit! Hör auf bitte!" Jegliche Versuche ihn von sich herunterzubekommen scheiterten. Begierig riss er ihre schwarze Bluse auf und betrachtete sich ihre weißen Brüste, die er küsste. Doch plötzlich hielt er inne, bevor er entgeistert von ihr abließ. Sein Gesicht war kreidebleich und er fing zu zittern an.

"Das wollte ich nicht!... wirklich...!" stotterte er und setzte sich an die Wand und legte seine Hände auf sein Gesicht. Nadja richtete sich erst mal auf und knöpfte ihre Bluse hastig zu. Sie war völlig durcheinander und wusste nicht, was sie nun sagen oder tun sollte.

"Ich wollte es nicht!" Verwirrt sprang er auf und stürmte aus der Höhle. In diesem Moment machte sie sich auch schon wieder Sorgen um Andrew und entschloss ihm zu folgen, um mit ihm in Ruhe über das Ganze zu reden. Hastig suchte sie sich ihren Weg wieder aus der dunklen Höhle hinaus. Doch plötzlich hörte sie Schmerzensschreie, die von draußen an ihr Ohr drangen und sie leicht einschüchterten. Sie vernahm Andrews Stimme, der von einer rauen Männerstimme angebrüllt zu werden schien. Nachdem sie es endlich geschafft hatte zum Ausgang zu kommen und ihre Augen sich wieder an das helle Licht gewöhnt hatten, erkannte sie, dass Andrew von einem muskulösen Typen brutal mit einer Stahlstange verprügelt wurde. Blut floss aus einer triefenden Platzwunde am Kopf über sein Gesicht und so wie es aussah hatte er auch innerliche Verletzungen, die ihm zu schaffen machten und ihm schwer atmen ließen. Er lag keuchend auf dem Rücken und versuchte die quälenden Schmerzensschreie zu unterdrücken, die ihm im Hals steckten. Doch da sauste die Stange erneut auf Andrew nieder und zertrümmerte einige seiner Rippen, die man deutlich knacksen hörte.

"Was erlauben Sie sich eigentlich? Lassen Sie ihn sofort in Ruhe!" Wütend stieß Nadja den Typen zur Seite und kniete sich zu Andrew hinunter, um nach ihm zu sehen.

"Du hilfst diesem perversen Schwein auch noch?! Ihr Weiber spinnt doch!" fauchte er sie an.

"Was soll das heißen?!"

"Dieser elende Kinder - Ficker vergreift sich ja nun auch noch an jungen Frauen und dafür muss er nun bezahlen!" Er packte Nadja grob an den Schultern und drückte sie weg von Andrew, dessen Wunden nicht heilen wollten, was Nadja nicht verstand.

"Erst sagen sie mir mal, was das Kinder - Ficker heißen soll?" Um den Mann daran zu hindern, weiter auf Andrew einzuschlagen beugte sie sich schützend über ihn.

"Dieser Mistkerl hat sich meine Tochter gekrallt, aber ich musste ihn wegen fehlenden Beweisen in Ruhe lassen. Doch jetzt hab ich euch zwei gesehen und das ist mir Beweiß genug, um ihn endlich fertig zu machen!" Noch bevor Nadja etwas sagen konnte, donnerte der Kerl seine Stahlstange auf Andrews Schienbein, dass dadurch splitterte. Ein schmerzlicher Schrei drang laut über seine Lippen, während seine Finger sich in die Erde krallten. Höllische Schmerzen durchzuckten seinen ganzen Körper und lähmten ihn. Andrew fand nicht die Kraft noch einen klaren Gedanken zu fassen. Diese Flut von Qualen setzten einen Verstand außer Kraft.

"Es reicht!!" Nadja versuchte ihn erneut von sich weg zu drücken, aber er war stärker. Er zerrte Andrew an den Haaren auf die Beine, auf denen er von selber kaum noch stehen konnte und donnerte die Stahlstange gegen Andrews Wirbelsäule. Ein lautes Knacksen dran an Nadjas Ohren während sie zusehen musste, wie Andrew mit weit aufgerissenen Augen zu Boden sackte und dort leblos liegen blieb. Endlich ließ der Kerl von Andrew ab und verschwand schnell im Wald, bevor ihn noch irgendjemand dabei sah. Zögerlich und völlig verängstigt schritt Nadja auf ihn zu.

"Warum heilst du dich nicht?" Sie verstand nicht, warum es die Male davor ging und nun nicht mehr.

"Bitte, ... wach auf!" Langsam sackte sie vor ihm auf die Knie und nahm seinen Oberkörper in den Arm. Sie spürte das Blut, das an seinem Körper klebte. Vorsichtig streich sie seine blutverklebten Haare nach hinten und versuchte an seinem Hals seinen Pulsschlag zu fühlen, doch sie spürte nichts. Nicht ein Atemzug drang über seine Lippen. Nadja glaubte es nicht. Er konnte doch nicht einfach tot sein. Tränen liefen ihr Gesicht hinunter und tropften auf Andrews verschmiertes Gesicht. Ein schluckaufähnliches Schlurchzen unterbrach ihren Atem, der sehr unruhig war. Doch plötzlich zog ein dichter, kalter Nebel auf und eine Totenstille verbreitete sich gespenstisch im Wald. Nervös wanderten Nadjas verweinte Augen von einer Seite zur anderen, doch sie konnte nichts entdecken. Ein kalter Schauer fuhr ihr über den Rücken und ließ ihre Nackenhaare sich aufstellen. Ängstlich umklammerte sie Andrews leblosen Körper, als könnte er sie noch vor irgendetwas beschützen. Doch da bildete der Nebel eine art Allee, um anscheinend jemanden einen Durchgang zu bieten. Schwarze Krähen krächzten von dem Wipfeln der Bäume ihr Todeslied, wobei sie immer wieder ihre Flügel bedrohlich ausbreiteten. Und schließlich erschien eine Person wie aus dem Nichts und folgte dem Weg, den der Nebel ihm offenbarte. Panik überkam Nadja. Deshalb versuchte sie nach hinten auszuweichen, wobei sie Andrew mitzerrte.

"Bleib sofort stehen oder du könntest es bereuen!" gröllte eine tiefe, dunkle Stimme, die von der großen Gestalt herkam. Als er nur noch wenige Schritte von ihr weg war, konnte sie endlich sein Gesicht erkennen. Zu ihrem Entsetzten hatte er das gleiche Gesicht wie Andrew, nur das seines finsterer wirkte. Dämonische Augen funkelten ihr entgegen und seine langen, pechschwarzen Haare, flatterten im leichten Wind, der aufkam. Schwarze Lederstiefeln erstreckten sich bis zu den Knien und wurden dort von einer dunklen Lederhose abgelöst, die von einem Gürtel mit einem Totenkopf als Schnalle gehalten wurde. Ein schwarzes, eng anliegendes Hemd bedeckte seinen Oberkörper.

"Wer um Gotteswillen sind Sie?" stotterte Nadja, wobei ihre Augen nicht eine Sekunde lang von seinem Gesicht wichen.

"Ich gebe keinen armseligen Wurm meinen Namen preis! Aber du wirst jetzt endlich Andrew in Frieden lassen und ihn mir übergeben!" knurrte er finster und betrachte sie abwärtig von oben bis unten.

"Einen scheiß werde..!"

"Schnauze!" unterbrach er sie lautstark.

"Du elendes Miststück sollst deine Finger von ihm lassen!" Er starrte sie durchdringend an, worauf sie plötzlich von einer Druckwelle nach hinten gedrückt wurde. Dann benutzte er seine psychischen Kräfte und hob Andrews Körper von Boden auf und ließ ihn zu sich gleiten.

"Sag Lebe wohl!" Es wird das letzte Mal gewesen sein, dass du ihn im Arm gehalten hast!" murrte er düster und ging mit Andrew in den Armen den Weg im Nebel zurück, wo sie dann verschwanden. Nadja war völlig aufgelöst und neben der Kante. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Sie bekam nicht mal mehr mit, dass sich der Nebel wieder auflöste vom strahlenden Sonnenschein abgelöst wurde, der wieder das Land erwärmte.

Neues Leben durch den Tod...

Die Person hatte Andrew in eine Welt geschleppt, die er bis jetzt nur immer aus seinen Büchern kannte. Eine Welt deren Existenz die einen fürchten und die anderen verneinten. In die tiefen Schluchten der Unterwelt. Er hing ihn an ein riesiges Holzkreuz. An den Händen und Füßen und auch am Hals war er mit massiven Stahlketten an dem Kreuz festgekettet worden. Das Blut, das seinen ganzen Körper bedeckte trocknete langsam.

"So, es wird Zeit, dass ich dich wieder erwecke!" murmelte er leise und legte seinen Zeigefinger mit dem schwarzen Fingernagel auf Andrews Stirn. Ein helles Licht strahlte aus seinem Finger und zeichnete das ägyptische Symbol für das Leben ab. Es dauerte einen Moment bis er plötzlich aufschreckte und versuchte zu atmen, was er aber nicht schaffte. Er hatte es verlernt. Deshalb half er Andrew, in dem er ihm leise zuredete wann er ein- und ausatmen sollte. Andrew brauchte eine Zeit lang bis er sich daran gewöhnt hatte und seinen Rhythmus fand.

"Sehr gut. Den ersten Teil hast du gut überstanden!" lobte er ihn, wobei er ihn mit seinem Mittelfinger, an er einen Gelenkring trug, der den ganzen Finger umschlang und am vorderen Ende mit einer Kralle aus Silber endete, über die Wange strich.

"Wer bist du?" flüsterte Andrew heiser, da er noch kaum Kraft in seiner Stimme hatte.

"Nun, eines Tages musstest du ja endlich mal die Wahrheit erfahren. Mein Name ist Hades und ich bin dein Vater!" Hades dämonisches Grinsen verwandelte sch schnell in ein gelles Lachen, welches laut in dem großen Gewölbe wiederhallte. Andrews Augen verkleinerten sich und sein Gesicht wurde kreidebleich. Das konnte nicht wahr sein. Dieser Dämon sollte wirklich sein Vater sein?! Er konnte es beim Besten Willen nicht glauben.

"Das stimmt nicht! Du lügst!! Mein Vater ist tot ! " brüllte Andrew mit aller Kraft, die er noch in sich spürte. Das Lachen wandelte sich wieder in ein Grinsen, das aber schnell zu einer bösen Miene umschlug. Noch bevor Andrew etwas sagen konnte, donnerte Hades seine Faust in Andrews Gesicht. In diesem Moment hatte er das Gefühl sein Kiefer würde zertrümmert werden.

"Behaupte so etwas nie wieder!" knurrte Hades böse, während Andrew angewidert das Blut schluckte, das sich in seinem Mund sammelte.

"Aber es stimmt doch!" winselte er elendig. Da wurde Hades noch wütender. Ein gefährliches Feuer entfachte in seinen Augen auf, als er Andrew kraftvoll am Kinn packte.

"Deine werte Mutter scheint dir ja schöne Geschichten erzählt zu haben!" Sein stechender Blick bohrte sich tief in seine Seele.

"Was soll das... heißen?"

"Deine Mutter hat dich im Stich gelassen! Sie wollte dich nicht haben. Sie hat dich nie geliebt!"

"Du lügst!!"

"Warum sollte ich?! Du warst ihr nicht gut genug. Klar, dass hat sie dir nie gesagt, aber warum wollte sie dann, dass du sie umbringst? Ohne dir vorher zu sagen, dass sie nie mehr zurück kommt. Alleine hat sie dich gelassen. Alleine, verlassen und ohne irgendeine Hoffung auf ein besseres Leben!" Hades ließ ihn los und wartete ab, was seine Worte bewirkten.

"Und du? Warum hast du dich nie bei mir blicken lassen?" So langsam fing Andrew an, ihm innerlich zumindest ein bisschen Glauben zu schenken.

"Ich wusste zuerst nichts von dir. Nur durch Zufall hab ich das alles herausgefunden. Doch da ich wegen dem Vertragsbruch, den ich mit deiner Mutter begannen habe, nicht mehr auf die Erde durfte, war es mir nur möglich über einige, kleine Tricks zu sehen, wie es dir geht. Erst vor Kurzem wurde mein Verbot aufgehoben und da hab ich dich geholt, damit du nicht mehr alleine dort leben musst!" Hades schritt auf seinen Sohn zu und fuhr ihm liebevoll über sein blasses Gesicht.

"Aber warum hat mich meine Mutter dann die ganze Zeit belogen. Ich verstehe das nicht!" Andrews Augen wurden glasig, doch er wollte nun nicht weinen.

"Engel sind nicht so nett wie du denkst. Sie können genauso skrupellos sein wie wir Dämonen. Wenn dem anders wäre, warum sind sie vor langer Zeit dann in den Krieg gegen uns gezogen und haben eifrig mitgekämpft?"

"Warte mal! Hast du gerade Engel gesagt?!" Andrew traute seinen Ohren nicht.

"Ja, deine Mutter war ein Engel! Das hat sie dir nie gesagt?" verwundert blickte er in Andrews glasige Augen, die ihm zeigten, dass er von der ganzen Angelegenheit nichts wusste.

"Siehst du, wieder ein Beweis dafür, dass sie dich nicht geliebt haben kann. Denn hätte sie so viel vertrauen zu dir, wie sie es dir immer gesagt hatte, dann hätte es keinen Grund gegeben, es dir nicht zu sagen. Ich weiß nicht, ob du schon soweit bist, aber wenn du willst, kannst du mir vertrauen!" Vorsichtig öffnete Hades die Stahlketten von seinem Armen, Hals und den Füßen und ließ ihn vor der eigenen Entscheidung stehen, bei seinem Vater zu bleiben oder wieder in die kalte, grausame Menschenwelt zurück zu kehren, wo er nur alleine war. Ahnungslos stand Andrew da. Sein Körper zitterte und ihm war kalt. Hades breitete seine Arme aus, um ihn herzlich zu empfangen. Nach kurzem Zögern warf Andrew sich in seine Arme und krallte sich an seinem warmen Körper fest. Mit einem leichten Lächeln schloss Hades seine Arme um seinen Sohn. "Mach dir keine Sorgen. Bei mir bist du in Sicherheit!" Seine Stimme beruhigte Andrew, der zu weinen anfing.

".. danke..!" schluchzte er jämmerlich. "..hast du das Kreuz noch, dass dir deine Mutter gegeben hatte?" flüsterte Hades ihm leise ins Ohr, worauf Andrew verwundert die Kette unter seinem Hemd hervorzog. Das Kreuz hatte einen kleinen Spalt.

"Dieses Kreuz hat deine Wunden immer geheilt. Der Spalt darin hat diese Kraft jedoch erlöschen lassen, aber du brauchst es nun eh nicht mehr!" Ein kraftvoller Ruck genügte , um die Kette zum reissen zu bringen.

"..aber!" Mit leicht irritierten Blick versuchte Andrew noch nach der Kette zu greifen, aber sein Vater hielt sie zu weit weg von ihm.

"Diese Kette hat dir geholfen deine schmerzlich zugefügten Wunden zu heilen, aber ich werde dir helfen, nie wieder Schmerz zu fühlen!" flüsterte er ihm ins Ohr, wobei er ihm aus dem dunklen Gewölbe, das mit Fackeln beleuchtet wurde, führte. Nachdem Hades die große Holztür geöffnet hatte, traf es Andrew wie ein Schlag. Vor ihm erstreckte sich ein blutroter Horizont und eine weite Steppe, auf der gigantische Steinskulpturen standen. Einige sahen aus, wie Drachen und andere, wie Wächter aus vergangenen Zeiten. Andrews Augen ergötzen sich an diesem Anblick, von dem er nicht mal zu Träumen gewagt hätte. All die Bücher, die er darüber gelesen hatte und all die Worte die er über diesen Ort vernommen hatte, kamen nicht annähernd an das heran, was sich nun vor ihm erstreckte.

"Ich werde schon dafür Sorgen, dass du dich hier nicht verirrst, denn das kann schnell dein Todesurteil bedeuten!" Hades legte stolz seine Hand auf Andrews Schulter, worauf dieser erschrocken zusammenzuckte.

"Und nun zeige ich dir mal dein neues Heim!" Hades pfiff einmal laut in die karge Gegend und kurz darauf ertönte über ihren Köpfen ein markerschütternder Schrei. Riesige Schwingen warfen einen dunklen Schatten auf die beiden und ein großer schwarz geschuppter Drache, aus dessen Körper zwei Köpfe ragten, landete langsam vor ihnen auf dem Boden, wobei er viel Staub und Sand aufwirbelte. Aus seinen Nasenlöchern schnaufte er laut ein und aus und nachdem er mit seinen vier mit spitzen Krallen bestückten Füßen fest auf dem Grund stand, schrie er noch einmal auf. Andrew traute sich nicht mehr sich zu bewegen und starrte nur wie gebannt auf dieses riesige Echsentier.

"Er wird dir schon nichts tun!" Hades drückte seine Hand auf Andrews Rücken, um ihn nach vorne zu bewegen, was er aber nur sehr langsam tat. Er hatte Angst, dass ihn dieses Tier beissen oder gar andere schlimme Dinge mit ihm machen würde. Hades kletterte über die muskulösen Vorderbeine des Drachens auf den Sattel, der am Rücken der Bestie befestigt war und streckte Andrew seine Hand aus, um ihn beim Aufstieg zu helfen. Andrew schaute sich noch einmal den Drachen in seinem ganzen Ausmaß an, bevor er zögerlich die Hand seinen Vaters entgegen nahm und vorsichtig auch aufstieg. Schwerfällig fing der Drache an zu laufen, bevor er seine Flügel ausbreitete und in sich in die Lüfte erhob.

Das Himmelsfeuer...

Derweilen versuchte Nadja ins Dorf zurückkehren, doch sie war zu schwach und zu durcheinander. Tränen brannten in ihren angeschwollenen Augen und ihre wackligen Beine konnten kaum ihren Körpergewicht standhalten. Taumelnd schwankte sie von Baum zu Baum und versuchte sich an den Ästen um am Stamm festzuhalten. Weiter hinten am Himmel konnte sie düstere, zu pulsieren scheinende Wolken sehen, die sich immer weiter zu erstrecken schienen und ein Gewitter ankündigten. Nadjas Gedanken waren völlig durcheinander. Selbst der Versuch, sie zu ordnen schlug fehl. Doch als sie weiter gehen wollte stolperte sie und fiel unsanft auf den mit Laub bedeckten Boden. Bitterlich weinend krümmte sie sich zusammen und wollte am liebsten dort liegen bleiben wo sie nun war. Alleine und verlassen im Wald. Nach einigen Sekunden suchten ihre Hände zitternd Halt, damit sie wieder aufstehen konnte. Nur langsam schaffte sie ihren Weg nach Salem zurück und ohne, dass sie es eigentlich richtig wahrnahm brachten sie ihre Beine zurück zu Andrews Wohnung. Kraftlos stieß sie die schwere Tür auf und stolperte die Treppen hinauf. Müde und völlig am Ende ihrer Kräfte ließ sie sich auf sein Bett fallen und verkroch sich unter der kuscheligen Decke und schloss ihre von den Tränen brennenden Augen. Doch Nadja war nicht alleine in seiner Wohnung. Im Schatten einer Ecke des Raumes saß eine Person, die ihren Blick auf Nadja gerichtet zu haben schien. Nadja selbst bekam davon nichts, da sie viel zu kaputt war. Langsam richtete sich die Person auf, worauf Nadja aufschreckte.

"Wer ist da?!" Ängstlich starrte sie auf dem Schatten der noch immer in der Ecke stand und auf sie blickte.

"Das könnte ich dich fragen! Ich habe hier einen Andrew Johnes und keine Frau erwartet!" Die Gestallt wagte einen Schritt weiter noch vorne aus dem Dunkeln, doch Nadja konnte noch immer kein Gesicht erkennen.

"Andrew... ist nicht mehr am Leben... er ist tot und verschleppt worden!" Ein leichter aggressiver Ton war aus Nadjas Stimme herauszuhören, wobei sie sich an den Kissen festkrallte.

"Das ist sicher nicht das, was seine Mutter hören will!" murmelte der Typ leise vor sich hin.

"... du kennst seine Mutter?"

"Natürlich, sie war doch diejenige, die mich nach ihm geschickt hat!" Endlich wagte er auch noch weitere Schritte auf Nadja zu, die nun endlich sein Gesicht erkannte. Es wirkte zu ihrer Verwunderung recht freundlich und irgendwie fühlte sie, dass sie keine Angst vor ihm haben zu brauchte. Feuerrote Haare bedeckten seinen Kopf und ein kreuzförmiger Ohrring pendelte an seinem Ohr. Nadja betrachtete ihn von oben bis unten und rang nach Worten.

"Ich glaube, ich sollte dich erst mal aufklären. Seine Mutter ist eine der obersten Engel im ewigen Himmelsreich und ich bin Kurai, der Feuerengel!" Kurai machte es sich auf dem Boden gemütlich und wartete Nadjas Reaktion ab, doch irgendwie schien diese zu durcheinander zu sein, um überhaupt zu reagieren.

"Ach ja, wenn es dich auch noch interessieren sollte, sein Vater ist der höchste Dämon nach Satan!" fügte er noch ganz ruhig und gelassen hinzu, worauf Nadja nun gar keinen Ton mehr herausbrachte.

".. du verarscht mich doch jetzt hier, oder?!" stotterte sie erschrocken, während sie sich mit zitternden Händen die Tränen wegwischte.

"Nein! Ich schwöre es bei Gottes Namen. Aber mal so nebenbei, hast du mitbekommen, wer Andrew da mitgenommen hat?" fragte Kurai seelenruhig, da für ihn nicht viel dabei war. Doch anstatt zu antworten versuchte Nadja mit wackligen Beinen aufzuspringen und zur Tür zu rennen, da sie Kurai keinerlei Glauben schenken wollte. Aber Kurai war schneller und versperrte ihr den Ausgang.

"Du kannst mir ruhig glauben!" grinste er sie an und noch bevor Nadja ein Gegenwort sprechen konnte wurde Kurai von einem hellen Licht umfasst, welches aus seinem Ohrring kam. Aus seinen Schulterblättern brachen rot schimmernde Federflügel heraus, die sich im Raum erstreckten und in seiner Hand bildete sich der Griff eines Schwertes, das zu brennen schien, es aber doch nicht tat.

"Also, sagst du mir nun, wer Andrew mit sich genommen hat?" Er deutete mit dem Flammenschwert auf Nadja, die sich nicht mehr traute, sich noch zu bewegen.

".. ich .. ich weiß nicht wer es war. Er war ganz schwarz angezogen und ... er sah auch wie Andrew aus, aber er hat übernatürliche Kräfte..!" erneut brach Nadja in Tränen aus und sackte zu Boden, während Kurai vor schreck erstarrte. Er wusste, dass es sich bei der Person um Andrews Vater handeln musste, aber er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was dieser nun von seinem Sohn wollte. Doch Nadjas Schluchzen holte ihn erst mal wieder aus seiner Gedankenwelt.

"Hey, nicht weinen. Ich werde dir nichts tun und mit ein bisschen Glück können wir Andrew auch wieder zurückholen!" Kurai verwandelte sich wieder zurück und kniete sich zu ihr hinunter, um sie zu trösten.

"Wir können ihn retten?" Sie blickte in seine Augen, in denen sie einen Funken Hoffnung sehen konnte.

"Es ist zwar etwas kompliziert, aber es ist zu schaffen, ohne einen Dämonen in die Unterwelt zu kommen!" Kurai half ihr wieder auf die Beine zu kommen und ging mit ihr aus Andrews Wohnung, um seinen Plan bei einem kleinen Spazierganz zu erklären

Das neue Zuhause...

Derweilen setzte der Drache, der Hades Und Andrew auf seinem Rücken trug vor einem gigantischen Schloss ab, von denen grässliche Wasserspeier ihren Blick in die Ferne wandten. Meterhoch zog sich graues Gestein empor und formte etwas, was Andrew nur aus seiner Fantasie kannte. Vor dem großen Eingangstor standen bewaffnete Dämonen, die jedem ungebetenen Gast den Durchgang verwehren sollten. Doch gerade als sie abgestiegen waren, stürmte ein weiterer Soldat durch das Eingangstor nach draußen zu Hades.

"Herr!" schnaubte er, da er völlig außer Atem war.

"Der Engel, der gefangen genommen wurde, ist entkommen und wir schaffen es nicht ihn in unsere Gewalt zu bringen!" gestand er, wobei er vor seinem Meister auf die Knie fiel, um Vergebung zu verlangen für seinen Fehler.

"Euch Idioten kann man auch keine fünf Minuten alleine lassen, oder?!" Kraftvoll packte er seinen Diener an den Haaren und zerrte ihn daran wieder hoch.

"Das wird nicht wieder vorkommen!" jammerte dieser kleinlaut mit schmerzverzerrtem Gesicht. Doch plötzlich spürte Hades etwas und er ließ langsam seinen Blick über das rötliche Firmament gleiten.

"Er ist ganz in unserer Nähe!" murmelte Hades, ließ die Haare seines Dieners wieder los und presste seine schwarzen von einem lederartigen Stoff überzogenen Flügel aus seinen Schulterblättern und hob sich mit einem Sprung empor in die Lüfte. Andrew konnte nicht einen Augenblick seine Augen von Hades abwenden und war mehr als erstaunt. Immer noch suchend nach dem Engel zog er langsam sein Schwert aus der Scheide und wartete darauf das dieses Wesen des Himmels eine falsche Bewegung machte, die ihn verraten würde.

Schließlich entdeckte er hinter einem seiner großen, finsteren Schlosstürme einen fast unscheinbaren Lichtschein, der ihn keine Sekunde länger zögern ließ. Blitzschnell flog er auf den Turm zu und erblickte dahinter den erschöpften Engel, der sich zittern und verängstigt an dem kargen Gestein festzuhalten versuchte.

"Niemand kommt leben wieder aus meinem Kerker heraus!" knurrte er ihn mit finsterer, rauchig klingender Stimme an, wobei er mit seinem Schwert ausholte und kraftvoll zuschlug. Die rasiermesserscharfe Klinge trennte mühelos den Kopf des Engels vom Rumpf ab. Der blutige Kopf sauste zusammen mit dem Rumpf zu Boden und rollte noch ein kleines Stück in Richtung Andrew, der wie versteinert da stand und nicht fassen konnte, was sich in diesem Moment vor seinen Augen abspielte. Er sah wie aus dem durchtrennten Hals, das noch warme Blut den Boden tränkte und die weit aufgerissenen Augen des Engels starrten ihn leblos und geisterhaft an. In seinem Magen machte sich ein Gefühl von Übelkeit breit, während sich sein Gesicht kreidebleich färbte. Ein Brechreiz überkam ihn, als er sah, dass die Finger des toten Geschöpfes noch zuckten.

"Na Sohn, möchtest du den Kopf als Andenken behalten?" Sicher landete Hades wieder mit beiden Beinen auf dem Boden, hob den abgetrennten Kopf an den blutgetränkten blonden Haaren auf, nahm ihn mit zu Andrew und hielt ihm diesen triumphierend entgegen.

Doch das war zuviel für Andrew und er musste sich vor Hades Füßen übergeben.

"Wie ich sehe, musst du dich noch an einiges hier gewöhnen!" Mit leicht verdrehten Augen schaute Hades seinen Sohn dabei zu.

Nachdem sich Andrew wieder einigermaßen beruhigt hatte, brachte ihn sein Vater erst einmal ins Schloss. Staunend blickte sich Andrew in den dem riesigen Gemäuer um, dass von Gold, Silber und anderen wertvollen Materialien verziert war. Jeder der Räume hatte die Größe eines Fußballfeldes und schien wertvoller zu sein als der andere.

"Wie kannst du dir das alles leisten?" flüsterte Andrew fast sprachlos, während er sich staunend umblickte und von einem Zimmer ins nächste wanderte.

"Als direkter Nachfolger des Fürsten der Finsternis ist das nicht weiter bedeutend!" Gelassen lehnte sich Hades gegen einen der Türrahmen und schaute zu, wie sein Sohn sich zu ihm umdrehte und versuchte nun die richtigen Worte zu finden und dabei sich dessen klar zu werden, was er da eigentlich gerade gehört hatte.

"Ganz ruhig. Das kann dir nur von Vorteil hier sein!" Gemütlich schritt Hades auf ihn zu.

"Wie wäre es, wenn du dich erst einmal bei einem kleinen Bad entspannst, ich dich dann neu einkleide und wir dann zusammen die Vorzüge der Küche hier genießen!" schlug er seinem Sohn vor und führt ihn zu seinen Badegemächern.

Gigantisch wäre fast schon untertreiben gewesen, um dieses Bad zu beschreiben. Ein riesiges Becken angefüllt mit glasklaren, warmen Wasser erstreckte sich durch die Halle. Bäume, Pflanzen und Steine umrundeten das Becken und prächtige, kleine Wasserfälle spendeten noch mehr von dem herrlichen Nass. Winzige Lichtkörnchen schwebten sanft durch die Luft und spendeten zusammen mit den Fackeln und Kerzen Licht.

"Das ist ja unglaublich!" staunte Andrew und schritt mit seinem Vater zum Beckenrand.

"Das ist noch nicht alles!" Ein kurzes Schnippen von Hades und das Wasser färbte sich dunkelrot und wirkte nun fast so, als würde gerade die Sonne beim Untergang im Meer noch einmal ihre letzten Strahlen auf das Wasser werfen. In Andrews Augen spiegelte sich dieser Anblick voller Begeisterung wieder.

"Na dann, wollen wir mal!" Hades stellte sich hinter seinen Sohn und riss ihm mit einem Ruck sein noch mit Blut beflecktes Hemd herunter.

"Weiß wie Schnee!" huschte es ganz leise über Hades Lippen, während er mit den Fingerspitzen ganz vorsichtig über Andrews Rücken glitt. Doch schon im nächsten Moment schupste er Andrew ins Wasser, der sich vorher noch einmal Arme rudernd versuchte sich festzuhalten. Keuchend schnappte er nach Luft, als er wieder die Oberfläche erreicht hatte.

"Hey, was sollte das?" Leicht sauer wischte Andrew sich das Wasser aus dem Gesicht.

"Stell dich nicht so an. Wird ja wohl nicht das erste mal sein, dass du nass bist!" grinste Hades ihn an, worauf Andrew keine Sekunde länger zögerte und ihn vollspritzte, worauf Hades ins Wasser sprang und Andrew untertauchte. Das Becken reichte einige Meter in die Tiefe und so fand Andrew nur schlecht eine Möglichkeit sich mit den Füßen abzustemmen. Doch plötzlich spürte er etwas an seinen Beinen vorbei gleiten, das in abrupt inne halten ließ. Durch das dunkle Wasser konnte er nicht erkennen, was sich da unter ihm bewegte. Ohne es überhaupt richtig zu bemerken war er wieder aufgetaucht, aber sein Blick war noch immer nach unten gerichtet.

"Was ist los?" fragte Hades verwundert.

"Irgendwas ist da unten vorbei geschwommen!" Andrews Stimme wirkte leicht zittrig und heiser und Hades Gelassenheit verunsicherte ihn noch mehr.

"Bleib ganz ruhig. Das ist nur Ky, mein kleiner Hauswal!" lächelte Hades, legte seine Handfläche auf das rötliche Wasser und wartete einen Augenblick. Kleine Luftblasen stiegen hervor und langsam bildete sich ein dunkler großer Schatten unter seiner Handfläche, der immer deutlicher wurde. Und dann streckte ein Wal seinen Kopf aus dem Wasser und gab ein paar seltsam klingende Töne von sich. Die Haut des Wals war schwarz und verziert mit roten Zeichen, die leicht zu schimmern schienen.

"... ein Hauswal?!" Andrew wusste nun nicht ob er lachen oder Angst haben sollte, aber noch war ihm dieses Tier zu unheimlich, um näher heranzugehen oder es sogar zu streicheln. Er kannte diese Tiere bis jetzt nur aus Büchern und Erzählungen und er hätte nicht geglaubt einmal einem gegenüber zustehen. Aber bis vor ein paar Stunden hatte er ganz andere Dinge auch noch nicht geglaubt.

"Vor ihm brauchst du keine Angst zu haben. Er ist recht zahm und nur Eindringlingen feindlich gesinnt. Du kannst auch auf ihn reiten, wenn du Lust hast!" Nur sehr zögerlich wagte Andrew Stück für Stück näher an das große Tier heran und streckte vorsichtig seine Hand nach ihm aus. Ganz sanft berührten zuerst seine Fingerspitzen die gummiartige warme Haut des Wals, bevor er seine ganze Handfläche auf seinen Rücken legte. Das zuerst fremde Gefühl verflog schnell und seine Scheu vor dem Wal baute sich ab. Aber zum Reiten auf Ky konnte er ihn nicht überzeugen. Noch nicht.

"Dann lass uns mal sehen, was ich in meinem Kleiderschrank noch für dich übrig habe!" Hades schwamm zum Beckenrand und stieg aus dem Wasser gefolgt von Andrew der noch kurz einen Blick auf Ky warf, der nun wieder in den Tiefen des Wassers verschwand.

Hades Schlafzimmer war, wie die anderen Räume auch, prächtig ausgestattet. Die großen Fenster, von denen aus man auf die riesige Schlossanlage sehen konnte, die von Fackeln beleuchtet wurde, waren mit dunkelroten Samtvorhängen verdeckt und ein schwarz lackierter Kerzenleuchter hing bestückt mit 10 weißen Kerzen von der Decke. Die Bettpfosten sahen wie grässliche Drachengestallten aus und kleinere weiterer dieser Figuren waren im Raum verteilt.

Hades öffnete den Kleiderschrank, hinter dem sich Stiefel, Hemden, Hosen und Mäntel verstecken, die vorlieblich schwarz waren oder vereinzelt auch in einem dunklen rot.

"Mh..., was könnte dir denn stehen?" Hades kramte eine schwarze aus Drachenleder geschneiderte Hose aus dem Schrank, die an den Seiten mit Schnüren verbunden war.

"Zieh die mal an!" Hades legte sie auf das Bett und suchte dann weiter. Mühselig begann Andrew sich seiner nassen Kleidung zu entledigen, die an seinem Körper klebte und legte sie auf den Boden. Danach versuchte er in die recht enge Lederhose anzuprobieren, die er nur schwer seine nassen Beine entlang brachte.

"Na, na, na jetzt bist du ja schon fast eine Sünde wert!" schmunzelte Hades und ließ dabei seine Augen über Andrews Körper wandern.

"Findest du wirklich, dass mir das steht?" Für Andrew war die Hose etwas zu eng und recht wohl fühlte er sich darin nicht.

"Mehr als das!" Hades kam auf ihn zu und führ mit seinem Zeigefinger langsam über Andrews Hals bis zum Schlüsselbein.

"Du hast einen hübschen Hals!" Während Hades mit einer Hand Andrews Kinn nach oben drückte, umschlang er mit der anderen seinen Körper, damit er nicht nach hinten ausweichen konnte. Andrew stockte der Atem. Er hatte keine Ahnung was tun und ob er sich wehren sollte. Ganz sanft streifte Hades Zunge seinen Hals entlang und schließlich biss er seinen Sohn sanft, worauf Andrew ihn kraftvoll von sich stieß.

Ohne etwas zu sagen, starrten sich die beiden nur in die Augen.

"Sei mir nicht böse. Ich wollte dir gewiss nicht wehtun!" Noch immer blieben Hades Augen lüstern auf Andrew Körper. Schnell versuchte Andrew seine Unsicherheit und Angst zu schlucken, um vor ihm keine Schwäche zu zeigen und fing einfach leicht zu grinsen an.

"Was ist so witzig?" Mit leicht finster werdender Miene verschränkte er seine Arme und wartete den Grund für Andrews Heiterkeit ab.

"Sei mir nicht böse. Ich wollte dir gewiss nicht wehtun... und so was feinfühliges kommt direkt nach Satan persönlich!" Andrew konnte sich ein lauteres Lachen nicht mehr verkneifen und dies steckte auch Hades an, der nun auch zu lachen anfing. Aber nicht für lange. Schlagartig verfinsterte sich sein Blick und noch bevor Andrew den Ernst der Lage begreifen konnte, den er durch sein Lachen ausgelöst hatte, packte ihn Hades mit einer Hand kraftvoll am Hals und würgte ihn stark.

"Ich bin dir also zu feinfühlig. Zu weich?!" Er drückte noch fester zu, während Andrew krampfhaft versuchte nach Luft zu schnappen.

"Dann zeige ich dir mal etwas, was du eigentlich nicht wissen solltest!" fauchte Hades ihn wütend an und eiskalte Angst zuckte durch Andrews Körper. Am Liebsten hätte er einfach nur geschrieben, aber die Luft, die er dazu brauchte, wurde ihm brutal weggedrückt.

Endlich ließ Hades ab, packte ihn aber gleich wieder am Arm und zerrte ihn hinter sich aus dem Zimmer zu einer steinernen Treppe, die in die Kellergemäuer führte. Unten angekommen durchquerten sie einen Gang in dem auf beiden Seiten Gefängniszellen waren. Andrew traute seinen Augen nicht, als er halbtote Engel sah, denen entweder ein Bein oder ein Arm fehlte und die sich in einem Gemisch aus Dreck, Blut und ihren eigenen Fäkalien rekelten. Einigen hatte man mit einem glühenden Eisen die Augen verbrannt. Während ihm von dem ekelerregenden Geruch, der durch den Gang streifte, schlecht wurde, musste er mit zusehen, wie diese blinden Wesen versuchten in ihrer Angst einen Ausgang zu ertasten, aber es war sinnlos. Andere hatten aus Hungernot begonnen sich selbst oder ihre teilweise toten Zellengenossen zu essen.

"Na, gefällt dir das? Kommt das näher an deine Vorstellung von mir hin?!" brüllte Hades ihn in einem aggressiven Tonfall an und sorgte dafür, dass Andrew genau in jede Zelle sah. Das Elend war unerträglich in seinen Augen, aber er schaffte es auch nicht eine Sekunde seinen Blick davon abzuwenden. Diese verzweifelten Engel, die auf der Schranke zwischen Leben und Tod standen, fesselten ihn. Einer der Engel, dessen Flügel nur noch aus blutigen Stummeln bestanden, die schon vereitert waren, versuchte am Boden kriechend nach Hades durch das Gitter zu greifen, wobei er ihn demütig flehend um Hilfe bat.

Hades, dessen Zorn sowieso schon groß genug war, stapfte mit seinem Stiefel so fest auf die ausgestreckte Hand, dass einige Knochen schließlich brachen, wobei der Engel schmerzerfüllt aufschrie.

"Wage es nie wieder, mich anfassen zu wollen!" drohte Hades ihm und blickte hasserfüllt auf sein schmerzverzerrtes, jämmerliches Gesicht herab.

"Hör endlich auf! Es reicht!" flehte Andrew, doch für dessen Vater war die Sache noch nicht beendet. Er schleifte ihn zur Tür am Ende des Ganges und schupste ihn in den nächsten Raum. Sein Gesicht färbte sich kreidebleich, als er an den Wänden gekreuzigte Engel sah, die noch immer zuckten. Hinter kleinen Leichenhaufen versteckten sich weitere dieser elenden Gestallten, die weinend mit ihren starken Schmerzen auf ihr Ende warteten. Doch diese sehnsüchtige Erlösung schien nicht kommen zu wollen. Gerade als Andrew wieder zurückgehen wollte, schloss Hades die Tür und sperrte ihn ein. Nun war es aus mit Andrews Nerven. Bei dem Gedanken hier eingesperrt zu sein, bekam er Panik. Aber während Andrew vor Angst fast zusammenbrach, sahen die Engel in ihm neue Hoffnung auf Hilfe.

Die Erwachsenen Engel ließen ihre weinenden Kinder alleine und schleppten ihre von Wunden übersäten Körper zu Andrew, wobei sie elend um Hilfe flehten. Andrew zitterte am ganzen Leib , seine Beine wurden weich und seine Augen füllten sich mit Tränen. Für ihn gab es nur noch einen Gedanken: Er musste hier raus! Wie ein Wahnsinniger trommelte er gegen die schwere Holztüre und bettelte seinen Vater an, ihn herauszulassen. Während sich die knochigen Finger, die ihn zu erreichen versuchten, immer näher kamen, wuchs auch Andrews Panik. Er wollte nicht so enden. Ihm war dieses ganze Leid zuviel. Er schafft es nicht mit dieser Situation fertig zu werden und seine Tränen wurden immer bitterer. Die ersten dieser blutverschmierten Engel, denen schon fast die Knochen aus der gräulichen Haut traten, hatten ihn schon fast erreicht und ihre eigentlich freudigen Gesichter wirkten auf ihn wie grässliche Fratzen.

"...bitte.., hilf uns!... hol uns ihr raus!" krächzten sie mit ihren heißeren Stimmen. Andrews Fingernägel krallten sich ins Holz, als wollten sie versuchen ein Loch hineinzureissen.

"Lass mich raus! Bitte!" bettelte Andrew und schlug erneut fest gegen die Tür. Sein Handgelenk schmerzte bereits von den Schlägen. Endlich öffnete sich die Tür und Andrew landete direkt in Hades Armen, der schnell die Tür mit dem Fuß zuschlug, bevor die schreienden Engel entfliehen konnten. Weinend krallte er sich an Hades fest.

"Denkst du immer noch, dass ich zu weich bin? Das ganze hier, ist auf meinem Mist gewachsen. Ich habe ihnen das alles angetan!" liebevoll streichelte Hades seinem Sohn über das pechschwarze Haar.

"Ich bin nur so nett zu dir gewesen, weil du mein eigen Fleisch und Blut bist!" Er hob den noch immer weinenden Andrew auf seine Arme und trug ihn aus den Kerkerräumen.

"Heute Nacht kannst du bei mir schlafen, wenn du möchtest!" Hades brachte Andrew zurück in das Schlafgemach und legte ihn auf das Bett. Andrew war noch immer völlig durcheinander, aber er hatte erkannt, dass er seinen Vater nicht unterschätzen durfte, fürchtete sich aber nicht vor ihm. Während Andrew sich langsam wieder beruhigte, zog Hades seine Sachen aus und setzte sich dann schnaubend auf das Bett.

"Morgen fangen wir dann mal an, dass du die Unterwelt etwas besser kennen lernst!" Mühselig zog sich Hades seine Stiefel von den Füßen.

"Was willst du mir denn alles zeigen?"

"Ich nehme ja wohl mal an, dass du hier noch etwas länger bleiben willst und dafür ist es wichtig, dass du dich hier auskennst, um zu überleben. Ich wird dir alles zeigen, was du wissen und kennen musst!" Schließlich stand der zweite Stiefel auf dem Boden und Hades ließ sich auf das Bett fallen.

"Bekomm ich dann auch irgendwann mal so einen Drachen?" Andrew beugte sich über Hades Gesicht und blickte ihn fragend in die dunklen Augen.

"Mal sehen. Wenn du brav bist, dann können wir ja mal nach einem passenden Exemplar für dich schauen!" Hades musterte Andrews Gesicht genau, dass auf ihn so vertraut aber doch so fremd wirkte.

"Na, dann schlaf erst mal. Morgen hast du einen langen Tag vor dir!" Hades richtete sich wieder auf und deckte Andrew zu, dessen Augen angeschwollen waren, vom Weinen.

Einen Moment lang schaute er ihn noch an, bevor er sich neben seinen Sohn legte und noch eine Zeit lang nachdachte.

Der Aufbruch...

Strahlend hell schien der kühl wirkende Mond vom Himmel auf den grasbedeckten Boden, auf dem Nadja und Kurai sich vor einem kleinen Lagerfeuer niedergelassen hatten.

"Und du meinst dein Plan klappt genauso gut wie du ihn dir in der Theorie ausgedacht hast?" Nadja schaute ihn mit leicht unsicheren Blick an, und rückte noch etwas an das wärmende Feuer heran, das knistern in die Luft züngelte.

"Na klar!" Kurai war völlig siegessicher.

"Wir müssen uns in die Sekte einschmuggeln und dann brauchen wir dort nur noch nach dem Schlüssel suchen, der uns in die Unterwelt führt. Das wäre es dann auch schon gewesen!" grinste er, wobei er mit einem Stück Holz im Feuer herumstocherte.

"Wenn du das so sagst, dann klingt das ja wie ein Kinderspiel. Ich kann mir aber nicht so recht vorstellen, dass es so einfach ist!" Nadja konnte sich beim Besten Willen nicht glauben, dass Kurai so locker über die ganze Angelegenheit dachte.

"Entweder es klappt oder es klappt dann eben nicht. Mehr kann uns ja auch nicht passieren!" Er fing an in seiner Tasche herumzuwühlen und zog ein paar magische Karten heraus.

"Hast du Lust eine kleine Runde Karten zu spielen? Das bringt dich sicher wieder auf bessere Gedanken!" schlug er ihr begeistert vor und nach einem kleinen Murren entschied sich Nadja schließlich mitzumachen. Schnell hatte ihr Kurai die Regeln erklärt und nach einem kurzem Übungsspiel hatte Nadja den Dreh heraus und wagte es nun auch richtig gegen ihn anzutreten. Doch nach einiger Zeit bemerkte Nadja, dass Kurai bei jedem Spiel bessere Karten als sie hatte, was sie langsam stutzig machte.

"Ach, tut mir Leid, meine Liebe. Pech im Spiel Glück in der Liebe heißt es ja so schön!" hämisch grinsend sammelte er seine glorreich gewonnenen Karten ein und mischte den Stapel erneut. Diesmal wurde er aber von Nadjas genauem Blick kontrolliert. Doch es schien wieder nichts gebracht zu haben und sie hatte erneut die schlechteren Karten.

"Sag mal, kann es sein, mein lieber Kurai, dass du dieses Spiel ein klein wenig manipulierst?" drohend blickte sie ihm tief in die Augen, um auch nur das kleinste verräterische Zeichen zu erkennen, dass ihre Beschuldigung bestätigte.

"Aber ich doch nicht! Wie kommst du denn nur auf einen solch schrecklichen Gedanken?! Ich bin doch das Unschuldslahm schlecht hin!" Völlig empört mimte er die betroffene Diva.

"Du und ein Unschuldslahm?! Das ich nicht lache. Kleine Höllenbrut dürfte es wohl eher treffen!" Neckisch zwickte sie kurz in den Arm.

"Hey, das ist entwürdigend für einen Boten des Himmels!" Für Kurai war eine solche Äußerung ziemlich beleidigend und erwartete von Nadja nun eine Entschuldigung.

"Lern du erst mal vorher fair zu spielen!"

"Mh.. ich könnte dir verzeihen, wenn du mir deine reine Unschuld schenkst!" Und noch bevor Kurai hätte für ein weiteres Wort den Mund auf machen können, feuerte ihm Nadjas Hand schon zur Ohrfeige entgegen.

"Du bist nicht nur ein schlechter Verlierer sondern auch noch ein Schwein!" fauchte sie ihn genervt und angewidert an.

"Jetzt warte doch mal. Ich glaube du verstehst da etwas falsch. Mit deiner reinen Unschuld meinte ich den einen Teil des Lichtes deiner Seele!" Rechtfertigte er sich lautstark und rieb sich dabei seine pochende Wange, die leicht errötete. Verblüfft schaute Nadja ihn nun an und suchte nach den richtigen Worten.

"Soll ich es dir zeigen?" Da sie kein rechtes Wort mehr herausbrachte, nickte sie nur leicht. Kurai setzte sich zu ihr und berührte vorsichtig die Mitte ihres Schlüsselbeins. Er schloss die Augen und fing leise an ein paar Worte vor sich hin zu murmeln. Nach ein paar Sekunden zog er langsam seinen Zeigefinger wieder zurück, wobei er kleine, bunt leuchtende Lichter mit sich herauszog. Dieses strahlende und funkelnde Licht spiegelte sich in Nadjas Begeisterten Augen wieder. Er kreiste mit seinem Finger umher, worauf ihm die kleinen Lichter folgten und schließlich ließ er sie in die Luft aufsteigen, wo sie sich dann in alle Himmelsrichtungen verteilten.

"Das war echt schön!" Die ganzen Neckereien von eben waren vergessen und Nadja war nur noch vom dem fasziniert, was sie da gerade gesehen hatte.

"Tja, darum wollte ich es ja auch sehen!" Etwas müde legte sich Kurai neben das Lagerfeuer und beobachtete die lodernden, heißen Flammen.

"Tut mir leid, wegen eben!" nuschelte sie vor sich.

"Was hab ich da gerade gehört?! Kannst du das noch einmal sagen?" Ein freches Grinsen machte sich auf Kurais Gesicht breit, als er in Nadjas Gesicht schaute.

"Du hast es genau verstanden! Tu nicht so!" Mit leicht errötetem Wangen wühlte sie in ihrem Rücksack herum, obwohl sie eigentlich gar nichts suchte.

Da sie am nächsten Tag noch einen langen und wahrscheinlich auch mühseligen Weg vor sich hatten, legten sie sich zum Schlafen hin. Doch während Kurai recht schnell einschlief, musste Nadja wieder an Andrew denken. Sie machte sich Sorgen um ihn und fragte sich ständig, ob es ihm gut ging und was er wohl gerade gemachte. Das komische Gefühl, das sie in ihrem Bauch verspürte, ließ sie nichts Gutes ahnen.

Blutige Lektion...

Am nächsten Morgen wurde Andrew unsanft von einem bestialischen Gebrüll aufgeweckt.

Leicht erschrocken blickte er sich um und brauchte ein paar Sekunden um sich daran zu erinnern, wo er war. Als er wieder ganz bei sich war, bemerkte er, dass Hades schon aufgestanden war, was er ihm nun gleich tat. Auch um herauszufinden, woher dieses fürchterliche Geräusch kam. Schleichend bewegte er sich durch das leere Schloss bis ihm auffiel, dass dieser Lärm von draußen kam. Nur mit Mühe konnte er die schwere Tür öffnen und sah dahinter seinen Vater, der mit mehreren seiner Soldaten versuchte einen großen, blauen Drachen mit Ketten und Seilen auf den Boden zu fesseln, um das Tier erst einmal ruhig zu stellen. Doch der mächtige Drache war nicht sehr angetan davon und wehrte sich vehement, wobei er ständig seinen mit prächtigen Hörnern bestückten Kopf in die Luft riss und einen eisblauen Feuerstrahl aus seinem mächtigen Maul spie.

"Strengt euch mehr an!" brüllte Hades seinen Leuten zu, während er sich an eine der Stahlketten hängte und mit aller Kraft versuchte den Kopf zu Boden zu reissen. Der Drache hielt lange stand, bis die Soldaten die Übermacht ergriffen und seinen schweren Kopf am Boden festmachten. Völlig erschöpft sackten einige der Dämonen auf dem Boden zusammen, um nach Luft zu schnappen und sich etwas auszuruhen. Hades wischte sich den Schweiß von der Stirn und warf dann noch einen letzten Blick auf seine Arbeit, bevor er sich wieder auf den Weg zum Schloss machte, wo er seinen Sohn erblickte.

"Bist du auch endlich aufgewacht?" begrüßte er seinen noch leicht verschlafen wirkenden Sohn.

"Was hast du denn mit dem Drachen vor?" Andrew schaute dem Drachen tief in die zornigen Augen, die ihm einen kalten Schauer über den Rücken laufen ließen.

"Wenn er gezähmt ist und es keine weiteren Probleme mit ihm gibt, kannst du ihn haben!" Er legte seinen Arm auf Andrews Schulter und führte ihn zurück ins Schloss.

"Echt? Ohne Scheiß?" So ganz konnte Andrew es noch nicht fassen.

"Warum sollte ich lügen?" lächelte Hades und führte Andrew zurück ins Schlafzimmer, um ihn für den Tag Kleidung zu geben.

"Hades?" find Andrew mit leiser und zögernder Stimme an.

"Was gibt es denn?" Hades stellte ihm neue Stiefel zur Verfügung und suchte dann weiter in seinem Kleiderschrank.

"Kannst du mir sagen, wie es ... Nadja .. geht?"

Abrupt hielt Hades inne und drehte sich zu Andrew um.

"Was willst du mit ihr?! Du kannst hundert neue Frauen haben. Menschen schaden dir nur!" Mit leicht bitteren Blick kam er auf seinen Sohn zu und packte ihn an den Schultern.

"Reicht es dir nicht, was du bis jetzt schon mit ihnen durchstehen musstest? Hier als Dämon kann dir so was nicht passieren. Dafür sorge ich schon!" Grob drückte er Andrew gegen die Wand.

"Werfe jegliche Gefühle ab. Sie schaden dir nur!" Hades gab Andrew einen langen Kuss und ließ dann ohne weitere Worte wieder ab.

"Aber dafür kannst du nichts. Es ist die Schuld deiner Mutter, dass du so etwas lästiges wie Gefühle hast!"

Andrew war völlig durcheinander und verstand nicht, was das ganze zu bedeuten hatte, aber er ließ es sein, weiter nachzufragen.

Nachdem Andrew neu eingekleidet war, führte Hades ihn die Küche, in der einige Hilfsdämonen damit beschäftigt waren, Essen für Hades und die anderen Diener des Hauses herzurichten. Er sorgte dafür, dass Andrew ein angemessenes Frühstück bekam, dass ihm auch zustimmte, da er sich nicht vorstellen konnte, Andrew könne etwas mit der typischen Küche in der Unterwelt anfangen.

"Ich würde dir gerne noch etwas zeigen, was dir vielleicht gefällt!" Hades führte seinen Sohn in das obere Stockwerk zu einer großen Eisentür, die mit vier Schlössern verriegelt war.

Durch eine kleine Handbewegung öffneten sie sich und die Tür ging langsam auf. Ein kalter Schauer drang aus dem dunklen Raum, gefolgt von einem leichten Geruch des Todes, der Andrew in die Nase stieg und ihm ein ungutes Gefühl vermittelte. Vor ihnen offenbarte sich ein düsterer Saal, der nur von einigen vereinzelten Kerzen erhellt wurde. Ein langer Gang, der von abgetrennten Engelsköpfen auf marmornen Säulen gezäumt wurde, führte zu einem goldenen Altar am Ende. Die Köpfe waren von gräulicher Haut überzogen und mit dunklen, leicht schwarzen Blut befleckt. Nur mit angewidertem Blick wagte sich Andrew hinein.

"Woher hast du diese ganzen Engel?" Seine Augen wanderten eingeschüchtert von diesen elenden Fratzen von einer Seite zur anderen.

"Sind alles Trophäen aus dem großen Krieg oder welche, die versuchten uns in der letzten Zeit auszuspionieren. Jedem einzelnen hier und im Kerker habe ich eigenhändig den Kopf angeschlagen!"

Endlich erreichten sie den Opfertisch auf dem ein Schwert einige Zentimeter über dem Boden schwebte. Die silberne Klinge schimmerte im fahlen Kerzenlicht, der goldene Griff, der mit Diamanten verziert war, wurde von einem Lederband stramm umgürtet. Ein aus Silber gegossener Drache umschlängelte die kalte Klinge, in die Schriftzeichen eingebrannt worden waren.

"Das ist wunderschön!" Andrew konnte die Kraft, die von diesem Schwert ausging förmlich in der Luft spüren. Doch als er es berühren wollte, drückte ihn Hades zurück.

"Es ist das Schwert Satans. Und nur er persönlich darf es anfassen. Meine Aufgabe ist es lediglich darauf aufzupassen!" Mit einem leichten Lächeln ruhte sein Blick auf dem Schwert.

"Mir wurden heute morgen neue Befehle zugeteilt, die mehr Zeit in Anspruch nehmen. Ich habe dafür gesorgt, dass dich ein paar Bekannte von mir über alles wichtige hier unterrichten, während meiner Abwesenheit!"

"Und was unter anderem?" fragte Andrew, worauf Hades ihm tief in die Augen blickte. Blitzschnell holte Hades mit seiner Faust aus und knallte seinem Sohn hart in die Rippen, der darauf keuchend am Boden zusammen brach.

"Unter anderem, dass dir so ein kleiner Schlag nichts mehr aus macht!" Grob packte er Andrew unter den Armen und hob ihn auf seine Schultern. Er brachte ihn ins Schlafzimmer zurück, damit er sich im Bett in Ruhe wieder kurieren konnte. Wegen den heftigen Schmerzen krümmte sich Andrew auf dem Laken.

"Lerne deine Schmerzen zu unterdrücken und nicht mehr wahrzunehmen!" Sanft streichelte Hades über Andrews verkrampftes Gesicht mit den Fingerspitzen.

"Wie... soll man sowas unterdrücken... können?!" stöhnte er, wobei er seine Finger in die Decke krallten.

"Meister?" Erklang plötzlich eine dunkle Stimme und ein, in einem schwarzen Umhang verhüllter, Mann betrat den Raum. Das Tuch verdeckte die Hälfte seines Gesichtes und auf seiner Stirn funkelte ein goldener Reif.

"Was ist, Servothate?" Hades wich einige Schritte vom Bett.

"Die Kampftruppen im Osten erwarten Euch bereits. Ich habe alles für Eure Abreise vorbereitet!" teilte er ihm mit, während seine Augen auf dem vor Schmerzen zitternden Andrew ruhten.

"Du weißt ja, was ich dir wegen Andrew aufgetragen habe. Halte dich daran und wenn er sich sträuben sollte, rühr ihn nicht an. Berichte es mir und ich werde mich dann darum kümmern!"

Eilig suchte Hades seinen Umhang aus dem Schrank, den er sich anlegte.

"Weiße Rosiel und Kira ebenfalls darauf hin. Ich werde in etwa einer Woche wieder hier sein!" Hades hatte nun keine Zeit mehr, weitere Dinge zu besprechen, und beeilte sich nach draußen zu seinem Drachen zu kommen, der schon auf die Abreise wartete.

Servothate wandte sich nun Andrew zu und schritt langsam auf das Bett zu.

Ein leichtes Grinsen bildete sich unter dem Tuch, als er sich ihn so krampfhaft windend anschaute.

"Hast du wohl Schmerzen, Kleiner?"

"Nein, .. mir geht es bestens...! Ich tu nur so!" fauchte Andrew ihn wütend an. Irgendetwas hatte Servothate an sich, dass Andrew nicht leiden konnte. Diese selbstgefällige, arrogante Art, die er aufwies und diese kalten Augen, die ihn durchdringend anstarrten, gefielen ihm überhaupt nicht.

"Da wir leider nicht viel Zeit für uns alleine haben, muss ich dir wohl oder übel wieder auf die Beine helfen!" Etwas unsanft drückte er Andrews Arm zur Seite, mit dem er sich seinen pochenden Brustkorb hielt und legte seine Handfläche darauf. Er versuchte sich eisern gegen Servothates Griff zu wehren, aber er hatte keine Chance. Doch als er spürte, wie sich langsam die Schmerzen linderten, verringerte sich seine Gegenwehr auch.

"Das hätten wir, dann komm mal mit, Kleiner!" Endlich ließ Servothate wieder von Andrew ab und ging aus dem Zimmer, wobei er aber noch Andrew im Auge behielt, damit dieser auch mitkam.

"Erwarte aber keine Dankbarkeit von mir!" knurrte Andrew leicht finster und krabbelte aus dem Bett ihm nach.

"Das erwarte ich auch nicht von dir!"

Vor Hades Gemäuer stand seine Kutsche, die von zwei weiblichen Zentauren angetrieben wurde. Ihr Fell, ihre Haare und ihr Pferdeschwanz waren pechschwarz, färbten sich aber an den Enden blutrot. Ihre schneeweiße Haut war weich und geschmeidig und in ihren Augen spiegelte sich ein dunkler Abgrund wieder.

"Los, steig endlich ein!" Servothate hielt Andrew die Tür der Kutsche auf, worauf dieser schnell und ohne ihn auch nur anzusehen einstieg.

"Oh man, Hades. Was hast du mir da nur angetan?!" überlegte er und verdrehte die Augen, während er Andrew folgte. Sofort fingen die Zentauren zu rennen an und steuerten Servothates Schloss an. Gelangweilt blickte Andrew aus dem Fenster und betrachtete sich die gigantischen Steinskulpturen, von denen er auch schon einige bei seiner Ankunft gesehen hatte.

"Früher waren dies unsere besten Krieger und Geheimwaffen, doch nach dem großen Krieg sind sie versteinert und seither nagt der Zahn der Zeit an ihnen!" klärte er Andrew auf, der nur kurz zur Bestätigung nickte.

"Ich werde dir noch weiteres über diese Wesen beibringen, wenn wir bei mir sind!"

"Erfahre ich dann auch, was du unter deinem Tuch versteckst?" Andrew scheute nicht davor zurück, ihn spüren zu lassen, dass er Servothate nicht leiden konnte.

"Du brauchst dich gar nicht so aufzuführen. Ich bin genauso wenig begeistert von dir wie du von mir, aber wir müssen irgendwie mit einander auskommen. Ich will dir was vorschlagen!"

Servothate lehnte sich entspannt zurück und überschlug seine Beine.

"Ich weiß, dass du dich für Bücher interessierst und ich habe mehr als genug davon. Wenn du mir keine Last bist, kannst du in deiner Freizeit so viel lesen, wie du willst!"

Einen Moment lang herrschte Stille zwischen den beiden.

"... vielleicht. Mal sehen.!" Andrew reizte das Angebot schon, nur wollte er es nicht vor diesem Kerl zugeben. Diese Antwort genügte Servothate voll und ganz, aber dennoch beschloss er ihn nicht an der langen Leine zu lassen, da Andrew wieder so anfangen könnte. Schnell erreichten sie das Schloss vor dem sich viele Soldaten tummelten. Zwei von ihnen rannten auf die Kutsche zu, um sich darum zu kümmern. Einer von ihnen hielt die Zügel der Zentauren fest, die wild mit den Hufen scharrten und der andere öffnete die Tür, damit Andrew und Servothate aussteigen konnten.

"Sieg sei mit Euch, Herr!" gelobte der Soldat ihn, als sein Herr die kleinen Stufen der Kutsche hinunterstieg.

"Da ich ein bisschen unter Zeitdruck stehe, fangen wir gleich mit deinen Unterricht an. Es gibt viel was du lernen und wissen musst!" Ohne, dass Andrew sich etwas umsehen konnte, würde er von Servothate gleich in die erste Büchergalerie gebracht. Erstaunt wanderten Andrews Augen durch den riesigen Saal, dessen Wände Meter hoch aus Regalen bestanden, die bis auf den letzten kleinen Fleck mit Bücher aufgefüllt waren und nur von großen Fenstern unterbrochen wurden, die dem Raum das nötige Licht spendeten. So viele Bücher hatte er noch nie in seinem ganzen Leben gesehen.

"Das ist nur ein kleiner Teil meiner Sammlung. Hier sind nur die geschichtlichen Bücher von denen du fast alle lesen wirst!"

"Und was für Bücher hast du noch in deiner Sammlung?" Andrew beachtete seine Worte gar nicht weiter.

"Zauberbücher unter anderem. Aber die gehen dich nichts an, da ich bei dir dafür nicht zuständig bin!"

"Mich würden aber die anderen Bücher bei weitem mehr interessieren!"

"Das ist unwichtig, was dich mehr oder weniger interessiert. Und nun solltest du dich mal lieber etwas fügen, sonst kann ich leicht ungeduldig werden!" Ein leichtes Funkeln blitze in Servothates Augen auf, als er ein paar Schritte näher auf Andrew zuging.

"Du weißt, dass du mir nichts antun kannst. Immerhin hat es dir mein Vater verboten!"

Einen Moment lang hielt Servothate inne und schaut Andrew ins Gesicht, der sich recht sicher fühlte. Ganz leicht zeichnete sich ein finsteres Lächeln auf dem Tuch ab, dass sein Gesicht verdeckte.

"Du hast recht. Ich kann dich nicht zwingen oder dir wegen deines Ungehorsams die Ohrfeige verpassen, die du dir nun eigentlich verdient hättest, aber dein werter Vater hat nicht meine Soldaten in sein Verbot miteinbezogen!" Als hätten sie nur auf diese Worte gewartet standen sofort fünf seiner Leibwächter im Raum und versperrten Andrew den Ausgang.

"Zeigt ihm, was passiert, wenn man sich meinen Anordnungen widersetzt!" Er wendete kühl seinen Blick von Andrew ab, als sich die Soldaten wie räudige Hunde auf ihn stürzten. Heftige Tritte in den Magen und Faustschläge ins Gesicht folgten. Die Schmerzen waren fast unerträglich und während Andrew nur noch keuchende Schmerzensschreie über seine aufgeplatzten Lippen brachte, schlugen die Soldaten immer weiter auf ihn ein.

Nach einer schier für Andrew endlos wirkenden Zeit endete dieses Szenario endlich wieder und er sackte blutend und mit schmerzenden Gliedern zu Boden.

"Lass es dir eine Lehre sein!" Er packte Andrew an den Haaren und zog seinen Kopf etwas , wodurch sein blutiges, angeschwollenes Gesicht zum Vorschein kam.

"..das wirst du bereuen..!" knurrte Andrew wütend und schluckte angewidert das Blut, das sich in seinem Mund gesammelt hatte.

"Reiss lieber deinen Mund nicht zu weit auf, sonst wird es das nächste mal noch schmerzhafter!" Grinsend ließ er seine Haare wieder los und Andrews Kopf knallte auf den harten Boden. Ein dünner blutiger Speichelfaden tropfte von seinem Mund aus auf den kalten Boden, während sich sein Gesicht verzerrte vor Schmerzen.

"Für heute kannst du gehen, aber morgen erwarte ich etwas mehr Konzentration von dir!" Ungeachtet von Andrew schritt Servothate nun zu einem seiner Bücherregale und suchte sich ein Buch heraus.

Mühselig raffte sich Andrew langsam und unter starken Qualen wieder auf die Beine, von denen eines so stark schmerzte, dass er es nicht schaffte, darauf stehen zu können.

"Kira wird draußen auf dich warten!" Noch in sein Buch vertieft streifte Servothate zum großen Regal. Mit schmerzhaft zuckenden Muskeln und einem stechen in der Brust schleppte er sich zur Eingangstür, angetrieben von dem Gedanken endlich von diesem Typen wegzukommen. Vor seinen Augen verschwamm langsam alles uns so konnte er nur noch Kiras Umrisse erkennen, die vor ihm stand. Doch schon in der nächsten Sekunde brach er wieder zusammen. Schell eilte Kira zu ihm, und hob seinen Oberkörper auf.

"Was ist denn passiert?" Besorgt strich sie ihm die Haare von seinem verschwitzten Gesicht.

Aber Andrew brachte nur noch ein heiseres Stöhnen heraus, bevor sein Bewusstsein verlor.

Der Turm...

Nadja und Kurai waren schon in den frühen Morgenstunden aufgebrochen. Sie durften keine Zeit verlieren auf ihren Weg zum Turm, der noch ein gutes Stück von ihnen entfernt war. Sie hatten mit dem Wetter Glück und die Sonne schenkte ihnen ihre warmen Strahlen, die das wandern auf den weiten Wiesen wesentlich angenehmer machte. Da störte auch die leichte Brise nicht, die ihnen entgegenkam.

"Es ist nicht mehr weit. Heute werden wir sie auf jeden Fall noch erreichen!" Kurai wusste, dass es in dem Turm nur so von Sektenmitgliedern wimmelte und er freute sich schon darauf, die ein klein wenig an der Nase herumzuführen.

"Und wie kommen wir da rein? Ich glaube weniger, dass sie uns mit einem Empfangskomitee begrüßen werden und uns dann herzlich auf einen kleinen Rundgang einladen!" Nadja strich sie sich eine kleine Haarsträhne aus dem Gesicht, mit welcher der Wind ein wenig spielte.

Doch Kurai war zuversichtlich. Er würde es schon schaffen, sie da hineinzubringen. Weit und breit waren nur Wiesen und angrenzende Wälder zu sehen über die der Wind leicht streifte.

Wortlos wanderten sie nebeneinander über das saftige Gras und hinter jedem Hügel erhoffte Nadja das ersehnte Ziel endlich zu erblicken.

"Können wir vielleicht mal eine kleine Pause machen?" jammerte Nadja leicht erschöpft und blieb kurz stehen, um ihre Füße ruhen zu lassen.

"So viel Zeit haben wir nicht, dass wir ständig Pausen machen können!" Hingegen Nadja war Kurai noch topfit.

"Dann trag mich doch, denn meine Füße halten das sicher nicht aus, so weit ohne Halt zu marschieren!" zischte Nadja.

"Na gut, dann machen wir das ganze eben auf eine etwas andere Art!" Kurai drückte seine rot schimmernden Flügel aus seinen Schulterblättern und breitete sie aus. Schnell hob er Nadja auf seine Arme und hob dann federleicht mit ihr zusammen vom Boden ab. Unsicher und leicht ängstlich krallte sie sich an Kurais Hemd fest und wagte kaum einen Blick nach unten. Ein unbehagliches Gefühl stieg in ihr hoch, da sie es ja nicht gewohnt war, keinen festen Boden unter den Fußen zu haben.

"Mach dir keine Sorgen. Ich werde dich schon wieder heil auf die Erde zurückbringen!" beruhigte er sie und drückte sie sicher an sich, um ihr zu zeigen, dass sie nichts zu befürchten hatte.

Doch dann ragte plötzlich hinter einem Hügel ein mächtiger, steinerner Turm die Luft. Seine karge Außenwand war an einigen Stellen schon von Moosflechten überdeckt und an der Spitze hatten einige Vögel ihr Nest angelegt und flogen nun eifrig hin und her, um die Jungen zu füttern, die kreischend ihren Mund aufrissen, damit sie schnell etwas von der Nahrung zu fassen bekamen. Nicht ein Fenster war zu sehen, dass vielleicht einen kleinen Einblick in das innere Geheimnis des Turms preisgab, der völlig verlassen aussehend in dieser Einöde stand.

Vorsichtig setzte Kurai Nadja wieder auf dem sicheren Boden ab und zog dann schnell seine Flügel wieder zurück, bevor es vielleicht noch von den falschen Personen gesehen würde.

"Wenn wir da drin sind, wirst du kein Wort sagen, hast du mich verstanden? Du wirst die ganze Zeit einfach ganz still sein und mir das Reden überlassen!" Leicht grob packte er sie an den Schultern und blickte ihr tief in die Augen. Er meinte es ernst und das wusste Nadja auch. Doch machte ihr dieser plötzliche Ernst in Kurais Augen auch Angst. Er atmete noch ein einmal tief durch, schritt dann zu dem Turm, der auch keine Tür zu haben schien und klopfte dreimal gegen die Wand. Nadjas Hände fingen zu zittern an. Immerhin wusste sie ja nicht, was sie dahinter erwarten würde und was da noch alles auf sie zukommen würde, geschweige denn daran zu denken, ob sie da überhaupt wieder lebend herauskamen. Es dauerte nicht lange, bis sich plötzlich eine Tür in der Steinmauer bildete, die sich langsam öffnete und eine in einem dunklen Umhang verhüllte Person erwartete sie dahinter.

"Was wollt ihr hier!" knurrte er sie böse an, wobei er angewidert die Oberlippe hochzog.

"Wir möchten euch beitreten!" Warf im Kurai lässig entgegen und versuchte ruhig zu bleiben.

"Ich wüsste keinen Grund, euch hier herein zu lassen!" Noch immer war die Miene ihres Gegenübers angewidert verzogen.

"Weil wir für euch vielleicht interessant sein könnten?" Langsam hob Kurai seine Hand nach oben in der er plötzlich ein blutig triefendes Herz hielt, das sich noch immer leicht zu bewegen schien. Nadja und der Kerl aus dem Turm zuckten zur gleichen Zeit zusammen und konnten ihren Blick erst einmal nicht von davon abwenden.

"Das ist das Herz eines Engels, ich denke deinen Meister wird das sicher gefallen!" Mit einem leichten Lächeln auf dem Gesicht warf Kurai das Herz dem Sektenmitglied zu, der es mit hastigen Bewegungen auffing. Einen kleinen Moment überlegte die dunkle Gestallt und trat dann einen Schritt zur Seite, um Kurai und Nadja den Weg frei zu machen einzutreten. Im Inneren waren vier Kerzenleuchter an der Wand angebracht und in der Mitte war ein Lichtkreis, dessen schummriges Licht wie leichter Nebel nach oben stieg.

"Wartet einen Augenblick. Ich werde dem Meister bescheid geben!" Die dunkle Gestallt schritt in den Kreis und verschwand dann wie von Geisterhand.

"Gut, den ersten Teil haben wir geschafft!" Erleichtert atmete Kurai aus lächelte Nadja an, die völlig durcheinander schien.

"Wo hattest du dieses Herz her?"

"Man braucht nur ein bisschen magische Kräfte und dann klappt so was schon!" grinste er, und streichelte ihr sanft über den Rücken, um sie etwas zu beruhigen. Nadja war ziemlich übel im Moment und sie hatte das Gefühl als würde ein schwerer Klos in ihrem Hals stecken, der sie am atmen hinderte.

Nach kurzer Zeit kam der Typ zurück, um die beiden abzuholen. Durch den Lichtstrahl gelangen sie einige Meter unter die Erde, wo sich eine riesige Tempelanlage erstreckte. Tausende von roten Kerzen, goldene Statuen und Edelsteine füllten das ganze unterirdische Gebilde. Während sie einen langen Gang entlanggingen, kamen ihnen viele von den anderen Mitgliedern, die ebenfalls dunkel eingehüllt waren, entgegen. Ein rauchiger Geruch lag in der Luft, der Nadja unangenehm in die Nase stieg. Weiter folgten sie den mit einem roten Samtteppich ausgelegten Boden, der mit Goldrändern verziert war, bis sie zu einer Abzweigung kamen, wo ihr Führer stehen blieb.

"Der Meister hält gerade eine Zeremonie, verhaltet euch deswegen ruhig!" weiß er sie darauf hin und öffnete ihnen dann die mit Schnitzereien verzierte Türe.

Dahinter erwartete sie ein düsterer Raum, dessen Wände von roten und schwarzen Samttüchern verdeckt waren und goldene Kerzenleuchter, deren Kerzen schon weit heruntergebrannt waren, erhellten die düsteren Ecken. Viele dunkel gekleidete Menschen knieten auf dem Boden und warfen ehrfürchtige Blicke ihrem Meister zu, der vor ihnen auf seinem Thron saß. Sein Körper war in edlen Stoffen eingehüllt und mit prächtigen und kostbaren Schmuckstücken verziert. Seine langen schwarzen Haare hingen ihm leicht ins Gesicht und verdeckten ein wenig die verschleierten Augen, die völlig ruhig auf die Menge blickten. Doch plötzlich spürten Kurai und Nadja, dass sie beobachtet wurden. Der Meister hatte ihre Anwesenheit bemerkt und durchbohrte sie förmlich mit seinem Blick. Doch plötzlich hörte Kurai eine Stimme, die ihm im Unterbewusstsein zuflüsterte. Er wusste schon, dass diese Stimme vom Meister ausging, der für einen Menschen unwahrscheinliche Fähigkeiten zu besitzen schien, die den Feuerengel leicht stutzig machten.

"Komm nach der Zeremonie in meine Gemächer!" hörte Kurai aus diesem leisen Flüstern heraus. Aber viel Zeit blieb Kurai nicht mehr, auf diese Stimmen zu hören und darüber nachzudenken, denn schon im gleichen Moment betrat eine junge Frau den Saal, die lediglich eine Schlange auf ihren Körper trug, die sich züngelnd um sie windelte.

Ein summender Sprechreim ertönte aus den Mündern der Sektenmitglieder, die langsam ihre Hände dabei zum Gebet falteten. Nadjas Herz schlug in diesem Moment in einem schmerzhaft schnellen Takt in ihrer Brust. Diese mystischen Töne und diese ganze Atmosphäre machten sie nervös. Ängstlich beobachtete sie die junge Frau, die sich mit erwartungsvollen Blick vor dem Meister niederkniete. Langsam ließ der Meister seine Hand neben seinen Thron wandern, zog ein Schwert aus der Scheide, welches er dann in die Luft streckte.

"Ein Opfer für unseren Führer, der uns die Macht geben wird, die Welt in den Untergang zu reissen. Aus der Asche des Todes werden wir auferstehen mit seiner Hilfe!" Seine Stimme war bestimmend und hart.

"Erfüllen wir seinen Willen!" Das Summen wurde lauter und schon im nächsten Moment sauste der Griff der Klinge nach unten und schmetterte auf den Kopf der jungen Frau, die sofort tot war und zu Boden sackte. Eine blutige Lache bildete sich unter dem aufgeschlagenem Kopf, in dem noch immer der Griff steckte, den der Meister mit einem kraftvollen Ruck aus der Schädeldecke zog. Mit gierigen Fingern riss er ein wenig der blutigen Gehirnmasse heraus, welche er dann in die Luft streckte.

"Das ist erst der Anfang vom großen Ende!" Er erhob sich von seinem Thron und präsentierte seinen Gläubigern, das Geschenk für den Fürsten der Finsternis. Gelbliche Gehirnmasse, die sich mit dem Blut vermischt hatte, rann zwischen seinen Fingern hindurch auf den Boden. Mit vor Ekel verzerrten Gesicht starrte Nadja auf diesen matschigen Klumpen, den er in der Hand hielt. Schließlich warf der Meister das Stück Gehirn seinen Gläubigern vor die Füße und verließ dann den Raum. Sowie sich die Tür hinter dem Meister geschlossen hatte, stürzten sich die vielen Mitglieder auf die tote Frau und rissen sich Stücke von ihrem Körper an sich, die sie dann begierig hinunterschlangen. Starr vor Schreck konnte Nadja ihren Blick davon nicht abwenden, was sich da vor ihr abspielte.

"Er will uns dann sehen!" flüsterte Kurai Nadja leise zu, worauf sie ihn entgeistert anschaute.

"Du willst doch jetzt wohl nicht zu dem gehen, nachdem, was wir da gesehen haben!" stammelte sie wie von Sinnen.

"Uns wird aber nichts anderes übrig bleiben, wenn wir den Schlüssel finden wollen. Du willst doch Andrew retten, oder etwa nicht mehr?!" Sanft legte er seine Hand auf Nadjas Schulter, die dann nur leicht verwirrt Nickte.

"Okay, gehen wir zu ihm!"

Ein kleines Licht im Dunkeln...

Schweißgebadet schreckte Andrew völlig verwirrt aus seiner Ohnmacht auf. Sein ganzer Körper zitterte und seine Augen versuchten irgendetwas zu finden, an das sie sich erinnerten.

"Na, bist du endlich wieder wach? Ich hab mir schon Sorgen um dich gemacht!" Erleichtert fiel ihm Kira um den Hals und drückte ihn fest. Andrew wusste im ersten Moment nicht, wie ihm geschah und brauchte erst ein paar Sekunden, um sich wieder zu besinnen und zu erkennen, wer ihn da umarmte. Langsam beruhigte sich seine Atmung wieder und er schloss erleichtert seine Augen. Er war froh darüber, nicht bei diesem verrückten Servothate zu sein.

"Wo bin ich hier eigentlich?" Andrew rieb sich, soweit es ihm mit Kira um den Hals möglich war, die Augen und schaute sich weiter um. Dieses Zimmer hatte er zuvor noch nicht gesehen, zumindest meinte er das.

"Ich hab dich mit zu mir genommen, nachdem du zusammen gebrochen bist!" Lächelnd ließ Kira wieder von ihm ab und setzte sich neben ihn auf das Bett.

"Geht es dir denn wieder besser?" Liebevoll nahm sie seine Hand und streichelte sie sanft.

Aber Andrew ging es noch nicht gut. Er hatte noch immer stechende Schmerzen in der Brust und auch sein Bein und seine Arme schmerzten, wenn er sie bewegte.

"Trink erst mal etwas von dem Tee. Der wird dir schnell wieder auf die Beine helfen!" Vorsichtig nahm Kira die Tasse vom Nachtkästchen und überreichte sie Andrew, der den angenehmen Geruch tief in sich auf nahm. Während er vorsichtig an dem heißen Tee nippte, stieg in ihm ein Gefühl der Zufriedenheit auf. Ob es wohl an dem Tee lag oder an Kiras Anwesenheit, wusste er nicht, er war einfach nur froh, einen Moment des Friedens und der Ruhe zu genießen, nach dem ganzen Stress und Ärger, den er in der letzten Zeit hatte. Es schien ihm, als würde ein schwerer Stein von seinem Herzen fallen.

"Die Kräuter habe ich selbst gezüchtet. Sie werden deinem Körper helfen, die Wunden schneller zu heilen und tun auch deiner Seele gut!"

Andrew nahm noch einen weiteren Schluck von dem angenehmen Getränk.

"Er tut wirklich gut!" Er gab ihr die Tasse zurück, setzte sich mühselig auf und schloss kurz die Augen, um sich zu entspannen und die Schmerzen zu vergessen.

"Aber genauso gut tut es endlich mal einen normalen Menschen bei sich zu haben!" Andrew erinnerte sich nur ungern an die schmerzhafte Begegnung mit Servothate und auch die unschönen Erlebnisse, die er mit Hades hatte.

"Du solltest dich besser nicht mit Servothate anlegen. Er ist mehr als berüchtigt einer der schlimmsten und brutalsten Dämonen zu sein und er wird sicher nicht davor zurückschrecken, dir noch mal etwas anzutun!" Kira drückte sanft seine Hand etwas fester, die anfing zu zittern.

"Aber mein Vater hat ihm doch ausdrücklich befohlen, dass er mich nicht anfassen darf!" Erneut stieg in ihm die Wut auf, die er auf Servothate hatte, welche aber schnell wieder gezügelt wurde, als er ein Stechen in der Herzgegend spürte.

"Lass dich von ihm nicht provozieren. Servothate hält sich an kaum Befehle. Er macht was ihm gefällt, besonders, wenn er seinen Vorteil daraus ziehen kann!" Sie rückte etwas näher an ihn heran und strich ihm vorsichtig über das blasse noch leicht verschwitze Gesicht.

"Halt dich einfach an seine Spielregeln und wenn er dich aufregen sollte, dann lass deine Wut lieber bei mir raus und nicht bei ihm, okay?" Kira wusste, dass es für Andrew nicht einfach war, aber sie wollte auch nicht, dass ihm schlimmeres passiert.

"Ist gut!" gab er kleinlaut bei und wuschelte ihr durch das Haar, worauf sie freudig zu grinsen begann.

"Was werden wir beide denn in unserer gemeinsamen Zeit machen?" fragte Andrew sie, worauf sie sich vom Bett aufstand und ihm ihre Hand hinstrecke.

"Komm einfach mal mit und ich zeige es dir!" Leicht zögerlich ergriff er ihre Hand und richtete sich auf. Sie führte ihn durch das zwar kleine, aber doch sehr schön eingerichtete Schloss, in dem viele hübsche Marmorstatuen standen, welche die Gestallt von Menschen und Fabelwesen hatten, bis nach draußen zu den riesigen Holzställen, in dem ihre Drachen sich im Stroh ausruhten.

"Ich werde dir den richtigen Umgang mit den Drachen beibringen!" Kira war eine Meisterin mit ihrer sanften Art das Gemüt der Drachen zu beeinflussen und sie somit gefügiger für die anderen Leute zu machen, da Drachen nur zu gern ihren eigenen Kopf durchsetzen wollten, was nicht immer ohne Folgen war.

"Wow, das sind echt schöne Exemplare, die du da hast!" staunte Andrew und mustere sie mit großen, aufgeregten Augen.

"Ach, das sind ganz gewöhnliche Sumpfdrachen. Die findest du hier an jeder Ecke. Deiner ist etwas besonderes. Er zählt zu den seltensten Drachen, die es hier noch gibt!" Mit einem sanften Lächeln auf dem Gesicht schritt Kira zu einer ihrer großen Echsen und streichelte seinen schuppigen Kopf, den er ihr entgegenstreckte.

"Er ist ein Eiskristalldrache... die wurden so lange gejagt und verfolgt wegen ihrer großen magischen Kräfte, dass es sie heute so gut wie nicht mehr gibt!" Sie kraulte leicht den Hals ihres Drachen, der darauf genussvoll die Augen schloss und ein leicht schnurrendes Geräusch von sich gab.

"Aber für heute halte ich es noch für besser, wenn du dich ausruhst und wir lieber das nächste mal mit dem Training anfangen!" Grinsend zog sie Andrew an der Hand in die Heuecke und ließ sich mit ihm dort nieder.

"Was habe ich denn eigentlich noch so alles zu erwarten, was meine Lehrer und Zeitgenossen in den kommenden Tagen betrifft!" Andrew lehnte seinen Kopf gegen die Wand und vergrub langsam seine Füße in dem duftenden Heu.

"Mit Rossiel dürftest du soweit keine Probleme haben, solange du nicht an seiner Selbstverliebtheit und an seinem Ego kratzt!" erzählte Kira, wobei sie sich an Andrews Brust kuschelte.

"Er lässt schon aus Angst davor sich einen Nagel abzubrechen, seine Finger von dir. Sei du einfach korrekt zu ihm, dann wird er dir auch das richtige Schwertkämpfen beibringen!" Langsam wanderten Kiras zarte Fingerspitzen über die Knöpfe seines Seidenhemdes, während sie sich noch fester an ihn kuschelte. Leicht verwundert blickte Andrew sie an, ließ es aber dann doch bleiben, etwas zu sagen, und legte stattdessen seinen Arm um sie.

"...sag mal,...!" fing Kira leicht zögerlich an. "..hast du eigentlich.. eine feste Freundin?" Ihre Stimme wurde immer leiser und eine leichte Röte stieg in ihr sonst so blasses Gesicht.

"Mh,, also nicht, dass ich wüsste!" Mit einem leicht grübelnden Ausdruck im Gesicht, blickte er in die Luft, bevor er spürte, dass Kira sich nochmals fester an ihn kuschelte und dabei zufrieden lächelte. Mehr wollte sie gar nicht in diesen Moment wissen, um glücklich zu sein. Endlich hatte sie jemanden gefunden, der sie nicht wie den letzten Dreck behandelte und sie benutzte, wann und wo es beliebte, nur um sie danach wieder wegzustoßen. Zumindest war sie sich dem sehr sicher und auf ihr Gefühl hatte sie sich bis jetzt immer verlassen können. Andrew wunderte sich noch einen kleinen Moment, bis er schließlich leicht schmunzelnd seinen Kopf wieder gegen die Wand lehnte und seine Augen schloss, um diese Stille und Wärme in vollen Zügen zu genießen und sich zu entspannen.

Du hast nichts verlernt...

Derweilen erreichte Hades die durch das Ostlager gesperrte Zone, deren breiter Schutzwall sich kilometerweit in die Ferne erstrecke und an dessen Großen Eingangstor zwei Oger standen, die durch ihre beachtliche Größe von über zwei Metern und ihre Muskeln, die man unter der dicht behaarten Haut erkennen konnte, nicht sehr einladend wirkten. Aus ihren Großen Maul mit den vielen scharfen Reisszähnen tropfte Sabber auf den kargen Erdboden, doch ihr kalter Blick blieb ungeachtet dessen eisern auf die Umgebung gerichtet. Als sie Hades Drachen in der Luft erspähten, hoben sie ihre Streitäxte zum Gruß in die Luft, und sahen zu, wie das mächtige Tier, über das Tor flog und auf einem freien Platz dahinter landete.

"Schön dich mal wieder hier zu haben, Hades!" begrüßte ihn eine junge Frau, die mit verschränkten Armen langsam von einem großen Zelt aus, auf ihn zuschritt.

"Diese Freude ist ganz meinerseits, Yakata!" Er umarmte sie kurz und hauchte ihr dabei einen leichten Kuss auf ihre blassen Wangen.

"Ich hab keine guten Nachrichten im Moment!" Mit einem leicht bedrückten Gesichtsausdruck führte sie ihn zu ihrem Zelt, wo sie ungestört reden konnten. Sie setzten sich auf, die mit dunkelroten Samt überzogene Couch, vor der ein kleiner Holztisch stand auf dem eine Karte in 3_D Format lag.

"Die ersten zwei Schutzschichten sind bereits aufgebrochen und es wird nicht mehr lange dauern, dann werden auch die anderen nachfolgen!" Sie deutete auf einen großen Krater auf der Karte, in dessen Inneren eine leuchtende Kugel zu sein schien,

"Wie lange meinst du, wird es noch dauern?" Hades Augen musterten genau jeden cm auf der Karte.

"Wir haben noch 3 Wochen und wenn wir es dann nicht so schnell es geht töten, wird es bald keine Unterwelt und kein Himmelsreich mehr geben!" Der ernst in Yalatas Augen, ließ Hades kurz erschaudern. Um nicht länger diesen bedrückenden Anblick vor sich zu haben, lief sie die Karte mit einem flinken Handgriff verschwinden und lehnte sich dann zurück gegen die Couch.

"Mir ist zu Ohren gekommen, dass du ja nun nicht mehr alleine in deinem Schloss wohnst..!" schmunzelte Yakata. "Wie geht es deinem Sohn "Ich hoffe doch, dass es ihm gut geht!" Er rückte ein Stück näher zu ihr und legte sanft seine Hand auf ihr Knie und streichelte über ihren Schenkel.

"Du kannst auch nie genug bekommen, was? Ich wette du hattest deine Finger auch schon an deinem Sohn!" Mit einem tiefen, verführerischen Blick in seine Augen setzte sie sich auf seinen Schoß und streichelte mit den Fingerspitzen über sein Gesicht.

"Wie kommst du nur auf einen so absurden Gedanken!" hauchte er mit dunkler Stimme und gab ihr einen langen, innigen Zungenkuss, während seine Hände versuchten ihr Korsett zu öffnen.

"Du solltest dich schämen, in einem solchen Moment an so was zu denken!" Gierig zupften ihre Finger an den Knöpfen seiner Uniform und streiften sie hastig von seinem Körper.

"Heißt es denn nicht immer, dass man positiv denken soll, oder?" Er drückte ihren Oberkörper ein Stück weg von sich und riss kraftvoll das Korsett auf. Seine Hände wanderten über ihre schneeweißen Brüste und fingen an sie schön zu massieren, während er sie wieder küsste.

Doch plötzlich stürmte ein völlig aufgebrachter Soldat ins Zelt, der Yakata berichtete, dass einer der jungen Drachen verrückt spielte und das Lager zerstörte.

"Ausgerechnet jetzt!" Leicht grummelnd stieg Yakata von Hades runter, der sich hastig wieder seine Uniform überstreifte.

"Das holen wir später nach!" Er warf Yakata noch ein Hemd zu, dass sie sich anziehen konnte, bevor sie dem Soldaten zu dem Drachen folgten, dem eine ganze Truppe an Ogern Einhalt zu gebieten versuchte. Doch der mit messerscharfen krallen bestückte Schwanz des Tieres war eine sehr gefährliche Waffe, die problemlos alle Gegner in Stücke reissen konnte. In kleinen Haufen stürmten die Oger auf den Drachen zu und versuchten ihn mit ihren Schwertern zu töten, doch mit einem gezielten Hieb seines Schwanzes zerstückelte die große Echse alles, was ihr zu nah kam und spie danach einen markerschütternden Schrei aus, der die Luft für eine Sekunde erzittern ließ. Es dauerte nicht lange, bis sich eine blutige Pfütze aus Innereien und Leibern um die Kreatur gebildet hatte.

"Wenn das weiter so geht, verlieren wir zu viele gute Soldaten!" Yakata traute ihren Augen nicht, was dieses Tier mit ihren Männern anstellte und musste die Sache selber in die hand nehmen, um dem endlich ein Ende zu setzen. Doch gerade als sie sich eine der Äxte schnappen wollte, hielt Hades sie zurück.

"Lass mich das machen! Du könntest dich nur dabei verletzen!" Hades nahm ihr die Axt aus der Hand und holte sich noch eine zweite, die er in die Luft streckte.

"Meister der Unterwelt, schenke mir deine Kraft für den Sieg!" brüllte er und wurde sofort von einer Art Magienebel umfasst, welcher Flammen an den Axtklingen auflodern ließ.

"Kämpfe, um zu töten. Fliehe, um zu sterben. Überlebe, um zu tyrannisieren!" Mit aller Kraft schleuderte er eine der beiden Waffen auf die Stirn des Drachens, deren Klinge sich durch den harten Panzer bohrte und stecken blieb. Ein schmerzerfüllter Schrei drang aus der Kehle des Untiers, das seinen Kopf hoch gen Himmel streckte. Darauf hatte Hades nur gewartet. Kampflustig stürmte er mit der zweiten Axt auf den Drachen zu und schlug ihm mit einem kräftigen Hieb das Eisen in den Hals. Tief schnitt sich die Klinge in das Fleisch und warmer, grüner Schleim sprudelte aus der Wunde. Krächzend schnappte das Tier nach Luft. Blanke Panik war in den weit aufgerissenen Augen zu sehen, als sowohl aus seiner Schnauze als auch aus seinem großen Maul Schleim herausquoll. Vor Schmerzend windend sackte der Drache zu Boden und seine Haut und sein Panzer finden zu ätzen an. Immer mehr fraß sich die giftige Substanz, die sich auf seinem Körper bildete, durch ihn durch, bis auf die Knochen. Schon nach wenigen Sekunden war nichts weiter mehr als ein riesiges Skeletthaufen übrig, der in sich zusammen fiel.

"So, das wäre erledigt!" Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck drehte er sich zu Yakata um und ging auf sie zu.

"Wie ich sehe, hast du nichts verlernt!" Ein leichtes schmunzeln machte sich in ihrem Gesicht breit.

"Ich hab auch noch ganz andere Dinge nicht verlernt!" Er nahm sie auf seine Arme und trug sie hastig ins Zelt zurück.

Zerschlagene Hoffnung...

Mit langsamen Schritten bewegten sich Nadja und Kurai durch die Räume des Meisters. Die großen Steinstatuen, die an den Wänden befestigt waren, schienen jede ihrer Bewegungen zu verfolgen und starrten sie dabei düster mit ihren elend verzogenen Fratzen an. Unruhig blickte Nadja sich um und wartete nur darauf, dass hinter jeder Ecke einer Anhänger des Meisters lauerte und sie festnehmen würde.

"Was ist, wenn dieser Kerl längst weiß, wer wir sind und uns nun töten will?!" flüsterte sie ihm leise zu und drehte sich wieder um, damit auch niemand hinter ihnen war.

"Na ja, dann haben wir wohl leider Pech gehabt, aber den Versuch war es wert!" Er zuckte gleichgültig mit den Achseln, worauf Nadja ihm einen entsetzten Blick zuwarf. Sie verstand nicht, wie er so leichtfertig darüber reden konnte, dass sie vielleicht sterben würden, wenn diese Aktion nicht gut laufen würde. Sie erreichten das Ende des Ganges und standen nun vor der Tür, deren Schicksal sich dahinter entscheiden würde. Ob sie lebend wieder herauskommen und eine Chance hätten Andrew zu retten, oder ob sie sterben würden und das alles umsonst gewesen wäre.

"Überlass mir einfach das Reden, dann wird es schon klappen!" Er klopfte gegen die schwere Ebenholztür, die sich gleich darauf, wie von Geisterhand öffnete. Erschrocken griff Nadja nach Kurais Hand und hielt sie fest. Gemeinsam betraten sie einen düsteren Raum, dessen Wände so schwarz wie die Nacht waren und nur vereinzelte Kerzen spendeten in dieser Dunkelheit ein fahles Licht. "Kommt ruhig näher und setzt euch!" begrüßte der Meister sie, der am Ende des Raumes auf einem aus Menschengerippe erbauten Thron saß und einen Kelch mit kalten Blut schwenkte. Sie folgten seiner Aufforderung und setzten sich auf die große Couch vor dem Thron, deren Überzug aus Menschenhaut angefertigt worden war, die zu Nadjas Entsetzen auch noch warm war.

"Wer seid ihr beide denn eigentlich und was hat euch den weiten Weg zu meinem Turm geführt?" Genüsslich nahm er einen Schluck aus seinem Kelch und ließ das Blut langsam seine Kehle hinunterrinnen.

"Das ist Nadja und mein Name ist Kurai. Wir haben eine lange Reise hinter uns und am Ende festgestellt, das uns das normale Leben nichts wirkliches geben kann und nun wollen wir uns dem wahren Sinn des Lebens widmen!" Sicher im Klang seiner Stimme legte er seinen Arm um Nadja, um diese spüren zu lassen, dass sie keine Angst zu haben brauchte.

"Lügner!" fuhr es eiskalt über die Lippen des Meisters, worauf die beiden erschrocken zusammenzuckten.

"Wie soll ich das verstehen? Warum sollten wir Lügner sein?!" Kurai versuchte das leichte Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken.

"Alles was ihr wollt, ist der Schlüssel der schwarzen Seelen. Habe ich recht?" Der Meister stellte den Kelch auf einen kleinen Tisch neben dem Thron und erhob sich. Mit sicheren Schritten ging er auf sie zu und seine weißen, kalten Augen jagten Nadja eine Gänsehaut über den Rücken. Kurai war sprachlos. Damit hätte er nun nicht gerechnet.

"Ich kann mir nur nicht vorstellen, was ein Mensch und ein Engel in den tiefen Schluchten der Hölle wollen!" Er beugte sich vor zu Kurai, ließ dessen feuerrote Mähne durch seine Finger gleiten und roch dabei an ihnen. Er sog den Duft tief in sich ein, während Kurai der Angstschweiß von der Stirn rinnte.

".. wie.. wie war es Euch möglich, dass herauszufinden..?" flüsterte Kurai mit heißerer Stimme.

"Mit wem, glaubst du, hast du es zu tun? Mit einem einfachen Sektenguru, der hier ein paar Spinnern etwas über das Leben erzählt und sie nach und nach in den Tod springen lässt?" Der Meister schloss die Augen und atmete tief ein.

"Ich bin einer von deinem Gott Verschmähter und von Satan Erhörter. Ich trage seine Kräfte in mir und versorge ihn mit Soldaten. Ich sehe mit seinen Augen und irgendwann wird er mich ganz zu sich aufnehmen und ich werde mit ihm über die Unterwelt herrschen!" Er ließ wieder von Kurai ab und schritt etwas von der Couch zurück.

"Satan wird Euch zu sich aufnehmen?!" Ungläubig zog Kurai eine Augenbraue nach oben und blickte skeptisch den Meister an.

"Ja, ... und du wirst meine Eintrittskarte in seine Welt sein!" Blitzschnell packte er Kurai am Hals, der im ersten Moment nicht wusste, was nun mit ihm geschah. Nach einigen Sekunden raffte er sich endlich auf und versuchte sich mit aller Kraft gegen den festen Griff des Meisters zu wehren., jedoch vergeblich.

"Nimm sofort deine Finger weg von ihm!" Hastig sprang Nadja von der Couch auf und zerrte an dem Arm des Meisters mit dem er Kurai immer noch fest im Griff behielt. Gemeinsam schafften sie es schließlich ihn zu befreien und Kurai nutze diese Gelegenheit um seine wahre Gestallt anzunehmen. Seine feuerrot schimmernden Flügen bohrten sich durch seine Schulterblätter und sein Hemd und breiteten sich dann in dem dunklen Raum aus und erhellten ihn ein wenig mehr. Er rief mit magischen Worten sein Schwert zu sich, das sich vor ihm aus einer Flamme heraus bildete und umschlang es fest mit beiden Händen.

"Gib uns jetzt sofort den Schlüssel oder ich werde dich töten!" Drohend richtete Kurai sein Schwert auf den Meister, der darauf nur zu schmunzeln anfing.

"Töte mich doch. Lieber sterbe ich als dir den Schlüssel zu geben!" Er blickte genau mit seinen verschleierten Augen in die vor Wut entbrannten Augen Kurais.

"Außerdem werdet ihr diesen Turm eh nicht lebend verlassen, selbst wenn ihr mich töten solltet. Vergiss nicht, ich habe viele hundert von Gläubigen hier, die euch auf mein Ableben hin sofort überwältigen würden!" Ein Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit, als er merke, dass Kurai nicht mehr weiter wusste. Nadja wandte ihren Blick nicht wissend zu wem sie nun schauen sollte, abwechselnd zu Kurai und dem Meister. Kein klarer Gedanke schien ihr nun möglich, der sie vielleicht aus dieser Miesere retten könnte. Schließlich musste Kurai einsehen, dass eine Flucht die einzige Möglichkeit war, die sie nun hatten und sprach erneut einige magische Worte, die eine Flammenbarriere um den Meister errichteten. Sie verletzte ihn zwar nicht, aber sie würde ihn für einige Sekunden daran hindern, sie zu verfolgen.

"Los, wir müssen hier raus!" rief er zu Nadja, die völlig perplex da stand. Er packte sie fest am Handgelenkt und schleifte sie hinter sich her, während er hastig aus dem Raum den langen Gang entlang rannte. Doch diese plötzliche Unruhe blieb nicht unbemerkt und sofort stürmten einige der in Tüchern verhüllten Gläubigen hinter ihnen her. Nadja versuchte mit Kurai Schritt zu halten aber er war einfach zu schnell und ihr Handgelenk fing langsam von seinem festen Griff an zu schmerzen. Einige Gestallten versuchten sich ihnen in den Weg zu stellen, aber mit einem schnellen Schwerthieb schaffte Kurai sie beiseite. Nach schier endlosen Sekunden erreichten sie endlich wieder den breiten, leuchtenden Strahl, der sie in die Freiheit bringen würde. Mit letzten, schnellen, stolpernden Schritten durchquerten sie ihn und waren schon im nächsten Moment wieder draußen auf der Wiese, auf der sich der große Turm erstreckte.

"Lass und bloß abhauen von hier!" Mit zitternden Händen umschlang er Nadjas Körper und erhob sich mit ihr mit müden Flügelschlägen in die Luft.

Ein weites Stück entfernter sackte Kurai erschöpft auf einer Waldlichtung zu Boden. Er atmete schwer, während sich seine Flügel langsam wieder in seinen Körper zurückzogen, bis nur wieder zwei breite Narben, durch sein zerrissenes Hemd. auf seinen Schulterblättern zu sehen waren. Nadja lag auf dem Rücken und schnappte keuchend nach Luft. Ihr ganzer Körper zitterte und vor ihren Augen sah sie noch immer die Bilder der vergangenen Minuten. Langsam bildeten sich kleine Tränen in ihren Augen, die auch Kurai bemerkte, als er sich mühevoll versuchte aufzurichten. Er wollte schon seinen Mund aufmachen und etwas sagen, doch es fielen ihm einfach nicht die passenden Worte in diesem Moment ein und so ließ er es lieber sein.

".. ich werde ihn nie wieder sehen..." schluchzte sie mit kaum hörbarer Stimme, worauf Kurai sie betrübt anblickte. Am liebsten hätte er gesagt, er wüsste nun einen Weg, auf dem sie Andrew retten konnten, ohne das etwas schief gehen könnte, aber das wäre gelogen gewesen. Die einzige Möglichkeit bestand in dem Schlüssel, der aber nun für sie in eine unerreichbare Ferne gerückt war. Sie konnten nun nicht einmal mehr in die Nähe dieses Turms geschweige denn, hinein.

"...es...es tut mir leid..!" Waren die einzigen Worte, die er nun über seine Lippen brachte.

Etwas fehlt...

Andrew und Kira saßen noch immer im warmen Drachenstall und unterhielten sich. Ein müdes Gähnen zeigte Andrew jedoch, dass es langsam Zeit für ihn wurde, wieder zurück ins Schloss zu gehen und sich in sein Bett zu legen.

"Schaffst du es denn alleine nach Hause?" Kira half ihm auf die Beine und schritt dann langsam mit ihm Richtung Ausgang.

"Mach dir keine Sorgen. Das werde ich schon hinbekommen!" Lächelte er und wollte gerade weitergehen, als er vor sich eine dunkle Gestallt erblickte.

"Ich werde ihn nach Hause bringen!" knurrte diese Person mit tiefer Stimme und trat ins Licht. Es war Servothate. Erschrocken wich Andrew zurück und legte seinen Arm fest um Kira.

"Ich brauche keinen Babystitter. Ich werde das auch gut alleine hinbekommen!" Andrew wandte seinen zornig werdenden Blick gen Boden, um es zu vermeiden Servothate dabei anzuschauen.

"Davon bin ich aber weniger überzeugt!" Leicht schmunzelnd rieb Servothate sich mit dem Zeigefinger am Kinn und schnippte dann kurz mit seinen Fingern, worauf Andrew plötzlich einen furchtbar stechenden Schmerz in seinem Bein spürte. Er biss sich fest auf die Lippe und sackte auf ein Knie, während er mit beiden Händen sein schmerzendes Bein hielt. Besorgt beugte sich Kira zu ihm, um ihn vielleicht irgendwie helfen zu können, doch schon im nächsten Augenblick packte sein Peiniger ihm fest am Arm und zog ihn wieder hoch.

"Sieht doch nicht so aus, als ob du das alleine hinbekommen würdest!" Ein Grinsen zeichnete sich deutlich unter Servothates Tuch ab, während er mit einem ordentlichen Ruck, Andrew auf seine Schultern hob.

"Es ist bestimmt besser für dich Andrew, wenn er dich nach Hause bringt!" Ein leicht betrübtes Seufzen war deutlich im Klang Kiras Stimme zu hören. Sie hielt es für besser Servothate nicht weiter zu folgen, der Andrew aus dem Stall zu seiner Kutsche trug und ihn dann durch die offene Tür auf die Sitzbank beförderte. Noch immer verspürte Andrew heftige Schmerzen in seinem Bein, die aber langsam abzunehmen schienen. Servothate setzte sich auf die gegenüberliegende Sitzbank und schaute ihm dabei zu, wie er sich langsam aufrecht hinsetzte, nachdem das Stechen, weiter nachließ.

"Musst du dich permanent einmischen?" murrte Andrew böse und warf ihm einen gereizten Blick zu. Servothate fing leicht zu schmunzeln an.

"Ich bin schließlich auch dafür zuständig, dass du in Sicherheit bist, bis dein Vater wieder zurückkehrt. Und da kann ich es nicht verantworten, dass du alleine umherstreifst!"

Die Kutsche setze sich in Bewegung und die anmutigen Zentauren zogen sie Richtung Hades Schloss. Es wurde langsam Abend und vor den großen Mauern von Hades Schloss wechselten die Wachtruppen. Die vom Tag erschöpfen Soldaten zogen sich in ihre Räumlichkeiten im unteren Teil des Gebäudes zurück, während sich die neuen auf ihre Posten verteilten, um die Umgebung sicher vor Feinden zu schützen. Ohne Rücksicht auf Andrews Wohl zerrte Serovathe ihn nach der Ankunft aus der Kutsche und ins Schloss.

"Ich würde dir dringend empfehlen ein Bad zu nehmen. Du riechst ziemlich intensiv nach Drachenmist!" Servothate rümpfe die Nase, als Andrew ihn darauf einen leicht genervten Blick zu warf. Andrew hatte wahrlich das Gefühl es würde seinem Lehrer Spaß machen, ihn zu ärgern und ihm eines reinzuwürgen sobald sie die Chance dazu bot. Seine einzige Hoffung bestand darin, dass sein Vater möglichst schnell wieder nach Hause käme, damit er seine Ruhe hatte vor diesen Leuten. Mit schleifenden Schritten bewegte er sich in Richtung der Badegemächer und entledigte sich unter dem Augen Servothates nur ungern seiner Kleidung.

"Spanner!" zischte Andrew ihn an, bevor er ins Wasser sprang. In dem warmen entspannenden Nass, dass seinen ganzen Körper umhüllte, konnte er für einige Sekunden den ganzen Ärger vergessen. Eine Wohltat für ihn. Sofort schwamm Ky auf ihn zu und begrüßte ihn mit einem sanften Stupsen.

"Wie kann man sich nur so ein primitives Haustier halten!" Kopfschüttelnd verließ Servothate das Bad und zog es vor im Speisesaal auf Andrew zu warten. Erleichterung stieg in Andrew auf, als er erkannte, dass er endlich alleine war. Endlich ein paar Minuten die nur ihm gehörten und in denen er sich nicht die Anwesenheit anderer gefallen lassen musste, die ihn einfach nur nervten. Er lehnte sich gegen die Beckenrand und schloss die Augen. Wie gern hätte er nun Nadja bei sich. In dieser für ihn harten Zeit, vermisste er ihr sanftes Lächeln und ihre aufmunternde Art, die sie ausstrahlte. Wie es ihr wohl gehen würde? Was sie wohl jetzt gerade tut? Diese Fragen schwirrten mit in seinem Kopf herum, während an die schöne Zeit mit ihr dachte.

Er verweilte noch einige Zeit in seiner Gedankenwelt, bis er sich fürs das Essen mit Servothate fertig machte, von dem ihm schon beim Gedanken daran schlecht wurde.

Ruhe vor dem Sturm...

Im Ostlager kehrte langsam Ruhe ein. Die müden Soldaten zogen sich in ihre Zelte zurück, um neue Kraft zu tanken, die großen Drachen wurden in ihre Ställe gebracht und ausreichend mit Futter und Wasser versorgt und die letzten Soldaten, die noch auf den Füßen waren, räumten die übrigen Waffen auf, die herumstanden. Eisern hielten die Oger vor den Mauern des Lagers Wache, während langsam die Nacht über ihnen hereinbrach. Völlig in Gedanken versunken, saß Hades auf einer kleinen freien grasbedeckten Stelle mit seinem Drachen, auf der zuvor noch hart trainiert wurde. Er genoss die Stille die nun herrschte und nur von dem leichten Schnauben seines Drachens unterbrochen wurde. Über ihm glitzerten viele tausend Sterne und auch einige Planeten waren gut am Firmament erkennbar, die ihr schummriges Licht auf ihn warfen.

"Hades, sagt mir bitte, wisst Ihr mehr über dieses Wesen, das wir töten sollen?" Leisen Schrittes näherte sich Yakata ihm, die vergeblich im Zelt auf ihn gewartet hatte. Sie hatte einen leicht besorgten Ausdruck im Gesicht, als sie sich neben Hades auf den Boden setzte.

"Lass uns es einfach vernichten! Ohne irgendwelche Fragen zu stellen!" murmelte er leicht unverständlich und blickte weiter stur in den Himmel. Einen Moment lang schaute Yakata ihn musternd an. Sie ahnte, dass er genau wusste, was dieses Wesen war und woher es stammte.

"..kann es sein, dass .. Ihr vielleicht irgendwas mit der Sache zu tun habt? Weißt du woher es kommt?" Ihre Augen ruhten weiter auf ihm, doch er reagierte nicht auf ihre Fragen. Es schien so, als hätte er sie mit Absicht überhört, um keine Antwort darauf geben zu müssen.

"Es ist bald wieder soweit!" Öffnete er schließlich seinen Mund, weiter ungeachtet ihrer Fragen und deute mit seinem Finger auf die Planeten über ihnen. Yakata stutze kurz, bis sie wusste, was er meinte.

"Ja, die Nacht der sieben Monde...!" Ihr war nicht ganz Wohl bei dem Gedanken an diese Nacht. Gerade in ihrer jetzigen Situation, wo ihre Soldaten hart kämpfen mussten, kam das sehr ungelegen.

Aber ungeachtet dessen, gingen ihr immer noch ihre Fragen durch den Kopf. Sie wollten sie ihm erneut Stellen, doch irgendwie glaubte sie, dass er er sie nur wieder nicht beachtete oder sauer werden würde. Aber wieso konnte er ihr nicht einfach sagen, was er wüsste? Es konnte doch nicht so schlimm sein.

"Falls es keine weiteren Zwischenfälle gibt, werde ich in sechs Tagen wieder abreisen. Ich muss mich auch noch um meinen Sohn kümmern!" Langsam richtete sich Hades auf und streichelte seinem Drachen über den schuppeigen Rücken, bevor er sich auf dem Weg zum Zelt machte, um sich hinzulegen. Yakata blieb noch einige Sekunden sitzen, bis sie sich auch vom Boden erhob. Ein leichtes seufzen drang über ihre Lippen, als sie ihm nachblickte.

Funkelnde Schönheit...

Andrew saß hingegen gelangweilt am großen Tisch und stocherte mit der Gabel in seinem Essen auf seinem Teller rum, von der er nicht mal wusste, was es sein sollte. Mit verzogenem Gesicht stütze er seinen Kopf auf seiner Hand ab, während Servothate ihn mit allen möglichen geschichtlichen Ereignissen nervte. Er ließ die vielen Sätze über Kriege und Herrschaften einfach auf sich einrieseln ohne sich auch nur einen davon zu merken. Sein Blick wanderte von den großen Fenstern zu seiner Rechten, die einen Ausblick in die Dunkle Nacht boten, bis zu dem Dienstmädchen zu seiner Linken, die geduldig auf weitere Befehle wartete und dabei den Kopf immer nach unten gesenkt hielt. Schließlich schob er angewidert den Teller von sich weg und starrte Servothate an. Kurz grübelte er nach, bis er wieder den Kopf von seiner Hand hob.

"Mein hochgeschätzter Lehrer Servothate, vergebt mir meine törichte Äußerung, aber mein noch immer existierender menschlicher Mechanismus weißt mich darauf hin, dass es allmählich Zeit wird für mich, meine nun historisch erfrischten Zellen ausruhen zu lassen, indem ich mich jetzt in mein Schlafgemach begeben werde, um wieder neue Kräfte zu schöpfen, damit ich Euch am morgigen Tag vom neuen begeistert lauschen kann!" Mit einer leichten Verbeugung richtete er sich vom Stuhl auf.

"Oh, welch bezaubernde Wortwahl!" Leicht schmunzelnd schlug er sein Buch zu, legte es zur Seite und musterte Andrew von oben bis unten, als der auf ihn zu schritt, um den Saal zu verlassen und in sein Zimmer zu gehen.

"Ich warne dich!" Den schnellen Griff nach seinem Arm konnte Andrew nicht ausweichen.

"Meine das was du eben gesagt hast lieber ernst, denn solltest du mich verarschen, kommt das deiner Gesundheit nicht gerade zugute!" knurrte Servothate ihm dunkel ins Ohr und ließ den leicht blassen gewordenen Andrew wieder los, der darauf schnell den Saal verließ. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, atmete er erst einmal tief ein. Er war erleichtert diesen Kerl für heute endlich los zu sein. Doch noch war ihm nicht danach sich in sein gemütliches Bett zu kuscheln. Viel zu groß war die Neugierde nun endlich mal das Schloss alleine zu durchstöbern und zu schauen, was sein Vater nicht so alles hinter den vielen Türen versteckte. Er schlich sich die Treppe hinauf, die mit einem dunkelroten Teppich überzogen war, der sich bis an das Ende des langen Ganges oben erstreckte. Er wagte noch einen Blick vom Geländer aus nach unten, um zu prüfen, dass ihm auch niemand auf der Fährte war, bis er weiter den Gang oben entlang schlich, bis plötzlich eine seltsame Melodie an seine Ohren drang. Er hielt einem Moment inne um diesen Klängen zu lauschen, die aus einem der Zimmer zu kommen schienen. Mit langsam Schritten, ging er weiter und versuchte herauszufinden, hinter welcher Tür sich der Ursprung dieser hübschen Töne versteckte. Sanft berührten seine Finger schließlich die kalte Klinke der Tür, von der meinte, sie könnte die richtige sein und drückte sie nach unten. Er traute seinen Augen nicht, als er einen Blick in den Raum dahinter wagte. Der Boden war überflutet von Wasser, das aus kleinen Wasserfällen kam, die aus den Wänden entsprangen. In Mitten dieses Sees hob sich ein Felsen empor auf dem eine Frau sah, die schöner war als, alles andere was Andrew je in seinem Leben zuvor gesehen hatte. Ihr anmutiger Körper wurde von goldenen Federn umschlugen, die sie sanft bedeckten und auch in ihrem golden schimmernden Haar steckten einige. Kleine, funkelnde Lichtkörnchen schwebten sanft in den Farben eines Sonnenuntergangs um sie herum und erstreckten sich bis zur Decke, die ein nicht enden scheinend zu wollender Himmel war, der in sanfte rottöne getaucht war. Staunend betrachteten Andrews Augen diese schöne Gestallt vor sich und diese umwerfende Umgebung in der sie sich befand.

"Du darfst ruhig eintreten. Das Wasser ist weder kalt noch ist es tief!" Ihr traumhafter Gesang verstummte, aber ihre liebliche Stimme war genauso süß wie ihr sanftes Lächeln, dass sie ihm schenkte, als sie Andrew leicht unsicher an der Tür stehen sah. Er schluckte schwer, bevor er sich in das knietiefe, warme Wasser wagte, worauf sich die Türe schloss und wie von Geisterhand verschwand.

"Hab keine Angst, du kannst den Raum jeder Zeit wieder verlassen, wenn du das möchtest!" Erneut begann sie zu singen, wobei ihre Fingerspitzen sanft über die Saiten ihrer goldenen Harfe strichen, die auf ihrem Felsen stand. Andrew konnte noch immer nicht ganz begreifen wo er sich hier eigentlich befand. Je länger er sich in diesem Raum umblickte desto größer schien ihm diese kleine glitzernde Welt vorzukommen und schon bald hatte er das Gefühl in einem riesigen See zu stehen an diesem für ihn fremden Ort. Leicht schüchtern schritt er weiter auf sie und betrachtete weiter ihr hübsches Gesicht, dass auch in einem leicht goldenen Ton zu schimmern schien. Für einen Moment vergaß Andrew alles um sich herum. Alle Gedanken, die in seinem Kopf zuvor noch nicht ablassen wollten von ihm, waren verschwunden. Alle Sorgen und Ängste. Er hatte ein Gefühl vollkommender Zufriedenheit in sich, wie er es noch nie gespürt hatte.

"Du bist Hades Sohn, habe ich recht?" Sie richtete wieder ihren Blick auf ihn und musterte sein Gesicht. Erschrocken zuckte Andrew, aus diesem angenehmen Gefühl gerissen, zusammen und Nickte nur leicht verdutzt. Ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen.

"Du siehst deinem Vater sehr ähnlich, daher war es nicht schwer, dass zu erraten. Mein Name ist Sira!" Sie streckte ihm ihre Hand entgegen, die Andrew erst einen Augenblick betrachtete, bevor er näher kam und ihr seine gab. Endlich brachte auch er ein Lächeln zusammen, dass aber noch leicht schüchtern war.

"Du hast wirklich eine unglaublich schöne Stimme, wenn du singst!" Er hätte ihr noch stundenlang weiter so einfach nur zugehören können. Sie errötete leicht. Es kam nicht oft vor, dass sie hier jemand besuchen kam, um ihren lieblichen Klängen zu lauschen. Für Andrew war dies ein Ort den er nun öfters aufsuchen wollte, soviel stand für ihn fest. Diese angenehme Atmosphäre die hier herrschte, diese wohltuende Wärme und auch ihre Lieder waren mehr als einladend . Endlich schien er einen Ort der Ruhe für sich gefunden zu haben, weit fern von Servothate und der Gewalt die sonst in diesem Reich die Oberhand hatte. Doch so wohl er sich auch hier fühlte, es fehlte ihm doch etwas und das konnte auch Sira ihm nicht ersetzen. Nadja. Ein trauriger Ausdruck legte sich auf sein Gesicht , den auch Sira bemerkte.

"Was ist denn los? Fühlst du dich nicht wohl?" Besorgt beugte sie sich ein Stück von dem Felsen zu ihm runter, und strich sanft über sein Haar.

"..es ist nichts... ich musste nur eben wieder an jemanden denken!" Er mühte sich ein Lächeln ab, damit sie sich nicht so viele Gedanken machte.

"Dir scheint diese Person sehr am Herzen zu liegen, oder?" Sie berührte sanft mit ihren Fingerspitzen sein Gesicht, worauf er den Blick langsam zu ihr wandte. Er wusste nicht wie er Sira das alles erklären sollte, Seine Gedanken waren oft einfach nur so wirr, wenn er an Nadja dachte und doch hatte er eine so starke Sehnsucht nach ihr, dass er sie einfach nur gerne im Arm gehalten hätte, auch wenn es nur für ein paar Sekunden gewesen wäre. Es hätte ihm schon genügt ihre Wärme zu spüren. Mit leicht zitternder Stimme versuchte er Sira die Sache mit Nadja zu erklären, die aufmerksam jedem seiner Worte lauschte. Er sprach sich einfach alles von der Seele, was er die ganze Zeit so tief in sich begraben hatte und er hatte das Gefühl, dass Sira ihn verstand.

"Besteht denn keine Möglichkeit, dass ihr euch wiedersehen könnt?" fragte sie ihn.

"Ich weiß es nicht... ich weiß ja nicht mal, wo sie nun ist, wie es ihr geht .. und wie ich überhaupt auf die Erde zurückkehren könnte.. !" Seine Finger krallten sich an dem kargen Gestein des Felsens fest.

"Es gibt für alle Dinge eine Lösung und so werdet auch ihr beiden wieder einen Weg zueinander finden. Glaube mir und warte einfach ab!" Ihre beruhigende Stimme, entfachte in Andrew eine kleine Flamme der Hoffung. Vielleicht würde er sie doch bald wieder in seine Arme schließen können und dann würde er sie sicher nicht mehr loslassen, um nicht noch einmal so zu vermissen, wie er es nun tat. Er dankte Sira, dass sie ihm zugehört hatte. Allerdings wurde er nun doch müde und entschied sich lieber, sich hinzulegen. Immerhin würde er morgen wieder den ganzen Tag Servothates Anwesenheit ertragen müssen und dazu brauchte er viel Kraft und Nerven. Er verabschiedete sich von ihr und ging dann wieder auf die Stelle zu, durch die er gekommen war und plötzlich ohne etwas gemacht zu haben, stand er wieder im Gang, vor der Tür zu Siras kleiner Welt. Er blickte noch kurz lächelnd dort hin, bevor er einen Schatten vor sich entdeckte.

"Na, eine schöne Zeit bei der guten Sira gehabt?" Diese dunkle, knurrende Stimme konnte nur die von Servothate sein. Andrew hatte sich nicht verhört, denn schon im nächsten Augenblick trat er aus dem Schatten hervor und stellte sich vor Andrew. Leicht eingeschüchtert wich Andrew ein paar schritte zurück, wobei er seinem gegenüber tief in die Augen blickte.

"Ich wüsste nicht, was dich das angeht!" murrte Andrew kleinlaut und wich einen weiteren Schritt nach hinten weg.

"Hast wohl nun auch schon ihre Vorzüge für dich entdeckt?.. kommst doch mehr nach deinem Vater als ich dachte!" Während Servothate ihn grinsend weiter betrachtete, überlegte Andrew, was er wohl damit gemeint hatte. Irgendwie verstand er nicht ganz, auf was er anspielte. Servothate entging es nicht, dass Andrew ihn nicht ganz zu verstehen schien und half ihn noch ein bisschen weiter, beim denken.

"Was denkst du denn, warum dein Vater sich Sira geholt hat?...doch sicher nicht um ihre Schönheit zu bewundern oder sich von ihren Gesängen betören zu lassen!" Endlich schien auch Andrew zu begreifen, was Servothate die ganze Zeit meinte. Für einen Moment stand er völlig reglos da. Alle möglichen Gedanken und Bilder schossen ihn durch den Kopf, was sein Vater mit Sira gemacht hatte. Glaubte sie nun, er würde das selbe von ihr wollen? Mit wie vielen Frauen hatte er das gleiche noch getan? Er konnte nicht glauben, dass Hades Frauen einfach nur für seine fleischlichen Gelüste missbrauchte.

"Das ist nicht wahr! Mein Vater würde so was nicht tun!" drang es zögernd über seine Lippen. Er war zu verunsichert um seiner Stimme einen festeren Klang zu verleihen.

"Na, was denkst du denn warum es dich gibt?.. du warst auch nur eines seiner Gelüste, dass er eben an einem Engelsweib ausgelassen hat.. du bist nichts weiter als ein Unfall..!" Mit Gleichgültigen Gesichtsausdruck blickte Servothate zu Andrew, für den in diesen Augenblick eine ganze Welt in sich zusammenfiel. Seine Augen wurden glasig und sein ganzer Körper zitterte, während er langsam zu Boden sackte. Er sollte nur ein Unfall gewesen sein? Ein flüchtiges Gefühl? Das würde erklären warum, seine Mutter ihn nicht leiden konnte. Es tat ihm weh solche Wort zu hören, auch noch von dem Menschen, den er bis jetzt am meisten in seinem Leben gehasst hatte.

"Tja, mein Kleiner. Du könntest einem nun schon fast leid tun, aber eben nur fast!" Servothate genoss es von oben herab, auf den am Boden knienden Andrew zu blicken und sich an seinen Schmerz zu ergötzen. Ein gehässiges Lachen schallte über seine Lippen, die unter dem Tuch verdeckt waren, aber dieses Lachen nahm Andrew nur noch sehr entfernt war. Zu tief war er in einem Gestrüpp aus Fragen, Gedanken und Bildern vertieft, die ihn fesselten und nicht mehr aus ihren Fängen los ließen.

Triste Gedanken...

Stillschweigend saß Nadja vor einem kleinen Kaminfeuer in einer alten, verlassen Hütte, die sie und Kurai beim Herumstreifen durch die Wälder entdeckt hatten. Ein kühler Wind pfiff durch die beschädigten, schmutzigen Fensterscheiben, durch die nur ein fahles Mondlicht von draußen hindurchscheinen konnte. Ihre müden Augen betrachteten das flackernde Feuer, das leise knisterte, während ihre Arme ihren Körper umschlangen. Ihre Gedanken drehten sich in diesem Moment nur um Andrew. Sie dachte an die gemeinsame Zeit, die sie verbracht hatten und sie fragte sich, ob sie ihn jemals wieder sehen würde. Doch je mehr sie darüber nachdachte, desto trauriger wurde sie dabei. Kurai trat aus der schäbigen Küche einen Schritt heraus und blieb im Türrahmen stehen, von der aus er sie anblickte. Sie hatte, seit sie aus dem Turm geflohen waren nichts mehr gesagt und er machte sich Sorgen um sie. Nach einigen Sekunden wandte er sich wieder der Küche zu und kam mit zwei Tassen Tee heraus, den er aus Kräutern gemacht hatte, die er in der Nähe der Hütte entdeckt hatte.

"Trink das. Es wird dir sicher gut tun!" Mit einem sanften Lächeln reichte er ihr eine Tasse, die sie zögernd entgegennahm und setzte sich dann neben sie.

"Meinst du.., es geht ihm gut?" fragte sie Kurai mit leiser Stimme und nippte einmal kurz an dem heißen Tee. Kurai stockte einen Augenblick. Er wünschte sich, sie hätte ihn etwas anderes gefragt. Etwas, worauf er mit gutem Gewissen eine beruhigende Antwort hätte geben können. Er wollte sie nicht anlügen, aber er wollte auch nicht, dass sie sich unnötig noch mehr Sorgen machte, als sie es jetzt schon tat.

"Es kommt darauf an, wie er sich benimmt. Wenn er keinen Mist baut, dürfte es ihm soweit recht gut gehen!" Er nahm einen großen Schluck Tee und kuschelte sich dann dicht neben Nadja, die ihn kurz ausdruckslos anschaute und dann wieder ins Feuer starrte. Kurai war müde geworden. Es war ein langer und anstrengender Tag für ihn gewesen und das einzige was er nun noch wollte, war sich etwas auszuruhen und zu schlafen. Nadja hätte gerne auch ein paar Minuten geschlafen, um ein bisschen Ruhe vor den ganzen wirren Gedanken und Erinnerungen zu haben, die ihr bereits Kopfschmerzen bereiteten, aber sie war viel zu unruhig dafür.

Die erste Flugstunde...

Allmählich wurde es wieder heller in der Unterwelt. Die Wachsoldaten wurden von den neuen abgelöst und konnten sich zur Ruhe begeben. Einige wilde Drachen flogen hoch am Himmel über die Schlösser hinweg und warfen einen großen Schatten auf den Boden. Müde rieb Andrew sich die Augen und wachte langsam aus seinem tiefen Schlaf auf. Es war für ihn eine lange Nacht gewesen, bis er endlich eingeschlafen war. Und an seine Träume wollte er sich gar nicht mehr erinnern, als er sich streckte und die Decke ein zur Seite räumte.

"Na, endlich wirst du auch mal wach!"

Erschrocken drehte sich Andrew zu seiner Rechten, wo er einen jungen Mann auf einen Stuhl sitzen sah, der gerade dabei war sich die Fingernägel zu feilen. Seine langen, dunklen, gelockten Haare, hingen ihm über die Schulter und sein Körper war in einem Anzug aus Lack gehüllt. Nachdem er auch den letzten Nagel an seiner Hand mit der Feile bearbeitet hatte, richtete der Mann seinen Blick auf Andrew, der wie erstarrt auf seinem Bett saß und sein Gegenüber musterte. Ihm war es ganz und gar nicht geheuer einen Fremden neben sich am Bett vorzufinden, wenn er gerade aufwachte.

"Geh das nächste mal ein bisschen eher schlafen, dann bekommst du wenigstens nicht diese grässlichen Augenringe, wie du sie jetzt hast!" Mit einem leichten Lächeln steckte der Kerl seine Feile in seine Brusttasche. Doch dann entsinnte sich Andrew, wer da vor ihm sitzen musste. Es konnte nur Rosiel sein, von dem Kira ihn erzählt hatte.

"Möchtest du mich den ganzen Tag noch weiter bewundern oder stehst du heute noch auf?"

Bei dem Satz wurde Andrew aus seiner Gedankenwelt gerissen und machte sich sofort auf den Weg zu seinem Kleiderschrank, um sich umzuziehen. An den gestrigen Abend wollte er nun nicht mehr denken, nachdem er sich schon die ganze Nacht darüber den Kopf zerbrochen hatte.

Zusammen mit Rosiel ging Andrew dann hinunter in die Sporthalle, ein riesiger Raum, mit allerhand Gerätschaften, Hanteln und Matten, auf denen Kampfübungen gemacht werden konnten. Rosiel stellte die große Tasche, die er mitgenommen hatte auf den Boden, band sich seine Haare zusammen und holte dann eine Maske aus der Tasche, damit er sein wunderschönes Gesicht vor eventuellen Kratzern schützen konnte. Dabei wurde er genau von Andrew beobacht, der sich fragte, ob sein neuer Lehrer, neben Schönheitspflege überhaupt noch etwas konnte, oder ob er seine Gegner mit Puderdosen und Haarspray attackierte. Leicht kopfkratzend blickte er sich in dem großen Raum um, und hoffte einfach mal das Beste.

"Wärm dich schon mal auf, ich will ja nicht, dass du dir gleich in unserer ersten Schwertkampfstunde was tust!" Rosiel wühlte weiter in seiner Tasche und warf Andrew ein altes, abgenutztes Schwert zu, dessen Klinge schon viele Kratzer abbekommen hatte. Vorsichtig fuhr Andrew mit den Fingerspitzen über das nun schon stumpfe Eisen. Irgendwie fühlte es sich für ihn toll an, ein Schwert in der Hand zu halten, auch wenn es nur so ein schäbiges war. Er glaubte nun ein großer Krieger zu sein, wie er es schon so oft in seinen vielen Büchern gelesen hatte und sich immer dabei vorgestellt hatte, er würde das sein. Und schon im nächsten Moment nahm er Kampfstellungen ein und lieferte sich waghalsige Schlachten mit imaginären Monstern und Rittern. Nachdem Rosiel sein Schwert auch noch herausgeholt hatte, schaute er Andrew einen Moment lang irritiert zu, bevor er es doch wagte etwas zu der Sache zu sagen.

"Andrew.. ,du solltest dich nur strecken und dehnen und nicht dir den Hals brechen!"

Bei den Worten zucke Andrew leicht erschrocken zusammen. Er hatte gar nicht mehr daran gedacht, dass er ja nicht alleine in dem Raum war und nun kam er sich doch ein wenig blöd vor. Unbeirrt von der ganzen Sache wollte Rosiel nun doch seiner Lehrstunde nachgehen und begann erst einmal sich zusammen mit Andrew zu dehnen. Bei den anschließenden Kampfstellungen, die sein Lehrmeister ihm zeigte, erwies sich Andrew als wahres Naturtalent. Ohne viel Hilfe konnte er schon nach kurzer Zeit sein Schwert sicher halten und gut im Kampf führen. Zwar musste er noch viel lernen und auf kleine Tricks um Hilfen achten, aber Rosiel war sich sicher, dass Andrew das auch bald meistern würde.

"Das hast du eindeutig von deinem Vater geerbt! Der ist ein genauso guter Schwertführer wie du!" Vorsichtig nahm Rosiel die Maske von seinem Gesicht und holte aus einem kleineren Täschchen, dass er noch mit sich führte einen Spiegel und Abdeckpuder mit dem er sich sein Gesicht auffrischte. Danach löste er den Haargummi und parfümierte sich noch ordentlich ein, worauf Andrew nur die Nase rümpfen konnte.

"Ach, in diesen Schuhen schwitze ich immer viel zu schnell.. ich brauch dringend neue und eine Pediküre!" jammerte Rosiel und schaute ob er nicht noch ein angenehmeres Paar Stiefel bei sich hatte, was jedoch leider nicht zutraf. Ein leichtes Grinsen breitete sich auf Andrews Gesicht aus, als er ihm so zusah. Er hatte keine Bedenken, was das Zusammenarbeiten mit ihm anging und wenn sein einziges Problem Schweißfüße und eventuelle Rötungen im Gesicht waren, dann konnte er einer ruhigen und wohl auch witzigen Zeit entgegen sehen.

"Andrew!" Mit einem strahlenden Lächeln stürmte Kira in die Halle, die Andrew, der nicht wusste wie ihm geschah, sogleich um den Hals fiel und ihn fest an sich drückte.

"Geht es dir gut? Bist du sicher nach Hause gekommen? Hat er dir was getan?" Dieser Welle von Fragen mit der sie Andrew überflutete, war im ersten Moment zu viel für ihn und er wusste nicht auf welche Frage er zuerst antworten sollte. Leicht überrumpelt warf er einen Blick zu Rosiel, der nur leicht Schmunzelte und ihm zum Abschied kurz zu nickte, bevor er die Halle mit seiner Tasche in der Hand wieder verließ.

"Mach dir keine Gedanken. Es ist nichts mehr weiter geschehen!" Beruhigend streichelte er mit einer Hand über ihr zartes Gesicht und schenkte ihr ein Lächeln, worauf sie ihn glücklich anstrahlte. Sie hatte sich die ganze Zeit Sorgen um ihn gemacht und gehofft, dass Servothate seine Finger von ihm gelassen hat, anstatt ihm neues Leid zuzufügen. Genüsslich kuschelte sie sich noch ein weiteres Mal fest an ihn und zog ihn dann am Arm aus der Halle heraus nach oben, wo sie vor einem großen Wandspiegel an der Seite Rosiel wieder begegneten, der sich ausgiebig im Spiegel bewunderte und schaute, dass seine Haare richtig saßen und kein Lippenstift auf seinen strahlend weißen Zähnen zu sehen war. Noch immer wunderte sich Andrew ein wenig darüber, warum dieser Kerl Schwertkämpfen lehrte und nicht eine Beautyfarm besaß. Er verkniff es sich aber lieber, diese Frage zu stellen und folgte ihr weiter vor die Tore des Schlosses, wo Kiras und sein Drache fertig gesattelt von zwei Soldaten gehalten wurden. Stolz streckte Andrews Drache seinen Kopf hoch in die Luft und spie eine große, bläuliche Stichflamme aus seinem riesigen Maul, worauf sein Besitzer erschrocken zusammenzuckte.

"Hab niemals Angst gegenüber einem Drachen. Sie merken dass und lassen sich mit dann mit Sicherheit nicht mehr unterwerfen!" Kira ging auf ihren zu und streichelte sanft über seinen schuppigen Kopf, den er ihr zur Begrüßung entgegenstreckte. Dann schwang sie sich mit Elan auf seinen Rücken und drehte eine kleine Aufwärmrunde auf dem Boden. Verunsichert schaute Andrew ihr dabei zu und blickte dann zu seinem Drachen, der seinen Kopf langsam zu ihm streckte und mit einem leichten Knurren an ihm roch. Ein kalter Schauer zog sich über seinen Rücken, als er diesen großen Kopf vor sich sah, mit dem Maul voller rasiermesserscharfer Zähne, die ihn problemlos mit einem Biss in Stücke hätten reißen könnten. Dann drehte diese riesige Echse den Kopf zur Seite, blickte Andrew mit seinem rechten Auge genau an und musterte ihn von oben bis unten. Andrew biss die Zähne fest zusammen und versuchte keine Angst zu zeigen, doch innerlich zitterte er und wäre am liebsten weggelaufen.

"Sehr gut so und nun streichle seinen Kopf!" rief Kira ihm zu.

Nur sehr zögerlich streckte Andrew seine Hand aus und näherte sich ganz langsam mit den Fingerspitzen dieser mächtigen Kreatur vor ihm. Er schluckte schwer, schloss die Augen und berührte schließlich die warme, schuppige Haut ganz vorsichtig. Nachdem er merkte, dass sich sein Drache sanft an seiner Hand rieb, anstatt sie abzubeißen, öffnete er seine Augen wieder und atmete erleichtert aus. Seine Angst schien wie verflogen, als er diese Zuneigung spürte und kraulte ihm weiter das Haupt. Bedacht aber nun dennoch viel ruhiger kletterte er auf den Sattel und nahm die Zügel fest in die Hand.

"Das hast du echt super gemacht! Siehst du es gibt doch keinen Grund Angst vor Drachen zu haben!" lobte Kira ihn freudig grinsend und ritt ein Stück näher an Andrew heran, der erleichtert war

"Ja, aber was ist, wenn ich runterfalle oder sonst was passiert?"

"Da musst du einfach aufpassen. Halte dich immer gut fest und sei nie zu unachtsam. Und nun lass uns doch eine Runde fliegen!" rief sie ihm zu und zerrte dann an den Zügeln ihres Drachens, worauf dieser sich in Bewegung setzte und nach ein paar Anlaufschritten seinen schweren Körper mit kräftigen Flügelschlägen in die Luft hob.

"Na gut, dann wollen wir mal!" nuschelte Andrew leise vor sich hin und tat es ihr gleich. Langsam erhob sich auch sein Drache vom staubigen Boden und wirbelte dabei viel Dreck auf. Mit seinen mächtigen Pranken stieß sich die Echse noch vom der Erde ab und stieg immer höher in die Luft auf.

"Damit du etwas Gefühl im Umgang mit deinen Drachen bekommst, würde ich sagen, wir fliegen bis zum großen Turm im Süden!"

Andrew verstand Kiras Worte zwar nur schwer, aber er entschloss sich einfach ihr alles nachzumachen und zu folgen. Die ersten Meter waren für Andrew sehr ungewohnt und er krallte sich so fest er konnte an dem Sattel und den Zügeln fest, aber es wurde mit der Zeit immer besser und er gewöhnte sich daran, auf seinem Drachen zu reiten. Doch mit der Gewohnheit kam auch der Übermut und er wagte es, einen Blick von seinem Tier hinunter zu werfen. Erst da bemerkte er wie hoch er eigentlich in der Luft war. Als er die sonst so riesigen und prächtigen Schlösser nur noch als dunkle, kleine Flecken erkannte, wurde ihm mit einem Mal schwindlig und er verlor sein Gleichgewicht. Er kippte zur Seite und rutschte von seinem Sattel hinunter gerade Wegs zu Boden.

"Andrew!" schrie Kira erschrocken auf und machte sofort mit ihrem Drachen kehrt, um Andrew noch aufzufangen, bevor er auf den Boden prallte. Sie musste ihn auf jeden Fall retten, da er den Sturz aus dieser Höhe nicht überleben würde. Doch dann wandte sich Andrews Drache auch um und sauste in windesteile an Kira vorbei auf Andrew zu, den nur noch wenige Meter vom Erdboden trennten. Er riss sein großes Maul auf, schnappte nach seinem Besitzer und verschluckte ihn. Mit weit ausgebreiteten Flügeln bremste das Tier sicher ab und landete schwerfällig wieder auf dem Boden, wo ein paar Sekunden später auch Kira ankam, die mit einem Satz vom Sattel sprang und auf Andrews Drachen zurannte.

"Los! Spuck ihn wieder aus!" fauchte sie ihn an und schlug fest mit der flachen Hand auf dessen langen Hals, worauf dieser zu würgen anfing und mit einer ordentlichen Portion Schleim Andrew wieder ausspie. Angewidert spuckte Andrew das glibberige Zeug aus und setzte sich erst mal aufrecht hin. Er brauchte etwas Zeit, um wieder klar im Kopf zu werden und zu registrieren, was eigentlich passiert war.

"Er hat dich gerettet! Ist das nicht toll?!" Mit einem freudigen Lächeln auf dem Gesicht reichte sie ihm ein kleines Taschentuch, mit er sich das Gesicht sauber machen konnte.

"Ja, wirklich klasse. Könnte er das nicht vielleicht das nächste Mal etwas anders zeigen?" schnaubte er, putzte sich das vor Ekel verzerrte Gesicht und richtete sich dann vom Boden auf, worauf der Schleim im langen Fäden von ihm herunter tropfte.

"Aber so bist du am sichersten aufgehoben. Dir passiert ja nichts, solange du in seinem Magen steckst und wenn wieder alles in Ordnung ist, spuckt er dich auch wieder aus!" erklärte sie ihm.

"Sag bloß, deiner macht das auch mit dir?" Andrew säuberte sich weiter das Gesicht, während sein Drache einen Schritt auf ihn zuging und anfing ihn sauber zu lecken.

"Natürlich, aber meiner hatte mich den ganzen Tag nicht mehr ausgespuckt!"

"Warum das?" fragte Andrew.

"Es war die Nacht der Sieben Monde..." Leicht bedrückt schweifte Kiras Blick zum Himmel, wo sie die einzelnen Planeten betrachtete, die am Firmament als blasse Kugeln zu sehen waren.

"Was ist das für eine Nacht?" Verwundert schaute er sie an, als sich ihr Blick langsam wieder auf ihn richtete.

"Das würde nun etwas zu lange dauern, dir das alles zu erklären, aber wenn du möchtest, kann ich dich heute Abend abholen und dir das alles in Ruhe erzählen!" Sie zog noch ein weiteres Taschentuch aus ihrer Hose und tupfte noch etwas sein Gesicht ab. Irgendwie hatte Andrew kein gutes Gefühl bei dem Gedanken an diese Nacht, wenn er Kira so anschaute, aber er wollte einfach mal abwarten, was sie ihm darüber zu sagen hatte.

"Du solltest nun lieber duschen gehen und gegen Abend werde ich dann wieder vorbei kommen!" Sie mühe sich ein leicht verkrampft wirkendes Lächeln ab und schickte ihn ins Schloss zurück.

Alte Wunden...

Gelangweilt saß Hades in Yakatas Zelt und spielte mit dem 3-D Bild, dass auf dem Tisch vor ihm stand. Immer wieder stupste er mit dem Zeigefinger gegen die leuchtende Kugel, die im Inneren des Kraters lag. Mit der anderen Hand stützte er seinen Kopf ab und blickte ziellos über die Landschaft aus Gestein und Sand.

"Die Truppen, die das Siegel bewachen sollen, sind aufgestellt!" wies Yakata ihn darauf hin, als sie den Vorhang des Zeltes zur Seite schob und eintrat. Doch Hades gab nur ein leises Murren von sich und spielte dann weiter.

"Was ist denn heute mit Euch los? Ihr habt schon den ganzen Tag kein Wort über die Lippen gebracht!" Mit müden Schritten schlich sie um die Couch und setzte sich dann erschöpft neben ihn. Sie hatte den ganzen Tag auf den Beinen verbracht und war nun froh endlich wieder sitzen zu können.

Doch Hades murrte nur wieder kurz und machte die 3-D Animation aus. Einen Augenblick ruhten Yakatas Augen auf seinem Gesicht und musterten es. Sie wünschte sich, sie könnte nun in seinen Gedanken lesen. Was würde wohl gerade durch seinen Kopf gehen? Über was würde er sich Gedanken machen? Was bereitete ihm Kummer? Sanfte legte sie die Hand auf seine Schulter, worauf er mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht zusammenzuckte.

"Schmerz Euer Mal wieder?"

Er nickte leicht, ohne sie dabei anzusehen, während sie ihre Hand vorsichtig zurück zog, um ihn nicht weiter wehzutun.

"Zieht Euer Hemd aus, ich werde es ein bisschen kühlen, um die Schmerzen zu lindern!" Mit einem leicht besorgten Ausdruck im Gesicht richtete sich Yakata auf, ging zu einem kleinen Schrank neben dem Bett und holte eine kleine Dose heraus. Hades knöpfte sich derweilen mit leicht zitternden Fingern sein Oberteil auf und streifte es von seinem Oberkörper. Sanft strich Yakata ihm die langen, schwarzen Haare über die Schultern, worauf ein großes, umgedrehtes Kreuz mit vielen, kleinen Verzierungen auf seinem Rücken zum Vorschein kam, das zum Teil tattoowiert war und teils eingebrannt. Seine Haut hatte sich dort an einigen Stellen wieder entzündet und blutete leicht. Yakata kannte dieses Mal schon seit Jahren und es schien einfach nicht heilen zu wollen, egal wie gut sie es pflegte und verband. Behutsam tupfte sie mit einem kleinen Tuch, das Eiter weg, dass sich an einigen offenen Stellen angesammelt hatte, bevor sie das kühlende Gel auf seine pochende Haut auftrug und verteilte. Hades biss die Zähne fest zusammen und krallte sich mit den Händen an der Couch fest. Sorgfältig verstrich sie alles gut über seinen Rücken und holte dann eine Verbandsrolle, mit der sie über seine Brust seinen Rücken fest einpackte. So wurde seine wunde Haut nicht noch mehr gereizt als sie es schon war.

"Wollt ihr mir nicht mal langsam erzählen, woher ihr dieses Mal habt?" fragte sie ihn mit ruhiger Stimme, während sie die Dose wieder zuschraubte und ihm dabei zusah, wie er sich sein Hemd wieder anzog.

"Ich habe es nicht vor.... aber danke für deine Hilfe!" nuschelte er kaum hörbar, richtete sich hastig von der Couch auf und schritt zum Zeltausgang.

"Wohin wollt ihr denn gehen?" Sie wunderte sich ein wenig darüber, was er nun noch draußen wollte, wo das Lager eh schon ruhig war. Doch er ging ohne ihr eine Antwort zu geben einfach nach draußen.

Schnaubend ließ sie sich auf die Couch fallen und blickte zum Ausgang. Sie wurde einfach nicht schlau aus diesem Mann und sie fragte sich auch, warum es ihm so schwer fiel, nach all den Jahren, die sie sich nun schon kannten, offener ihr gegenüber zu sein.

Strahlendes Licht...

Nachdem Andrew sich gründlich mit einer Dusche von dem Schleim befreit hatte, half ihm Rosiel dabei, der für die Zeit, die er ihn unterrichtete im Schloss wohnte, etwas hübsches zum Anziehen herauszusuchen. Hätte Andrew ihn nicht zurückgehalten, wäre Rosiel noch mit einer Gurkenmaske auf ihn los und hätte ihm danach noch die kleinen Fältchen abgedeckt. Geduldig wartete er nun neben seinem Drachen, der den Kopf hoch in die Luft streckte, draußen vor dem Schloss auf Kira, die schon kurz darauf bei ihm ankam. Eingekleidet in ein wunderschönes, dunkelrotes Samtkleid begrüßte sie Andrew, der sich gar nicht satt sehen konnte an dem hübschen Anblick, dem sie ihm bot. Er fand, dass ihr diese Kleider viel besser standen, als die doch sehr maskulinen Sachen, die sie sonst hatte.

"Wir sollten uns auf den Weg machen. Es wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen, bis wir ankommen!" sagte sie zu ihm, und kletterte wieder hoch auf den Sattel ihres Tieres, worauf auch Andrew aufstieg.

Sie flogen fast eine Stunde wortlos nebeneinander her und der anfängliche Versuch von Andrew sich an den Schlössern zu orientieren, wo sie nun waren und wie weit sie von seinem Heim entfernt waren scheiterte als nur noch Wüste und vereinzelnde Statuen unten zu sehen waren, die aus dem kargen Boden ragten. Andrew warf einen Blick zu Kira, die stur nach vorne schaute und den Weg anscheinend zu kennen schien.

"Wir sind da!" brach Kira das eiserne Schweigen zwischen ihnen auf, worauf Andrew sich fragend umschaute. Er sah wieder nur das gleiche weit und breit das er es schon die letzte Zeit über gesehen hatte. Wüste.

"Du musst einfach nur nach unten fliegen. Ich warte dort auf dich!" rief sie ihm zu und stürzte sich schon im nächsten Moment senkrecht in die Tiefe. Erschrocken starrte Andrew nach unten, doch von Kira war keine Spur mehr zu sehen. Nervös rief er immer wieder ihren Namen und seine Augen suchten jeden Punkt am Boden leicht zitternd ab. Sie war einfach verschwunden.

Doch dann setzte auch noch sein Drache zu einem riskanten Flug nach unten an, worauf Andrew entsetzt aufschrie und an den Zügeln zerrte und riss, um ihn zum umdrehen zu zwingen. Immer näher sausten sie zu Boden und Andrew glaubte schon, dass nun sein Ende gekommen war. Er wusste genau, dass er nur noch ein paar Sekunden hatte, die ihn von dem Aufprall auf dem harten Boden trennten, der ihn wohl oder übel das Leben kosten würde. Doch da strahlte plötzlich ein helles Licht wie aus dem Nichts auf, dass höllisch in seinen Augen brannte, die er zusammenkniff.

Ein paar Sekunden später war alles wieder dunkel und Andrew konnte seine Augen öffnen.

"..wow..!" huschte es leise über seine Lippen als er sich erstaunt umblickte. Ein sanfter glitzernder Nebel schwebte über einen großen See, der angefüllt war mit klaren Wasser und an dessen Ufer massive Kristallspitzen herausragten. Das Gras schimmerte in einem kühlen blau und ab und an wuchsen kleine Eisblumen aus dem Boden. Fasziniert von dieser traumhaft schönen Landschaft stieg er von seinem Drachen und schritt langsam zum Rand auf die Siegelkuppel zu, auf deren anderen Seite die weiter die karge, sandige Wüste herrschte.

"Das ist der heilige See.. ich hab ihn mal durch Zufall auf einer alten Karte verzeichnet gefunden und ihn dann hier entdeckt!"

Erschrocken drehte Andrew sich um und sah Kira hinter sich, die langsam auf ihn zuging. Er war erleichtert sie wohlauf wieder zu sehen.

Sanft nahm sie ihn an der Hand und führte ihn zum Ufer des Sees.

"Ich bin oft hier, wenn ich meine Ruhe brauche und einfach mal für mich sein will!" Ihre Augen ruhten auf der klaren Oberfläche des Wassers, dass ihre Gedanken davon zu schweifen schien.

"Hier könnte man glatt die Zeit vergessen!" überlegte Andrew.

Doch plötzlich packte Kira ihn hastig am Arm und schmiss ihn mit voller Wucht in das kühle Nass, wo er mit einem lautem Platschen landete. Lachend sprang sie ihm nach und tauchte ihn noch etwas, bevor sie ihn wieder an die Oberfläche kommen ließ, wo er hastig nach Luft schnappte.

"Hey, das war gemein!"

Zur Strafe spritze Andrew ihr eine volle Ladung Wasser ins Gesicht, worauf sie sich auf die gleiche Art wehrte. Erst nach ein paar Minuten heißer Wasserschlacht beruhigten sie sich wieder und blickten sich grinsend an. Beide waren klitschnass und glitzernden leicht durch den Nebel, der sie umgab.

"Du wolltest mir noch was erzählen!" sagte Andrew und wischte sich das Wasser aus dem Augen.

Kiras Gesichtsausdruck wurde leicht ernst, als sie zum Ufer schwamm und sich dort ins Gras setzte.

"Na gut, dann werde ich es dir erzählen!" schnaubte sie und schweifte mit dem Blick zum Himmel.

"Du hast doch sicher schon einmal von dem großen Krieg gehört, der einst zwischen den Dämonen und den Engeln herrschte..?"

".. ja, schon. Aber ich hielt es bis jetzt immer mehr für eine Legende.. ein Märchen...nicht mehr!" Langsam kam er näher auf sie zu und blieb neben ihr im Wasser stehen, um weiter zu lauschen, was sie ihm erzählte.

"Na ja, das ist es wohl nicht!" Sie musste leicht schmunzeln, obwohl dieser Krieg eine traurige Angelegenheit gewesen war, bei dem viel Blut vergossen wurde.

"Während des langen Kampfes stand das Tor, dass von der Erde in die Unterwelt führt stets offen, damit neue Truppen schneller nachrücken konnten und verletzte sich besser zurückziehen konnten.

Was ich aber noch hinzufügen muss ist, dass wir Dämonen nicht immer diese menschenähnliche Gestallt hatten. Früher waren wir hässliche, grausame Biester, die kaum Verstand hatten und nur ans Kämpfen und Fressen dachten. Chaos und Durcheinander herrschte zu dieser Zeit noch in der Unterwelt. Aber den Menschen blieb diese Schlacht leider nicht unbemerkt und sie entdeckten auch unser Tor. In Scharren drangen sie ein und töteten uns durch Fallen, die sie aufbauten und für die wir zu dumm damals noch waren, um sie zu durchschauen. Immer mehr und mehr nahmen sie unser Reich, in dieser eh schon für uns kritischen Situation ein. Doch dann hatte Satan eine gute Idee. Er suchte in alten, magischen Büchern nach einem Zauberspruch, der es uns ermöglichte, die menschliche Gestallt anzunehmen und damit auch ihre Lernfähigkeit und ihre Intelligenz. Dadurch schafften wir es zwar, die Menschen aus unserem Reich zu vertreiben, aber der Zauberspruch hatte auch Folgen für uns. Nicht alle Dämonen waren in der Lage einen solch mächtigen Zauber einzusetzen und diejenigen, die es konnten, waren dazu verdammt auf Ewig in dieser Hülle zu leben. Und so entstand ein Hass von den "alten" Dämonen auf diese "neue" Rasse. Nachdem der Krieg zwischen dem Himmelsreich unentschieden endete, brachen große Rivalitäten in unseren Reihen aus und Satan errichtete ein gigantisches Bannfeld, dass diese Kreaturen von uns wegsperrte und uns Platz zum Leben gab. Aber jedes Siegel kann gebrochen werden und so auch dieses. Einmal im Jahr wenn die Sieben Monde gleichzeitig am Firmament zu sehen sind, strahlen sie eine so große Energie aus, die das Siegel für einige Minuten aufhebt. Es ist zwar nur eine kurze Zeit, aber es ist genug um vielen Dämonen Durchgang in unser Reich zu verschaffen. Deswegen hat jedes Schloss hier noch ein eigenes Siegel, damit ein zu großer Schaden durch diese Bestien vermieden wird.... und heute ist es wieder so weit!" erzählte sie ihm und deutete dann mit dem Finger auf die Sieben großen Planeten, die zu leuchten schienen.

"Autsch!" schrie sie plötzlich mit schmerz verzogenem Gesicht auf und zog ihre Füße aus dem Wasser. Verwundert blickte Andrew auf ihre Beine und erblickte eine breite Schnittwunde an ihrem Fuß, die sehr stark blutete.

Aber ehe Andrew sich die Wunde weiter anschauen und nach der Ursuche suchen konnte, zucken plötzlich Hunderte von grell leuchtenden Blitzten vom düsteren Firmament auf die Erde nieder. Erschrocken blickte er sich um spürte plötzlich ein leichtes Beben. Die sonst so ruhige Oberfläche des Sees, warf kleine Wellen auf und auch die Eiskristalle erzitterten unter dem langsam aber sicher stärker werdenden Bebens des Bodens.

"Es ist soweit!" Mit blassen Gesichtsausdruck drehte Kira ihren Kopf nach hinten, wo man riesige dunkle Schatten immer näher kommen sah.

Andrew brachte kein Wort mehr über seine Lippen, als er die ersten Fratzen, dieser grausamen Bestien erblickte, die so gigantische Ausmaße hatten, wie er es nicht mal in seinen kühnsten Vorstellungen zu denken wagte. Reißzähne so groß wie sein Arm ragten blutgierig aus dem vor Sabber triefenden Mäulern, Hörner und Krallen warteten nur darauf, die erste Beute, die sich ihnen in den Weg stellte aufzuspießen und ihre Augen waren so voller Zorn und Hass, dass Andrew eine Gänsehaut bekam. Das Beben wurde langsam so stark, dass er sich am Ufer festkrallte, um nicht weiter in den See hineinzurutschen. Kleine Splitter brachen von den Eiskristallen ab, als die ersten Kreaturen an dem See vorbei zogen. Ein riesiger, schwarzer Schatten schwang sich plötzlich über ihren Köpfen hinweg und als Andrew seinen Blick aufrichtete zuckte er zusammen. Furchteinflössende Drachen schwebten über ihnen davon, aus deren abgemagerten Körpern schon die Knochen durchragten und die tiefe Bisswunden und Narben trugen. Vermutlich hatte sie ihre Hungersnot schon soweit getrieben, dass sie anfingen, sich selber anzugreifen und zu fressen. Markerschütternde Schreie hallten über das ganze Gebiet wieder, die Andrew in den Ohren schmerzten. Sein Herz pochte immer schneller, als er sah, dass immer mehr und mehr dieser grausamen Bestien aus dem Dunklen auftauchten und an ihnen vorbei rannten.

"Können die uns denn sehen?" fragte er Kira mit einem ängstlichen Zittern in der Stimme, doch Kira war nicht mehr richtig ansprechbar. Kalter Schweiß rann ihr von der Stirn und ihr Atmen klang mehr nur noch nach einem Keuchen.

"Was ist los mit dir? Kira?!" Hastig kletterte er aus dem Wasser legte sie sanft auf dem Boden. Ihr ganzer Körper fühlte sich eiskalt an und aus der Wunde an ihrem Bein floss noch immer sehr viel Blut.

Ein lauter Schlag ließ ihn plötzlich zusammen zucken. Was war das gewesen? Nervös blickte er sich um, als er einen weiteren noch lauteren Schlag vernahm. Er drehte sich nach hinten und musste zu allen Übel feststellen, dass eines dieser Ungeheuer, sich gerade an den Siegelkuppel zu schaffen machte und versuchte sie mit Faustschlägen und Bissen zu zertrümmern.

Damit hatte sich Andrews Frage, ob sie diese Wesen sehen konnten oder nicht wohl eindeutig beantwortet. Aber es blieb nicht bei diesem einem Monster, das versuchte zum See vorzudringen. Weitere schlossen sich ihm an und mit Schrecken musste Andrew erkennen, dass sich schon leichte Risse an der Kuppelwand entlang schlängelten. Weitere Schläge folgten und kleine Stücke brachen aus der Siegelwand.

Es war zu spät. Noch ein paar weitere Bemühungen und diese Kreaturen und sie hatten es geschafft. Er wusste, dass sie es nicht unbeschadet hier rausschaffen würden und er sah auch sonst keinen Weg sich zu verstecken vor diesen Wesen. Ein größeres Stück brach aus der Wand und knallte zu Boden. Eines der kleineren Viecher krabbelte sofort hindurch. Dieses echsenähnliche Wesen mit dem langen und mit vielen Hörnern besetzten Schwanz hastete angriffslustig mit gefletschten Zähnen auf sie zu. Andrew blieb nur noch eine Wahl. Kira zu beschützen, koste es was es wollte. Zwar verspürte er immer noch Angst in sich vor dem was nun auf ihn zu kommen würde, aber die versuchte er nun zu ignorieren. Er stellte sich vor ihren am Boden liegenden Körper als die Echse schließlich zum Sprung ansetzte und auf ihn zuflog. Nur noch wenige Sekunden und er würde tot sein. Das wusste Andrew. Mit ausgestreckten Krallen nährte sich das Monster ihm, als es plötzlich von einem strahlenden Licht zurückgestoßen wurde. Andrews ganzer Körper wurde eingehüllt von diesem Licht und auch seine Augen bleichten aus. Eine unglaubliche Energie nahm Besitz von ihm, die ihm unvorstellbare Mächte verlieh. Er breitete seine Arme aus, worauf die anderen Monster, die noch immer die Kuppel bearbeiteten mit voller Wucht meterweit zurückgeschleudert wurden. Sein Blick verfinsterte sich und mit einem lauten Schmerzensschrei bohrten sich zwei mit Federn besetzte Flügel aus seinen Schulterblättern von denen einer Schwarz und der andere Weiß war. Er streckte seinen Finger in Richtung der Siegelkuppel aus, die daraufhin in Tausende von kleinen Stücken zersplitterte, die sich in die Körper der Kreaturen bohrten und sie jämmerlich aufschreien ließen. Ohne große Kraftanstrengung hob Andrew seinen Körper mit den Flügeln in die Luft, wo er ein weiteres Mal seine Arme ausbreite. Energieblitze drangen aus seinen Fingerspitzen und schnellten auf die gigantischen Steinstatuen zu, die in der ganzen Unterwelt verteilt waren. Die Augen der schon lange versteinerten Krieger leuchteten auf und langsam mit sehr viel Mühe fingen sie wieder an sich zu bewegen. Sie strecken ihre so lange geruhten Körper und donnerten ihre Waffen zu Boden, um die Drecks- und Gesteinsschicht abzublättern, die sich über die Jahrhunderte hin darauf angesammelt hatte. Zum Vorschein kamen, glänzende Stahlwaffen, die noch immer scharf waren und nur darauf warteten zu morden und zu zerstückeln. Sie stampfen mit langsamen und schweren Schritten voran und knöpfen sich diese Bestien vor, die vorhatten in die Schlösser und Ställe einzudringen um Beute zu fangen. Sofort wurden sie von den anderen Kreaturen angegriffen, die versuchte ihre messerscharfen Zähne und Krallen in den Gesteinskörper der Krieger zu rammen. Vergeblich. Sie brachen sich eher die Hörner ab, als dass sie großen Schaden anrichteten.

Jedes Monster, dass Kira auch nur einen Schritt zu nahe kam, wurde sofort von Andrew getötet, indem er es in Flammen aufgehen ließ oder mit Blitzschlägen zu Tode folterte. Immer größer wurde der Leichenhaufen, der sich rings um sie erstreckte und nachdem sich das Siegel der sieben Monde wieder schloss und keine weiteren Wesen mehr nachkommen konnten, war es ziemlich schnell aus mit den noch übrigen Viechern, die bis aufs Letzte kämpften von Zorn, Hass und Hunger getrieben.

Schließlich erlagen auch die letzten Viecher den Klingen der Krieger, die sich nun nach beendeter Arbeit wieder leblos auf ihren Posten stellten, als wäre nichts geschehen.

Mit langsamen Flügelschlägen erreichte auch Andrew wieder festen Boden unter seinen Füßen und das Licht, dass seinen Körper umschlag erlosch. Die Flügel auf seinem Rücken lösten sich in kleine glitzernde Funken auf, die auf die Erde schwebten und da verschwanden. Mit einem Mal war diese ganze Kraft, die er in sich verspürte weg und er sackte haltlos auf die Knie, wo er merkte wie seine Arme und Beide vor Anstrengung zitterten. Was war da eben nur mit ihm geschehen? Was war das für eine enorme Macht gewesen und woher kam sie? Er konnte sich das alles nicht erklären, was da eben passiert war. Mühsam wandte er sich zu Kira schreckte auf. Über Kira beugte sich gerade eine Art Frau, deren ganzer Körper aus blanken Eis zu bestehen schien. Von den Haaren bis zu den Zehenspitzen ein wunderschönes Gebilde verziert mit Kristallen, dass Andrew dennoch einen kalten Schauer über den Rücken laufen ließ. In der Hand hielt sie einen langen Speer, der an der Spitze mit einer großen Klingen versehrt war.

"Du hast Kira am Bein verletzt!" Schoss es in auf ein mal durch den Kopf, worauf die Frau gehässig zu lachen anfing.

"Ihr habt meinen See betreten und ich dulde nun mal keine Eindringlinge. Deswegen werdet ihr nun sterben müssen!" Sie richtete sich auf und warf mit voller Wucht ihren Speer auf Andrew, der nicht schnell genug reagieren konnte und getroffen wurde. Die Klinge bohrte sich tief durch seinen Brustkorb und verhakte sich dort. Geschockt starrte er auf seinen Oberkörper und sah, wie das Blut aus der Wunde auf den Boden tropfte. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen und auch die Schmerzen nahm er nur entfernt war.

"Was müsst ihr auch in Gebiete eindringen, die nicht für euch bestimmt sind!" Das Eiswesen zauberte sich einen zweiten Speer zu sich und ging damit auf Andrew zu, in dessen Mund sich nun auch schon Blut ansammelte und ihm das atmen erschwerte. Er war wie gelähmt und konnte nur zusehen, wie sie ihre Waffe hob und die Spitze der Klinge an seine Stirn hielt.

"Lass ihn auf der Stelle in Ruhe!" Knurrte eine finstere Stimme die Frau an, die Andrew zusammenzucken ließ. Er wusste, dass sich es nur um einen handeln konnte. Servothate. Und als das Wesen den Speer langsam von seiner Stirn wegnahm und er den Kopf zur Seite wenden konnte, erkannte er, dass er mit seinem Gedanken richtig lag. Servothate war mit seiner Kutsche angereist und nährte sich nun mit gezogenem Schwert, das wunderschön im blauen Schein schimmerte , den beiden.

"Verschwinde wieder in deinem See und ich werde sie mit mir nehmen!"

"Ich werde sie mit Sicherheit nicht so einfach davon kommen lassen! Sie sind in mein Reich eingedrungen und dafür müssen sie bestraft werden!" Mit einem wütenden Gesichtsausdruck umschlang das Wesen mit beiden Händen fest den Griff ihrer Waffe und schleuderte sie auf Andrew nieder, der die Augen daraufhin fest zusammenkniff vor Angst. Doch er spürte nichts. Keinen Schmerz, nicht einmal einen leichten. Verwundert öffnete er langsam wieder seine Augen und starrte in das geschockte Gesicht der Eiskreatur, die auf ihre Hände blickte, in denen sie bis vor ein paar Sekunden noch ihre Waffe hielt.

"Ich wiederhole mich nur sehr ungern und wenn du sie mir nicht freiwillig gibst, dann müssen wir die Sache eben anders regeln!" murrte Servothate der nun den Speer in seiner Hand hielt und ihn auf das Wesen richtete.

Doch noch bevor sie etwas tun oder sagen konnte, feuerte er ihr den Speer mit aller Kraft entgegen direkt in ihren Hals. Eissplitter fielen zu Boden und lange Risse schlängelten sich ihren Körper entlang bis zu den Beinen runter. Ihre zuckenden Versuche sich von dem Stab zu befreien waren vergeblich und schließlich zerbrach sie in viele Stücke, die wie ein Sternhagel auf die Erde fielen und dort langsam zu schmelzen begannen.

Immer mehr Blut trat aus der Wunde in Andrews Brust und er konnte unter Schock nur mit zusehen, wie es zwischen seinen Fingern hindurchglitt, ohne, dass er etwas machen konnte. Erschöpft von den letzten Minuten kippte er zu Boden und blieb dort reglos liegen.

"Das nächste Mal soll Hades sich jemanden anderes suchen, der für seinen Sohn das Kindermädchen spielt!" Genervt kniete sich Servothate zu Andrew hinunter und entfernte vorsichtig mit seinen magischen Kräften die Waffe aus seinem Brustkorb und heilte die Wunde wieder.

"Aber nicht mehr lange und dann hat das alles ein Ende!" Dieser Gedanke zauberte ihn ein gemeines Grinsen aufs Gesicht, während er sich Andrew anschaute, der bewusstlos im Gras lag.

Das ist doch nicht möglich...

Yakata konnte ihren Augen nicht trauen, als sie vor dem mächtigen Schutzwall des Ostlagers die unzähligen, toten Überreste der Dämonen sah, die sich über viele, blutige Kilometer verteilten. Normal wüteten diese Wesen noch so viele Tage und Wochen hier rum und es dauerte lange, bis sie auch den letzten von ihnen endlich zur Strecke gebracht hatten. Und nun? Alle waren sie tot.

"Wirklich erstaunlich, oder?" Langsam kam Hades auf sie zu, der die ganze Zeit neben seinem Drachen gestanden war und alles mit eigenen Augen mitverfolgt hatte.

"Was um alles in der Welt ist hier passiert?" Sie blickte nur kurz zu Hades. Das was sie vor sich sehen konnte, fesselte sie geradezu, dass sie es kaum schaffte sich auch nur kurz davon abzuwenden.

"Ich kann es immer noch nicht glauben, was da passiert ist!" Mit funkelnden Augen starrte er auf die aufgerissenen Kadaver von denen manche zehn- bis zwanzigmal größer waren als er.

"Nun sagt schon! War es etwa Satan?" fragte Yaktata ihn neugierig.

"Satan?!" spottete Hades empört.

"Du glaubst doch nicht wirklich, dass er auch nur einen Finger deswegen krumm machen würde?! Nein, nein es waren die Statuen! Sie haben sich wieder bewegt und alle Monster umgebracht!" Hades betrachtete voller Staunen einen der Steinwächter, der triumphierend sein gigantisches Schwert in die Luft streckte.

"Ihr macht Witze! Die haben sich doch schon seit Jahrtausenden nicht mehr auch nur im Ansatz gerührt!" Yakata hatte nun wahrlich nicht die Zeit und Lust sich eine Märchenstunde anzuhören und drehte sich um, um wieder in ihr Zelt zu gehen, als er sie am Arm packte.

"Sie haben sich bewegt, oder willst du mir etwa unterstellen, ich würde dich anlügen?" Sein finsterer Blick schüchterte sie ein und sie gab nur ein leises "nein" von sich, bevor sie schnell in das Zelt huschte. Einen Moment lang schaute Hades ihr nach, bevor er sich wieder umdrehte und seine Aufmerksamkeit den Statuen schenkte.

Der schwarze Engel...

Auf der Erde hatte man nichts von dem Gemetzel mitbekommen. Dort herrschte eine friedliche Stille.

Nadja und Kurai lagen eng zusammengekuschelt auf einer alten Decke und schliefen tief und fest. Schützend hatte Kurai seine Arme um Nadja geschlungen, damit sie sicher ruhen konnte. Das Feuer in dem alten Kamin war erloschen und nur noch kleine Rauchfäden, die sich langsam nach oben schlängelten, erinnerten noch an die lodernden Flammen. Zwar war diese alte, heruntergekommene Hütte wahrlich kein Ort an dem sie länger bleiben konnten, aber für ein paar Nächte bot sie ihnen einen guten Platz, bis sie wussten, was sie nun weiter tun sollten. Unruhig wandte sich Nadja im Schlaf immer wieder hin und her, bis sie plötzlich schreiend aufschreckte, worauf auch Kurai wieder munter wurde.

"Hey, was ist denn los?" Verschlafen rieb er sich die Augen und schaute sie an. Schweiß tropfte ihr von der Stirn und ihr Puls raste vor Aufregung.

"Ich... ich hab nur schlecht geträumt!" Sie griff sich mit der Hand an die Stirn und versuchte tief durchzuatmen. Ihre Finger zitterten leicht und sie schaffte es nur mit Mühe sich wieder zu beruhigen.

"Hast du von Andrew geträumt?" fragte er sie und strich dabei sanft mit seinen Fingerspitzen über ihr Gesicht, doch Nadja drehte nur den Kopf zur Seite. Sie wollte nicht darüber reden. Nicht nach all dem, was nun hinter ihnen lag.

Doch plötzlich huschte ein Schatten am Fenster vorbei.

Kurai hatte ihn nur kurz aus dem Augenwinkel gesehen und zog sich sofort mit Nadja in eine dunkle Ecke zurück, um von dort aus weiter zu schauen, wer sich draußen herumtrieb. Völlig durcheinander suchten Nadjas Augen die Dunkelheit ab. Sie begriff noch nicht ganz warum sie nun in dem Eck warteten, aber als sie Kurais Griff an ihrer Schulter spürte, der langsam immer fester wurde, wusste sie, dass es ernst sein musste.

Erneut tauchte ein dunkler Schatten am Fenster auf. Dieser starrte aber diesmal durch das dreckige, alte Fenster und versuchte zu erkennen, ob jemand in der Hütte war. Voller Angst hielt Nadja die Luft an und krallte sich an Kurai fest, der ihr leise zuflüsterte, ruhig zu bleiben.

Schließlich verschwand die Gestallt wieder und sie hörten Stimmen reden, konnten aber nicht verstehen, was sie sagten.

"Ich werde rausgehen und nachsehen, wer da ist!" nuschelte Kurai ihr zu und wollte aufstehen, als Nadja ihn wieder auf den Boden zerrte und sich an ihn klammerte.

"Nein! Bleib hier. Wer weiß was für Leute das sind? Das könnten Räuber sein oder vielleicht auch Anhänger dieses Meisters, die uns suchen, um uns zu töten!" Fast schon panisch bohrten sich ihre Fingernägel tiefer in seine Haut, worauf er zusammenzuckte.

"Ja, vielleicht. Aber es könnten auch nur ein paar Jugendliche sein, die dumme Scherze im Wald treiben!" Erneut versuchte er sich zu erheben, wurde aber wieder von ihr zu Boden gerissen.

"Hast du hier irgendwo in der Nähe ein Dorf gesehen, wo diese Kinder dann herkommen sollten??"

Kurai wusste darauf nichts zu antworten und blickte sie stumm an.

"Ich will dich nicht auch noch verlieren!" Mit kleinen Tränen in den Augen umarmte sie ihn, worauf auch Kurai sanft seine Hände um sie legte.

"Mach dir keine Gedanken. So schlimm wird es schon nicht kommen!" Er löste sich wieder aus der Umarmung, blickte ihr lange ihn die Augen und gab ihr einen Kuss auf die Lippen, bevor er aufstand und zur Tür schritt. Nadja saß völlig erstart auf dem Boden. Warum hatte er sie geküsst? Sollte er mehr für sie empfinden? Zitternd berührten ihre Fingerspitzen ihre Lippen, während ihr Blick noch auf die Wand gegenüber von ihr gerichtet war.

"Kurai!" rief sie ihm erschrocken nach und wandte sich Richtung Tür, doch Kurai war bereits nicht mehr da.

"Ging ich also richtig in der Annahme, dass ihr hier seid!" knurrte ihn eine dunkle Stimme entgegen.

Vier in düstere Kutten gekleidete Personen standen vor der Hütte und wandten sich Kurai zu, der schon ahnte, wer sich darunter versteckte. Langsam nahm eine der Personen die Kapuze vom Haupt und das Gesicht des Meisters kam zum Vorschein.

"Wie habt ihr uns gefunden?" Misstrauisch behielt Kurai ihn und seine Anhänger im Blickfeld.

"Einen Engel kann ich meilenweit riechen!" Finster grinste der Meister vor sich hin und schritt langsam näher auf ihn zu.

"Was willst du von mir? Wieso kannst du uns nicht einfach in Ruhe lassen?!" fauchte Kurai.

"Du wirst mir helfen. Durch dich wird mich Satan endlich in sein Reich aufnehmen!" Ein weiterer Schritt des Meisters folgte.

"Wenn Satan dich wirklich bei sich haben wollen würde, dann hätte er dich schon längst zu sich geholt!" Verunsichert lehnte Kurai sich gegen die Wand der Hütte und merkte erst da, dass er nicht weiter nach hinten ausweichen konnte. Sein Herz fing schneller zu pochen an. Würde er es alleine mit dem Meister aufnehmen können? Er durfte auch seine Gehilfen nicht vergessen, die er mit dabei hatte. Nervös versuchte er weiterhin alle im Auge zu behalten, aber mit dem Meister so dicht vor der Nase, war das gar nicht so einfach.

"Halt einfach den Mund!" Der Meister warf seine Kutte zurück und zog ein langes Schwert darunter hervor, mit dem er auf Kurai losging, der zu spät reagierte und stolperte. Er fiel zu Boden und noch bevor er begriff was passierte, beugte sich der Meister zu ihm runter, nahm den Kreuzohrring, an Kurais Ohr, in die Hand und riss ihn ihm heraus. Gerade als er einen Blick auf seine Beute werfen wollte, zerfiel der Ohrring zu Staub und wurde von einer leichten nächtlichen Brise davongetragen.

Mit schmerzverzerrtem Gesicht hielt Kurai sich sein blutiges Ohrläppchen. Nun war er dem Meister hoffnungslos ausgeliefert, denn ohne seinen Anhänger war er nicht im Stande, seine magischen Kräfte zu nutzen und sollte er nicht bald entweder ins Himmelsreich kommen oder einen neuen Stecker finden, würde er sterben. Mit zitternden Beinen versuchte Kurai sich vom Boden zu erheben, aber er knickte sofort wieder um. Seine Finger krallten sich in das trockene Gras unter ihm. Er war wütend. Wütend auf den Meister, auf diese ganze Situation und auch auf sich selber. Wieso hatte er nicht auf Nadja gehört? Warum war er nicht in der Hütte geblieben und wäre geflohen sobald sich es sich ergeben hätte? Er spürte wie ihn seine Kräfte mehr und mehr verließen und wie der Meister mit freudigen Blick auf seinen zuckenden Körper starrte und nur noch darauf wartete, bis er bewusstlos werden würde, um ihn ohne Probleme mit sich zu schleppen.

"Ich würde dir empfehlen ganz schnell von hier zu verschwinden, oder du bekommst es mit mir zu tun!" fauchte Nadja den Meister an, die im Türrahmen der Hütte stand, bewaffnet mit einem brennenden, großen Stück Holz.

"Ach wie niedlich. Pass auf, dass du dich nicht verbrennst!" schmunzelte der Meister und hob seine Hand in ihre Richtung. Eine enorme Druckwelle schleuderte Nadja zu Boden, wobei das brennende Brett in die Hütte fiel und langsam anfing den trockenen Holzboden in Brand zu stecken.

"Na willst du mir nun immer noch drohen?" Mit böser Miene ging er auf Nadja zu, zerrte sie an den Haaren wieder auf die Beine, wobei sie schmerzlich aufschrie.

"Ich versteh ja gar nichts, wenn du so schreist!" knurrte er sie an, stieß sie zurück in die Hütte, brach die Klinken an beiden Seiten der Türe ab und schloss sie.

Mit Schrecken musste Nadja feststellen, dass sich das Feuer immer weiter ausbreitete und der stickige Rauch brannte in ihren Augen. Hastig rappelte sie sich auf und stürmte zur Tür. Ihre Hände donnerten gegen das Holz doch weder damit noch mit den Fußtritten schaffte sie es, sie zu öffnen. Sie drehte sich um, und versuchte ein Fenster oder eine andere Tür zu finden, durch die sie ans Freie gelangen konnte, doch die heißen, lodernden Flammen versperrten ihr jegliche Auswege. Feuerzungen schlängelten sich an den Wänden hoch und entzündeten das Dach. Nur noch wenige Schritte trennten sie von diesem Flammenmeer und die Hitze wurde langsam unerträglich für Nadja. Schweiß tropfte von ihrer Stirn und der Rauch schnitt ihr die Luft ab. Panisch krallte sie sich wieder an der Türe fest und schlug wie von Sinnen dagegen, bis sie der stickige Geruch hustend auf die Knie zwang.

Kurai bekam nur sehr schwach mit, dass die Hütte die brannte. Vor seinen Augen verschwamm alles und auch die Geräusche um ihn herum schienen sich immer weiter von ihm zu entfernen, bis sie nur noch leise Echos in seinem Kopf waren.

"Ich dachte, du hättest meine Warnung ernster genommen?!" drang eine finstere Stimme an das Ohr des Meisters, der erschrocken zusammen zuckte. Geschwind drehte er sich um und erblickte hinter sich einen großen Mann, eingehüllt in dunkle Tücher. Zwei mit schwarzen Federn bestückte Flügel ragten weit aus seinen Schulterblättern, die er bedrohe ausbreite.

"Ich hatte dir strengstens Verboten noch einmal deinen Turm zu verlassen!" Er zog seine Hand unter seinen Tüchern hervor und zauberte eine Sense zu sich, die sich aus kleinen glitzernden Körnchen zusammensetzte. Blitzschnell ergriffen die Begleiter des Meisters die Flucht und rannten so schnell sie konnten in die Tiefen des Waldes, um nicht getötet zu werden.

"Diesmal werde ich dich nicht so einfach wieder gehen lassen!" Mit einem großen Flügelschlag sprang der dunkle Engel in die Luft, holte mit der Sense aus und schlitze die Brust des Meisters von der linken Schulter bis zur rechten Seite der Hüfte auf. Schwarzes Blut spritze aus der klaffenden Wunde. Brüllend vor Schmerzen umschlang der Meister seinen triefenden Oberkörper und brach unter Qualen zusammen. Um nicht noch mehr abzubekommen, teleportierte sich der Meister mit letzter Kraft zurück in seinen Turm.

Nadja hatte ihr Bewusstsein verloren und bekam nicht einmal mehr mit, dass sie die Flammen bereits einkreisten und der Ärmel ihres Mantels brannte. Doch plötzlich hob der dunkle Engel die Tür aus den Angeln, warf sie zur Seite und zog Nadja aus dem lodernden Schuppen. Sofort löschte er das Feuer an ihrem Arm, indem er Erde darüber schüttete und zerrte dann auch Kurai von der Hütte weg, damit ihm nichts passierte. Schwach öffnete Kurai die Augen und blickte den Fremden an. Es dauerte ein paar Sekunden bis er langsam seinen Mund öffnete und leise "Uriel...!" stammelte.

Ein bitteres Ende...

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Neue Hoffnung entflammt...

Uriel musste Nadja und Kurai von der brennenden, schon in sich einstürzenden Hütte wegbringen.

Mit seiner Sense ritzte er eine tiefe Kerbe in den Erdboden, die in einem rötlichen Licht aufstrahlte, aus dem sich dann eine Lichtschranke bildete, durch die er die beiden auf seinen Schultern trug. Sie betraten einen riesigen Saal, in dem meterhohe massive Marmorsäulen standen. In der Mitte des Raumes waren zwei Sofas die mit rotem Samt überzogen waren und ein kleinen Ebenholztisch, der dazwischen seinen Platz einnahm. Vorsichtig legte er Kurai erst auf die eine, bevor er Nadja auf die andere ablegte. Hustend kam Nadja langsam wieder zu sich, deren Augen noch immer vom Rauch brannten. Verwirrt versuchte sie sich zu Recht zu finden und blickte plötzlich in das Gesicht von Uriel, der über sie gebeugt vor ihr stand. Erschrocken schrie sie auf und versuchte hastig von der Couch aufzuspringen, als er sie festhielt. Sie zitterte am ganzen Leib und wusste nicht, wer dieser Mann vor ihr war, der sie an den Armen packte.

"Bleib ruhig! Dir wird nichts passieren. Hier bist du in Sicherheit!" Er schaute Nadja so tief in die Augen, bis sie es nicht mehr wagte, sich zu bewegen. Seine Augen waren so seltsam düster riefen in Nadja ein Trauergefühl herauf, aber sie wusste nicht weswegen.

"Du hast dich zum Glück nur leicht an der Hand verbrannt, aber einbinden müssen wir es trotzdem!" erklärte er ihr, worauf sie erst bemerkte, dass sie verletzt war. Der Schrecken eben hatte ihr noch keine Zeit gegeben, die Verletzung wahrzunehmen, die sie nun schmerzlich zu spüren begann.

Er holte ein paar Tücher, die er im kalten Wasser getränkt hatte und legte sie sanft auf die verbrannte Hautfläche, wobei Nadja jämmerlich aufschrie. Vorsichtig legte er ihr noch einen Verband um, damit die Wunde in Ruhe anfangen konnte zu heilen.

"In ein paar Wochen, werden dich wahrscheinlich nur noch ein paar kleine Narben daran erinnern!" Er schenkte ihr noch ein unscheinbares Lächeln, bevor er zu Kurai ging, der schwitzend und zitternd auf der Couch lag.

"Kannst du ihm helfen?" fragte Nadja Uriel mit leiser Stimme, worauf er sich zu ihr wandte.

"Mach dir keine Sorgen um ihn. Wir sind hier auf heiligen Boden und in ein paar Stunden wird er sich wieder erholt haben!" Sanft strich Uriel die Haare aus Kurais verschwitzen Gesicht.

"Was hattet ihr beiden eigentlich beim Meister zu suchen? Kurai sollte eigentlich wissen, dass man sich von dem fernhalten muss!" Er war leicht verärgert, dass sie so leichtsinnig ihr Leben riskiert hatten. Sie hätten nun schließlich auch tot sein können.

Mit einem traurigen Gesichtsausdruck erzählte Nadja ihm ihre Beweggründe, warum ihr das alles so wichtig war und dass Kurai ihr dabei helfen wollte. Aufmerksam verfolgte Uriel ihre Geschichte bis zum Ende.

"Ich verstehe. Und nun wisst ihr nicht, wie ihr in die Unterwelt kommen sollt?" fragte er sie, worauf sie leicht nickte.

"Also nun bin ich wirklich sehr enttäuscht von Kurai!" Er ging von der Couch weg ein paar Schritte durch den großen Saal, gefolgt von Nadjas Augen.

"Wäre er gleich zu mir gekommen, hättet ihr euch eine menge Ärger sparen können!" Langsam schwenkte er nach rechts ein und ging durch einen großen Torbogen in den nächsten Raum. Verwundert richtete sich Nadja auf und schlich ihm leise nach. Noch etwas geschwächt lehnte sie sich an die marmornen Balken des Bogens und schaute sich in dem nächsten Raum um. Dichtes Efeu umschlang die Wände in seinem dunklen grün und aus der Mitte erstreckte sich ein großer Brunnen aus dem ein breiter bläulicher Lichtstrahl nach Oben in die Dunkelheit stieg. Kleine, funkelnde Lichtkörnchen tanzten langsam zu einer stummen Melodie in dem Strahl aufwärts.

Uriel fühlte, dass Nadja ihm gefolgt war, doch er wandte sich nicht um zu ihr.

"Als Richter der Seelen habe ich uneingeschränkten Zugang sowohl auf das Himmelsreich als auch auf die Schluchten der Hölle. Kurai sollte das eigentlich wissen!" Sein Blick folgte einem der kleinen Lichter das an seinen Augen vorbei glitt und weiter oben in der Dunkelheit einfach verschwand.

"Du könntest uns also dort hin bringen?" Nadjas Herz schlug immer schneller und neue Hoffnung baute sich in ihr auf.

"Ja, das könnte ich!" Er drehte sich zu ihr um und erblickte ein strahlendes Lächeln. So richtig konnte Nadja ihr Glück zwar noch nicht fassen, aber die Freude endlich einen Weg gefunden zu haben stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.

"Warten wir noch, bis Kurai sich wieder erholt hat!"

Endlich würde sie Andrew wieder sehen können. Endlich hatten sie einen Weg gefunden ihn zu retten.

Nun konnte einfach nichts mehr schief gehen, das fühlte sie deutlich.

Im Kerker...

Schnaubend erreichten die Zentauren Servothates Schloss und kamen dort langsam zum Stillstand. Sofort waren drei Soldaten zur Stelle von denen einer, die Zügel der Zentauren übernahm und die anderen beiden die Türen der Kutsche öffneten, damit Servothate heraustreten konnte mit Andrew auf seinen Armen.

"Kümmert euch um das Gör! Bringt sie nach Hause und reinigt danach gründlich meine Kutsche!" befahl er ihnen schroff, worauf die Soldaten, die noch immer bewusstlose Kira von dem Sitz zogen und sie unsanft auf die Schultern packten, um sie so zu ihrem kleinen Schloss zu transportieren.

"Und du kommst nun in meinen Kerker, bis du wieder wach bist!" murmelte er mit einem finsteren Grinsen Andrew zu. Nichte konnte Servothate mehr Befriedigung verschaffen, als den Sohn Hades in seinen verdreckten Kerkergemäuern zu wissen, wo er zwischen Ratten und verseuchtem Wasser in der Kälte sitzen würde und drauf warten konnte, bis er wieder frische Luft atmen konnte. Er trug ihn durch die große Eingangshalle hindurch zu einer kleinen Holztür, die in die Abgründe des Schlosses führte.

Doch anders als bei Hades, lebten in seinem Keller keine halbtoten Engeln, die sehnlichst auf eine Erlösung von ihrem Elend hofften, sondern magische Geschöpfe. Einhörner, die einst prächtig und stark waren, nun aber nur noch halb verhungert am Boden kauerten, Elfen und Feen, denen es nicht besser erging und Naturgeister. Servothate öffnete die Gittertür mit einem magischen Spruch und warf dann Andrews Körper wie ein Stück Abfall hinein.

"Hier hast du ein wenig Gesellschaft!" knurrte er das in ein Eck gekauerte blaugrün schimmernde Wesen an, das wie Espenlaub zitterte und ihn mit großen furchtvollen Augen anstarrte. Alleine seine Anwesenheit ließ ihr Herz in einem schmerzenden Takt schneller schlagen.

Mit einem weiteren Zauberspruch versiegelte er die Türe wieder und schritt mit einem Ausdruck von Erhabenheit im Gesicht zwischen den Zellen wieder hinauf in seine Gemächer.

Erleichtert wandte das Wesen seinen Blick nun auf Andrew, der mitten in einer bräunlichen Wasserlache lag und sich nicht rührte. Langsam krabbelte sie auf allen Vieren auf ihn zu und stupste ihn sanft mit den Fingerspitzen an, worauf Andrew ein kurzes Stöhnen von sich gab.

"Hey, aufwachen! Es ist nicht gut, wenn du dort liegst!" flüsterte sie ihm zu und schüttelte ihn dabei leicht an der Schulter. Andrews Augen begannen zu zucken und mit viel Mühe öffnete er sie schließlich. Verschwommene Bilder waren das einzige, was er zuerst erkennen konnte und ein Schwindelgefühl holte ihn zurück auf den Boden, als er versuchte sich aufzurichten.

"Ganz ruhig, das verschwindet nach einigen Minuten!" Sanft strich sie ihm über sein blasses, verschwitztes Gesicht und half ihm dann sich mit dem Rücken gegen eine Wand zu lehnen, wo er sich wenigstens etwas abstützen konnte. Nach ein paar Sekunden konnte er wieder klarer sehn und die Formen bekamen feste Umrisse und Linien.

"Wo bin ... ich?" fragte er mit müder Stimme und hielt sich seinen Kopf mit einer Hand.

"Du bist in dem Kerker von Servothate!" Ihre Stimme klang angenehm in Andrews Ohren und er versuchte sie mit den Augen zu fixieren, als er plötzlich aufschreckte. Er hatte mit vielem gerechnet, aber nicht mit so einer seltsam leuchtenden Gestallt, die ihn neugierig beäugte.

"So angsteinflößend bin ich doch auch nicht!" murrte sie mit einem leicht bösen Blick, worauf sich Andrew entschuldigte.

"Ich bin einfach noch nicht ganz munter. Tut mir leid!"

Er versuchte sich zu erinnern, was passiert war und warum er nun hier war, aber er hatte nur noch bruchstückhafte Erinnerungen an die vergangenen Geschehnisse.

Böse Träume...

Schweißgebadet schreckte Hades aus seinem Schlaf. Sein Atmen raste und sein Herz pochte. Mit der rechten Hand griff er sich an seine schmerzende Brust und rang nach Luft. Yakata wurde von der Unruhe geweckt und rieb sich verschlafen die Augen, als sie Hades erblickte.

"Was ist mit Euch?!" fuhr sie erschrocken auf und versuchte irgendetwas machen zu können.

"Ich... ich habe von... Andrew geträumt. Es war ein böser Traum... Da stimmt irgendetwas nicht!" Nach ein paar tiefen Atemzügen wurde er langsam wieder ruhiger und auch die Schmerzen ließen nach.

"Und was habt Ihr nun vor?" Sanft legte sie ihre Arme um ihn und kuschelte sich fest an ihn.

"Ich werde sofort aufbrechen und zu ihm!" Er riss die Decke zurück, sprang aus dem Bett und suchte seine Anziehsachen zusammen.

"So wartet doch!" Hastig krabbelte Yakata von der Matratze und entriss ihm die Sachen wieder.

"Es ist mitten in der Nacht! Draußen streifen weiß Gott was für Gestallten und Tiere herum und Ihr seid viel zu aufgebracht. So lasse ich Euch nicht gehen!"

"Haltest du mich für so einen Schwächling, dass ich mit solchen Kreaturen nicht fertig werden würde?!" zischte er sie böse an.

"Nein!... Nur für einen besorgten Vater, der gerade dabei ist unüberlegtes zu tun!" Sie legte seine Kleidung zur Seite und nahm seine Hand.

"Wollt Ihr riskieren verletzt zu werden? Damit würdet Ihr Eurem Sohn auch nicht helfen. Wartet bis zum Morgen und reitet dann. Euer Sohn ist sicherlich stark genug, um so lange ohne Euch auszukommen!"

Eine Weile überlegte er noch und senkte dann doch verstehend den Kopf.

"Gut, aber ich werde so früh wie möglich los!" Er wusste, dass er nun keine Ruhe mehr finden würde, aber er legte sich dennoch wieder ins Bett, in der Hoffung vielleicht für ein paar Minuten noch schlafen zu können.

Ersehnte Freiheit...

Krampfhaft versuchte Andrew die Teile seiner Erinnerung zu ergänzen und zusammenzufügen, aber er schaffte es einfach nicht, dass ihm alles wieder in den Sinn kam. Was am See geschehen war, was aus den Monstern wurde und wie es nun Kira erging. Er wusste es einfach nicht mehr. Nur noch ein paar verzerrte Bilder waren in seinem Kopf. Schließlich gab er es auf, lehnte den Kopf gegen die kalte Steinmauer und schaute sich um. Alte, zerkratzte Stahlgitter versperrten den Weg vor ihm und eine dicke Felswand auf der noch Blutflecken und andere Spuren von Verzweiflung und Not zu lesen waren, ließen nur erahnen, was sich hinter ihnen befand. Ihm war kalt und der von Kot, Blut und verschmutzen Wasser verdreckte Boden ließ auch keine sonderliche Wärme aufkommen. Dann wanderten seine Augen zu dem Wesen, das ihn anschaute. Ihr ganzer zierlicher Körper schien zu glitzern und zu funkeln und Federn aus reinem Kristall bedeckten ihre Brust bis runter zu den Hüften. Ihr langes, seidenes Haar hing ihr über die Schultern und bei jeder kleinen Bewegung lösten sich winzige schimmernde Körnchen, die sich am Boden auflösten und verschwanden.

"Was bist du eigentlich?" huschte es über seine Lippen, während er diese schöne Gestallt weiter betrachtete.

"Der Naturgeist des Eises und des Wassers. Mein Name ist Shiva!"

"...Shiva...!" wiederholte er leise murmelnd noch einmal für sich.

"Servothate hat mich vor einigen Jahren gefangen genommen und mich für seine Zwecke hier eingesperrt, wie viele andere Wesen hier. Alles magische Geschöpfe, die mit der Zeit in dieser Enge und Grausamkeit eingehen werden. Früher oder später!" Ein betrübter Ausdruck legte sich auf ihr Gesicht.

Andrew kannte diese Grausamkeiten. Sehr anders sah es im Kerker seinen Vaters nicht aus und er konnte nicht verstehen, wie man solches Leid nur zulassen konnte und gar zusehen kann, wie es schlimmer wird.

Oben donnerte Rosiel mit aller Gewalt gegen die Schlosstüre, die ihm darauf von Soldaten geöffnet wurde. Ungeachtet derer, drückte er die Tür weiter auf und stürmte zu Servothates Bibliothek, wo dieser seelenruhig in seinen alten Büchern stöberte.

"Wo ist er?!" fauchte Rosiel ihn in einem bitterbösen Ton an und schnappte hastig nach Luft.

"Ich weiß nicht von wem du sprichst!" Mit einem leichten Schmunzeln stellte Servothate das Buch zurück zu den anderen und ging langsam auf sein Gegenüber zu.

"Du weißt genau von wem ich spreche! Wo ist Andrew? Wachen haben erzählt, du hättest ihn bei dir eingesperrt!" Das finstere Knurren von Rosiel kümmerte Servothate nicht im Geringsten und er zuckte nur mit den Schultern.

"Er ist sicher da, wo er nun ist. Also mach dir keine Sorgen und geh wieder!"

Doch daran dachte Rosiel nicht und machte sich dann eben ohne Begleitung auf den Weg in den Kellerbereich.

"Wage es bloß nicht, auch nur einen Schritt da hinunter zu machen!" Schlagartig änderte sich Servothates Tonfall und er hastete ihm nach, doch es war zu spät. Rosiel war bereits bei den Zellen.

"Andrew! Geht es dir gut?" begrüßte er den völlig erstaunten Andrew, der sein Glück kaum fassen konnte.

"Gott, bin ich froh dich zu sehen, das kannst du...!" verstummte dieser plötzlich als Servothate sich neben Rosiel aufbaute. Seine ganze Hoffnung, hier lebend und heil wieder herauszukommen, zerbrach vor ihm in tausende von kleinen Stücken.

"Er bleibt hier!" knurrte Servothate so finster, dass man davon eine Gänsehaut bekam.

"Du lässt ihn sofort hier raus oder ich werde Hades mal ein bisschen was davon erzählen, was du mit seinem Sohn hier anstellst! Er wird das sicher nicht sehr willkommen heißen!" Rosiel ließ sich kein bisschen von seinen Worten einschüchtern und hatte schließlich erfolg. Wortlos öffnete Servothate das Schloss, so dass Andrew heraus konnte, der beim Gehen noch Shiva an der Hand packte und sie mit schleifte.

"Sie gehört mir!" zornig packte Servothate sie am Arm.

"Wenn du nicht willst, dass Hades auch nur ein Wort erfährt, wirst du ihren Arm loslassen!" Nun wieder auf freien Beinen und mit Rosiel als Stütze, traute Andrew sich, gegen seinen Peiniger aufzulehnen, der stumm alle drei ziehen ließ.

Endlich draußen und fern von allem Übel atmete Andrew erleichtert auf.

"Ich weiß gar nicht wie ich dir danken kann. Ich dachte schon ich würde niemals mehr etwas anderes als diese Zelle sehn!" Mit einem freudigen Lachen umarmte Shiva ihn und drückte ihn fest. Am liebsten hätte sie in diesem Moment die ganze Welt umarmt, so glücklich war sie. Freiheit endlich wieder Eins mit der Natur zu sein, war der größte Wunsch den man ihr erfüllen konnte, nachdem ihr das so brutal entrissen worden war.

"Da gibt es nichts zu danken. Es war das mindeste was ich tun konnte. Und pass ihn Zukunft besser auf, damit du dort nicht wieder landest!" Ihre Begeisterung und Freude zauberte auch ihm ein Lächeln auf sein Gesicht.

"Das werde ich. Wenn du irgendwann einmal Hilfe brauchst, dann wird ich da sein!" versprach sie ihm noch mit einem Lächeln und löste sich dann in Millionen kleiner Sterne auf, die langsam zum Himmel aufstiegen. Andrew sah ihnen noch einige Sekunden nach, bevor er beschloss, mit Rosiel zurück zum nach Hause zu gehen. Er brauchte endlich ein heißes Bad und ein warmes Bett, in dem er sich erholen konnte. So ausgelaugt hatte er sich noch nie in seinem Leben gefühlt und er wollte nur noch schlafen.

Gedanken...

Ein kalter Wind wehte über den kargen Boden an den mächtigen Schlössern vorbei und dunkle, pulsierende Wolken bauten sich am Firmament auf und drohten mit einem heftigen Gewitter.

Mühselig öffnete Andrew seine müden, angeschwollenen Augen und streckte sich. Seine Muskeln waren, angeschwollen und verspannt und er fühlte sich elend schlapp und erschöpft. Um wenigstens wieder einigermaßen auf die Beine zu kommen, entschloss er sich ein heißes Bad zu nehmen, das ihn wieder fit machen sollte.

Das warme Wasser und die angenehmen Düfte ließen ihn entspannt auf der Wasseroberfläche im großen Baderaum treiben. Auch Ky zog es lieber vor, zu dösen als zu spielen und herumzutollen.

Völlig in Gedanken versunken, vergas er die Zeit.

"Du möchtest heute wohl nicht mehr herauskommen!"

Überrascht schreckte Andrew auf und entdeckte Rosiel, der am Beckenrand stand und ihn angrinste.

"Tut mir Leid, ich hab nicht mehr dran gedacht, dass wir abgemacht hatten!" Hastig wollte Andrew zum Beckenrand schwimmen, aber Rosiel hielt ihn auf.

"Ist schon gut, ruh du dich ruhig noch ein wenig aus und komm dann, wenn du dich besser fühlst. Ich renne dir schon nicht weg!" Während er aus dem großem Badebereich schritt, zückte er noch seine Feile aus der Hosentasche und begutachtete akribisch seine Nägel auf eventuelle Unebenheiten.

Andrew war erleichtert noch ein wenig seine Ruhe haben zu können, die er in der letzten Zeit sehr vermisste. Er hatte noch nicht einmal wirklich Zeit gehabt über das alles nachzudenken, was er durchlebte. Diese riesige Flut aus Ereignissen hatte ihn so überschüttet, dass er nicht überlegen könnte, was mit ihm geschah und warum. Sein ganzes Leben hatte sich völlig auf den Kopf gestellt und Vorstellungen, die er nur aus fantasievollen Büchern kannte, stellten nun seine Realität dar. Es war für ihn zu unwahr, um Wirklichkeit sein zu können, aber dennoch war es dies.

Nach einer Weile beschloss er, sich etwas anzuziehen und frühstücken zu gehen. Im Schloss war es wie ausgestorben. Eine Unheimliche Stille, die nur von den Schritten der Wachsoldaten unterbrochen wurde, die ihren Routinerundgang machten. Nachdem er fertig gegessen hatte und die Bediensten seine Teller verräumt hatten, ließen ihn die Bedenken an Kiras Gesundheitszustand nicht mehr in Ruhe und er musste ihnen Nachgehen. Er nahm sich einen von Hades Mänteln, streifte ihn über und begab sich dann aus der Schlosstür, die ihm von den Wachen geöffnet wurde. Die düsteren Wolken breiteten sich mehr und mehr aus und Andrew ahnte, dass ein Sturm aufkommen würde, aber auch dies konnte ihn in diesem Moment nicht aufhalten. Er sattelte seinen Drachen und machte sich dann auf den Weg zu Kiras Schloss, das nicht fern war von seinem Zuhause.

Nur noch wenige Meter von diesem Entfernt setzte sein treues Tier zur Landung an und Andrew musste mit Schrecken feststellen, dass rings um das ganze Schloss Servothates Wachsoldaten standen und die Gegend aufmerksam im Auge behielten. Was hatten sie hier zu suchen und warum gerade bei Kira? Verwundert stieg er langsam vom Rücken seines Drachens und schritt auf die Soldaten zu, die ihn sofort mit ihren spitzen Speeren den Weg versperrten.

"Wieso kann ich nicht zu ihr?" fragte er leise und hielt etwas Abstand zur Sicherheit.

"Wir haben den Befehl niemanden hinein oder heraus zu lassen!" gaben sie ihm in einem barschen Ton zurück und verzogen dabei keine Miene, was Andrew unheimlich war.

"Ich möchte doch nur wissen wie es ihr geht. Mehr nicht!" Er hoffte immer noch hineingelassen zu werden, aber nachdem er keine Antwort bekam, machte er langsam kehrt. Sie waren zu viele und zu stark, um es weiter zu versuchen. Doch gerade als er seinen Fuß in den Bügel des Sattels stellte, bemerkte er, wie die Wachen auf die Knie gingen. Die ganze Reihe durch senkten sie alle demütig ihr Haupt. Verwundert blickte er sich um, und entdeckte am Himmel eine Drachenschar, die mit großen Flügelschlägen immer näher in seine Richtung kam. Drei riesige Echsen bildeten die Front. Auf ihren Schultern saßen muskulöse Krieger, die jeweils eine messerscharfe Axt in der Hand hielten und am Rest ihres Körpers bespickt waren mit Messern und Dolchen. Dahinter flogen fünf mit normalen eher kleinlich wirkenden Wachen. Doch dann erblickte Andrew jemanden, der ihm das Blut gefrieren ließ. Für einen Moment wurde ihm eiskalt, als er in die Augen des Mannes blickte, der auf einem außergewöhnlich großen, schwarzen Drachen in einem pompösen Sattel saß. Der Fürst der Finsternis reiste mit Titius zu seiner Rechten, seinem Magier Kuja zu seiner Linken und einer großen Anzahl von hünenhaften Soldaten in seinem Nacken. Er kehrte zurück von Verhandlungen mit dem Himmelsreich, die seinem Gesichtsausdruck nach, nicht sehr positiv gewesen zu seien schienen. Das laute Gebrüll der Tiere war kilometerweit zu hören. Doch noch bevor die letzten Tiere an Andrew vorbei flogen, raffte dieser sich wieder zusammen und sah seine Chance. Eilig sprang er in den Sattel, hob mit seinem Drachen über die Köpfe, der am Boden knienden Soldaten empor und ließ seine große Echsen auf einen der spitzen Türme sich festkrallen, sodass Andrew über den Schwanz seines Drachens in ein kleines Fenster klettern konnte. Endlich auf festen, sicheren Boden, beeilte er sich, die Treppen des Turms hinunter zu rennen, um Kira endlich zu finden. Hastig hechtete er durch die Gänge und öffnete jede Tür, die er fand, bis er endlich einen Raum fand, der von einem kleinen Kerzenleuchter erhellt wurde, neben dem ein großes Bett stand, dass einen dunkelroten Samthimmel und Vorhänge hatte. In eine warme, kuschelige Decke eingehüllt lag Kira darin, die friedlich schlummerte. Erleichtert verschnaufte Andrew erst einmal am Türrahme und ging dann langsam auf sie zu. Er war so froh, dass es ihr gut ging. Vorsichtig setzte er sich an den Bettrand, schaute in ihr hübsches Gesicht, dass keine schmerzliche Miene verzog und streichelte es dann sanft mit dem Fingerspitzen. All die Sorgen, die er um sie hatte, waren in diesem Moment vergessen.

"Schlaf gut!" flüsterte er ihr leise zu und richtete sich langsam wieder auf. Nun musste er sich keine Gedanken mehr um sie machen. Sie war am Leben und es schien ihr recht gut soweit zu gehen. Aber er wusste nicht, ob nicht auch Wachen im Schloss waren, die womöglich hin und wieder einen Blick hier herein warfen, um zu sehen, ob Kira noch da war. Deshalb hielt er es für besser zu gehen und schlich den Weg zurück, auf dem er gekommen war und schaffte es schließlich ungesehen wieder auf durch das kleine Turmfenster auf seinen Drachen, der sich vom Dach abstieß und wegflog. Die düsteren beherrschten noch immer den gesamten Himmel und gerade als Andrew ein paar Meter vom Schloss entfernt war, fing es wie aus Eimern zu regnen an. Doch dies kümmerte ihn nicht. Regen wäre eines seiner kleinsten Probleme, wenn er an Servothate dachte, der sich sicher in diesem Moment einen Racheplan ausdachte. Aber darüber wollte Andrew sich nun noch keine Gedanken machen.

Ein ungewisser Weg...

So langsam wurde auch Kurai wieder munter, der sich aber nur schwer aufraffen konnte, da ihm jeder Muskel und Knochen schmerzte. Mit zitternden Fingern griff er vorsichtig an sein aufgerissenes Ohrläppchen, das aufgehört hatte zu Bluten und nur noch eine kleine offene Wunde zu sehen war.

Vor seinen Augen war alles verschwommen und er hatte das Gefühl, als würde sich alles um ihn herum drehen. Nach ein paar Minuten konnte er wieder klarer sehen und wunderte sich, wo er sich befand. Er kannte diese Räumlichkeiten, aber er konnte sich im Moment nicht daran erinnern, woher. Mit viel Kraft setzte er sich von dem Sofa auf, schleppte sich schwankend durch den großen Saal und öffnete eine Holztür, hinter der er Nadja und Uriel erblickte, die zusammen an einem kleinen Tisch saßen und sich etwas unterhielten.

"Ach, du ... Uriel... " schnaufte er erschöpft und sackte am Türrahmen gelehnt haltlos zu Boden.

Sofort sprang Nadja auf und nahm ihn in ihre Arme. Sein Gesicht war ganz verschwitzt und heiß.

"Ihm scheint es immer noch nicht so gut zu gehen. Wir legen ihn besser wieder hin!" zusammen mit Nadjas Hilfe trug Uriel seinen Freund wieder zurück auf das Sofa.

"Bleib du kurz bei ihm. Ich komme gleich wieder!" Uriel warf einen letzten besorgten Blick auf seinen alten Freund, bevor er in einem kleinen fast unscheinbaren Nebenraum verschwand.

"Mein Kopf... er fühlt sich so elend schwer an!" schnaufte Kurai, worauf Nadja seine Hand nahm und sie sanft drückte.

"Mach dir keine Gedanken. Du kommst sicher wieder auf die Beine!" Sie schaute in seine glasigen, müden Augen, die leicht angeschwollen waren. Sie machten sie so traurig tief im Herzen. Irgendwie wollte sie ihm noch etwas sagen. Ein paar Worte, die ihn aufmuntern würden, doch da kam Uriel schon wieder zurück, der etwas in der Hand zu tragen schien. Als er näher kam, erkannte Nadja, dass es eine funkelnde Silberkette war, die ein wunderschön glänzendes, mit vielen Edelsteinen verziertes Kreuz als Anhänger hatte.

"Dass du mir ja gut darauf aufpassen wirst!" mahnte Uriel ihn mit einem leichten Lächeln und legte ihm die Kette um den Hals. Sofort strahlte ein helles, jedoch angenehm warmes Licht auf, dass Kurais ganzen Körper umschlang und ihm neue Kraft gab. Er fühlte sich so entspannt und wohl, wie schon lange nicht mehr und eine vollkommene Zufriedenheit herrschte nun in seinem Herzen. Er öffnete langsam seine Augen wieder und fühlte sich wie neu geboren, bis er den Anhänger erkannte.

"Uriel, dass kann ich nicht annehmen. Darin steckt deine Lebensenergie! Was ist, wenn es in falsche Hände gerät oder..." plusterte er sich erschrocken auf, als Uriel ihm den Finger auf die Lippen legte, damit er schwieg.

"Ich vertraue dir, Kurai. Ich weiß, dass du es mir irgendwann heil wieder zurückgeben wirst!" Für Uriel war sein Leben nicht mehr viel wert. Tag ein und Tag aus richtete er über tausende von Seelen und bestimmte deren Schicksal im Bruchteil einer Sekunde. Sie konnten den ewigen Frieden finden, oder für immer grausame Qualen erleiden. Das alles lag in seiner Hand und er war es Leid. Es zerrte an ihm, immer ein Gefangener zwischen den Welten und doch Nirgends willkommen zu sein. Insgeheim wünschte er sich Erlösung, aber dies wollte er niemanden sagen und schon gar nicht Kurai, der sich über viele Jahre als ein wahrer Freund ihm gegenüber bewiesen hatte.

Kurai war ihm mehr als Dankbar. So sehr, dass er es nicht in Worte fassen konnte, sondern ihn einfach nur umarmte. Diese paar Sekunden, des wieder menschlich Fühlens, ließ in Uriel ein Gefühl der Wärme aufkommen, dass er hier in seinen kalten Gemäuern oft vermisste.

"Schon gut. Ruht euch noch ein wenig aus und dann bringe ich euch zum Tor!" Das Lächeln auf Uriels Gesicht verschwand, als er sich aus der Umarmung löste und die beiden alleine ließ, um alles vorzubereiten.

"Ich hatte gar nicht mehr daran gedacht, dass wir längst hätten zu ihm gehen sollen. Stattdessen habe ich dich in große Gefahren gebracht, Nadja. Es tut mir leid!" Kurai verstand nicht, wie er so dumm gewesen sein konnte, diese einfache Lösung zu übersehen, aber Nadja war ihm nicht böse. All die bösen Erinnerungen waren überdeckt von der Freude, dass nun endlich nicht mehr schief gehen konnte. Sie würde Andrew wieder sehen und das spürte sie ganz tief in ihrem Herzen. Nichts vermochte sich nun mehr, sich ihr in den Weg zu stellen.

Nachdem sie noch eine Kleinigkeit gegessen und sich für den harten Weg vorbereitet hatten, brachte Uriel sie über eine Steintreppe in den unteren Bereich seiner Räumlichkeiten. Es war kalt und dunkel und Nadja klammerte sich fest an Kurais Arm, um sich nicht zu verlaufen und plötzlich alleine zu sein. Doch dann erblickte sie ein schummriges rötliches Licht, welches am Boden die Form eines Pentagramms bildete.

"Hört mir gut zu!" Uriel blieb stehen und richtete sich mahnend vor ihnen vor.

"Ihr müsst innerhalb von Zwei Stunden wieder genau an dem Punkt stehen, an dem ihr in der Unterwelt ankommt. Nur dann kann ich euch auch wieder zurückholen. Lasst euch da unten von niemanden sehen und geht lieber, bevor euch Ärger droht, denn das überlebt ihr nicht!" Für einen Moment zweifelte Uriel, ob es wirklich so gut wäre, die beiden in diesen Schlund des Bösen zu schicken, aber er wusste auch, dass er sie wohl nicht davon abbringen konnte.

Er forderte sie auf, sich in das magische Zeichen zu stellen und murmelte dann ein paar kaum verständliche Worte. Noch bevor sie merkten, was mit ihnen geschah, verschwanden sie.

"Passt bitte auf euch auf!" nuschelte er leise und senkte betrübt seinen Kopf, als er dieses beklemmende Gefühl in seiner Brust fühlte, dass ihm nichts Gutes erahnen ließ.

Schmerzvoller Abschied...

Stille herrschte in der Unterwelt, über der sich noch immer düstere Wolken am Himmel entlang zogen. Aber zumindest der Regen hatte aufgehört auf den kargen Boden zu prasseln. Neben einer riesigen, schon leicht verwilderten Schlossmauer, ragte ein kleines, totes Bäumchen aus der Erde, neben dem plötzlich Kurai und Nadja auftauchten. Noch leicht wackelig auf den Beinen von der ungewohnten Art zu Reisen, schauten sie sich um, aber Nadja war gar nicht wohl dabei, als sie die meterhohen Steinmauern der Schlösser sah, die bedrohlich vor ihr standen und nur erahnen ließen, was sich in ihrem Inneren abspielte. Das Markerschütternde Gebrüll der Drachen, die angekettet in den Ställen lagen, schüchterten sie so ein, dass sie sich ängstlich an Kurai klammerte.

"Wie sollen wir ihn finden? Wie sollen wir in diese Schlösser hineinkommen?" fragte Nadja ihn, während sie sich umblickte. Ein Gefühl von Kälte und Panik machte sich in ihr breit.

"Darum kann ich mich kümmern. Mit meiner Kraft kann ich versuchen seine Aura ausfindig zu machen!" beruhigte er sie, legte den Arm um ihre Schulter und führte sie vorsichtig von dem kleinen Bäumchen weg. Sie mussten aufpassen, nicht auf Wachen zu treffen, die auf Streifzügen um die Festungen schritten. Schnell schlichen sie hinter Skulpturen und Ställen vorbei und arbeiteten sich ein gutes Stück voran. Immer wieder jagten die grässlichen Fratzen von Wasserspeiern und anderen Figuren, die an den Wänden befestigt waren, Nadja einen Schrecken ein. Ihre Beine zitterten und sie meinte jeden Moment zu Boden zu sacken.

"Ich spüre etwas!" Hielt Kurai plötzlich inne.

Völlig gebannt starrte Nadja ihn an und wartete darauf, was er sagte.

"Ich spüre Andrew! Er ist hier in der Nähe!" Hastig blickte er sich um und versuchte festzustellen, woher diese Energie kam, bis er plötzlich ein gigantisches Schloss nur wenige Meter vor ihnen erspähte. Wie grausame Krallen sahen die schwarzen Türme aus, die sich in der Dunkelheit dem Himmel entgegen streckten und Nadja erschaudern ließen. Kein Alptraum, den sie je zuvor hatte, war so schlimm, wie das, was sie an diesem Ort sah.

"Das ist Hades Wohnsitz. Du wirst versuchen müssen, über den hinteren Stall in den Keller zu krabbeln und von dort aus in das Schloss!" Hastig packte er sie am Arm und schleifte sie näher an das Gebäude.

"Was?! Ich soll da alleine rein?! Bist du verrückt!" Schockiert starrte sie ihn an und hielt es eher für einen schlechten Witz als einen ernsten Plan.

"Da drinnen rennen höchstens dumme Wachsoldaten herum. Die erkennen keine Menschen, aber sie erkennen Engel. Du bist sicherer, wenn du alleine gehst!" Während er sich immer wieder umschaute, ob nicht Wachen auftauchten, öffnete Kurai ein kleines Fenster an der Stallwand durch seine magischen Kräfte, um Nadja dort Hineinschlupfen zu lassen.

"Und du?" fragte sie ihn und griff fest nach seiner Hand, die wie ihre zitterte.

"Ich warte hier, bis ihr wieder kommt und nun beeile dich!" Hastig half er ihr durch das Fenster einzusteigen und verkroch sich dann in einem dunklen Eck, um nicht gleich gesehen zu werden.

Nadja landete mitten in einem Haufen Heu, der sie fast überdeckte. Vorsichtig arbeitete sie sich durch, bis sie plötzlich vor einem großen, lebenden Drachen stand, der friedlich schlief und dabei leicht schnarchte. Noch nie in ihrem Leben hatte sie so ein riesiges Tier gesehen mit Zähnen und Krallen, die einen Menschen in wenigen Sekunden töten könnten. Ganz langsam versuchte sie, an der Kreatur vorbei zu kommen, um sie nicht zu wecken. Sie arbeitete sich an der Holzwand entlang und öffnete eine kleine Tür, die sie aus der Box der Echse herausließ. Erleichtert atmete sie aus, als sie endlich ein bisschen Sicherheitsabstand zwischen sich und dem Tier gebracht hatte. Aber wie sollte sie nun in den Keller des Schlosses kommen? Sie suchte den gesamten Stall nach einem Ausweg ab, bis sie von etwas Stroh bedeckt eine Bodenluke erkannte.
 

Tief unten in Servothates Kellergemäuern hatte er sich ein kleines Labor eingerichtet, in dem er an einem großen Tisch zwischen giftigen Flüssigkeiten saß, die vor sich hinbrodelten und qualmten. Viele hunderte von Fläschchen und Büchern stapelten sich in den alten Holzregalen, die unter der großen Last, fast zusammenbrachen. Mit präzisier Genauigkeit tropfte er mit einer Pipette vorsichtig eine bläulich schimmernde Substanz in eine flache Schale, welche angefüllt war mit einer giftgrünen wässrige Lösung. Ein lautes Zischen schallte durch den Raum und ein gellendes Lachen drang über Servothates Lippen.

"Endlich! Endlich habe ich es geschafft!" Sein Lachen wurde lauter und hallte fast in seinem ganzen Schloss wieder, während sich in seinen Augen ein Hauch von Wahnsinn spiegelte.
 

Nadja hatte die schwere Luke mit viel Kraft und Mühe öffnen können und sich über eine schmale Treppe in die Kerkerräume des Schlosses durchgekämpft. Dort unten angekommen, stieg ihr der beißende Geruch von verwesten Fleisch und Urin in die Nase, der sie aufstoßen ließ. Der Boden war verklebt mit Blut und Fäkalien und in den düsteren Zellen erkannte sie nur wage, abgemagerte Gestallten, die jämmerlich zusammengekauert in der Ecke saßen und vor Kälte, Hunger und Angst zitterten. Eines dieser bedauernswerten Wesen versuchte seine Hand, die nur noch aus Haut und Knochen bestand, durch die Gitterstäbe nach ihr auszustrecken, worauf Nadja erschrocken zur Seite ging, um auszuweichen. Dieses grausame Elend war zuviel für sie in diesem Moment und sie rannte schnell vor zu der großen, alten Holztüre, um hier wegzukommen. Ihr Herz pochte und Tränen brannten in ihren Augen. Die Anspannung war einfach zu viel für sie, aber sie durfte nun nicht einfach aufgeben. Nicht jetzt, wo sie ihrem Ziel so nahe war.

Weitere Treppen offenbarten ihr einen Weg nach oben, in hoffentlich weniger Angsteinflößende Räumlichkeiten. Sie kam an einem großen Saal wieder heraus, der von vielen goldenen Kerzenleuchtern mit einem warmen und angenehmen Licht erfüllt wurde. Hier fühlte sie sich gleich deutlich wohler. Wachsam schaute sie erst um jede Ecke und in jeden neuen Raum, damit ihr auch keine Soldaten entgegen kamen. Doch weit und breit war niemand zu sehen und so schaffte sie es unbemerkt ein Stockwerk höher zu kommen. Sehr vorsichtig, aber doch zügig öffnete sie die Türen zu den oberen Zimmern, um zu sehen, ob sich Andrew in einem von ihnen befand. Ihre Hände und Beine zitternden vor Angst hinter einer der Türen einer Wache oder Hades zu begegnen.

Sie stecke ihren Kopf in einen weiteren Raum und fand ein Schlafzimmer vor, in dem jemand friedlich im Bett ruhte. Behutsam schloss sie die Türe wieder hinter sich und schlich langsam zum Richtung Bett. Ihr Herz klopfte immer schneller, aber sie traute sich kaum zu atmen, vor lauter Furcht, jemand würde es hören und sie entdecken. Zwischen den Kissen eingekuschelt erkannte sie das Gesicht von Andrew. Sie konnte ihr Glück kaum fassen. Tränen liefen über ihre Wangen und ihre Knie wurden so weich, dass sie einfach zu Boden sackte. Sie konnte es nicht fassen, dass sie nach all dem Elend und all den Strapazen endlich am Ziel angekommen war. Leicht zuckend öffnete Andrew, der von Nadjas Schluchzen wach wurde, die Augen und schaute sich um. Er starrte einige Sekunden auf sie, ohne wirklich zu begreifen, wer da vor ihm war.

"... das kann doch nicht... wahr sein!" stammelte er völlig verwirrt als Nadja ihm in die Augen blickte. Voller Freude sprang diese blitzschnell vom Boden auf und umarmte ihn. Sie drückte ihn so fest an, als wollte sie ihn nie wieder los lassen. Wie lange hatte sie auf diesen Augenblick warten müssen und nun konnte sie ihn wieder spüren.

"Nadja, bist du es wirklich?" fragte er sie und nahm mit zittrigen Fingern ihr Gesicht in die Hände, um es genau zu mustern.

"Ich musste dich einfach wieder sehen!" Weitere dicke Tränen kullerten über ihre Wange, während sie sanft ihre Stirn gegen seine drückte, um ihn noch näher zu sein.

"Aber ... wie hast du es hier her geschafft?" Andrew konnte es immer noch nicht glauben. Die ganze letzte Zeit hatte er ständig an sie denken müssen, was sie wohl gerade mache und wie es ihr ging. Aber nun war sie bei ihm, in seinen Arm, ganz nah.

"Ich hatte Hilfe. Aber hör zu, Andrew. Wir müssen los! Ich bin hier her gekommen, um dich wieder auf die Erde mitzunehmen. Wir haben nicht mehr viel Zeit!" Nadja wollte ihm mit wenigen Worten, am schnellsten alles bestens erklären, aber dies schien nicht wirklich zu klappen. Andrew war völlig perplex und verstand nicht, worauf sie hinaus wollte.

"Komm einfach mit mir mit! ... bitte, Andrew!" flehte sie ihn an, wobei ihre Lippen sanft die seinen berührten. Sie konnte nichts gegen dieses Verlangen tun, ihn zu küssen, aber Andrew genoss es sehr.

Seine Finger glitten liebevoll durch ihr Haar und er drückte sie vorsichtig noch ein kleines Stück näher an sich heran. Für einen Moment blieb die Zeit um die beiden herum stehen, bis Nadja schließlich wieder in den Sinn kam, dass sie sich eigentlich beeilen müsste. Langsam löste sie sich wieder von ihm und blickte ihm tief in seine wunderschön funkelnden Augen, die voller Wärme, die ihren anschauten.

"Ich folge dir überall hin!" flüsterte er ihr zu und stieg mit ihr aus dem Bett. Hastig holte er noch einen warmen Mantel aus einem der großen Schränke und schritt dann mit ihr aus seinem Zimmer. Vor den Wachen brauchte sie sich mit Andrew an ihrer Seite nicht zu fürchten, aber dennoch hatte sie kein wirklich gutes Gefühl und klammerte sich an seinem Arm fest. Mit schnellen Schritten machten sie sich auf den Weg, Richtung Ausgang, als sich plötzlich das Eingangstor öffnete und Servothate hindurch schritt. Andrew erstarte vor Schreck. Er hatte mit vielem in diesem Augenblick gerechnet, aber nicht damit, seinem Feind wieder unter die Augen treten zu müssen. Schützend stellte er sich vor Nadja, als Servothate, mit großen Schritten auf sie zukam.

"So spät noch unterwegs, Andrew?" Ein selbstgefälliges Grinsen machte sich unter Servothates Tuch breit, welches Andrew nichts Gutes erahnen ließ. Irgendetwas musste dieser Kerl wieder im Schilde führen. Argwöhnisch musterte Andrew sein Gegenüber von oben bis unten und erhoffte zu erkennen, was er hier wollte. Aber da war nichts Auffälliges.

"Was hast du hier zu suchen?" knurrte Andrew ihn an und behielt ihn weiter im Auge.

"Nichts, was dich interessieren könnte. Ich wollte nur Rosiel noch einen kleinen nächtlichen Besuch abstatten. Es gibt einiges, was ich mit ihm noch zu klären habe!" Wie ein Raubtier, das auf Beute aus war, schlich Servothate um Andrew herum und beäugte dabei neugierig Nadja, die sich ganz klein machte. Dieser Mann war ihr zu unheimlich, um ihm trauen zu können und sie musste damit rechnen, dass er sie als Mensch erkannte. Was würde dann mit ihr passieren? Doch noch war Andrew bei ihr und gab ihr ein gewisses Gefühl an Sicherheit.

"Dann kannst du mich ja nun in Ruhe lassen!" fauchte Andrew ihn an, packte Nadja fest am Arm und zog sie mit sich Richtung Ausgang.

"Ach, Andrew!" rief Servothate ihm nach, worauf dieser zwar stehen blieb, sich aber nicht umdrehte.

"Ich habe gelogen!" Servothates Blick verfinsterte sich schlagartig und er zog aus seinem Ärmel eine lange, dicke Nadel heraus, die wie einen kleinen Sperr auf Andrew warf, der nicht schnell genug reagieren konnte und genau zwischen den Schulterblättern getroffen wurde. Ein stechender Schmerz zuckte durch seinen Körper und lähmte ihn. Eine Flut von grausamen Schmerzen folgte, die ihm alle Sinne raubten.

"Hochkonzentriertes Gift. Meine eigene Mixtur. Sie lähmt dich und zerfrisst ganz langsam aber sicher deinen Körper!" Ein Schadenfrohes Lachen brach aus Servothate heraus, der den Anblick mit jeder Faser seines Herzens genoss. Nadja hingegen stand völlig unter Schock.

"Was ist mit dir?! Andrew? Wir müssen hier weg!" Sie packte ihn an den Schultern und versuchte ihm klar zu machen, dass sie nun so schnell es ging hier wegmussten. Andrew versuchte sich zusammen zu reißen und ein paar Schritte zu machen, aber seine Beine taten nicht das, was er wollte und so kippte er völlig hilflos zu Boden und schrie erneut auf vor Schmerzen. Tränen rollten über Nadjas Wangen, als sie versuchte ihm beim Aufstehen zu helfen. So konnte es doch nicht Enden. So durfte es einfach nicht Enden.

"Gib es auf. Ihn kannst du nicht mehr retten!" Voller Zufriedenheit schritt Servothate auf die beiden zu, doch Nadja, wollte nicht, dass dieser Mistkerl noch einen Finger an ihren Andrew legte. Sie packte ihn an den Händen und schleifte ihn mit aller Kraft am Boden zur Türe, als sie plötzlich Kurais Stimme hörte. Blutige Wunden zierten seinen Körper, Schweiß tropfte von seiner Stirn und Panik stand in seinen Augen geschrieben. Kurai flog ganz außer Atem auf sie zu mit mehren Soldaten im Schlepptau, die ihn verfolgten.

"Nadja wir müssen sofort hier weg! Wir sind entdeckt worden!" keuchte er mit heißerer Stimme, landete neben ihr, griff nach ihrem Handgelenk und zog sie mit sich weg von Andrew, der noch immer am Boden lag und vor Schmerzen brüllte.

"Halt warte! Wir müssen Andrew mitnehmen!" Sie versuchte sich loszureißen, um ihn mitzunehmen, aber Kurai ließ sie nicht los.

"Wir können ihn nicht mitnehmen. Wir müssen so schnell es geht hier weg!" Kurai umschlang sie fest mit seinen aufgerissenen, blutigen Armen und hob mit letzter Kraft und großen Flügelschlägen vom Boden ab.

Aus allen Ecken schossen Wachen hervor, die bis an die Zähne bewaffnet auf sie zu rannten.

Wie von Sinnen schlug Nadja auf Kurai ein, damit er sie losließ, aber er tat es nicht und so entfernte sie sich immer mehr von Andrew, zu dem sich nun Servothate hinunterkniete, um ihn zu begutachten. Bittere Tränen brannten in ihren Augen, als sie Einsehen musste, dass sie nicht mehr zurück konnte und Andrew in den Händen dieser Bestien verloren war.

Wir müssen sie warnen...

Noch völlig erschöpft von der Reise in die Unterwelt, lag Kurai auf Uriels Couch und pflegte seine tiefen Schnittwunden, die sich über seinen ganzen Körper erstreckten. Vorsichtig wickelte er einen Verband um seinen schmerzenden Arm, als plötzlich Nadja mit Tränen erfüllten Augen auf ihn zu rannte.

"Du hast ihn im Stich gelassen! Du hättest ihn mitnehmen müssen!" fauchte sie ihn bitter schluchzend an und riss an seinem Hemd herum.

"Hey Nadja beruhige dich!" Er versuchte ihre Arme zu packen, um sie etwas unter Kontrolle zu bekommen.

"Du bist Schuld, dass er tot ist! Ich hasse dich!" brüllte sie und schlug mit ihren Fäusten auf ihn ein, worauf er vor Schmerzen aufbrüllte. Die harten Schläge trafen seine offenen Wunden, die darauf schrecklich zu brennen und zu schmerzen anfingen.

Nadja war so in ihrer Trauer und Wut versunken, dass sie es gar nicht merkte, wie weh sie ihm tat.

"Lass ihn sofort los!" Mit einem kraftvollen Ruck, hob Uriel Nadja von hinten weg von Kurai und setzte sie auf das gegenüberstehende Sofa. Er kniete sich vor sie und nahm ihr Gesicht in beide Hände.

"Es hat niemand Schuld daran, dass es soweit gekommen ist und schon gar nicht Kurai! Wenn er Andrew mitgenommen hätte, hätte er nicht genug Kraft gehabt, um euch alle zu retten und dann wärst du nun sicher entweder schon tot oder würdest in einem Kerker dahin vegetieren!" Seine Worte klangen ernst und sein Blick bohrte sich tief in ihre Augen.

"Er hat für dich so viel riskiert und dein Dank dafür ist es, das du auf ihn einschlägst!" Uriel richtete sich wieder auf und schaute noch einen kurzen Moment auf sie herunter, bevor er sich um Kurai kümmerte.

Nadja fühlte sich so durcheinander und haltlos. Alles, was ihr in den letzten Tagen Kraft gegeben hatte, war das Ziel Andrew wieder bei sich zu haben. Und dieses Ziel war nun auf ewig unerreichbar für sie geworden. Er war tot und vielleicht war auch noch sie daran Schuld. Hätte sie ihn nicht aus seinem Zimmer geholt, wäre er dann vielleicht nicht von diesem Kerl angegriffen worden. Vielleicht hätte er rechtzeitig abhauen können. All diese Fragen und Gedanken breiteten sich wie ein dunkler Schleier in ihrem Kopf aus und erneut brach sie in Tränen aus.

"Wie ist es dazu gekommen, Kurai? Was war da unten los?" Uriel setzte sich zu seinem Freund und half ihm, die blutenden Wunden zu säubern und einzubinden.

"Es lief alles so gut... Wir hatten das Schloss gefunden, Nadja kam ohne Probleme hinein und ich hatte mich in einem düsteren Eck versteckt, um nicht gesehen zu werden. Nach ein paar Minuten kamen Wachen vorbei... Sie redeten von einer Schlacht... und, dass sie sicher genug Soldaten und Krieger nun hätten, um dem ganzen ein Ende zu setzen. Sie würden in den nächsten Tagen angreifen... ich bin erschrocken und musste dabei einen Ast zertreten haben... Sie haben mich dann gesehen... und plötzlich waren sie überall. Ich musste da raus. Aber ohne Nadja wollte ich nicht gehen... und als ich sie fand, lag Andrew schon am Boden...!" Kurais Blick wurde traurig.

"Aber, Uriel... die haben vor uns anzugreifen! Wir müssen das Himmelsreich warnen!" Verängstigt griff er nach Uriels Arm, der seinen Worten aufmerksam gelauscht hatte und kein gutes Gefühl hatte.

"Ich hab mir schon immer gedacht, dass so etwas einmal passieren wird. Es kann keinen Frieden zwischen den Reichen geben!" Einen Moment lang überlegte Uriel noch, bevor er sich sicher war, dass es besser wäre das Himmelsreich von dem Vorfall zu unterrichten.

"Gut, wir machen uns gleich auf den Weg!"

Das Schloss des Fürsten...

Eine große Staubwolke bildete sich hinter Hades Kutsche, die von einem Erddrachen gezogen wurde, der so schnell es konnte, auf den kargen Boden rannte, um das Gefährt voran zuziehen. Er hechelte und keuchte vor Anstrengung und Sabber floss aus seinem großen Maul mit den eher kleinen Reißzähnen. Auf seiner braunen, panzerartigen Haut konnte man einige tiefe Narben erkennen und seine Augen waren nur kleine Schlitze, durch die er nicht viel sehen konnte.

Hades blickte besorgt auf seinen Sohn, der auf der gegenüberliegenden Sitzbank lag und zumindest in diesem Moment keine Schmerzen zu haben schien. Er machte sich auch Gedanken, dass es besser gewesen wäre, wenn er nicht abgereist wäre in das Ostlager, oder schon viel früher wieder zurück wäre.

In der Ferne konnte man schon die groben Umrisse eines Schosses sehen, das mehr als gigantisch war. Über viele Kilometer hinweg erstreckte sich der Hauptsitz des Fürsten der Finsternis, der auf einer Insel stand, die über einem riesigen brodelnden Lavasee schwebte. Sie konnte nur über eine schmale Brücke erreicht werden, welche streng von geflügelten Deidres bewacht wurden. Sie waren fast menschenähnliche Wesen, deren schöner femininer Körper von spitzen Stacheln am Rückrad und den Armgelenken verziert wurde. Ihre gräuliche Haut war an einigen Stellen mit weichen, schwarzen Federn bedeckt. Ihr Gesicht ähnelte dem einer Schlange und spitze Fangzähne fletschten aus ihrem zierlichen Mund hervor. Hunderte von meterhohen Türmen ragten in den bewölkten Himmel und auf den Mauern saßen Drachen, die wachsam die Gegend beobachteten. Um die Außenmauer herum reihten sich Soldaten und Oger, die mit spitzen Waffen nur darauf warteten, ungebetene Gäste anzugreifen.

Die Kutsche überquerte die kleine Brücke, wobei die Deidres argwöhnisch böse Blicke durch das kleine Fenster warfen und aufgescheucht herumflatterten. Nachdem Hades die Insel erreichte, schritten sofort einige Wachen auf ihn zu und brachten den Erddrachen zum stehen. Einer sprach kurz mit dem Kutscher, der vollkommen in schwarze Leinentücher verhüllt war und warf danach einen kurzen Blick durch das Fenster in das Gefährt, um auch sicher zu gehen, dass man ihm die Wahrheit sagte. Danach übernahmen sie die Zügel und führten die Kutsche zur Burgmauer, wo Hades ausstieg und Andrew auf seinen Armen zum Tor führte, das er ohne weitere Probleme passieren durfte.

Um zu dem großen Haupteingang zu gelangen musste Hades noch über eine Treppe, an deren Seiten große Flammen aus dem Boden zischten. Ihm wurde langsam heiß und kleine Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Das Tor wurde von zwei ausgesprochen riesigen Ogern bewacht, welche beide jeweils ein messerscharfes Beil in den Händen hielten, an dem noch das Blut des letzten Opfers klebte. Einer von ihnen klopfte fest mit der Faust für Hades an der Tür und stellte sich dann schnaubend wieder an seinen Posten. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sich das Tor langsam öffnete und Titius sein hübsches Gesicht herausstreckte.

"Hades?! Ihr wisst doch, dass Ihr lieber nicht hier herkommen solltet!" erschrocken versteckte sich Titius hinter der mächtigen Tür, als Hades einen Schritt auf ihn zumachte.

"Ich muss sofort zu ihm!" knurrte Hades finster.

"Ich kann Euch nicht zu ihm lassen!" Den Kopf gesenkt wollte Titius den Eingang wieder versperren, als Hades sie mit der Schulter aufstieß. Sofort schritten die Oger ein, packten Hades fest und schleuderten ihn mit voller Wucht zu Boden, wobei auch Andrew am staubigen Grund landete und aufschreckte aus seinem künstlichen Schlaf. Vor Schmerzen krümmte er sich zusammen und brüllte laut auf. Drohend bauten sich die Wachen vor Hades auf und richteten ihre Beile auf ihn. Mit ihren gelblichen Spitzen Zähnen gifteten sie ihn an und Speichelfäden liefen dabei über ihren wulstigen Unterkiefer.

"Halt wartet!" griff Titius ein und zog die Wachen zurück.

Er konnte es nicht zulassen, dass Hades von den beiden zerfleischt würde und gewährte ihm stattdessen den Zugang ins Schloss.

Ein langer Korridor erstreckte sich vor ihnen, an dessen Ende ein großes Tor stand, dass aus schwarzem Gestein angefertigt worden war. Auf den Flügeltüren waren Gestallten eingemeißelt mit hässlichen Dämonenfratzen, die sich zu bewegen anfingen, als Titius näher kam. Sie schienen ihn anzuschauen und öffneten ihm schließlich den Zugang. Eine Hitzewelle kam Hades entgegen, der seinen vor Schmerzen keuchenden Sohn auf den Armen hielt. Ein gewaltiger Raum erstreckte sich vor ihm. Der Boden war mit glänzenden, schwarzen Marmorplatten versehen, die auf heißer Lava schwammen. Ein paar Meter von ihm entfernt, ragte ein riesiger Thron aus dem Boden hervor, dessen Füße ein Wurzelgeflecht waren. An den Seiten standen, durch das Geflecht gefangen zwei geflügelte Figuren, die ihre Hände der schwarzen Decke entgegenstreckten. Ihre schönen Körper waren umschlungen von den dicken Wurzeln und in ihren Gesichtern konnte man deutlich ihr Elend lesen. Die weit in den Raum ausgebreiteten Flügel schienen in dem heißen Dunst zu schimmern. Der Sitz war mit edelsten, dunkelroten Samtstoff überzogen, auf dem der Fürst der ewigen Finsternis saß.

Sein düsterer Blick fiel auf Hades und verfinsterte sich sofort.

"Mir wäre nicht bekannt, dass ich dich eingeladen hätte, Hades!" knurrte der Fürst mit einer unheimlich dunklen Stimme.

Titius stürmte sofort zu seinem Herrn und warf sich vor seinen Füßen auf die Knie.

"Es ist meine Schuld, mein Herr. Ich habe ihn hereingelassen!" jammerte er und senkte demütig sein Haupt, doch der Fürst nahm keine Kenntnis davon und starrte weiter Hades an.

"Ich brauche Eure Hilfe, Meister!" Hades versuchte ruhig zu bleiben und ging noch ein paar weitere Schritte in den Raum, worauf der Fürst plötzlich seine Hand in seine Richtung ausstreckte. Vor Hades versanken zwei Reihen, der Marmorfließen in der glühenden Lava.

Erschrocken wich Hades zurück.

"Wage es nicht diese Missgeburt auf deinen Armen auch nur einen Schritt näher zu bringen!" Mit argwöhnischem Blick begutachtete der Fürst das verzerrte Gesicht von Andrew, welcher in dieser stickigen Luft kaum noch atmen konnte.

"Er wird sterben, wenn man ihm nicht hilft!" Ein leichter Klang von Verzweiflung war deutlich in Hades Stimme zu hören. Er legte Andrew vorsichtig auf den Boden und kniete sich dann nieder.

Die Augen der Skulpturen am Thron des Fürsten fingen an, sich zu bewegen und sie schauten voller Trauer auf den leidenden Körper von Andrew. Ein leises Flüstern war zu hören, dass aus den Ecken des Saales zu kommen schien, die aber so weit entfernt waren, dass man nur Dunkelheit sah.

"Dass du überhaupt den Mut hast, mit deinem missratenen Gör hier aufzutauchen finde ich erstaunlich, aber dein Weg war umsonst!" Mit einem Grinsen auf dem Gesicht lehnte sich der Fürst in seinen Thron zurück.

Aber obwohl Hades sich schon mehr als gedemütigt fühlte, senkte er sein Haupt noch tiefer.

"Ich flehe Euch an, mein Herr. Verlangt was Ihr wollt. Ich zahle jeden Preis, egal wie hoch, aber rettet sein Leben. Es würde Euch nur ein paar Sekunden kosten!" Hades spürte, dass er von allen Seiten beobachtet wurde. Beobachtet von Dienern, Schergen und Schattenwesen, die sich gut versteckt in der Dunkelheit hielten. Es wurde Gelästert und Getuschelt und bald würde es jeder im ganzen Reich wissen, aber es war ihm egal. Es ging um das Leben seines Fleisch und Blutes.

Einen Moment lang schwieg der Fürst. Seine düsteren Augen ruhten auf dem pochenden Leib von Andrew, in dessen Mund sich wieder Blut ansammelte, dass er angewidert ausspie.

"Ich hoffe du überschätzt dich nicht in der Wahl des Preises!" Er gab Titius ein kurzes Handzeichen, worauf dieser hastig zu Andrew schritt, während die Marmorplatten wieder aus der Lava hervortraten. Ganz vorsichtig hob er ihn vom Boden auf und trug ihn weg.

"Du wirst von mir Nachricht erhalten, wenn du dein Gör wieder abholen kannst!" Mit erhobenen Haupt richtete sich der Fürst von seinem Thron auf und kehrte Hades den Rücken zu. Er schritt auf die Rückwand zu, die daraufhin in einem rötlichen Lichtschein zu leuchten anfing. Man konnte deutlich die Konturen von dämonischen Gestallten und Schlangen sehen, welche ihren Blick auf ihren Meister warfen und die Mauer in einen Flammenmeer aufgehen ließen, durch das der Fürst hindurch schritt und verschwand. Danach erlosch das Feuer und die Wandbilder wurden wieder so starr, wie sie vorher waren. Wut stieg in Hades auf. Wut auf sich selber, auf den Fürsten, aber vor allem auf Servothate, der ihn überhaupt in diese erniedrigende Situation gebracht hatte. Zwar war er froh, dass Andrew nun in mehr oder weniger sicheren Händen war, aber für ihn stand fest, dass es bittere Rache geben würde. Eine Rache, die Servothate nicht vergessen sollte.

Zurück in der Heimat...

Strahlend hell schien die Sonne vom leuchtend blauen Himmel auf das friedliche Engelsreich nieder. Auf den weiten, satten Wiesen blühten die farbenprächtigsten Blumen und Vögel zwitscherten fröhlich von den hohen Bäumen. Meterhohe Säulen stützen die Gebäude, welche aus schneeweißen Marmor angefertigt worden waren und an denen sich dunkelgrüner Efeu empor schlängelte. Viele gut gelaunte Engel wanderten auf dem gepflasterten Weg oder ruhten an dem großen Springbrunnen, aus dem kristallklares Wasser in die Luft spritze und glitzerte in der Sonne.

Uriel hatte Kurai und Nadja hinaufgebracht. Kurai tat es gut, die reine und frische Luft zu atmen und spürte wie seine Wunden anfingen zu heilen. Nadja hingegen konnte diese vielen glücklichen Gesichter und das Lachen um sie herum nicht ertragen. Ihre Augen waren angeschwollen von den vielen Tränen, die sie vergossen hatte und ihr Kopf schmerzte. So elend hatte sie sich lange nicht mehr gefühlt.

"Bleibt ihr solange hier. Ich werde zu Adam gehen und ihm von der Situation berichten!" Uriel setzte die beiden am den Springbrunnen ab und machte sich auf den Weg zum Tempel, der auf einem kleinen Hügel etwas außerhalb des Wohngebietes lag.

Ein Lächeln bildete sich auf Kurais Gesicht, der froh war, wieder in seiner gewohnten Heimat zu sein. Viele der Engel grüssten ihn, während Nadja nur böse und verwundete Blicke zugeworfen bekam. Es wurde getuschelt, wer sie wohl sei und was sie hier zu suchen hatte. Dass sie keiner der ihren sein konnte, fühlten sie sofort. Doch dann rannte plötzlich einer der Engel freudestrahlend auf Kurai zu und umarmte ihn herzlich.

"Kurai, ich bin so froh, dich wieder zu sehen!" Sie drückte ihn fest an sich.

"Das bin ich auch, Serphita!"

"Aber sag, was ist mit dir passiert?" Erschrocken starrte Serphita auf die ganzen Verbände und Wunden, die er trug.

"Wir wurden von Dämonen angegriffen!" murmelte er betrübt und blickte kurz zu Nadja, die eingeschüchtert neben ihm saß.

"Oh mein Gott, du musst mir das alles genauer erzählen!" Sie nahm seine Hand und führte ihn zu ihrem Haus, damit sie ungestört miteinander reden konnten. Es mussten schließlich nicht alle erfahren, was geschehen war. Um nicht allein zu sein, folgte Nadja den beiden.
 

Uriel erreichte den Hügel, auf dem der große Tempel von Adam stand. Viele Jahre waren vergangen, als er das letzte mal hier gewesen war und doch schien alles noch gleich zu sein. Die kleinen Stufen die zum Eingang führten, an dessen Seiten aus Marmor herausgearbeitete Skulpturen von schönen Engeln standen mit lieblichen Gesichtern. Die jungen und kleinen Engel wurden von den Älteren auf den Wiesen um das Gebäude herum unterrichtet und beaufsichtigt. Ein Unwohlsein stieg in Uriel auf, als die kleinen Kinderaugen ihn neugierig beäugten und ängstlich näher zusammen rückten. Mit seiner dunklen Kluft passte er nicht in diese Gegend. Wie ein schwarzes Schaf stach er aus der Menge und wurde zum Blickfang für alle herumstehenden.

Mit etwas hastigen Schritten betrat er den Tempel und folgte den Gängen hin zum Empfangssaal.

An den Seiten des Raumes waren meterhohe bis zum Boden reichende Fenster, welche viel Licht spendeten. In der Mitte stand ein goldener Thron, der reichlich mit roten Rubinen und Diamanten verziert war und im Schein der Sonne funkelte und glitzerte. Ein angenehmer Blumenduft lag in der Luft und viele schöne Gemälde zierten die Wände.

Langsam schritt Uriel auf den Thron zu und ging vor ihm auf die Knie.

"Ich bitte Euch, mein Herr, mich anzuhören!" sprach der deutlich und laut und senkte seinen Kopf.

Ein strahlend helles Licht umschloss den Thron und nachdem er erloschen war, saß Adam, der höchste Engel nach Gott darauf. Sein goldenes Haar, reichte bis weit über seine Schultern, ein edler Stirnreif zierte sein markeloses Gesicht und seine Augen leuchteten in einem so schönen blau, wie Uriel es vorher noch nie gesehen hatte.

"Erhebe dich ruhig, mein treuer Freund!" erklang seine sanfte Stimme, worauf Uriel sich wieder aufrichtete.

"Mein Herr, ich habe keine guten Nachrichten. Es wird vermutlich bald erneut ein Krieg ausbrechen!"

Uriel wirkte deutlich angespannt, während er Adam die Gründe seiner Vermutung erklärte, der jedem Wort aufmerksam lauschte.

Das schwarze Blut...

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Hoffnungslos...

Vorsichtig berührte Nadja die Wasseroberfläche des Sees, der etwas abgelegen an einem Waldrand lag. Das Wasser war klar und kleine Fische tummelten sich darin herum. Große Weiden tauchten ihre langen Äste mit den schimmernden Blättern tief ein und wunderschöne kleine Schmetterlinge, mit prachtvollen, glitzernden Flügeln, tanzten auf dem kühlen Nass zu der Melodie des Windes. Ihr Kopf fühlte sich so schwer an. So voller Gedanken und Sorgen. Am liebsten hätte sie sich vom Wasser einfach davon treiben lassen. Weit entfernt von Schmerzen und Kummer. Und wenn es nur für einen kleinen Moment gewesen wäre, der ihr diese Last genommen hätte unter der sie sich so erdrückt fühlte. Sie wollte nicht mit in Serphitas Haus, wo sie nur wieder die ganze Geschichte hätte hören müssen, die ihr wieder klar vor Augen geführt hätte, dass sie Andrew für immer verloren hatte.

"Du hast dir einen schönen Platz ausgesucht!" Kurai legte sanft die Hand auf ihre Schulter.

Nadja drehte sich langsam um zu ihm.

Er sah deutlich besser aus und seine Wunden waren nur noch kleine Kratzer, die ihm kaum noch schmerzten.

"Ich wusste nicht, wo ich sonst hin sollte. Diese glücklichen Gesichter ertrage ich einfach nicht!" Mit gesenktem Kopf wandte sie sich wieder dem Wasser zu.

"Serphita ist übrigens Andrews Mutter!" Er setzte sich hinter Nadja, umschmiegte sie behutsam mit seinen Armen und drückte sie an sich.

"Ich hab ihr aber nicht erzählt, was mit Andrew passiert ist. Noch ist, denke ich, nicht der richtige Zeitpunkt und ... ich hab mit Uriel gesprochen. Er meint er hätte Andrews Seele noch nicht gespürt. Es kann natürlich sein, dass er noch im Fegefeuer wartet, aber Uriel denkt, dass er noch..." Doch da unterbrach Nadja Kurai mit einem Kopfschütteln.

"Ich will das nicht hören. Ich will keine Worte mehr hören, die mir sinnlose Hoffnungen machen sollen, die dann wieder grausam vor mir zerbrechen. Ich glaube erst, dass Andrew noch lebt, wenn er wirklich vor mir steht!" Nadja kämpfte mit den Tränen, die in ihren Augen brannten.

Kurai drückte sie noch ein wenig mehr an sich und legte seinen Kopf auf ihre Schulter. Zwar fühlte sich Nadja in seinen Armen Wohl und die Wärme tat ihr gut, aber ein wirklicher Trost war es auch nicht für sie.

"Wenn du möchtest, kannst du derweilen bei mir mit wohnen!" Seine Stimme klang sehr leise. Er machte sich Sorgen um sie und wollte sie in seiner Nähe wissen, um immer ein wachsames Auge auf sie werfen zu können und um sie einfach bei sich zu haben.

Die Rache...

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Schmerzende Sehnsucht...

Allmählich brach der Abend über das Himmelsreich ein und der Horizont war erfüllt von einem warmen, rötlich orangen Farbton, der sich über all die Bäume und Häuser legte. In den prachtvollsten Farben erstrahlte die Sonne ein letztes Mal noch mit aller Kraft, bevor sie hinter den hohen Bergen in der Ferne langsam verschwand. Nadja betrachtete sich diese Schönheit, doch auch sie konnte ihr kein Lächeln abgewinnen. Wäre sie doch niemals in dieses Dorf gegangen, dann hätte sie Andrew nie kennen gelernt und diese Schmerzen tief in ihrem Herzen, wären ihr nun erspart geblieben. Sie würde frei durch die Welt reisen und so viel Neues sehen und erleben. Aber jetzt fühlte sie sich alleine. Eingeschlossen in Gedanken, die sie packten und immer mehr in ein Loch rissen, aus dem sie fühlte, nicht mehr herauszukommen.

Wieso bedeutete Andrew ihr nur so viel?

Warum schmerzte es nun so sehr, ihn nicht mehr bei sich zu wissen?

Zu wissen, er würde nie mehr zurückkehren?

Kurai betrachtete sie voller Sorge. Wie gern würde er nun ihr glückliches Lächeln sehen. Er fühlte sich mit Schuld daran, dass es ihr nun so schlecht ging und, wenn er gekonnt hätte, hätte er es geändert. Aber das konnte er nicht und um sie wenigstens etwas von ihren Gedanken zu befreien, schüttete er ein Pulver in ihren Tee. Es sollte sie beruhigen und sie für einen Moment all die vergangenen Geschehnisse vergessen lassen.

"Trink ein wenig davon. Es wird dir gut tun!" Er schritt zu ihr ans Fenster und reichte ihr die große Tasse mit dem dampfenden, heißen Tee, die sie fest mit beiden Händen umschlang.

"Danke dir..." flüsterte sie leise und nippte kurz an der Tasse.

Nach ein paar Minuten und weiteren Schlücken fühlte sie sich plötzlich so seltsam. Ihr war schwindlig, aber doch fühlte sich ihr Körper so merkwürdig leicht an, als könnte sie jeden Moment einfach davon fliegen.

"Was ist... los mit mir?" Sie griff sich mit einer Hand an den Kopf.

"Leg dich lieber etwas hin!" Vorsichtig nahm Kurai ihr die Tasse aus den Händen und stellte sie beiseite. Er führte Nadja zu seinem großen Bett, dass mit einer leicht schimmernden Satindecke überzogen war. Etwas wacklig setzte sie sich an den Bettrand, während Kurai sich vor ihr hinkniete und langsam ihre Stiefel öffnete. Er blickte ihr dabei lange in ihre gläsernen Augen, die ihn fast wahnsinnig machten. Ihre wunderschön geschwungenen Lippen und ihr liebliches Gesicht waren wie ein traumhaftes Gedicht und er spürte mehr und mehr das Verlangen sie zu küssen. Er mochte sie schon, seit dem ersten Augenblick, an dem er sie gesehen hatte und mit jeder Minute, die sie miteinander verbracht hatten, wollte er sie mehr für sich haben. Aber er musste sich stets zurückhalten und auf ihre Zuneigung zu Andrew Rücksicht nehmen. Jedoch in diesem Moment waren seine Gefühle stärker als jede Vernunft.

"Was ist mit dir, Kurai?" fragte sie ihn mit leicht heiser klingender Stimme, doch Kurai gab ihr keine Antwort sondern beugte sich hoch zu ihr und küsste voller Leidenschaft ihre weichen Lippen. Mit zitternden Fingern öffnete er die Knöpfe ihrer Bluse und streifte sie ihr sanft vom Körper. Nadja verstand nicht ganz, was gerade mit ihr geschah, aber sie ließ es einfach zu.

Er legte sich mit ihr auf das weiche Bett und während seine Lippen weiter die ihren liebkosten, wanderten seine Fingerspitzen über ihre blasse Haut und entkleideten sie weiter.

Nadja spürte eine innerliche Wärme, die in ihr aufkam und einen Hauch von Geborgenheit.

Voller Begierde nach ihr, entledigte sich Kurai auch seiner Sachen und kuschelte seinen nackten Körper ganz dicht an den ihren, wobei sein Mund langsam ihren Hals entlang wanderte und seine Hand über ihre Brust streichelte.

"...Andrew..." hauchte Nadja leise und in diesem Moment wurde Kurai klar, dass er zu weit gegangen war. Sie würde niemals mehr für ihn empfinden und wenn er nun weiter machen würde und sie in dem Glauben ließe, er wäre Andrew, würde er ihr nur noch mehr Leid zufügen. Er fühlte sich schon schlecht, überhaupt so weit gegangen zu sein, aber tief in seinem Herzen bereute er es nicht. Liebevoll deckte er sie und sich mit seiner warmen Decke zu und hielt sie ganz fest in seinen Armen. Wenn sie ihm auch nie nahe sein würde, so war sie es zumindest in dieser einen Nacht. Auch wenn sie einfach nur in seinen Armen schlief, es war mehr als er jemals verlangen würde.
 

Wärmend schienen die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster in Kurais Schlafzimmer. Eng an seinen Körper gekuschelt lag Nadja neben ihm und erwachte langsam aus ihren süßen Träumen, in denen sie die ganze Nacht mit Andrew verbracht hatte. Ein Lächeln lag auf ihren Lippen, als sie sich streckte und Andrew einen Kuss geben wollte.

Doch es war nicht Andrew, der neben ihr lag. Es war Kurai.

Erschrocken zuckte sie zurück und versuchte sich zu erinnern, was geschehen war.

Sollte sie etwa die Nacht mit Kurai nackt in einem Bett verbracht haben? Was war alles passiert in dieser Nacht? Wie konnte er nur so etwas mit ihr machen?

Wütend donnerte sie Kurai eine Ohrfeige entgegen, worauf dieser völlig perplex aus seinem Schlaf gerissen aufwachte.

"Sag mir sofort, was du mit mir gemacht hast!" Drohend baute sich Nadja neben ihm auf, während sie sich mit einer Hand die Decke an ihren Körper drückte.

Kurai verstand im ersten Moment nicht, was sie meinte. Bis er wieder soweit klar im Kopf war, dass er wusste.

"Es... es ist nicht das passiert, was du nun denkst!" murmelte er leise vor sich und vermied es ihr dabei in ihre zornigen Augen zu blicken, die ihm Angst machten.

"Und was mache ich dann bitteschön nackt in deinem Bett neben dir?" fauchte sie ihn weiter an.

Kurai versuchte Worte zu finden. Worte, die ihr erklären würden, was und warum es geschehen war. Aber er fand keine.

"...eigentlich wollte ich es..., aber ich konnte dir das nicht antun!" Sein Herz klopfte schmerzend in seiner Brust als er diese Worte mit viel Mühe herausbrachte. Um nicht länger neben ihr sitzen zu müssen, zog er sich Hosen an und ging zum Fenster.

"Was soll das denn heißen? Mir die Kleider ausziehen und mich betatschen, das konntest du wohl schon oder wie soll ich das verstehen?"

"Hast du es denn immer noch nicht gemerkt, Nadja?" Seine Stimme war leise und er schloss betrübt seine Augen. Er wollte nichts mehr um sich herum sehen oder wahrnehmen. Er wollte einfach nur weg sein. Weit weg in diesem Moment.

"Was soll ich denn gemerkt haben?" Zwar wurde Nadja ein wenig ruhiger, aber es war noch immer deutlich der Zorn in ihren Worten zu hören.

"Jede Sekunde, die du in meiner Nähe bist schmerzt mein Herz mehr und mehr, weil ich weiß, dass ich dich niemals mein nennen kann! Dass ich nichts weiter als ein normaler Freund bin! Gott, ich liebe dich, Nadja!" Er blickte nicht ein einziges Mal zu ihr, als er dies sagte. Er wollte nicht ihr Gesicht sehen, nachdem er ihr all seine Gefühle offen gestanden hatte.

Nadja saß völlig erstaunt auf dem Bett. Sie wusste schon, dass er mehr für sie empfand, aber nicht, dass seine Zuneigung zu ihr so stark war.

Als sie ihn anschaute, wie er so am Fenster stand und auf die Wiesen und Felder blickte, wurde ihr klar, dass nichts mehr so wie vorher war und es auch nicht mehr so werden würde. Für sie war er nur ein Freund gewesen. Jemand, der sie auf ihrer schweren Reise begleitet hatte, aber nun war dieser Freund gegangen. Wie sollte sie mit ihm über ihre Gefühle reden können, wenn es ihm weh tat? Wie sollte sie sich ihm gegenüber verhalten, wenn er solch Sehnsucht nach ihr hatte?

Kurai wünschte sich in diesem Moment, er hätte es nie ausgesprochen. Aber er fühlte sich nun auch leichter. Eine schwere Last war ihm von den Schultern gefallen, die ihm jedoch einen hohen Preis kostete.

"Was hast du nun vor zu tun" fragte er sie und verschränkte seine Arme, während er weiter nur aus dem Fenster starrte.

"Ich werde Uriel aufsuchen. Tut mir Leid, Kurai. Aber so kann ich nicht bei dir bleiben!" Mit gesenktem Kopf, stand sie aus dem Bett auf und suchte ihre Kleider zusammen. Nachdem sie sich umgezogen hatte, verließ sie ohne ein weiteres Wort zu verlieren, sein Haus.

Eine kleine Träne lief langsam über Kurais Wange, als die Tür ins Schloss fiel und damit Nadja unerreichbar für ihn geworden war.

Das Gesicht eines Engels...

Zuckend öffnete Andrew langsam seine müden Augen. Alles war verschwommen und die stickige Luft kratze ihn im Hals. Er lag noch immer auf dem großen Altar, umgeben von heißen Flammen, die sich lodernd die Wände hinaufschlängelten. Die Schmerzen hatten nachgelassen, aber sein Körper fühlte sich noch so schlapp an und er schaffte es nicht einmal seinen Arm zu heben, weil ihm einfach die Kraft fehlte.

Doch dann hörte er Schritte. Sie klangen so entfernt, kamen aber immer näher.

Mit viel Mühe drehte er seinen Kopf zur Seite und versuchte zu erkennen, wer sich noch in dem Raum befand. Nur sehr langsam wurden die Bilder vor seinen Augen wieder klarer, jedoch musste er sich sehr dafür anstrengen.

Langes, wunderschönes blondes Haar, ein nahezu perfekt liebliches Gesicht und ein zierlicher Körper, eingehüllt in Weißschimmernden Samtstoff. Es musste ein Engel sein dachte Andrew. So viel Schönheit konnte nur ein Engel besitzen.

"Ihr habt sehr lange geschlafen!" erklang Titius sanfte Stimme, die in Andrew ein Gefühl von Ruhe aufkommen ließ. In der Nähe dieses Engelshaften Wesens, spürte er, dass er keine Angst zu haben brauchte. Dass alles gut war und ihm kein Leid geschehen würde.

"Ich... habe keine... Kraft mehr...!" stöhnte er heißer.

"Das ist ganz normal. Das Gift hatte schon sämtliche Knochen zerfressen und Organe angegriffen. Das alles ist noch am verheilen und kostet Euch Eure gesamte Energie. Deswegen solltet Ihr Euch noch ein wenig ausruhen!" Lächelnd strich Titius mit seinen Fingerspitzen über Andrews blasses Gesicht, worauf er wieder die Augen schloss und langsam einschlummerte.

"So ist es gut!" Vorsichtig tupfte Titius mit einem Tuch, das er in seiner Seitentasche trug, den Schweiß von Andrews Stirn.

Andrew spürte eine innerliche Wärme. Eine Wärme, die ihn in seinen friedlichen Träumen in die Arme von Nadja treiben ließ. Ihr wunderschönes Lächeln strahlte ihn dort an und er konnte sich ganz fest an ihre weiche Haut schmiegen.

Von Sünde befreit...

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]



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Kommentare zu dieser Fanfic (21)
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Von:  leesa
2006-04-14T20:13:52+00:00 14.04.2006 22:13
Hallo, nette geschichte bisher nur schade das bisher keiner komis geschriben hat.
Die geschichte gefellt mir auch wenn mich die Adult kappis nerfen - bin noch keine 18:(

Hoffe dus schreibts weiter und lasxs dich wegen der kommi armut nicht entmutigen:)
Von:  Kesy_Yun
2005-07-01T19:27:58+00:00 01.07.2005 21:27
die situation is sehr bildlich, find ich toll aber viech benutzt du etwas oft ^^ sonst klasse daumen hoch weiter so
Von:  Kesy_Yun
2005-06-19T15:14:37+00:00 19.06.2005 17:14
Also ich kann nur eins so wirklich von deiner FF sagen nämlich ich will mehr!! Da tropft der Zahn beim Lesen und man is voll und ganz in die Welt vertieft die du da aufgebaut hast, so schön detailliert man hat das Gefühl direkt im Geschehen zu stehen. Bis auf kleinere Rechtschreiblich Fehler ist mir eigentlich nichts störendes aufgefallen Ich kann nur sagen mach weiter so^^ bin schon voll gespannt wie es weiter geht, du hast deinen Stil ganz schön ausgebaut seit ich die ersten FF's von dir gelesen hatte (Ya-chan & Co)
Deine Absatzschreibweise animiert auch zum weiterlesen, keine größeren absatzlosen Blöcke ^^
Viel Erfolg für die nächsten teile^^ freu mich schon riesig drauf (sop das war jetzt bis Kap 20, ab jetz gibt's Einzel-kommis^^)
Von:  paperwings
2004-11-09T17:47:15+00:00 09.11.2004 18:47
soo das rika-vieh hats endlich gelesn ^^' das kapitel is.. brutal x___x bäh XD aba is trotzdem gut ^^ ich will au wissn wies mit andrew weitergeht X3 *auf fortsetzung freu* ^_^
Von:  Musashi-dono
2004-10-15T00:10:32+00:00 15.10.2004 02:10
Hm ... da haste dir ja was nettes ausgedacht ... ^^"
Sowas brutales hält mein schwaches Herz doch ned aus ~_~
Aber naja war trotzdem gut das Kapitel *g*
Will wieda was von dem kleinen Andrew hören also mach dich ma wieder ans nächste Kapitel ^^
Von:  Musashi-dono
2004-10-12T00:59:53+00:00 12.10.2004 02:59
Ah die Geschichte gefällt mir bis hierhin sehr gut ^^
Nur ich finde Andrew sollte ned son Waschlappen sein und sich dauernd eins reinwürgen lassen ^^"
Naja kriegt hoffentlich bald nochn bisschen mum in den Knochen xD Also freu mich schon auf das nächste Kapitel ^^
Von:  Musashi-dono
2004-10-10T02:27:49+00:00 10.10.2004 04:27
Hm ... also irgendwie hat mich das zweite Kapitel leicht erschreckt ... ^_^"
So wies angefangen hat hätt ich ned mit sowas gerechnet ... ^^" Abba das gefällt mia ... spät nachts sowas zu lesen ... o.O *sichparanoidumguck*
Von:  Musashi-dono
2004-10-10T01:41:18+00:00 10.10.2004 03:41
So wie versprochen hab ich ma in deine Fanfic geschaut ^_^
Hat mir sehr gut gefallen bisher ... auch vom schreibstil her sehr gut ^_^
Freu mich schon drauf weiterzulesen und auf die ganzen Charas *g* (Kuja, Seph ... erm Fürst Sakira ^_^")
Von: abgemeldet
2004-10-06T10:21:14+00:00 06.10.2004 12:21
Nja, mir tut der arme Wurm inzwischen auch ziemlich leid. Immerzu bekommt er auf die Nase, dabei tut er doch eigentlich niemanden etwas.

Einen Drachen? Wahaha, dann überlebt in meiner näheren Umgebung aber wahrscheinlich niemand. ^.^

Mir hat die FF bisher sehr gut gefallen und war sehr unterhalten. Einen Platz in meinen Favoriten hat sie sich redlich verdient und ich bin sehr gespannt wie es weiter geht. ^.^
Von: abgemeldet
2004-10-06T10:12:13+00:00 06.10.2004 12:12
Meine dinglichste Frage im Moment ist: Wo laufen die beiden überhaupt hin?

(und warum nehmen sie nicht den Bus ^.~)

Ansonsten kann ich mich meiner Vorrednerin nur anschliessen.


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