Lieber Seto! *durchstreich*
Geliebter Seto! *durchstreich*
Mein einstiger Geliebter,
wenn du diese Zeilen liest, werde ich selbst schon nicht mehr sein.
Du wirst dich nun fragen, weswegen nicht...
denn auch wenn nicht immer alles zwischen uns in Eintracht lief, und auch, wenn wir uns im Streit getrennt haben, so glaube ich dennoch...
Fest daran, daß es nicht nur eine Illusion war...
daß das, was wir gemeinsam erlebt haben kein Traum war, sondern die Wirklichkeit, die wir gemeinsam erlebt, durchlebt haben.
Du glaubst weder an etwas ein Leben lang anhaltendes noch an die Ewigkeit selbst.
Wird dich mein Entschluß dadurch nun mehr belasten als andere, die an ein Leben danach glauben?
An eine ewige Existenz der Seele?
Ich werde es wohl nie erfahren, doch ist es grade dies, was ich nur zu gern wüßte...
Er brach ab, seine Hand zitterte so stark, daß er sich außer Stande sah, die letzten Zeilen zu lesen. Er legte den Brief beiseite und griff nach einem mit Wasser gefüllten Glas - es entglitt ihm, der dicke Teppich sog sich mit Wasser voll, aber es zerbrach nicht.
Es gab ein Sprichwort, das besagte, erst wenn das Glas zerbricht, ist es ein Abschied für immer...
Er hatte nie viel von Sprichworten gehalten; das war alles blanker Aberglaube.
Aberglaube...
Er blickte wieder auf die Zeilen, er konnte - wollte - nicht glauben, was er dort gelesen hatte.
Er griff nach dem Briefumschlag und ein Foto, was er vorher nicht bemerkt hatte, fiel aus dem Umschlag und segelte auf den Boden...
'Zu Händen Kaiba-sama' stand dort geschrieben.
Es war ein ausgedrucktes Bild einer Digitalcamera, der Camera, die er ihm zum Geburtstag geschenkt hatte; das war vor einem Jahr gewesen - oder waren es bereits zwei?
Er wußte es nicht mehr, zu leer waren seine Gedanken, zu überfüllt waren sie mit dem einen, grausigen Wort.
Er stützte den Kopf in die Hände und versuchte sich einzureden, daß es unmöglich wahr sein konnte, daß alles nur ein übler Alptraum war, aus dem er jederzeit erwachen würde.
Doch es war kein Traum und er erwachte nicht.
Er rührte sich erst wieder als das Telefon klingelte und seine Sekretärin ihn an einen Termin erinnerte.
Er fuhr die arme Frau ungehalten an und befahl ihr sämtliche Termine für die gesamte Woche zu streichen.
Er brauchte dringend Zeit für sich, Zeit um einen klaren Gedanken fassen zu können.
Wie in Trance stand er auf, er hatte einen Entschluß gefaßt.
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"Wirst du ewig an mich denken?"
'Wieso sollte ich ewig an dich denken, wenn wir immer zusammen sind?'
"Ich meine ja nur..es könnte ja sein, daß.."
'Daß was?'
"Daß ich einmal nicht mehr sein werde...man weiß nie, was das Leben für einen bereit hält..."
'Du weißt doch, wie ich denke...was zählt ist einzig der Augenblick, nur das ist, was uns wirklich gehört, worüber wir wirklich verfügen können...alles andere ist ungewiß.'
"Ja, ich weiß, aber dennoch..dennoch würde ich mir wünschen..."
'Was?'
"Daß du mich nie vergessen wirst. Niemals - solange du am Leben bist.."
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Er kam kurz vor Mitternacht zu Hause an, er hatte sich entschieden, direkt in sein Penthouse zu fahren, anstatt die Villa aufzusuchen. Er wollte jetzt niemanden sehen und in der Villa gab es zu viele Angestellte.
Seltsam, dachte er, daß er ausgerechnet HIERHER gekommen war, an den Ort, wo...
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'Was wünscht du dir?'
"Daß du endlich zu mir stehst."
'Du weißt doch genau, daß dies nicht geht.'
"Ja, ich weiß. Aber es ist trotzdem mein Wunsch. Wer sagt denn, daß man sich nur Dinge wünschen darf, die auch erfüllt werden?"
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Er schaltete den Fernseher an, schaltete ihn wieder aus. Anstatt ins Bett zu gehen, ließ er sich auf die Couch zurückfallen und versuchte zu schlafen.
Er schlief sehr unruhig, das, was er auf dem Foto gesehen hatte verfolgte ihn selbst in seinen Träumen noch...
Am nächsten Morgen weckte ihn sein Handyklingeln. Er nahm nicht ab.
Erst jetzt fiel ihm ein, daß er nicht einmal auf der Beerdigung gewesen war, daß er nicht einmal gewußt hatte, auf welchem Friedhof er begraben war.
Nachdem er geduscht hatte, um die Verspannungen zu lösen, zog er sich an und machte sich auf den Weg zu seiner Wohnung; den Schlüssel hatte er noch immer, er trug ihn wie einen Talisman bei sich und Jo hatte ihn nie zurückgefordert.
Wieso nicht?, fragte er sich.
Hatte er bis zuletzt gehofft, daran geglaubt, daß er, Seto, zu ihm zurückkehren würde?
Als er vor der verschlossenen Wohnungstür stand, fiel es ihm schwer, die Hand aus der Tasche zu ziehen und aufzuschließen. Letztendlich gelang es ihm doch.
Als er die Wohnung betrat, bemerkte er als erstes die vielen roten Blütenblätter, die überall verstreut lagen. Es war ein regelrechter Teppich aus Blütenblättern.
Langsam ging er weiter, die Terrassentür stand offen, auf dem Wohnzimmertisch stand ein Teeservice.
"Manchmal weiß man erst, was einem wichtig war, wenn man es für immer verloren hat, nicht wahr?"
Er vernahm die Stimme deutlich, doch er glaubte im ersten Moment, es handele sich nur um eine Erinnerung...seine Gedanken, die ihm einen Streich spielten.
Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, sein Blick streifte über das gesamte Ambiente. Alles wirkte ordentlich und beinahe wie stets - einmal von den Rosenblüten abgesehen...
"Und dann ist es zu spät."
Er zuckte zusammen.
"Doch was wäre, wenn es eine zweite Chance gäbe?"
Er drehte sich um.
"Wenn man die Möglichkeit hätte, zu erleben, wie es wäre und erst danach seine Entscheidung treffen müßte?"
Er sah in ein lächelndes Gesicht, dasselbe Lächeln wie damals, als sie sich zum ersten Mal hier getroffen hatten, vor so vielen Jahren...
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