Zum Inhalt der Seite

The Balance of Creation

TYKA u. a.
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Die Entscheidung

*Autumn reinkommt* Vielen Dank für Eure Kommis!!^^ Ich habe mich sehr gefreut - und vor allen Dingen möchte ich mich bei Caerdin für ihre Empfehlung bedanken! *knuddel* DAAAAAAANKE!!!^^

Nun aber zum neuen Kapitel! Viel Spaß beim Lesen!
 

Kapitel 17: Die Entscheidung
 

Schwere Nebel zogen durch die düstere Unterwelt. Hier gab es keinen Laut, keine Geräusche, alles lag da wie erstarrt, gefangen in einer geisterhaften, unheimlichen Stille. Plötzlich jedoch wurde das erdrückende Schweigen von einem Schmerzensschrei durchbrochen und ein boshaftes, fast irrsinniges Gelächter folgte. In seinem Thronsaal stand Hades und war damit beschäftigt, seinen ungehorsamen Ritter Leviathan zu bestrafen, der sich im letzten Kampf gegen ihn gewandt hatte. Der Blonde war an eine glattgeschliffene Felswand gekettet, sein Körper war übersät von blutigen Schnitten und Striemen. Einige rührten von dem vergangenen Gefecht her, andere stammten von den neuen Misshandlungen, die Hades ihm zumutete. Immer wieder rasten Schockwellen dunkler Magie durch ihn hindurch und schwächten ihn von innen heraus. Das Gewitter aus schwarzen Blitzen, das ihn dabei einhüllte, ritzte seine schutzlose Haut pausenlos, als würde er gnadenlos mit scharfen Messerklingen bearbeitet. Grausame Pein loderte in jeder winzigen Zelle und Leviathan konnte nichts anderes tun, als seine Qual hinauszuschreien. Sol, ebenfalls angekettet, konnte nur hilflos zusehen.

„Hört auf!!" forderte er mit halb erstickter Stimme, verzweifelt darum bemüht, seine Tränen zurückzuhalten. „Schluss damit, sage ich!!! Macht diesem grässlichen Spiel ein Ende!!! Er hat es nicht verdient, so zu leiden!!! Oh bitte, HÖRT AUF!!!!!"

„Glaubst du wirklich, dass du in der Situation bist, mir Befehle zu erteilen?" erkundigte sich Hades in gefährlichem Ton. „Leviathan hat es gewagt, mich anzugreifen! Er sollte mir dankbar sein, dass ich ihn nicht sofort töte, sondern ihm gestatte, für seinen Fehler zu büßen....und es zu überleben!!" Wieder das hämische, abscheuliche Lachen. Garland antwortete nicht, starke Übelkeit kroch in ihm hoch und hinderte ihn daran, zu sprechen. Er hasste Hades, diese Tatsache war ihm noch nie zuvor so klar vor Augen gestanden. Er konnte nicht länger als sein Krieger auftreten; trotz der Bedrohung für seine Familie sträubte sich sein ganzes Wesen dagegen, ihm weiterhin dienstbar zu sein. Auch eine andere Erkenntnis war ein Grund für sein Aufbäumen: Er hatte jetzt begriffen, dass er Mystel von Herzen liebte - allein der Gedanke, dass der Jüngere diese schrecklichen Qualen während der letzten Schlacht allein für ihn erduldet hatte, krampfte ihm mit eiskalten Fingern die Seele zusammen. Er erinnerte sich an den Moment, da er den „Kleinen" nach sechs Jahren wiedergesehen hatte. Der Ägypter war mit Ming Ming und Brooklyn am Flughafen gewesen, um ihn abzuholen und damals hatte er den ersten Blick auf den erwachsen gewordenen Mystel geworfen. Wie schön er doch gewesen war! Und sein Lächeln, so ehrlich und offen....ein Lächeln, das nun einem schmerzverzerrten, blutüberströmten Gesicht gewichen war. Der Blauhaarige biss sich auf die Lippen und rief: „Levi!! Sag doch was!! Wehre dich gegen ihn!! Levi!! Hörst du mich?! Verdammt, antworte!! LEVIATHAN!!!!"
 

Hades beendete seinen Beschuss, mehr als zufrieden mit dem Ergebnis seiner Folter, denn das Opfer hatte das Bewusstsein verloren. Er löste die Ketten der beiden mit einer Handbewegung und erklärte von oben herab: „Lange hat er es nicht ausgehalten. Schade - von einem Wächter hätte ich mehr Zähigkeit erwartet. Aber gut, ich hoffe für ihn, dass er seine Lektion gelernt hat. Und für dich, Sol, war es gewiss äußerst angenehm, deinen Freund in Todesangst zu erleben, nicht wahr? Das als kleine Warnung für dich, falls du wieder einmal auf die Idee kommen solltest, die Seiten zu wechseln!" Damit ließ er sie allein und kehrte in seine privaten Gemächer zurück, um seine nächsten Schritte zu planen. Garland eilte zu dem Blonden hinüber und strich ihm die verschwitzten, besudelten Strähnen aus dem hübschen Antlitz. Er presste ihn fest an sich und fühlte, wie der Damm in seinem Inneren endgültig brach. Tränen rannen ihm über die Wangen und er schluchzte heftig, den Kopf in der Halsbeuge von Poseidons Hüter bergend. Schwerfällig erhob er sich und trug den ohnmächtigen Körper durch verwinkelte Flure bis zu einer großen, schwarzlackierten Tür, wo er anklopfte. Eine vermummte Gestalt öffnete ihm und ließ ihn ein. Der Wächter war sich nicht sicher, was für ein Geschöpf sich wohl unter der Kutte und der Kapuze verbarg, aber da es bisher freundlich zu ihm gewesen war, brachte er ihm ein gewisses Maß an Vertrauen entgegen. Es führte ihn durch einen zweiten Korridor in eine Halle, in deren Mitte sich ein Becken mit heißem Wasser befand. Das Wasser besass heilende Kräfte, wurde aber nur für schlimme Verletzungen benutzt. Das verhüllte Wesen entkleidete den Neunzehnjährigen und tauchte seinen geschundenen Leib vorsichtig in das wohltuende Nass. Es reichte Garland einen weichen Lappen, der nach Kräuteressenzen duftete und deutete mit Gesten an, dass er damit das Blut von den Wunden waschen sollte. Er nickte zum Zeichen, dass er verstanden hätte und der Geist oder was immer es war, verschwand durch einen Geheimgang hinter einer der hohen Säulen, die das Dach über der Halle trugen. Das Wasser hatte schon begonnen, seine heilende Wirkung zu entfalten und der Ältere strich beinahe schüchtern über die Stellen hinweg, an denen der rote Lebenssaft klebte. Behutsam hielt er Mystels Kopf dabei über der Oberfläche, während seine rechte Hand das Gesicht, den Hals und die Brust säuberte, wobei er ganz zärtlich und sanft über die braune Haut glitt. Das goldene Haar hatte sich aus dem Zopf gelöst und ringelte sich über die makellosen Schultern, die Lippen des Ägypters schimmerten feucht und sinnlich in der von Dampf durchzogenen Luft. Garland errötete, als ihm das auffiel und das Bedürfnis erwachte in ihm, nur einmal diesen wunderschönen Mund zu liebkosen. Wie in Zeitlupe neigte er sich vor und küsste den anderen. Die Berührung rief Bilder ihrer gemeinsamen Vergangenheit herauf....
 

~~ RÜCKBLENDE ~~
 

Leviathan, seines Zeichens der Wächter des Meeresdrachen Poseidon, sass in der großen und viel gerühmten Triton-Bibliothek seines Königreiches und hatte seine Nase in irgendeine Schriftrolle vergraben. Sein Ausbilder und Lehrmeister Sol, der Berater des Prinzen Suzaku, hatte ihm gegenüber platzgenommen und schmunzelte, als der Jüngere ein resigniertes Seufzen hören ließ.

„Warum muss ich wissen, wie unsere Welt aufgebaut ist?! Ich war noch nie gut in Geographie - und die Sache mit den sieben Sphären habe ich schon von meinem Vater erklärt bekommen!"

„Benimm dich nicht wie ein trotziges Kind! Aufgrund deiner Fähigkeiten hat man dir ein wichtiges Amt verliehen, das der rechten Hand des Prinzen Genbu. Du musst darauf vorbereitet sein, ehe du deinen Dienst antrittst! Also, wiederhole!"

„Puh....Der Name des Königreiches des Wassers ist Aquaria - als wenn ich das nicht wüsste, ich bin hier geboren! -, die Hauptstadt ist Nereide, der Palast des Herrschers heißt ‚Viridis Testudo‘ (lateinisch: Grüne Schildkröte), die größte und best sortierteste Bibliothek von ganz Eden befindet sich hier, das Land ist von ungezählten Flüssen durchzogen und das bedeutsamste gesellschaftliche Ereignis ist das Fest der Hundert Fluten. Dann Pyrodes, das Königreich des Feuers. Eros ist die Hauptstadt, der Name des Palastes lautet ‚Rufus Avis‘ (lateinisch: Roter Vogel), es gibt dort einen aktiven Vulkan, in dem die Phönixe nisten und eine riesige Wüste, das wichtigste Ereignis ist das Sonnenwendfest. Gaia, das Königreich der Erde: Seine Hauptstadt ist Terra, der Palast nennt sich ‚Albus Tigris‘ (s. Kapitel 16), kennzeichnend sind üppige Vegetation und dichte Wälder, wichtigstes Ereignis ist die ‚Zeremonie der Erwachenden Blüte‘ zum Frühlingsanfang. Und schließlich Aura, das Königreich des Windes, mit seiner Hauptstadt Zephyros (oder Zephyr: das ist der Name des Westwindes, Boreas - falls sich da schon jemand gefragt hat - ist der Nordwind) und dem Palast ‚Caeruleus Draco‘ (lateinisch: Blauer Drache, das hat nichts mit Malfoy zu tun!). Viele Gebirge und windumtoste Klippen, eine Schule für Drachenreiter und das wichtigste Ereignis hier ist der Drachentanz, wenn der Schutzgott Dragoon und seine männlichen Stammesbrüder wie Artisten in der Luft herumwirbeln, um die Damen zu beeindrucken. Hab ich was vergessen?"

„Nein. Du hast in meiner letzten Stunde aufgepasst, das freut mich. Und nun lass uns gehen, wir sind schon zu spät dran für die Waffenübung!"
 

Sie verließen die Bibliothek und traten hinaus in den Sonnenschein. Schön waren sie anzusehen, die beiden jungen Männer, die von goldenem Licht übergossen wurden. Ein sanfter Wind spielte mit ihren langen Haaren, blau und gelb, und ihre leichten Gewänder aus farbigem Tuch warfen geschmeidige Falten. Sie marschierten eine Allee aus Brunnen hinunter, die aus hellem Marmor gefertigt worden waren, jeder mit einer einzigen Statue in Gestalt einer Nixe verziert, von der ein Wasserstrahl in ein kleines Becken perlte. Im Stadtzentrum von Nereide wogte der Besucher- und Bewohnerstrom hin und her; es war gerade Mittag und niemand nahm besondere Notiz von den zwei Hütern, die sich dem Gynmasion näherten (nicht Gymnasium - ich rede hier von dem Ort, wo man Gymnastik macht, der Sporthalle, allerdings im römisch-griechischen Stil gebaut). Innen war eine Vielzahl von Kindern im Alter von etwa sechs Jahren damit beschäftigt, Magie-Meditation zu betreiben. Ein Priester in hellgrüner Robe war anwesend und überwachte die Versuche seiner Schüler. Die Aufgabe einer Magie-Meditation bestand darin, sich im Schneidersitz hinzusetzen, die Augen zu schließen und die dem Wächter angeborene Naturkraft zu beschwören, in Form einer Flamme vielleicht, als Pfütze, Blatt oder Windwirbel. Niemand erwartete fantastische Zauberdemonstrationen, aber wenn Leviathan sich einige der Jungen und Mädchen so ansah, die verzweifelten, weil die Wasserfontäne keine Fontäne und der Baumsprössling einfach nicht grün werden wollte, so war er doch wirklich froh, dass er das bereits hinter sich hatte. Das Gymnasion war stets integriert in eine gigantischen Tempelanlage, wo die Kinder des jeweiligen Königreiches von Gelehrten und Priestern unterrichtet wurden. Nur wenigen wurde die Ehre zuteil, im Tempel der vier Götter (gerne auch einfach nur als „ Der Tempel von Eden" bezeichnet) erzogen zu werden, wo Hohepriester und Zaubermeister Diomedes residierte, von dem es hieß, dass er sehr anspruchsvoll sei. Jahr für Jahr reiste er durch das Land, um aus jeder Akademie die vielversprechendsten Rekruten auszuwählen und sich ihrer anzunehmen. Suzaku, Seiryuu, Genbu und Byakko beispielsweise waren seine Schüler gewesen. Nachdem sie die erste Halle hinter sich gebracht hatten, gelangten sie erneut nach draußen, wo andere angehende Hüter den Schwertkampf trainierten. Sol angelte aus einem der aufgestellten Waffenkörbe zwei Klingen und warf Leviathan eine davon zu. Sie verneigten sich voreinander und begannen; hart und scharf klirrten die Metallschneiden, wenn sie zusammentrafen und das Echo ihrer Schläge widerhallte. Der Hüter von Apollon war in Pyrodes geboren, aber wie die meisten Wächter, die sich den Status eines Lehrers erworben hatten, suchte er abwechselnd für eine bestimmte Zeitspanne die verschiedenen Reiche auf, um sein reichhaltiges Wissen an möglichst viele Personen vermitteln zu können. Während seines ersten Aufenthaltes in Aquaria war er dann dem jüngeren Leviathan begegnet, der trotz seiner damals achtzehn Jahre kaum die Kontrolle über sein Element aufrechterhalten konnte. Da er seine Kraft aus dem Ozean schöpfte, war die Ausprägung seiner Gabe nur schwer zu bändigen und schlussendlich trat der Vorstand des Tempels an ihn heran und fragte ihn, ob er sich nicht des Jünglings annehmen könne. Vielleicht gelänge es ihm, Leviathan dabei zu helfen, seine Macht zu bezähmen. So waren sie Schüler und Meister geworden. Das war mittlerweile drei Jahre her und ihrer beider Bemühungen hatten Früchte getragen, als Prinz Genbu auf den hochtalentierten Kämpfer aufmerksam geworden war. Ein gefährlicher Hieb raste auf den Blauhaarigen zu.
 

Im nächsten Moment lag der Blonde im Gras, sein Schwert steckte im Boden und er hielt sich die blutende Hand. „Schade....ich glaubte Euch in Gedanken versunken!" murmelte er.

„Oh, ich war in Gedanken versunken....aber ich besitze das Gespür eines Kriegers, das nur schwer abzulenken ist. Ich reagiere automatisch, wenn ich attackiert werde. Verzeih, dass ich dich verletzt habe. Ist es schlimm?"

Er kniete sich nieder und ergriff die braune Hand, die ein tiefer Kratzer schmückte. Seine Fingerspitzen waren warm und weich und der Wasserwächter blickte verlegen zur Seite, beschämt von seinem Herzklopfen. Die Hitze schoss ihm in die Wangen und er entzog dem anderen seine Hand.

„Warte doch! Das sollte desinfiziert und verbunden werden! Ich habe fester zugeschlagen als beabsichtigt! Lass mich...."

„Bemüht Euch nicht. Ich kann das alleine."

„Sicher, aber ich wollte doch nur...."

„Ach, seid still!!" fuhr Leviathan ungewohnt heftig auf und Sol zuckte zusammen, bestürzt über diese abwehrende Haltung. „Ihr versteht gar nichts! Immer seid Ihr so freundlich, hilfsbereit und umsichtig! Immer habt Ihr ein offenes Ohr für meine Sorgen und Nöte, und immer seht Ihr mich so durchdringend an mit Euren wunderbaren blauen Augen....ich will das nicht!! Ich habe Angst davor!!" Damit drehte er sich um und rannte davon. Ohne es sich lange zu überlegen, verfolgte ihn der Ältere, verwirrt und seltsam erschrocken angesichts der Tränen, die in Leviathans Wimpern gehangen hatten. Wieder und wieder verlor er die Spur des Blonden, bis er gänzlich aus seinem Sichtfeld verschwunden war. Aber er wollte nicht aufgeben, denn irgendetwas drängte ihn, den jungen Mann unbedingt zu finden, egal wie lange es dauern sollte! So stolperte er weiter, durch Straßen und Gassen, über Flüsse und Wiesen, Stunde um Stunde, bis er die Meeresküste erreicht hatte, den Lieblingsplatz seines Schülers. Die Sonne war Richtung Horizont gewandert und malte flammende Muster über das Firmament, um ihren Untergang anzukündigen. Leviathans schlanke und grazile Erscheinung hob sich vor dieser sagenhaften Kulisse ab wie ein Relief und Sol fühlte sein Herz erbeben, überwältigt von diesem Anblick. Da wandte der Jüngere sich um und bemerkte ihn. Zögernd kam er auf ihn zu, ernst und gemessen, ehe er vor dem überraschten Feuerwächter in die Knie sank. Seine Stimme, kaum mehr als ein Flüstern, aber doch warm und emotional, klang dem Älteren wie Musik in den Ohren: „Meister....Ihr habt mich gelehrt, mit dem Schwert zu kämpfen und meine Zaubergabe zu gebrauchen. Aber was viel wichtiger ist, Ihr habt mich Eure Tugenden gelehrt: Mut, Ehrlichkeit, Mitgefühl, Hilfsbereitschaft und Loyalität. Und schon lange wollte ich es Euch gestehen....ich....Ich liebe Euch! Nein, unterbrecht mich nicht! Ich möchte mich für meinen Ausbruch von vorhin entschuldigen. Es ist wahr, ich habe mich vor meinen Empfindungen gefürchtet....obwohl ich sie zugleich genoss wie ein kostbares Geschenk. Ich habe versucht, nicht den Mann in Euch zu sehen, aber es ist mir nicht gelungen. Während der letzten Stunden ist mir klar geworden, dass es keinen Sinn hat, davonzulaufen....der Liebe kann man nicht entkommen, wie geschickt man es auch anstellen mag. Ihr seid in meinem Herzen, Sol. Und dort werdet Ihr bleiben....für immer."
 

Der Blauhaarige wusste nichts zu erwidern, in seinem Kopf drehte sich alles. Leviathan liebte ihn! All die Nächte, in denen er wachgelegen hatte, gequält von den Gefühlen, die er seinem Schüler entgegenbrachte, fest davon überzeugt, sie könnten nie auf Gegenseitigkeit beruhen.... Er streckte die Arme aus und der Blonde stand auf. „....Meister....?"

Da wurde er plötzlich in eine stürmische, leidenschaftliche Umschlingung gepresst, der Körper des anderen nah an seinem, und er vermochte nicht, sich gegen diesen unnachgiebigen, innigen Griff zu wehren. Er legte nun seinerseits die Arme um Sol, als wäre er ein Ertrinkender und der Ältere seine rettende Insel.

„Hör auf, mich ‚Meister‘ zu nennen! Ich will es nicht mehr hören! Wir sind ebenbürtig! Längst hast du dir das Recht verdient, wie ein wahrer Hüter behandelt zu werden....oder wie ein Mann geliebt zu werden! Du bist kein Schüler mehr!"

„....Ihr....du....du hast mich stets wie einen wahren Hüter behandelt....und jetzt soll mir sogar das Glück zuteil werden, von dir geliebt zu werden? Kann ich an dieses Wunder glauben?"

Sol sah ihn an, ruhig und durchdringend.

„Ich liebe dich."

Und Leviathan wusste, dass er die Wahrheit sprach. Sein schönes Äußeres und seine stille Art hatten ihn bei vielen sehr beliebt gemacht und nicht wenige hatten ihm schon einmal diese drei berühmten Worte gesagt, doch in der Regel schwang bei diesen Geständnissen eine zu deutliche Spur von bloßer Schwärmerei mit, ohne wirklich ernst zu sein. Das Geständnis des Blauhaarigen war das eines reiferen Mannes, fordernd, begehrend, Schutz verheißend, ewig, ehrlich, verschlingend. Er betrachtete ihn nicht als zerbrechlich, ging nicht mit ihm um wie mit einem vorsichtig gekitteten Gegenstand - in seinen Armen konnte er „er selbst" sein.

„Sol....mein....mein Geliebter...."
 

~~ ENDE DER RÜCKBLENDE ~~
 

Mystel schlug die Augen auf, als die süße Wärme seine Lippen wieder verließ. Der Schmerz in seinem Körper war verebbt und seine Kraft kehrte nach und nach zurück. Als er Garland erkannt hatte, fuhr er sich unwillkürlich mit den Fingern über den Mund, als müsse er sich vergewissern, nicht geträumt zu haben.

„Was....ich....ich habe mir das wohl eingebildet...."

„Was meinst du?"

„Ich dachte für eine Sekunde, du hättest....mich geküsst...."

„Das habe ich." erklärte Apollons Hüter wie selbstverständlich und der Ägypter lief rot an. Er registrierte erst jetzt, dass er sich nackt in einem Wasserbecken befand und konnte sich nicht daran erinnern, wie er hierher gekommen war. „Garland...." begann er unsicher, „....damals waren wir ein Paar, das weiß ich. Ich habe dich sehr geliebt....und ich tue es noch heute. Aber bei dir ist das anders. Aus deiner Sicht bin ich ein guter Freund und Kamerad, mehr nicht.... vermutlich siehst du in mir immer noch ein Kind. Spiele also nicht mit mir."

„Denkst du denn ernsthaft, ich wäre ein solcher Kerl? Ich spiele niemals mit Gefühlen! Du hast recht, wenn du sagst, dass die Empfindungen von früher nicht automatisch wiedererwachen müssen, nur weil wir wiedergeboren worden sind....doch in unserem Fall ist es so. Leviathan hat sich in Sol verliebt, und Mystel in Garland....Sol hat sein Herz an Leviathan verloren....und Garland das seine an Mystel. Ich konnte es kaum ertragen, als Hades dich folterte....doch da ich gefesselt war, konnte ich nur zusehen! Es hat mich halb wahnsinnig gemacht, deine Schmerzensschreie zu hören, ohne deiner Pein ein Ende bereiten zu können!"

Der Neunzehnjährige musterte ihn erstaunt, überrumpelt und unbeschreiblich glücklich zugleich, als er endlich begriffen hatte, dass der andere Blader ihn tatsächlich liebte. In seinem Inneren schwoll eine Welle an, die sich zu einer Sturzflut entwickelte und einfach über ihn hereinbrach. Er schloss den Älteren in seine Arme und küsste ihn in einem Wirbel seiner enthemmten Emotionen. Zärtlich wagte sich der Blauhaarige mit seiner Zunge vor und bat darum, die verlockende Mundhöhle des Blonden erkunden zu dürfen. Unfähig, seinem Verlangen noch weiter zu entfliehen, ließ Mystel es zu und beantwortete die Aufforderung zum leidenschaftlichen Kampf mit verführerischer Hingabe. Nachdem sie sich voneinander gelöst hatten, wechselten sie einen entschlossenen Blick. Hades hatte mit seiner Grausamkeit genau das Gegenteil von dem erreicht, was er eigentlich damit hatte bezwecken wollen.
 

„Du bist derselben Meinung wie ich, habe ich recht?"

„Ja. Er ist zu weit gegangen. Erpressung hin oder her....Ich bin davon überzeugt, dass der Orden von Eden eine Möglichkeit finden wird, deine Familie vor Hades zu schützen....und ich werde dich beschützen. Die Drohungen sind hinfällig. Im Gegensatz zu Deimos und Iras hat er unsere Herzen nicht unter Kontrolle, wir sind noch Herren über unseren eigenen Willen. Und ich sage, dass es genug ist! Ich werde nicht länger seine Marionette sein! Wir gehören an die Seite von Prinz Suzaku und Prinz Genbu! Wenn Hades glaubt, er könne Treue und Freundschaft einfach so auslöschen, dann hat er sich getäuscht!"

„Ich stimme dir zu. Es ist also entschieden - wir beide werden die Unterwelt verlassen und uns dem Gefolge der vier Prinzen anschließen! Allerdings dürfte unsere Flucht nicht leicht werden. Spätestens wenn Deimos etwas davon aufschnappt, haben wir eine Herde Dämonen am Hals!"

„Trotzdem....wagen wir es?"

Garland drückte einen heißen, heftigen Kuss auf Mystels Handrücken und nickte tapfer. Der Jüngere kletterte aus dem Wasser und schlüpfte in seine Kleider, während der 23jährige Ausschau hielt nach einem eventuellen Ausgang, denn das Haupttor kam für ihr Vorhaben natürlich nicht in Frage. Schließlich entdeckte er im Flur eine Wandkarte der Unterwelt, auf der alle wichtigen Orte verzeichnet waren. „Der Lethe, der Fluss des Vergessens, fließt genau gegenüber vom Hades-Tor. Es ist für gewöhnlich bewacht und die beiden untoten Kreaturen, die es flankieren, lassen nicht mit sich reden. Der einzige, dem sie neben dem Fürsten so etwas ähnliches wie Respekt zollen, ist Deimos; in geringerem Maße auch Iras, aber uns können sie nicht besonders leiden. Dennoch könnten wir durch die ‚Hintertür‘ entkommen."

„Ich weiß, worauf du anspielst. Du sprichst vom zweiten Eingang der Unterwelt, dem ‚Tor zur Letzten Reise‘! Das ist der Einlass für die Seelen der Verstorbenen. Sie gelangen durch das Tor zum Fluss Styx, wo der Fährmann auf sie wartet, der sie auf diesem Strom in den Hades geleitet. Auf dem Styx hinunterzufahren ist kein Kunststück - aber hinauf, in Richtung der Lebenden? Wie könnten wir den Fährmann dazu überreden?"

„Uns wird schon etwas einfallen. Solange wir zuversichtlich sind, haben wir eine Chance, es zu schaffen, denn nichts lässt sich ohne Willenskraft erreichen."
 

Sie verließen den Flügel des Palastes, in dem sie sich aufgehalten hatten und brachen zum Fluss Styx auf. Was sie nicht ahnten, war, dass die vermummte Person sie beobachtet und ihrem Gespräch gelauscht hatte. Sie zog die Kapuze herunter und zum Vorschein kam ein hübsches Gesicht mit grünen Augen und einer kecken Nase, umrahmt von rotem Haar. Der junge Bursche, der etwa an die fünfzehn Jahre zählte, erschuf in seiner Hand einen vergoldeten Schamanenstab, der dem von Diomedes ähnelte und schloss den Raum mittels eines Zaubers hermetisch ab, um keinen unerwünschten Spion neugierig zu machen. Dann kontaktierte er Mr. Dickenson, der sofort in der magischen Kugel auftauchte, die der Jugendliche beschworen hatte. Der alte Herr betrachtete ihn ein wenig besorgt.

„Deine Idee des verdeckten Ermittelns war zweifellos ausgezeichnet, aber es behagt mir dennoch nicht, dich in der Höhle des Löwen zu lassen, mein Junge. Was hast du mir zu sagen?"

„Sol und Leviathan haben eine Entscheidung getroffen, die für den Verlauf des Krieges von großer Bedeutung sein dürfte, Meister. Sie haben sich von Hades abgewandt und sind unterwegs zur Oberwelt, um sich uns anzuschließen."

„Das ist eine wundervolle Nachricht! Ich werde mich mit den Zwölf in Verbindung setzen, und sie bitten, ein paar Krieger abzustellen, die den beiden Geleitschutz geben, denn ihre Flucht wird nicht allzu lange unentdeckt bleiben, wie ich befürchte. Und du wirst ebenfalls so bald wie möglich zurückkehren, denn der Moment ist nicht mehr fern, da wir deiner Kräfte bedürfen werden. Denk daran, Daichi."

„Das werde ich."
 

Im Kinomiya-Dojo herrschte indessen eine seltsame Atmosphäre; eine merkwürdige Mischung aus Freude, Erleichterung, Ärger und Frust lag in der Luft. Ray beispielsweise war höchst beglückt darüber, dass Max sein Erinnerungsvermögen langsam zurückgewann und den Chinesen mittlerweile als Freund anerkannt hatte, da er nun, dank der Bilder in seinem Kopf, viel mehr Gefühle und gemeinsame Augenblicke mit diesem verband. Auch der Amerikaner war froh und begann, sich endlich wieder wohl in seiner Haut zu fühlen. Anders sah es dagegen bei Kai uns Tyson aus. Der Russe litt spürbar unter seiner zweigeteilten Seele und hatte die meiste Zeit des Tages nichts sonst zu tun, als sich mit Suzaku zu zanken, dass die Fetzen flogen. Tyson war davon nicht sonderlich begeistert, da er Kai liebte und auch den Prinz des Feuers ins Herz geschlossen hatte - ihre Streitereien bekümmerten ihn daher sehr, zumal die Situation einfach nur paradox war, hielt man sich dabei vor Augen, dass der Graublauhaarige im Grunde mit sich selbst im Clinch lag. Kai kollidierte mit einem Ich, das alles repräsentierte, was er in seinem Leben nie besessen hatte oder mit dem er nicht umgehen konnte: Familie, Geborgenheit, Gefühle, darunter das simple Talent, einfach mal Spaß zu haben, oder auch Empfindungen wie Glück, Freude und Liebe. Ihm war allerdings auch nicht bewusst, dass Suzaku ihre Konfrontationen keineswegs genoss, wie man vielleicht hätte annehmen können. Sicher, er war mit einem hitzigen Temperament ausgestattet und ziemlich aufbrausend, aber er verfügte gleichzeitig über Einfühlungsvermögen, Verständnis und einen Blick für die Probleme seiner Mitmenschen. Dass es ihm nicht gelang, seiner Wiedergeburt klarzumachen, dass es zwischen ihnen, trotz all ihrer Unterschiede, einen gemeinsamen Nenner gab, auf dessen Basis eine Verschmelzung ihrer Seelen möglich gewesen wäre, traf ihn tief. Kai hatte den Stolz und die Sturheit eines echten Feuerwächters, doch leider verhinderten diese Eigenschaften jegliche Annäherung. Der Japaner verstand Suzaku genau, aber er konnte ebensowenig ausrichten, denn wenn Mr. Hiwatari erst einmal auf „Dickschädel" umgeschaltet hatte....Tyson seufzte, führte einen letzten Kendo-Hieb gegen seinen großen Bruder und die Geschwister beendeten das Training.
 

„Bedrückt dich etwas, Ototo?"

„Wie? Ach, nein, es ist nichts, Hiro....ich bin nur ein bisschen müde."

„Ehrlich? Oder hängt deine gemäßigte Laune mit unseren beiden Gewitterziegen zusammen?"

„Woher....?"

„Muss ich mich wiederholen? Ich bin dein älterer Bruder, es gehört zu meinem Job, sowas zu wissen! Außerdem ist es ein Wunder, dass Kai und Suzaku den Dojo ganz gelassen haben! Sie können alle beide recht impulsiv sein."

„Wem sagst du das....!"

Resigniert suchte der Blauhaarige sein Zimmer auf, entledigte sich seiner Kendo-Ausrüstung und zog sich einen bequemen Jogginganzug an. Er holte sein Beyblade aus seinem Nachtkästchen hervor und wollte in den Garten eilen, um mit Max und Ray ein paar Matches zu bestreiten, als er mit einem Mal eine negative Präsenz wahrnahm. Er drehte sich um - und erstarrte. Ein schwarzgekleideter Mann trat aus einem Wirbel von Blitzen heraus und lächelte ihn hochmütig an. Es war ein kaltes, boshaftes Lächeln, bei dessen Anblick einem das Blut in den Adern gefror. Die finstere Aura breitete sich in dem Raum aus und schien alles Leben, alles Atmen aus den Mauern zu pressen wie Wasser aus einem Schwamm. Die Vögel hatten aufgehört zu singen, selbst der Wind war verstummt vor Entsetzen. Tysons Augen flirrten kurz zu der Rose hinüber, die in einer Vase auf seinem Schreibtisch stand und die er anlässlich seines Namenstages von seinem Großvater geschenkt bekommen hatte. Er schluckte. Die Blume war verdorrt! Eisig und schneidend drang ihm diese Stimme bis ins Mark.

„So sieht man sich wieder, Hüter des Heiligen Drachen!"

„....Deimos....!!"
 

Endlich ist Daichi aufgetaucht (wer wissen will, wie er aussieht, bitte in den Charakterguide schauen!)...und wieder ein Cliffhanger! Ich bin wirklich unfair, ich weiß...*zwinker* Bis zum nächsten Mal! *wink*



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  jyorie
2013-05-28T14:59:03+00:00 28.05.2013 16:59
Hallo ^_^

das wird Hades sicherlich ganzschön arg ärgern, wenn er erst erfährt, das sich zwei seiner untergebenen abgewandt haben und sie fliehen wollen. Bei dem Jungen der die beiden belauscht hat und bespitzelt hatte ich erst angst, das er tatsächlich von der Gegenseite ist und sie verrät, bevor sie fliehen können. *ggg* so ein selbstheilendes Wasserbad ist cool *will auch haben*

Liebe Grüße sendet Jyorie

Von: abgemeldet
2008-11-27T18:14:38+00:00 27.11.2008 19:14
Daimos ist wieder da
Ach du heilige Sch....
Aber das Wort Gewitterziege ist klasse gewählt^^
Weiter so
JL
Von: abgemeldet
2006-05-09T19:32:48+00:00 09.05.2006 21:32
Oh herrje und ich hab doch im Ernst nicht gemerkt, dass ein neues Chapter on ist!
-.-°

Naja, dann bekommst du den Kommi eben jetzt ;)

Also das Chapter gefällt mir gut!
Das gibt einem wieder Hoffnung für die Zukunft!
Immerhin scheint die Zahl der Gegner immer mehr zu schrumpfen und Feinde werden wieder Freunde!
Und Daichi macht sich nützlich! (so was geht???)

Am Ende der erwähnte Streit zwischen Kai und Suzaku...
Oh man, ich hab echt gelacht!!!
Das kann ich mir bei den Beiden so richtig bildlich vorstellen!

Also ich freue mich schon tatal aufs nächste Chapter, immerhin war das Ende mehr als fies, obwohl ich schon so ne Idee hab, was passiert XD
Wenn's so wäre, wär's geil!
Egal, genug davon, mach bitte bald weiter!

Bye,
Caerdin
Von: abgemeldet
2006-05-06T13:13:44+00:00 06.05.2006 15:13
die armen beiden wie konnte hades im das so antun.
das geschieht im recht das die beiden endlich auf die richtige seite zurück kehren.
ja so kennt man unseren kai sturköpfig wie eh und je, wieso kann er es nicht einfach annehmen wie es ist.
das ist so gemein das du jetzt auf hörst aber ich hoffe das es doch bald weiter geht will ja wissen was nun los ist.


Zurück