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One Wing

von

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ACT FOUR

Kommentar: Nach zwei Unendlichkeiten (oder waren es doch drei?) hier der vierte ACT von One Wing. Das Kapitel beschreibt sozusagen die Ruhe vor dem Sturm und es passiert eben nicht so viel, es werden praktisch nur die (Gefühls-)Fronten geklärt, aber das muss auch sein ^-^ Nach den drei Story-Monaten ist Nico viel erwachsener geworden, wenn man es so umschreiben darf, aber auch selbstbewusster und er hat auch ein gesundes Selbstwertgefühl entwickelt, was sich natürlich auch auf die Beziehung zwischen Hisashi und seinem Engel auswirkt. Irgendwie finde ich es schön, zuzusehen, wie Nico Mut schöpft und sich endlich entfalten kann. Ich glaube, im Himmel hatte er nie die Möglichkeit dazu - wie auch, wenn er ständig Acht geben musste, seine wahre Liebe hinter der eher väterlichen Fürsorge zu verstecken, die er eigentlich für seinen Schützling empfinden sollte... Aber auch die vier Elementarengel mag ich sehr und ich denke einige werden von Uriel und Raphael ein wenig überrascht sein ^_________^

Während des Schreibens hab ich übrigens das Album "Verschwende deine Zeit" von Silbermond, "I'm nothing without you" von Placebo und "Wishmaster"(Dead Boy's Poem ist soo schön... aber die anderen auch) von Nightwish gehört ^-^
 

ACT IV
 

Volume I
 

Verträumt blickte er Nico an, der sich mit vertrauensvoll geschlossenen Augen an Hisashis Brust geschmiegt hatte.

"Ich liebe dich", flüsterte er noch immer selig lächelnd. Anfangs war er wirklich übervorsichtig und so sanft wie nur möglich gewesen, denn er hatte große Angst gehabt, dem Kleineren in irgendeiner Weise weh zu tun. Doch Nico war völlig entspannt gewesen und hatte ihn immer wieder mit kleinen Überraschungsangriffen verblüfft, bis er schließlich auch seine letzte Scheu überwunden hatte.

Und er bereute nichts. Es war absolut wunderschön gewesen. Nicht weniger aber noch viel mehr...

Als er eins mit Nicome geworden war, war ihm gewesen, als hätte er einen Flügel auf dessen Rücken gesehen, weit ausgebreitet, als wolle er im Moment des höchsten Glücks losfliegen und das Paradies suchen... und Hisashi sah ihn noch immer. Doch obwohl es ihn beunruhigen oder zumindest überraschen sollte, war er noch immer von der vollkommenen inneren Ruhe erfüllt, die der Jüngere ihm geschenkt hatte.

"Ich liebe dich noch viel mehr", nuschelte Nico halb in einem schönen Tagtraum gefangen.

Schmunzelnd küsste er die völlig glatte Stirn seines Kleinen, doch dann wurde er ernst. "Nico?"

"Hm? Was ist denn?", machte der Kleine, hob den Kopf und öffnete auch die Augen, als wolle er Hisashi ansehen. Ein flüchtiges, trauriges Lächeln stahl sich bei diesem Gedanken über seine Lippen, bevor er leise erwiderte: "Ich... ich möchte, dass du bei mir bleibst... Ich will dich nicht gehen lassen müssen..."

Der andere lachte hell und umarmte Hisashi stürmisch. "Kannst mich behalten, Großer. Nur ne rote Schleife musst du dir selbst besorgen!"

Mehr als bloß beruhigt zog er sein blindes Engelchen wieder fest in seine Arme.

/Wieso bin ich nur so erleichtert? Wie kann es sein, dass du mir in so kurzer Zeit so wichtig geworden bist, dass ich dich nicht wieder gehen lassen kann...?/

"Ich würde ja nur zu gerne wissen, womit du mich verzaubert hast...", sagte Hisashi dann auch auf seinen Gedanken hin, was der andere nur mit einem zufriedenen Grinsen quittierte.
 

"Sag ich nicht. Ein Magier verrät nie seine Geheimnisse", belehrte Nicome ihn schelmisch. "Außerdem will ich ja nicht, dass du einen Aufhebungszauber gegen meinen Bann findest."

Gott, er fühlte sich so unglaublich glücklich. Hisashi in sich zu spüren, mehr noch, sich mit ihm _verbunden_ zu spüren, das... das war das schönste gewesen, was er je gefühlt hatte. Und er würde es ganz bestimmt nie vergessen, da war er sich hundertprozentig sicher.

Niemals...
 

Volume II
 

Nicome lächelte glücklich. Drei Monate waren vergangen, seit sich Hisashi und er das erste Mal begegnet waren, und in diesen drei Monaten hatte sich sehr viel für sie verändert.

Mittlerweile beherrschte er einigermaßen die Blindensprache, konnte nun also auch Bücher lesen um sich die Zeit zu vertreiben und mithilfe einer speziellen Software konnte er auch Hisashis Computer benutzen und ein wenig schreiben, was er sehr gerne tat. Oder er ließ sich von der Computerstimme etwas von Hisashi vorlesen, der ebenfalls gerne schrieb, auch wenn er seine Texte nie zuvor jemandem gezeigt hatte.

/Nur mir... mir zeigt er sie und lässt mich an seiner Welt teilhaben/, dachte er glücklich und fuhr den Computer herunter.

Wie gerufen kam da auch schon Tamara, seine Blindenhündin, ins Zimmer gelaufen und scharwenzelte fröhlich bellend ein wenig um Nico herum.

"Und - bist du bereit?", fragte er und kraulte sie liebevoll hinter den Ohren. Es war Liebe auf den ersten Ton gewesen. Allein ihr freundliches Bellen hatte er hören müssen und das weiche Fell hatte sein übriges getan. Er hatte sich schlichtweg in das aufgeweckte Tier verliebt und für Tammy hätte er wirklich (fast) alles getan, um auch nur den kleinsten Teil ihrer Hilfe belohnen zu können.

Manchmal behauptete sein Schatz sogar, er würde die Hündin mehr lieben als ihn. Natürlich stimmte das nicht - wie könnte es auch? -, doch es war wahr, dass er Tammy fast genauso viel Aufmerksamkeit zukommen ließ, wie seinem "Großen". Aber eben nur fast...

Umso glücklicher war er, das Hisashi Tammy genauso sehr mochte, wie er selbst und auch Tammy hatte Nicos größten Schatz sofort akzeptiert und noch mehr als das...

Seine tierische Freundin stupste ihn an, um ihn wieder aus seinen Gedanken zu holen.

"Na dann wollen wir mal", lächelte er ein wenig nervös.

Noch einmal ging er alles durch, was ihm Sabine und Daniel geraten hatten, welche er bei einem Treffen für Sehbehinderte kennen gelernt hatte und die nun schon sehr gute Freunde für ihn waren. Noch immer konnte er Hisashi gar nicht genug dafür danken, dass jener sich schlau gemacht und ihn dann zu diesem Treffen gebracht hatte, denn es war beruhigend zu wissen, dass er nicht allein war, wenn die anderen auch keine ehemaligen Engel waren wie er, was tatsächlich auch keinen allzu großen Unterschied machte.

Dank seinem Liebling vergaß er diese Tatsache ohnehin fast die ganze Zeit lang. Hisashi liebte ihn und das war das einzig Wichtige.

Mithilfe von Frau Siebenbrunn und einem Japanisch-Kochbuch hatte Nico so gut es ging etwas für Hisashi gekocht, weil er wusste, dass jener sehr viel arbeite, aber auf Arbeit auch gleichzeitig zu wenig aß - außerdem hatte er heute einfach Lust gehabt mit seinem Liebsten zu Mittag zu essen. Besagte Frau war eine sehr nette ältere Dame und zudem auch die Vermieterin des Schwarzhaarigen mit den sanften grünen Augen, die er nie wieder sehen würde, so oft er ihren Blick auch auf sich ruhen spürte.

Eilig schob er diese Gedanken von sich. Natürlich war es nicht leicht, blind zu sein, aber er wusste genauso gut, dass es falsch war, etwas nachzutrauern, das nun ohnehin nicht mehr zu ändern war. Immerhin waren als Ausgleich seine übrigen Sinne mit der Zeit und einiger Übung umso schärfer geworden und er konnte jede einzelne Stelle von Hisashis Körper voll und ganz ertasten, ihn viel deutlicher spüren, dieses Gefühl jener atemberaubenden Nähe viel tiefer empfinden.

Aufgeregt lief er in die Küche, holte das in einem bruchfesten und wärmespeichernden Behältnis verpackte Essen hervor und verstaute es sicher in seinem Rucksack, bevor er nach Tammy rief und sie für ihr kleines Großstadtabenteuer rüstete.

Aufgeregt überprüfte er in Gedanken noch einmal, ob er alles hatte was er brauchte, nickte dann zufrieden und zog sich an. Nachdem er abgeschlossen hatte und mit dem Aufzug hinunter gefahren war, bedankte er sich noch einmal kurz bei Frau Siebenbrunn und dann ging er mit Tammy als Geleitschutz zur Bushaltestelle.

Nico konnte hören, dass der Busfahrer doch ziemlich überrascht war, aber er war auch sehr hilfsbereit und versprach, es Nico zu sagen, wenn er an seinem Ziel angekommen war, sodass er nicht einmal die Haltestellen zählen musste, so wie der Blondschopf es sonst getan hätte. Stattdessen kraulte er zappelig die Hündin und versuchte irgendwie, seine Aufregung abzuschalten - was sich _ganz unerwarteterweise_ als _leicht_ unmöglich herausstellte...

"Wir sind gleich da", rief ihm der Fahrer freundlich zu. Nico bedankte sich noch einmal und stand dann mit strahlendem Gesicht auf. Die Busfahrt hatte er geschafft und von der Haltestelle aus waren es nicht einmal hundert Meter bis zu Hisashis Kanzlei, was er wusste, da er einmal mit Frau Siebenbrunn durch dieses Viertel spaziert war und sie es ihm genau erklärt hatte.

Damals hatte er sich nicht getraut, mit ihr hineinzugehen, hatte befürchtet, dass sich Hisashi ärgern könnte, wenn er ihn bei der Arbeit störte; doch mittlerweile wusste er sich dessen Liebe sicher, wusste was er tun durfte und was er lieber lassen sollte, wusste worüber sich sein Geliebter freuen würde und worüber eher nicht.

Ja, er war ohne Zweifel glücklich mit Hisashi und auch wenn sicher jeder Außenstehende meinen würde, dass sie sich ihre Liebe viel zu früh gestanden hatten, so wussten _sie_ beide doch sicher, dass es nun mal einfach so war. Und warum etwas verleugnen, dass so gewiss war?

Und er war so glücklich, dass er selbst durch den letzten Rest seines mit dem einen Flügel verbliebenen sechsten Sinns nicht die schemenhaft flüchtige Gestalt bemerkte, die ihm wie ein zweiter Schatten folgte und erst wieder im Nirgendwo verschwand, als Nico den Klingelknopf der Kanzlei drückte und hoffte, dass er auch wirklich richtig war.
 

Hisashi seufzte leise. Es war mal wieder viel zu tun und sein Assistent hatte heute einen Tag frei genommen um irgendeinen sehr wichtigen, privaten Termin wahrnehmen zu können. Nicht dass er sich beklagen wollte, soviel Arbeit zu haben, denn das war doch deutlich besser, als _keine_ oder zumindest zu wenig Arbeit, aber es schlauchte auch sehr und im Moment sehnte er einfach nur Nicos schlanke Finger herbei, die zärtlich durch seine Haare fuhren oder ihm die durch die Arbeit entstandenen Verspannungen herausmassierten.

Aber der Kleine war zu Hause und heckte dort zusammen mit seiner Vermieterin irgendetwas aus, und so sehr er sich seinen kleinen Engel auch herbeiwünschte, wollte er doch nicht, dass Nico allein hierher zu finden versuchte, weil er zugegebenermaßen große Angst hatte, Nico könnte etwas passieren oder sich verlaufen und sonst wo landen. Schließlich waren auch bei weitem nicht alle Menschen _Engel_ mit nur einem Flügel so wie der Blondschopf... Er wusste, Nico würde dass nicht ewig mitmachen, würde sicher irgendwann einmal auch allein größere Entfernungen zurücklegen wollen, so gut er konnte, doch im Moment war es ihm lieber, wenn der Jüngere mit Tammy noch ein bisschen auf kürzeren Strecken übte, die er ganz genau kannte.

Er streckte sich müde. Sein Kopf rauchte und eigentlich hätte er eine Pause machen sollen, aber er wollte weder einfach mitten in der Arbeit aufhören, um nicht den Faden zu verlieren, noch hatte er wirklich noch die Lust und Nerven weiterzumachen.

Es klopfte leise und seine Sekretärin, Frau Eichler, eine fürsorgliche schon etwas ältere Dame steckte den Kopf zur Tür hinein. "Ich möchte Sie ja nur ungern stören, Herr Kigai, aber ich finde wirklich, sie sollten langsam einmal eine Pause einlegen und etwas essen..."

Der Schwarzhaarige lächelte ihr müde zu und rieb sich, während er sich in seinem Bürosessel zurücklehnte, die Schläfen. "Schon in Ordnung, Frau Eichler. Aber danke, dass Sie sich so um mich sorgen."

Die Frau kommentierte das nur mit einem strengen Blick, gab diesen aber schnell wieder auf, da sie wusste, dass dies bei ihrem Chef ohnehin nicht mit Erfolg gekrönt sein würde, und schloss die Tür mit einem leichten Kopfschütteln.
 

Ein dezentes Summen ertönte und das Türschloss sprang auf, sodass Nico die Tür aufschieben und mit Tammy hindurchschlüpfen konnte.

"Guten...", die weibliche, doch schon etwas reifer klingende Stimme stockte, setzte dann neu an: "Guten Tag, wie kann ich Ihnen helfen?"

"Ich möchte zu Hisa- Ich meine, ich möchte mit Herrn Kigai sprechen."

Er hörte es förmlich, wie ihn die Frau überrascht und wohl auch ein wenig hilflos ansah. "Es tut mir Leid, aber Herr Kigai hat gerade seine Mittagspause. Möchten Sie vielleicht später wieder kommen? Ich könnte Ihnen einen Termin machen... oder haben Sie vielleicht schon einen?"

Nico schüttelte lächelnd den Kopf. "Nicht direkt, nein. Aber wenn Sie ihm vielleicht sagen könnten, dass Nicome da ist..."

Einen Moment war es still und der innere Kampf von Hisashis Sekretärin war regelrecht in der Luft zu spüren. "Also gut, ich werde es ihm mitteilen."

Sie tat irgendetwas und ein leises Klicken erklang, bevor sie Nicos Schatz erklärte, dass ein gewisser "Nicome" hier sei und mit ihm sprechen wolle.

"Nico?", rief Hisashi.

"Nun...", machte die Sekretärin hörbar verdutzt als sie ihren Chef so überschwänglich hörte.

"Ja", sagte Nico mit einem Lächeln und kaum eine Sekunde verging, bevor irgendwo vor ihm eine Tür aufgerissen wurde und Tammy freudig zu bellen begann. Genau gleichzeitig hörte er eine wohlbekannte Stimme "Nico! Tammy!" rufen und wurde einen Augenblick später schon freudig an Hisashis Brust gedrückt.

"Hi", sagte Nico leise, traute sich nicht, _seinen_ Großen zu küssen oder auf ähnlich überdeutliche Art und Weise zu berühren, schließlich wollte er seinen Liebsten vor seinen Angestellten nicht in Verlegenheit bringen.

"Was machst du überhaupt hier?", fragte der erstaunt, hatte ihn noch immer nicht losgelassen.

Sanft machte sich Nicome los und holte den mit Kunststoff umkleideten Behälter hervor. "Ich hab dir dein Mittagessen mitgebracht", grinste Nico ihn zufrieden an, spürte wie sein Herz überglücklich in seinem Brustkorb klopfte ob Hisashis rührender Freude.

"Mittagessen?", wiederholte der - zumindest auf der Erde - Ältere verständnislos und Nico konnte die Sekretärin leise lachen hören.

"Ich weiß zwar nicht wer Sie sind, aber jetzt sind Sie mir auf jeden Fall sympathisch", erklärte sie mit deutlicher Belustigung in der Stimme.

Hisashi grummelte irgendetwas, erklärte nur kurz: "Frau Eichler - das ist Nico, er wohnt bei mir..." und zog ihn und Tammy dann einfach mit sich, sodass er sich wenige Augenblicke auf einem bequemen Stuhl wiederfand, während Hisashi hinter ihm die Tür schloss.

Beschwörend drehte sich Nico auf seinem Sitzplatz zu ihm um und bekam endlich seinen so sehnsüchtig erwarteten Kuss, schlang sofort seine Arme um den Hals des Größeren und zog ihn auf diese Weise näher zu sich. Gott, nur wenige Stunden waren sie voneinander getrennt gewesen und schon sog er diesen Kuss in sich auf, wie eine Wüstenblume den Regen, die innerhalb weniger Sekunden zu voller Pracht erblühte.

Er zog sich an dem jungen Anwalt hoch nur um diesen auf den Stuhl zu drücken und sich auf seinen Schoß zu setzen, damit sie endlich gleichauf waren und er hungrig diese süß-zartbittere Mundhöhle plündern konnte, lauschte dabei genüsslich Hisashis leisem Seufzen, während ihn die große Hände des anderen lüstern und hemmungslos an sich pressten. Unbeherrscht drängte er sich an den Größeren, versuchte ihm so gierig seiner wundervollen Wärme zu berauben.

"Ich habe dich so vermisst", flüsterte er atemlos, als ihnen die Luft ausging und sich zumindest ihre Münder unwillig voneinander lösen mussten.

"Ich dich noch viel mehr", hauchte Hisashi neckend zurück und strich mit seinen Lippen zärtlich über Nicos Augenlid. "Du kannst dir nicht vorstellen wie sehr..."

Zärtlich fuhr der Blonde die Konturen dieses sowohl innerlich als auch äußerlich wunderschönen Mannes nach, verwöhnte und betrachtete ihn zugleich - auf seine ganz eigene Weise. "Liebst du mich, Shi?", fragte er fast lautlos, auch wenn er die Antwort kannte, doch er hörte die Worte einfach so gern aus dem Mund des anderen.
 

"Mehr als das, Nico...", Hisashi fuhr mit seinen langen, sanften Fingern begehrlich unter das Hemd seines Engels, strich mit leichtem Druck über dessen Rücken, bevor er einfach nur sein Gesicht in die fast weiße Halsbeuge vergrub und seinen Geruch einsog.

"...nie wieder...", murmelte er liebestrunken, "...ich lass dich nie wieder gehen..."

Nico lächelte sein sanftes Engelslächeln. "Und trotzdem habe ich noch immer kein Halsband..."

Entrückt, verzückt, durch Nicos Anwesenheit beglückt, streichelte er mit seinem Mund die Ohrmuschel des Kleineren, knabberte mit lustgeröteten Lippen an dem heißen Ohrläppchen, meinte von innen her verbrennen zu müssen. "Brauche ich das denn?", erkundigte er sich, glitt langsam über die hohen Wangenknochen.

"Nein... denn ich kann... ohnehin nicht mehr fort... von dir, weil... ich süchtig nach dir bin... ", stöhnte der Blondschopf leise, fuhr mit einer Hand in Hisashis Nacken und zwischen sein Haar, vergrub die andere unterdessen über seiner Brust in das dunkelblaue Hemd.

Liebevoll sog der Grünäugige die volle, schon leicht geschwollene Unterlippe zwischen seinen Mund. "Dann ist es gut..."
 

Volume III
 

Niedergeschlagen lief Raphael durch den Mondgarten, beachtete nicht die vielen wunderschönen Wasserlilien, die um ihn herum im Mondlicht erblühten. Für jedes Element und seinen Engel gab es einen "Garten" und dieser hier war der seine - und doch wusste er nicht mehr wo er war in diesem scheinbar endlosen Land der Winde, wo niemals die Sonne aufging und zu jeder Zeit der Mond am Himmel stand, was dem Garten schließlich auch seinen Namen verliehen hatte.

"Raphael...", seufzte Uriel, tauchte urplötzlich hinter ihm auf und zog die viel grazilere, schlanke Gestalt des Windengels rücklings in seine kraftvollen Arme. "Du verirrst dich noch in deiner eigenen Schwermut."

Bedrückt drehte er sein Antlitz zur Seite, bettete seine Wange unglücklich an das kräftige Schlüsselbein, gab dem Elementarengel der Erde damit die größtmöglichste Fläche für dessen auf seine Haut gehauchten Küsse. "Michael und Shiyunoue machen mir große Sorgen... Langsam habe ich wirkliche Angst um sie... Wenn Gabriel den Schlüssel des neuen Zeitalters nun nicht bald gefunden hat und zurückkehrt, wird Michael in absehbarer Zeit nicht einmal mehr ein Schatten seiner selbst sein..."

"Sh...", machte Uriel sanft. "Lass ab von deinen niederdrückenden Gedanken... Nicome und Hisashi sind sichtlich glücklich - selbst Michael beginnt dies langsam zu verstehen... Und ich denke - also gut, ich hoffe -, dass er dann bald endlich auch seine Schuldlosigkeit erkennen wird..."

"Hoffentlich hast du Recht", flüsterte Raphael bekümmert.

"Raphael, _bitte_", flehte der Größere, "Ich mag nicht zusehen, wie du dich vor Gram verzehrst. Kann ich denn gar kein Lächeln mehr auf deine Lippen zaubern?"

Erschrocken sah der Kleinere der beiden zu dem Engel mit den warmen, erdfarbenen Augen auf.

"Ich habe das Gefühl...", flüsterte der Elementarengel mit schmerzlich verzogenem Gesicht und nicht fähig den Blauhaarigen anzusehen. "...dass du dich immer weiter von mir entfernst... Oder bin ich es, der sich von dir entfernt? Du schwingst dich mit deinen sehnsuchtsblauen Flügeln in Höhen zu denen ich dir nicht mehr folgen kann. Ich bin zu nichts mehr gut... ich kann dich nicht mehr stützen, dich nicht trösten und dich nicht durch die Lüfte tragen. Das einzige, was mir bleibt, ist, verzweifelt zuzusehen, wie du immer höher aufsteigst und zu hoffen, dass ich dich auffangen kann, wenn du fallen solltest..."

"Uriel...", hauchte der Windengel hilflos und drehte sich in dessen Griff vollends zu ihm, umschlang ihn mit seinen schlanken Armen, verschränkte seine Hände im Nacken des Größeren, drückte den Schwarzhaarigen so fest an sich wie er nur konnte. "Sag doch so etwas nicht. _Alles_ an mir - mein Herz, meine Seele! - gehört dir - wie also könnte ich mich von dir abwenden, dich gar verlassen? Habe ich dich tatsächlich vergessen lassen, dass ich ohne dich nicht existieren kann?" Sanft drückte er einen liebevollen Kuss auf die blutroten Lippen, deren Weichheit und Süße er so liebte. "Vergib mir, mein Herz..."

"Nein, du musst mir vergeben. Es war egoistisch... ich wusste genau, wie sehr es dir zu schaffen macht und habe dich noch zusätzlich bedrängt..."

Der Engel mit den violett-meerblauen Augen schüttelte den Kopf. "Nein... Es ist gut, Uriel. Ich bin froh, dass ich dich habe, dass du in diesem Augenblick bei mir bist... Lass uns jetzt nichts mehr sagen, wir finden ohnehin nicht die richtigen Worte..."

Der Erdengel seufzte leise, auch ein wenig erleichtert, dass Raphael wieder zu sich gefunden hatte und breitete seine beiden mächtigen, seidig erdbraunen Schwingen gleich denen eines Adlers aus, umschloss sie beide hütend und schirmte sie so von ihrer Umwelt ab.
 

Volume IV
 

"Einen Moment, bitte", erwiderte Frau Eichler der Frau am anderen Ende der Leitung und drückte eine Taste der Freisprechanlage um Herrn Kigai über den Anruf zu informieren und sich zu erkundigen, ob sie die Frau trotz seinem Besuch und der Mittagspause durchstellen sollte.

Bevor sie jedoch dazu ansetzen konnte, zu sprechen, hörte sie auf einmal einen leisen, sehr zufrieden klingenden Seufzer und sie wollte sich schon erkundigen ob die Herren gut gespeist hätten, aber dann hörte sie wie ihr Chef ein zärtliches "Ich liebe dich" hauchte und ihre Finger fuhren von der Taste weg als hätte sie sich sehr schmerzhaft daran verbrannt.

"Es tut mir sehr Leid, aber Herr Kigai führt im Moment ein sehr wichtiges Gespräch und möchte nicht gestört werden. Vielleicht hinterlassen Sie mir einfach Ihre Telefonnummer und Herr Kigai ruft Sie dann persönlich zurück?"

"In Ordnung", gab sich die Frau glücklicherweise einverstanden und gab ihre Nummer durch.

Frau Eichler ließ den Telefonhörer sinken und starrte dann die Freisprechanlage an, als wäre ihr ein Geist erschienen. Sie kannte Herr Kigai zwar als sehr freundlichen, meist ruhigen aber zuweilen - wenn ihm die Arbeit genügend Energie dafür ließ - auch sehr leidenschaftlichen jungen Mann, doch immerhin war er ihr Chef und ihr wurde bewusst, dass sie die Tatsache, dass auch Herr Kigai solche Gefühle wie Liebe und so etwas wie ein Privatleben besitzen könnte, doch ziemlich vor den Kopf stieß. Irgendwie hatte sie angenommen, dass er von null Uhr morgens bis 24 Uhr in der Nacht einfach nur ihr Chef war und nichts anderes tat als Essen, Schlafen und Arbeiten, obwohl sie sich doch öfter über irgendwelche etwas privateren, wenn auch im Grunde genommen noch immer ziemlich belanglosen Dinge unterhalten hatten. Es war ein richtiger Schock für sie, aber andererseits störte sie die Tatsache, dass sich Herr Kigai zur Männerliebe bekannte, überhaupt nicht. Sie hatte ohnehin immer nach dem Leitmotiv der "freien Liebe" gehandelt und beurteilt und es beruhigte sie, zu wissen, dass es jemanden gab, bei dem ihr Chef auch mal abschalten und seine Arbeit vergessen konnte, denn manchmal machte sie sich zugegebenermaßen doch Sorgen, dass er sich zu sehr in sie hineinsteigerte, besonders, da er zu meinen schien, er müsse seinen Eltern irgendetwas beweisen...

Natürlich fragte sie sich im Geheimen doch, wie alt dieser Nicome wohl war, denn er war auf gar keinen Fall älter als zwanzig, eher um einiges jünger, aber der junge Rechtsanwalt würde schon wissen was er tat und die wahre Liebe hatte sich ohnehin noch nie an irgendwelchen unbedeutenden Zahlen gestört. Frau Eichler fand den jungen Blondschopf in der Tat geradezu niedlich und dass den Schwarzhaarigen Nicomes Blindheit ganz offensichtlich nicht störte, war sicherlich auch ein gutes Zeichen dafür, dass es keine schon an Oberflächlichkeiten scheiternde Beziehung war, die einzig und allein zur Triebbefriedigung diente.

Simone Eichler musste über ihre nächsten Gedanken lächeln. Sie hatte doch tatsächlich gerade eben das Aussehen und ihre Eindrücke der beiden miteinander verglichen und war zu dem Schluss gekommen, dass die beiden trotz allem, das aus oberflächlichen weltlichen Augen gesehen scheinbar zwischen ihnen stand, wie für einander geschaffen schienen.

Und mit einem breiten Lächeln beschloss sie, dass es mal wieder Zeit war, ihre Mittagspause nach auswärts zu verlegen...



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