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Schatten der Vergangenheit

THE TRIBE
von

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Es sind Tage wie dieser, an denen mich meine Gedanken wieder zu jenen Zeiten führen, in denen alles noch anders war, in denen unser Leben noch geordneten Bahnen folgte und alles seinen Platz hatte; Tage, in denen unsere Welt nicht von Chaos sondern Ordnung beherrscht wurde. In unserer Fantasie erschien es uns vielleicht alles wie ein großes Abenteuer, als die Welt, die wir uns immer gewünscht hatten, doch die Realität sah vollkommen anders aus. Wir kannten die Tragweite der Geschehnisse nicht, wir konnten nicht einschätzen, was sich alles verändern würde, aber es war nicht unwesentlich... An Freiheit dachten wir, an ein Leben ohne Regeln; keine Gesetze, keine Vorschriften, niemand der böse ist, wenn du etwas Falsches getan hat, aber das war nur die eine Seite, denn all dies zog noch anderes mit sich - Schmerz und Verlust. Es ist nicht dieser oberflächliche Schmerz, der gleich darauf wieder vergeht, der vergessen ist, sobald du dich umdrehst, nein es ist die Art von Schmerz, die sich tief in deine Seele brennt, dich nicht los lässt, dich mit jedem Atemzug quält, dir das Leben zur Hölle macht, so dass du dir nur noch wünschst endlich davon befreit zu werden. Natürlich verblasst der Schmerz, aber das braucht Zeit und Wunden hinterlassen Narben, Narben schließlich, können aufbrechen - ein Teufelskreis.
 

Ich kann nicht sagen, ob ich mein Leben wesentlich anders gelebt hätte, wenn ich schon damals die Folgen hätte ausmachen können, gewusste hätte, worin das Ganze endet, aber die Wahrscheinlichkeit steht sehr hoch... Andererseits zieht jegliches Handeln Folgen nach sich, sowohl Positive als auch Negative und meistens ist nur schwer abzuschätzen welche denn nun gewichtiger sind.
 

Meinen Namen haben sie gerufen, laut und deutlich, hilfesuchend, verzweifelt... Jede Nacht, eins ums andere Mal - Jay! Jay, Jay... Jay hilf uns! Tu uns das nicht an! Liefere uns nicht aus... Ihre Stimmen hallten in meinem Kopf, bis sie mich in den Wahnsinn getrieben hatten, ließen mich oftmals aufschreien - lautlos, ruhelos umherwandern, Stimmen, die ich nie gehört hatte, Stimmen in meinem Unterbewusstsein, die mir sagen wollten "es ist falsch was du tust, es ist nicht das, wofür du hast kämpfen wollen". Und doch tat ich es weiter, fing an sie zu verdrängen, sie zu ignorieren, nahm schlaflose Nächte in Kauf, im Glauben, dass sich doch noch alles wenden würde, dass ich doch zu einer besseren Welt beitragen konnte.

Und nun, während die Wassertropfen gegen die Scheibe trommeln, frage ich mich ob es denn wirklich eine bessere Welt ist, die wir schaffen, ob wir denn nicht mehr Leid verbreiten, als dass wir Freude bringen, es allen einfacher machen...
 

Ein lautes Klopfen von der Zimmertür her, welches sich von dem monotonen Klang des Regens abhob, riss mich kurzzeitig aus meinen Gedanken zurück in die reale Welt - die Welt nach dem Virus.

"Ja?"

Die Tür öffnete sich einen Spalt breit und ein blonder Wuschelkopf, dem meinem ähnlich, lugte ins Zimmer herein.

"Jay?"

"Komm rein Ved."

Wieder ließ ich meinen Blick zu dem einzigen Fenster im Zimmer wandern. Draußen war es schon dunkel und nur die vom Himmel fallenden Tropfen hoben sich im Vordergrund etwas vom Rest der Außenwelt ab, ehe sie weiter hinten mit der Umgebung zu einer einzigen, grauen Masse verschmolzen.

Ich hörte wie sich die Tür schloss und mein Bruder langsamen Schrittes etwas näher an mich trat. Irgendetwas schien ihn zu bedrücken, man sah es immer an seiner Haltung, denn schon lange war er nicht mehr so unbekümmert wie damals, manchmal nur noch versteift in seine Einbildung er müsse die Bewunderung und Aufmerksamkeit aller durch seine Taten auf sich ziehen. War es auch mitunter meine Schuld, dass er so geworden war? Hatte ich nicht gut genug auf ihn Acht gegeben?

"Musst du schon wieder an früher denken?"

Sein Blick war auf eine handvoll schon vergilbter Fotos gefallen, die ich in meinen Händen hielt.

"Du solltest nicht immer so oft irgendwelchen Erinnerungen nachhängen..."

Ved hatte das alles noch nie so gesehen wie ich. Für ihn spielte das Leben ausschließlich im Hier und Jetzt, da war es ziemlich egal, was irgendwann mal in der Vergangenheit gewesen war. Ja, denn die Vergangenheit hielt viele Erinnerungen bereit und Erinnerungen bedeuteten teils auch Schmerz, Schmerz den Ved lieber verdrängte, als darüber zu sprechen, nachzudenken, sich damit zu konfrontieren. Es war nicht immer so gewesen, aber es war wohl, wie so vieles andere, meine Schuld, dass es wieder so geworden war.

Mit einem Seufzen erhob ich mich von der Couch, auf der ich gesessen hatte, wand mich jedoch nicht meinem Bruder zu, sondern dem Fenster, an welches immer noch die Regentropfen klopften.

"Sag mir Ved... Was wären wir ohne Erinnerungen? Was hätten wir dann? Wären wir dann nicht Robotern gleich?"

Ich konnte Ved schnaufen hören, während er sich wohl unschlüssig war, was er antworten sollte.

"Was ist denn an einem Roboter schlecht? Sie sind nicht so schwach wie wir, wesentlich intelligenter und..."

"Und?", unterbrach ich ihn. "Und sie haben keinen eigenen Willen, keine Seele. Sie tun alles, was wir ihnen vorschreiben, ohne nachzufragen, ohne zu wissen ob es gut oder schlecht ist."

Schweigen.

Ein nachdenklicher Ausdruck lag auf dem Gesicht meines Bruders, während es in ihm arbeitete.

"Ved du weißt, dass ich immer nur das Beste für dich wollte auch... Auch wenn ich vielleicht nicht immer so für dich da war, wie ich es hätte sein sollen..."

Wie wahr... Ich hatte Ved nicht nur im Stich gelassen, damals, sondern ausgerechnet immer dann, wenn er mich wohl am meisten gebraucht hätte...

"Willst du damit sagen, Ram ist schlecht für uns? Er macht Roboter aus uns?!", griff Ved meine Aussage wieder auf.

Ich spürte seinen forschen Blick auf mir ruhen, während ich zu einer Antwort ansetzte.

"Nein. Nein, das will ich damit nicht sagen. Ram ist ein guter Anführer, er weiß wie wir das erreichen was wir wollen, wie wir an unsere Ziele gelangen. Ich wollte dir nur deutlich machen, dass wenn du deine Erinnerungen aufgibst, du ebenso deine Vergangenheit aufgeben kannst. Und was wären wir ohne unsere Vergangenheit? Hätten wir dann überhaupt noch ein Leben?"

"Die Vergangenheit ist mir egal! Es hat doch jetzt ohnehin alles keinen Wert mehr, es ist doch sowieso alles anders..."

Er schien es nicht einsehen zu wollen. Aber in gewisser Weise hatte er ja auch Recht. Wieso an der Vergangenheit hängen, wenn sich doch ohnehin alles so grundlegend verändert hatte, wenn alles, was damals wichtig gewesen war, nun keine Rolle mehr spielte? Doch trotzdem durften wir das alles nicht vergessen... Vor allem um nicht wieder dieselben Fehler zu begehen.

"Ich weiß, dass es weh tut Ved. Ich weiß dass du nicht zurückdenken willst an damals, aber du kannst es nicht einfach löschen, nicht so tun als wäre all das nie passiert!"

"DOCH und wie ich es kann!"

Mit einem fast schon wütenden Gesichtsausdruck wollte Ved sich umdrehen und zur Zimmertür stampfen, doch ich machte einen Schritt auf ihn zu, griff ihn an der Schulter und hielt ihn davon ab.

"VED!"

Langsam drehte er sich wieder um und sah mich an, sah mich an aus Augen, die hilflos wirkten, nicht zu dem Ved den er nach außen hin zeigte passten.

Er war ein Kind. Nicht mehr als das und egal wie erwachsen er manchmal tat, er konnte mir nichts vorspielen. Wenn man einem Kind seine Kindheit nimmt und es zwingt die Rolle eines Erwachsenen zu übernehmen, konnte das gut sein?

"Jetzt beruhige dich..."

Langsam löste ich den Griff um seine Schulter und Ved ließ sich einfach nur kraftlos auf die Couch sinken, stützte die Ellenbogen auf den Oberschenkeln ab und betrachtete mit gesenktem Kopf den Fußboden.

Ich hatte meinen Bruder bisher selten so erlebt, was vielleicht auch daran lag, dass ich mich hin und wieder nicht wirklich so um ihn gekümmert hatte, wie es vielleicht notwendig gewesen wäre. Wir waren aufgewachsen wie die besten Freunde, ich hatte ihn immer beschützt, war für ihn da gewesen, hatte mich um ihn gekümmert und war seine Vertrauensperson, bis... Bis zu einem der Tag, der unser Leben auf den Kopf stellte.

Nach dem Tod unseres Vaters hatte ich mich zurückgezogen, abgeschottet, wollte mein Leid nicht kund tun, wollte vor Ved nicht schwach dastehen und so ließ ich ihn allein mit seiner Trauer, verdrängte meine, tat so als wäre nichts gewesen, lebte mein Leben weiter... Für Ved wohl eine der schlimmsten Zeiten seines Lebens. Er fing an rebellisch zu werden, machte Schwierigkeiten, blieb nachts immer länger fort. Unsere Mutter hatte keinerlei Kontrolle mehr über ihn. Oftmals saß sie stundenlang am Fenster und wartete bis ihr jüngster Sohn nachhause kam, während ich die Schuld nicht einmal bei mir suchte.

Oft frage ich mich, ob er sich anders verhalten würde, wäre ich damals für ihn da gewesen, aber zu der Zeit sah ich meinen Fehler nicht, ich hatte eine andere wichtige Person in meinem Leben gefunden. Ved reagierte mit Trotz. Jedes Mal wenn ich ihn auf sein Verhalten ansprach, sah er mich nur verächtlich an, fragte mich was ich denn schon wüsste... Damals verstand ich es nicht, aber nun durchaus.

Er war immer noch das selbe Kind, das er damals schon gewesen war, er beging immer noch die selben Fehler, wurde rebellisch, wollte sich dadurch behaupten, zeigen dass er nicht schwach war, zeigen dass er mit der Außenwelt zurecht kam, aber eigentlich war es nur eine Abwehreaktion.

Meine Mutter starb damals fast vor Kummer, da sie befürchtete sie hätte noch einen ihr sehr wichtigen Menschen verloren, Ved war ihr fast vollkommen entglitten.

Erst der zweite Schicksalsschlag schweißte uns wieder zusammen, holte Ved ins wahre Leben zurück, machte wieder den Bruder, den ich kannte aus ihm und vor allem mir meine Fehler bewusst. Denn eines Tages, als er von einem seiner nächtlichen Streifzüge zurückkam, stand niemand am Fenster, wie sonst immer. Ved, mit einem leicht angeschlagenem Ego im Schlepptau, machte sich auf den Weg zum Schlafzimmer von Annie um zu fragen, ob es ihr denn nun egal sei, ob er gesund nachhause käme, doch was er dort sah holte ihn schlagartig zurück, ließ ihn wieder das Kind werden, das er eigentlich immer noch war.

Der Verlust unserer Mutter brachte uns wieder zusammen, machte uns wieder zu den besten Freunden, die wir einst waren schon waren und immer noch sind... Zumindest nehme ich an, dass wir das noch sind.
 

Ved atmete tief durch, während er wohl mit seinen Gedanken kämpfte. Es war sicher nicht einfach für ihn, selbst mir setzten all die Erinnerungen manchmal noch sehr zu. Ja, wir hatten gelernt stark zu sein, wir hatten gelernt damit umzugehen und auch wenn schon einige Zeit vergangen war, so war es einfach ein zu schwerwiegender Eingriff in unser Leben, als dass mittlerweile wieder alles in Ordnung sein würde.

Beruhigend legte ich meine Hand auf Veds Schulter und beobachtete ihn weiterhin, während das langsam schwächer werdende Prasseln des Regens das einzige Geräusch war, das den Raum erfüllte.

"Wir können es nicht ändern Ved... Aber vielleicht können wir dazu beitragen, dass es wieder ein wenig so wird wie früher..."

"Es wird nie wieder so wie früher sein!", warf mein Bruder trotzig ein, während sein Blick immer noch auf den Boden gerichtet war.

"Ja ich weiß... Aber wir können es besser machen als es jetzt ist, wir können Krankenhäuser und Schulen aufbauen, ganz wie früher."

"Diese wertlosen Virts haben das sowieso nicht verdient!"

"Ohne ihre Hilfe schaffen wir es aber nicht."

"Hmm..."

Langsam hob Ved schließlich wieder den Kopf, ob nun weil er es begriffen, oder nur weil er genug von dem Gespräch hatte.

"Wir müssen nur dran glauben..."

Ohne noch ein Wort dazu zu sagen, erhob Ved sich und blickte zu dem dunklen Fenster.

Ich wusste nicht, woran es lag, dass er mir abermals nichts sagen wollte, mir seine Sorgen verschwieg, aber ich hatte wirklich kein gutes Gefühl dabei. Es lag einfach zu viel auf dem Spiel.

"Bedrückt dich was?"

Ved antwortete nur mit einem Kopfschütteln und sah mich dann schließlich doch wieder an.

"Nein. Nein, ich habe nur an früher denken müssen."

"Gut. Aber wenn was ist, du weißt du kannst zu mir kommen.

"Ja."

Ich klopfte meinem kleinen Bruder freundschaftlich auf die Schulter, während sich ein Schmunzeln auf meinen Lippen ausbreitete.

"Du hast dich ganz schön verändert, kleiner Bruder."

Auf Veds Gesicht breitete sich der Ausdruck aus, den er für üblich zeigte, wenn ich ihn darauf ansprach.

"Ja schon klar."

Und dennoch konnte er sich ein Grinsen entlocken.

"Nun, wieso ich eigentlich hier bin... Ram will morgen mit der Invasion beginnen, ich soll dir bescheid geben."

Ich antwortete nur mit einem Nicken und sah schließlich zu, wie Ved wieder durch die Tür nach draußen verschwand.
 

War es wirklich die richtige Entscheidung? Brachten wir wirklich mehr Nutzen, als dass wir Leid verbreiteten? Erfüllten wir wirklich das, wofür ich kämpfen wollte? Für ein besseres Leben, für Krankenhäuser, Schulen, eine organisierte Gesellschaft?

Ich wusste nicht wieso ich Zweifel hatte, denn eigentlich war Ram ein guter Anführer, er hielt all das Wissen bereit, das uns allen von Nutzen sein würde.

Aber wieso hatte ich dennoch Zweifel?

Oder war es nur ein Überbleibsel aus vergangenen Zeiten, das mich quälte...?



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von: abgemeldet
2006-05-13T09:16:35+00:00 13.05.2006 11:16
Wie kann es sein, dass ich die Story nie gesehen habe? ._. Na jetzt jedenfalls hab ich sie gefunden mich direkt gierig drauf gestürzt.
Jay und Ved sind und bleiben meine Lieblingsbrüder aus 'The Tribe' =) und ich finde, du hast die beiden sehr gut getroffen. Ehrlich, die ganzen Erinnerungen, die von Jays Seite auch in die Erzählung eingeflossen sind... das hat die Story einfach sehr schön zu lesen gemacht ^^ Die Charaktere haben dadurch die ihnen zustehende Tiefe erhalten. Das fehlt mir oft bei FFs, muss ich gestehen. Jays Grübeleien über die Richtigkeit seines Tuns kommen auch sehr realistisch rüber; so kennt man ihn ja quasi aus der Serie. Ebenso wie man beim genaueren Betrachten auch wirklich immer dieses trotzige Kind in Ved entdeckt *_*
Also echt eine super Story ;) kann ich zum Abschluss nur noch mal betonen!

~Amaya
Von: abgemeldet
2004-11-17T20:46:25+00:00 17.11.2004 21:46
Nyoh erstmal danke ihr^^
*froi*

Und na ja würd ich ja machen, aber die Story ist abgeschlossen^^° Versuchs doch mal mit meiner anderen TT Story, die wird etwas länger gehen^^
Von:  Kitty
2004-11-16T22:57:54+00:00 16.11.2004 23:57
cool! Die Story ist ja total tiefgründig, wahnsinn... könnt ich nie, so schreiben.... gibst du mir bescheid, wenn du weitergeschrieben hast?
*knuffl*
Von:  Sajina
2004-11-16T19:49:20+00:00 16.11.2004 20:49
Ja---liebe Jay+Knirps (bin ich nicht nett? ;) super^^
Von: abgemeldet
2004-11-06T13:20:21+00:00 06.11.2004 14:20
Hihi gerne doch *g*
Als nächstes will ich was über Ved schreiben... <3
Von: abgemeldet
2004-11-06T13:17:49+00:00 06.11.2004 14:17
ahh geil <3<3<3 mehr davon!!


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