Vorübungen
Erstaunen, ob solch starker Worte, durchfuhr ihn und Sanji öffnete seine Augen. Auch wenn er ihr nicht ganz folgen konnte, so begriff er doch, was sie ihm damit sagen wollte und dieses Verstehen zeigte sich auch in seinem Gesicht.
Sie war glücklich, ihn davon überzeugt zu haben, war sie sich selbst dieser Sache doch nicht halb so sicher, wie sie geklungen hatte. Sie war erfüllt von der Angst durchschaut zu werden, denn schließlich hatte sie sich selbst aufgegeben für das Leben von Cilia, die zzt. noch immer gut bewacht auf der Bloody Bat, Blackbeards Schiff, zurückgeblieben war.
Hatte sie früher wohl noch ein unerschütterliches Selbstvertrauen, so musste sie sich dennoch den äußeren Umständen beugen!
Nun gut... bei Sanji hatte sie ernsthaft die Hoffnung, dass ein wenig Mut und ein paar Tricks ihm durch die Krise helfen konnten.
Sie entschloss sich also, ihm all das beizubringen, was sie noch von alten Zeiten her konnte und leicht zu erlernen war.
"Soll ich Dir ein paar Handgriffe zeigen, mit denen man sich effektiv zur Wehr setzen kann? Die sind leicht zu erlernen, das kriegst du ganz schnell hin!"
"Ich weiß nicht... Was passiert, wenn ich mir meine Hände verletze? Dann kann ich nie wieder kochen!"
"Dann kämpfst Du halt mit dem Rest Deines Körpers!"
"Und wie kämpfe ich ,mit dem Rest meines Körpers'?" stirnrunzelnd sah er Shade an.
Shade überlegte sich ein paar Möglichkeiten, die sie für geeignet hielt, da sie sich erstaunlich gut in dieser Art Metier auskannte und antwortete gelassen fast schon amüsiert:
"Na dann tritt halt mit Deinen Füßen um Dich! Die wirst Du ja nicht zum Kochen benötigen!"
Mit einer hochgezogenen Augenbraue deutete sie auf die großen Füße des Smutjes und grinste.
Mit einem schelmischen Grinsen antwortend, meinte Sanji nur: "Ich glaub, das schaff ich gerade noch ohne!"
Und dann brach ein schallendes Lachen aus ihm hervor, welches man von ihm in diesem Schiff bereits seit Jahren nicht mehr vernommen hatte. Es kam so sehr von Herzen, dass Shade sich davon anstecken ließ und sorgenfrei und unbeschwert selbst endlich mal wieder herzhaft lachte.
Erst nach geraumer Zeit verstummte dieser ungewöhnliche Laut langsam und ebbte zu einem Lächeln ab.
Daraufhin erhob sich Shade, die mittlerweile wieder zu Kräften gekommen war und sich nach dem Lachanfall sowie der darin erneut aufkeimenden Zuneigung zu diesem sehr erstaunlichen jungen Mann, wieder sehr wohl fühlte. Sie stellte sich vor Sanji und drehte ihn mit leichtem Nachdruck an den Schultern so, dass er direkt neben ihr zu stehen kam.
Ein kurzer Blick zur Seite und sie fand ihren Schüler aufmerksam und gespannt.
Also kickte sie gerade vor und traf ihren imaginären Gegner locker und gekonnt aus der Hüfte ins Gesicht. Mit einem Lächeln wendete sie sich um und nickte Sanji aufmunternd zu .
"Du denkst doch nicht wirklich, dass ich Dir derartiges nachmachen kann???"
"Doch, genau das... Fang endlich an, an Dich zu glauben!"
"Also gut! Auf Deine Verantwortung..." sprach er, imitierte und fiel rittlings auf den Hosenboden!
"Autsch!"
Er rappelte sich auf und rieb sich die erneut schmerzende Rückseite, blickte sie vorwurfsvoll an und stellte sich dann aber doch wieder direkt neben sie.
"Was war denn nun verkehrt???"
"Nichts! Dir fehlt bloß das Training!"
Und wie wahr diese Antwort war! Shade hatte sprachlos betrachtet, wie Sanji einen nahezu perfekten Kick mit seinen langen Beinen vollführte, ehe er langsam nach hinten wegkippte, da ihn sein Gleichgewichtssinn in dieser ungewöhnlichen Haltung im Stich ließ.
Ungläubig blickte sie jedoch drein, als er sich nach dem unweigerlich schmerzhaften Sturz... immerhin war er von gestern Abend ja noch immer in Mitleidenschaft gezogen worden... gleich wieder aufrappelte und weiter üben wollte. Einmal mehr zollte sie diesem jungen Mann großen Respekt!
Sie hatte also vollen Erfolg mit der etwas halblebigen Weisheit gehabt, die sie ihm nannte.
Den gesamten Morgen übten sie daher verbissen weiter.
Das Ergebnis konnte sich dann auch sehen lassen, denn sie hatte ihm die wesentlichen Tritte und Kicks beigebracht, die sie in ihrem Repertoire hatte. Dabei hatte sich Sanji als hervorragender Beobachter und talentierter Kämpfer herausgestellt. Fast alle Bewegungen hatte er auf Anhieb imitieren können und nach nur kurzer Zeit dann auch vollends beherrscht. Soviel Talent gemischt mit dem Kampfeswillen ihres Gegenübers brachte die erwünschten Ergebnisse.
Zufrieden mit seiner gesteigerten Verteidigungskraft, erbat sie sich eine Pause, eigentlich mehr um den schwer atmenden Smutje zu schonen, als um sich eine Erholung zu gönnen.
Sie hatte lange hart daran gearbeitet, derart fit zu bleiben, wie sie es zu Beginn ihres unfreiwilligen Aufenthaltes bei Blackbeards Mannen war.
Das war jedoch besonders in der ersten Phase sehr schwer, da ihre verfügbare Zeit auf ein Minimum an Schlaf zusammengekürzt wurde.
Ein neues Weib an Bord brachte ungeahnte Verlockungen mit sich und jedes Mannschaftsmitglied wollte da doch lieber persönlich austesten, "Hand" anlegen und prüfen!
Fanden sie dann doch endlich ein Ende mit ihr, brach sie dort wo sie lag nervlich zusammen. Unruhige Ohnmacht ergriff dann Besitz von ihrem Leib und bescherte ihr leider nur bis zu ihrem nächsten Freier die wohltuende Schwärze des Vergessens.
Doch später, als alles weniger aufsehenerregend war, holte sie schmerzhaft versäumtes nach.
Shade hatte ihren Körper ebenso geschunden, wie es die derben Piraten taten, denn er war ihr längst zu einem fremden, abstoßenden Objekt geworden.
Ein gar dienliches Objekt für zweckdienlichen Missbrauch... welcher Art auch immer. Aber auch ein Anhängsel ihrer Seele, welches sie angreifbar machte.
Gekonnt eingesetzt konnte es jedoch ihr wertvollstes Kapital werden und so hatte sie ständig ihre Körperbeherrschung geschult.
In diesen harten Tagen an Bord der "Bat" hatte sie gelernt ihren Körper zu beherrschen. Nach Belieben schaltete sie die Nervenbahnen und Sinne ein und aus nach Wunsch. Sie blendete Gestöhn und Gestank aus oder ganze Sinnesmodalitäten.
Einzig ihrer Seele samt Herz und Erinnerungen konnte sie nichts befehlen.
So vor sich ihn sinnierend setzte sie sich neben ihn auf seine Bettkante und schwieg.
Erneut kamen ihr düstere Gedanken auf und ihr Herz schlug schneller angesichts der noch kommenden Zeit. Sie wusste sie musste zurück auf das Schiff, hatte keine Chance ungesehen und unbeschadet an jene verschlossene Tür heranzukommen, hinter welcher sich das Licht ihrer ewigen Nacht verbarg: Cilia!
Ein Seufzen entfuhr ihren Lippen und sie sah müde vor Sorge auf, schickte ihren Blick auf die gegenüberliegende Tür und wünschte sich sehnsüchtig, nie wieder hindurch schreiten zu müssen.
Zu schön war es doch einem Mann so nah zu sein ohne sich fürchten zu müssen. Sich ihm verbunden zu fühlen, seine warme, lebendige Berührung nicht zu scheuen, sich vielmehr dem Gefühl seiner Nähe hinzugeben.
Einen Seufzer später blickte sie erneut zu Sanji. Er war ihr mittlerweile vertraut wie ein Freund aus Kindertagen.
Kurz leuchtete ein Grün vor seinen ausdrucksstarken blauen Augen auf und traf genau diese dunkle, geheimnisvolle Erinnerungslücke, die Shades Vergangenheit ihr vorenthielt.
[...]
Ihr Seufzen ließ ihn aufmerken!
Er hatte bisher die Pause damit verbracht, Atem zu finden, seinen Puls zu beruhigen sowie über die erstaunliche Ausdauer seiner Lehrerin nachzudenken.
Sie war für ihre hagere und kleine Gestalt doch recht weiblich geblieben und wirkte weniger athletisch, als sie zu sein schien.
Ihr langes braunes Haar fiel ihr voller leuchtender Reflexe die Schultern herab, reichte bis zur Hüfte und verdeckte somit fast ganz das schwarze Mieder, welches seinerseits ihren gesamten Rücken verhüllte. Der Stehkragen zog sich um den Hals, wohingegen jedoch das gut gefüllte Dekolleté deutlich zu bestaunen war. Dies tat der smarte Smutje, jedoch nicht ohne einen leichten Rotschimmer auf sein Gesicht zu zaubern.
Er befürchtete, ihr Blick in seine abgelenkten Augen würde ihn direkt durchschauen, was er jedoch nicht wusste: die tief dunkle Färbung seiner Iris hielt ihre Gedanken bereits fest gefangen.
Die Blicke somit ineinander verschlungen, den Frieden, der sie umgab, genießend, begann irgendwo in ihrem Unterbewusstsein sich ein Geräusch Gehör zu verschaffen! Wieder und wieder begann es die Gedanken der beiden zu stören und auch ein komischer Geruch erreichte die Sinne der beiden Menschen auf dem Bett....
Als sie ihre Blicke darob voneinander lösten, mussten beide schmunzeln.
Sanjis Magen hatte, ob der angenehmen Gerüche aus dem unter seiner Kajüte liegenden Küchentrakt Kapriolen geschlagen und verlangte lautstark nach Füllung.
Auch Shade dachte sehnsüchtig an das fantastische Essen des Vorabends und könnte davon sicher noch eine weitere Portion unterbringen, ehe sie in die kargen Tage auf der Bloody Bat zurückkehrte.
Mit einer angehobenen Augenbraue fragte sie ihn daher: "Hunger?" und strich dem Blondschopf eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht, die hartnäckig sein linkes Auge verdecken wollte.
"Wie es scheint schon! Ziemlich peinlich für nen Koch, ne?"
Sie grinste daraufhin, legte ihre Hand auf seine Schulter und wollte gerade antworten, als er sie fragte:
"Soll ich Dir was kochen, ma chère?"
Ein freudiges Strahlen zierte sein Gesicht, das Blau seiner Augen stach deutlich aus dem rosigem Weiß seiner Haut hervor und brannte sich tief in ihr Herz.
Es nahm ihr den Atem und sie musste hart gegen die aufkeimenden Gefühle ankämpfen, die dieses Strahlen in ihr verursachte.
Doch nach einer kurzen Weile erinnerte sie sich daran, was ihn auch noch so wenig Essen immer gekostet hatte und sie wollte ihn nach den diversen Anstrengungen der letzten Nacht nicht bereits dem ersten harten Kampf um sein Leben und seine verbliebene Ehre zumuten.
"Nein!"
