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The Balance of Creation

TYKA u. a.
von

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Geheimnisvoller Besuch

Kapitel 31: Geheimnisvoller Besuch
 

„Verzeihung?"

Die Krankenschwester sah von ihren Notizen auf und musterte den jungen Mann vor sich mit einem Lächeln. Er war hübsch und besass wunderschöne Augen und Haare von seltener fliederfarbener Tönung. Sein Japanisch hatte einen starken Akzent. Woher er wohl kam?

„Was kann ich für Sie tun?"

„Ich würde gerne einen Ihrer Patienten besuchen, Tala Iwanov."

„Mr. Iwanov liegt in Zimmer 308. Folgen Sie einfach der Beschilderung, es ist nicht zu verfehlen. Sind Sie ein Verwandter?"

„Nein, ein Freund. Ein guter Freund."

Bryan fand den Raum mühelos und trat geräuschlos ein. Tala lag in seinem Bett, das mit blütenweißen Laken bespannt war und wirkte so noch blasser als sonst. Der Trank aus den Blättern des Heiligen Baumes hatte seine äußeren Verletzungen bereits geheilt, aber er war noch immer nicht bei Bewusstsein. Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich leise. Sein Blick ruhte traurig und schmerzvoll auf der regungslosen Gestalt und er griff unbeholfen nach der kühlen Hand, die auf der Decke lag. Er selbst war zwar endlich von seiner lebensgefährlichen Wunde genesen, die Iras ihm beigebracht hatte, aber er wusste sehr genau, dass er noch nicht fit genug war, um einen Kampf bestreiten zu können. Im Bett daneben schlief Enrique; seine Zuckungen hatten aufgehört und seine durch das Malitia-Metall vergiftete Verletzung besserte sich allmählich. Mariam hatte bei ihm übernachtet, bis er das Gröbste überstanden hatte und Bryan war ihr im Foyer begegnet, als sie ins Hotel zurückgekehrt war. Er war sich sicher, dass ihre Sorge nicht einfach daher rührte, dass er ein alter Kindheitsfreund war; er vermutete ein wenig mehr dahinter als die Italienerin zeigte, aber er würde das beileibe nicht aussprechen. Versonnen strich er durch Talas rotes Haar und ein schmales Lächeln erhellte seine abgespannten Züge. Er küsste sanft die Hand, die er hielt, und flüstere: „Ich weiß, dass du mich nicht hören kannst, aber vielleicht spürst du, dass ich da bin. Wie sehr hoffe ich, dass du das Böse in deinem Herzen besiegen konntest. Während all der Zeit, die du unter Hades‘ Einfluss standst, habe ich gelitten, auch wenn sich das noch so kitschig anhört. Es ist mein Ernst. Ich möchte dir so viel sagen....und nicht einmal jetzt bringe ich genug Mut auf. Warum ist es nur so schwer, zu seinen Gefühlen zu stehen?"

**Weil Gefühle eine komplizierte Angelegenheit sind**, ertönte die Stimme von Falborg und der Falke erschien in einer verkleinerten Form auf Bryans Schulter. Er streichelte seinem alten Freund durch das Gefieder und nickte zu seinen Worten.

„Du hast recht. Aber manchmal würde ich mir wünschen, es wäre nicht so. Die Wissenschaftler behaupten zwar immer, Gefühle seien nichts weiter als chemische Reaktionen, und das mag stimmen, aber das ändert nichts an den Kräften, die sie hervorrufen. Liebe, Verlangen, Neid, Hass....all das kann zu tapferen wie auch gefährlichen Taten führen. Ich frage mich....wenn ich damals mutiger gewesen wäre....wenn ich Iras meine Liebe gestanden hätte....ob dann nicht alles anders gekommen wäre...."

**Du meinst, weil er in dir Trost hätte finden können? Ich weiß es wirklich nicht. Aber vielleicht wäre der Riss in seinem Herzen nicht so tief geworden. Doch du hast geschwiegen und die Dinge, die geschahen, sind längst Vergangenheit. Deine Wiedergeburt gibt dir allerdings eine neue Chance. Wirst du Tala deine Gefühle diesmal offenbaren?**

„Das werde ich. Auch wenn er sich noch zu Tyson hingezogen fühlen sollte, werde ich es ihm sagen. Es muss sein, ich trage es schon viel zu lange mit mir herum. Es ist seltsam, Falborg, ehrlich. Seltsam und erschreckend, dass man ausgerechnet vor der Liebe so viel Angst haben kann. Auch sie ist ein zweischneidiges Schwert. Es gibt Menschen, die andere Menschen töten, um jemanden zu schützen, den sie lieben. Liebe als Mordmotiv. Ich glaube nach wie vor, dass die große Liebe existiert, dass man mit einem Menschen sein ganzes Leben lang zusammenbleiben will. Aber Liebe ist nicht immer schön und sie kann genauso schlimme Folgen haben wie Hass oder Gier....Was war das?"
 

Er sprang auf. Der Himmel über der Stadt verdüsterte sich, es grollte dumpf in der Ferne und dicke, schwere Regentropfen begannen, aus dem schwarzen Wolkenmeer auf die Gebäude, Straßen und Passanten hernieder zu prasseln. Ein eisiger Wind pfiff an den Mauern vorbei und tanzte wild durch die Baumwipfel. Ein Wetterumschwung - nicht unbedingt etwas Ungewöhnliches, aber Bryans Wächtersinne sagten ihm etwas anderes.

»Nein! Das Gleichgewicht der Elemente ist ins Wanken geraten! Ich spüre es ganz deutlich.... die Luft ist aufgeladen mit der Energie eines Sturmes! Dabei war es bisher ein so schöner, sonniger Tag! Der Umschwung ist viel zu abrupt! Verdammt!!«

**Ich rieche Gefahr....ein Gewitter ist im Anzug. Das gefällt mir nicht. Das scheint mir ein unnatürliches Wirken der Kräfte zu sein....das Gleichgewicht ist gestört. Wie ist das möglich?**

„Das liegt an dem Bruch zwischen Kai und Tyson. Deimos hat ihr Vertrauen ineinander zerrüttet und durch ihre unterschiedlichen Prinzipien, die im letzten Kampf aufeinanderprallten, ist die Kluft noch größer geworden. Das Problem ist, dass alle beide enorm stur sind. Dann ist Kai natürlich zu stolz, um als erster den versöhnlichen Schritt zu tun und Tyson hat zu viel Arroganz, er wird es auch nicht als erster tun, er erwartet es aber von Kai. Die beiden reden entweder aneinander vorbei oder sie streiten sich. Tyson scheint sich außerdem gefühlsmäßig immer mehr von Kai abzunabeln, und ich begreife das einfach nicht. Ich dachte, er würde ihn lieben! Und jetzt das!"

„Der Eis-Kuss....", murmelte jemand.

Der Lilahaarige schrak zusammen und drehte sich um. Tala war aufgewacht, seine eisblauen Augen blinzelten erschöpft und müde. Eisblaue Augen....keine schwarzen! Also hatte er gesiegt! Ein berauschendes Gefühl der Glückseligkeit durchströmte den Windkrieger und er lief an das Bett, ergriff erneut die schlanke Hand und schmiegte sie an seine Wange.

„Tala, du bist bei Bewusstsein! Es tut so gut, wieder einmal mit dir zu sprechen und nicht mit dem Mann, den Hades aus dir gemacht hat!" Er biss sich auf die Lippen, um die Tränen der Erleichterung und Dankbarkeit zurückzudrängen. Keine Wort der Welt reichten aus, um auszudrücken, was er in diesem Moment empfand. Qualvolle Erlebnisse lagen hinter ihnen beiden und dennoch hatte das Schicksal ein Einsehen. Der andere entschlüsselte nur langsam, wo er sich befand, und auch Bryan erkannte er zunächst nicht, obwohl die zärtliche Berührung warm und angenehm war. Als sich Begreifen in seinem Gesicht abzeichnete, wagte er ein schmales, ein wenig trauriges Lächeln.

„Bryan....du lebst noch....du bist gesund....!"

„Ja, unsere Freunde haben mich gerettet. Sie sind nach Eden gereist, um ein paar Blätter des Heiligen Baumes zu pflücken. Diomedes hat daraus einen Trank gebraut, der auch dir eingeflößt wurde, um deine äußeren Verletzungen zu heilen. Wie geht es dir?"

„Ich bin noch schwach....und ich sehne mich danach, wieder zu schlafen. Mein Körper ist so entsetzlich müde....Ich habe Iras vernichtet, aber sein Schatten lastet noch immer auf meiner Seele. Ich werde nie vergessen, was er getan hat oder was geschehen ist, während Hades‘ Gift mich kontrollierte. Wenn ich könnte, ich würde die Zeit zurückdrehen und verhindern, dass es überhaupt so weit kommt. Aber das ist unmöglich. Ich muss damit leben." Er gähnte unvermittelt. „Vielleicht besuchst du mich lieber morgen, ich bin total fertig."

„In Ordnung. Verzeih, dass ich überhaupt gekommen bin, das strengt dich sicher nur an."

„Rede nicht so einen Unsinn. Ich freue mich, dich wohlbehalten wiederzusehen. Es...." Er zögerte einen Moment. „....es war schmerzhaft für mich....als du verwundet worden bist....Das war das erste Mal, wo es mir gelang, Iras‘ Bewusstsein zurückzudrängen. Ich bin so dankbar, dass du lebst, Bryan. Ich dachte wirklich, du würdest....es nicht schaffen...."

„Aber ich habe es geschafft. Gräme dich nicht weiter, Tala. Ich gehe jetzt, damit du dich ausruhen kannst. Morgen komme ich dich wieder besuchen, versprochen!"
 

„Könntest du....Kai mitbringen?"

„Natürlich. Er wird sich sicher sehr darüber freuen, dass du aufgewacht bist."

Er verließ ihn und der Rothaarige war kurz davor, wieder ins Reich der Träume zu versinken, wo er sich mit seinen eigenen Gedanken beschäftigen konnte, als ihn die unbewusste Äußerung, die er vorhin hatte verlauten lassen, durchfuhr wie ein Blitzstrahl. Der Eis-Kuss! Er hatte vergessen, davon zu erzählen! Und dabei war es doch so wichtig, dass die anderen über diesen Zauber informiert wurden - denn wenn Tysons Herz im Eis erstarrte und jede menschliche Regung in ihm erstarb (außer der aufgezwungenen Liebe zu Iras), würde das Gleichgewicht der Elemente zerbrechen. Für solche Fälle hatte es einst auf der Erde rettende Stützen gegeben, aber er wusste nicht, ob das auch heute noch zutraf. Er warf die Decke zurück und stand auf, sackte aber im gleichen Augenblick wieder zusammen und stützte sich auf dem Bett ab.

»Ich kann nicht....ich bin noch zu schwach. Verdammt, und mein Kopf dröhnt! Es hilft nichts, ich muss liegenbleiben. Ich kann immer noch nicht fassen, dass es vorbei ist....dass ich gewonnen habe. Aber all die Dinge, die Iras getan hat....werden mir die anderen je verzeihen können? Ich war nicht stark genug, um ihn zu unterdrücken. Ich hatte meinen Mut, meine Kraft, meine Hoffnung verloren. Meinetwegen wäre Bryan fast gestorben! Und Kai....! Er wollte Kai umbringen und ich habe ihn nicht aufgehalten! Wenn er nicht so unerschütterlich an mich geglaubt hätte, hätte ich wohl aufgegeben....endgültig. Und dennoch....ich habe zugelassen, dass das Böse in mir den zwei Menschen wehtut, die mir am allermeisten bedeuten! Meinem Bruder und meinem besten Freund! Wieso habe ich nicht besser gekämpft?! Wieso habe ich mich nicht mehr angestrengt?! War es die Angst? Der Stolz? Meine verletzten Gefühle? Meine Eifersucht? Alles zusammen? Ich mag Tyson noch immer - aber ich kann nicht erlauben, dass er sich in mich verliebt, denn die Quelle seiner Liebe wäre der Eis-Kuss, und das will ich nicht. Ich muss herausfinden, wie weit der Zauber bereits gediegen ist. Ich kenne das Gegenmittel zwar nicht, doch trotzdem muss ich die anderen warnen! Ich weiß! Ich werde nach der Schwester klingeln....«

Er ergriff den Klingelknopf und fünf Minuten später betrat eine freundliche Krankenschwester mittleren Alters sein Zimmer.

„Da sind Sie ja. Bringen Sie mir bitte ein Telefon!"
 

Garland trainierte in der Fitnesshalle des „Tokyo Palace". Sein langes Haar fiel offen um seine breiten Schultern und der Schweiß rann in Strömen über seinen muskulösen, sehnigen Körper. Er trug nur eine schwarze Jogginghose, sein Torso war komplett entblößt und er verteilte Faustschläge und Kicke auf dem Sandsack, der in seiner Halterung wild hin und her schlenkerte. Mystel sass auf einer Bank am Fenster und beobachtete ihn hingerissen. Er spürte ein Ziehen in seinen Lenden, während seine Augen auf der schönen Gestalt seines Liebsten ruhten und er hustete einmal lautstark, um seine Verlegenheit zu kaschieren. Er hatte in den frühen Morgenstunden einen ziemlich erregenden Traum gehabt und war sich nicht sicher, ob er sich nun schämen oder es hinnehmen sollte. Immerhin war Garland älter als er und hatte vermutlich schon Erfahrungen, und diese Vorstellung war irgendwie....irritierend. Der Hüter von Apollon war äußerst sexy und wusste es auch - das verrieten zumindest die vieldeutigen Blicke, die der andere in Mystels Richtung warf, denn ihm war nicht entgangen, wie der Ägypter ihn anstarrte. Die Atmosphäre hatte etwas unleugbar erotisches.

„Stimmt was nicht, mein Schatz? Du siehst so....erhitzt aus."

„Ich sehe erhitzt aus? Wer von uns beiden trainiert denn hier? Aber du hast recht, mir ist ein wenig....warm. Liegt vermutlich am Wetter...."

„Am Wetter....soso."

„Was willst du damit sagen?!"

„Überhaupt nichts. Wieso auch?" Der Blauhaarige lächelte dabei, doch es war kein harmloses Lächeln, sondern eines, das voller Verheißung war, verführerisch und fordernd. Mystel wurde knallrot und wollte antworten, als der plötzlich einsetzende Regenguss, der heftig gegen die Scheibe trommelte, ihn daran hinderte.

„He, gerade eben schien doch noch die Sonne! Ein Wetterumschwung?"

„Das ist eher ein Wetterumsturz. Merkst du es nicht? Die Schwingungen in der Luft....ich bin zwar kein Windwächter, aber trotzdem spüre ich gewisse Veränderungen. Da stimmt was nicht. Die elementaren Strömungen sind...." Der Blonde öffnete das Fenster und fing einige Regentropfen in seiner hohlen Hand. Kalter Wind schlug ihm entgegen und raubte ihm fast den Atem. „Du hast recht. Die magischen Ströme sind gestört. Da kommt ein Sturm auf. Glaubst du....glaubst du, dass das mit dem Zerwürfnis zwischen Kai und Tyson zusammenhängt, Gar?"

„Allerdings. Feuer und Luft sind uneins. Wenn sich das nicht bald ändert, dürfen wir uns auf was gefasst machen - Feuersbrünste, Vulkanausbrüche, Hurrikans, Orkane....als wenn wir nicht schon genug Probleme hätten!"

„Was ist mit den Stützen? Sie treten in Aktion, sobald das Gleichgewicht gefährdet ist."

„Das war die Regelung zur Zeit Edens. Ob die heute noch funktioniert, weiß ich nicht. Außerdem muss man würdig sein, um Pfeiler zu sein. Bis auf Hiro kenne ich niemanden, der die nötige Seelenkraft besitzt und er ist noch nicht geprüft worden, jedenfalls nicht offiziell. Ich denke, wir sollten mal mit Mr. Dickenson sprechen. Er müsste Bescheid wissen, ob das System der Pfeiler noch aktiv ist. Wenn ja, ist noch nicht alles verloren, obwohl es mir natürlich lieber wäre, wenn Feuer und Luft geeint wären."

„Das würden wir alle bevorzugen. Aber vorläufig stehen Kai und Tyson auf verschiedenen Seiten der Schlucht, die zwischen ihnen entstanden ist und nur sie selbst können sie wieder überwinden. Hoffen wir das Beste."

„Du willst nicht aufgeben?"

„Sei nicht albern. Wir sind so weit gekommen, haben Tala zurückgewonnen und Hades damit eine bedeutende Niederlage zugefügt. Nein. Wir haben keinen Grund, aufzugeben. Und schließlich bist du derjenige, der immer sagt, man müsse sich durchbeißen, egal, wie schlimm es auch aussieht!"

Garland schloss das Fenster mit einem Ruck und schlang seine starken Arme um Mystels schlanke Taille. „Das stimmt. Also - beißen wir uns durch!" Er senkte den Kopf, bis seine Lippen die seines Geliebten berührten und sie küssten einander, innig und tief.
 

Daichi weilte indessen im japanischen Stützpunkt des Ordens von Eden, dessen Eingang sich direkt unter dem Tokyo Tower befand. In seinem Hotelzimmer konnte er seine Zauberkräfte nicht erproben, ohne dabei etwas kaputtzumachen, und so hatte er den Aufenthaltsort gewechselt. Er trug sein dunkelgrünes Priestergewand, der goldene Schamanenstab lag vor ihm, und er hockte im Schneidersitz in einer großen Meditationshalle, die auch Diomedes manchmal benutzte. Die Wände waren natürlicher Fels, besassen aber mehrere kleine Tunnel, durch die Atemluft einströmte. Der Boden war mit traditionellen Tatami-Matten ausgelegt, die Helligkeit stammte von einer magischen Lichtquelle in Form einer leuchtenden Blume. Der Jugendliche war in eine Art Trancezustand übergegangen und schaffte es, seinen Körper durch bloße Gedankenmagie in die Höhe zu heben. Er schwebte eine Weile knapp über dem Boden, dann stieg er immer weiter hinauf und murmelte dabei irgendwelche kompliziert klingenden Zauberformeln.

„Yo! Hallo Daichi!"

Der Angesprochene riss erschrocken die Augen auf und erkannte einige Meter unter sich den vergnügt grinsenden Carlos. Ihm schoss das Blut in die Wangen, seine Konzentration löste sich und er stürzte ab. Der Spanier sprang in Sekundenschnelle hinzu und fing ihn geschickt auf.

„Carlos!! Es scheint deine Lieblingsbeschäftigung zu sein, mich beim Meditieren zu stören! Hast du nichts Besseres zu tun, als meine Übungen zu unterbrechen?! Woher weißt du überhaupt, dass ich hier bin? Und schau gefälligst etwas zerknirschter, du könntest wenigstens versuchen, Entschuldigung zu heucheln! Deinetwegen hätte ich mir fast sämtliche Knochen gebrochen, du Idiot!"

„Du bist wirklich süß, wenn du dich aufregst!" erwiderte der Gescholtene mit einem entwaffnend charmanten Lächeln und Daichi entwand sich errötend seinem Griff. „Eigentlich solltest du mir danken, denn ich hätte dich ja auch einfach fallenlassen können. Und wie sollte ich ahnen, dass dich meine bloße Anwesenheit so aus dem Konzept bringt?"

„Du - bringst - mich - nicht - aus - dem - Konzept!!" stieß der Jüngere hervor, jedes Wort einzeln betonend. Dennoch hörte er sich nicht so überzeugend an, wie er es geplant hatte und Carlos‘ übermütiges Zwinkern machte ihm klar, dass sein Schwarm ihm keinen Glauben schenkte. „Du bist doof!" erklärte er verstimmt und zog einen Schmollmund. Er glich in diesem Moment zum ersten Mal seit langer Zeit wieder dem Lausbuben von vor sechs Jahren und wirkte weniger ernst, sondern viel heiterer, fröhlicher. Die Verantwortung als zukünftiger Zaubermeister lastete schwerer auf seinen Schultern, als er zugab. Noch hatte er die Weihe nicht empfangen, die ihm sämtliche Amtswürden verleihen würde, aber dennoch wusste er um die Tragweite der Aufgabe, die er als Diomedes‘ Schüler zu erfüllen hatte.

„Ich habe doch gesagt, du bist süß, wenn du dich aufregst", wiederholte der Spanier und strich ihm sanft durch das rote Haar. Er hatte die Ringe unter Daichis Augen bemerkt und fragte sich, wie oft der andere wohl diese Übungen durchführte, die ihm dabei helfen sollten, seine Kräfte zu kontrollieren. Gönnte er sich denn je eine Pause? Mr. Dickenson erwartete bei weitem nicht so viel Selbstaufgabe, aber Daichi lebte seine Bestimmung. Er war mit dem Herzen dabei und deshalb gab er sich so viel Mühe, auch wenn er sich häufig ein Training auflud, das er nicht bewältigen konnte. Trotzdem entschied sich Carlos, den hübschen Priester ein wenig abzulenken. Schließlich, wozu waren Freunde denn da? Er errötete ganz leicht. Freunde. Insgeheim wünschte er sich ja, er könnte für ihn ein bisschen mehr sein als nur ein Freund....
 

„Du musst mal raus und Spaß haben! Ich habe den Alten gefragt, wo du abgeblieben bist, und er hat mich gleich hierhergeschickt. Es ist wirklich toll, dass du so fleißig bist, aber du kannst deine Nase nicht ständig in magische Schriften stecken oder meditieren!"

„Den ‚Alten‘??? Sprich nicht so respektlos von meinem Meister!!"

„Entschuldige, tut mir leid. Meine Zunge ist wieder mit mir durchgegangen. Aber mal im Ernst: Wenn du so weiter schuftest, brichst du irgendwann zusammen und dann ist mit dir auch nichts mehr anzufangen. Gestern waren wir im Kino, das war doch sehr nett, oder nicht? Es war ohnehin eine ziemlich anstrengende Überzeugungsarbeit für mich, dich mal dazu zu bringen, deine Abendmeditation zu unterbrechen, um mit mir auszugehen. Momentan gießt es wie aus Kübeln, aber das heißt nicht, dass wir nichts unternehmen können. Kehren wir ins Hotel zurück und bladen eine Runde! Na, was hältst du davon? Ich würde mich gerne mal mit deinem Strata Dragoon messen und meiner Unda könnte ein ordentlicher Beyblade-Kampf auch nicht schaden! Einverstanden?"

„Du willst gegen mich antreten? Warum nicht? Ich würde gerne mal wieder bladen, ich habe so selten Gelegenheit dazu, seit meine Ausbildung zum Hohepriester begonnen hat. Und mit dir zusammen....du hast recht, ich sollte mich nicht überanstrengen. Lass uns...." Die Schiebetüren, die den Raum vom Korridor trennten, wurden plötzlich geöffnet und eine vermummte Gestalt spitzte herein. Das schmutzig-braune Regencape verdeckte ihren Körper und die Kapuze warf einen Schatten über ihre Gesichtszüge.

„Verzeihung", erkundigte sich die Person mit einer männlichen Stimme, „Darf ich fragen, wo sich Mr. Dickenson alias Diomedes zur Zeit aufhält?"

„Kommt darauf an, wer das wissen will!" entgegnete Carlos misstrauisch und holte sein Beyblade hervor, um sich notfalls verwandeln zu können. „Wie sind Sie überhaupt hier reingekommen? Das hier ist ein geheimer Stützpunkt!"

„Woraus folgt, dass ich kein Feind sein kann, nicht wahr? Beruhige dich, Kumpel, ich bin selbst vom Zaubermeister herbeizitiert worden. Nur hat er in seiner Zerstreutheit vergessen, mir seine Tokyoter Adresse zu verraten. Wo finde ich ihn?"

„Im Tokyo Palace-Hotel, Zimmer 116. Klopfen Sie dreimal."

„Vielen Dank."

Der Fremde verschwand eben so rasch, wie er aufgetaucht war und der Schwarzhaarige musterte den Japaner verwirrt. „Warum hast du es ihm gesagt? Kennst du den Typen?"

„Nein. Aber Diomedes hat mir von dem Besuch erzählt, den er heute erwartet. Sollte er sich an mich wenden, sollte ich ihm sofort mitteilen, wo er meinen Lehrer finden kann."

„Höchst undurchsichtig. Normalerweise können nur Wächter das unterirdische Quartier betreten, eine Ausnahme gibt es allein für die Priester. Außerdem, wie hat er das Tor zum Tunneleinstieg geöffnet? Er besaß keine magische Aura!"

„Ja, seine Aura war anderer Natur. Menschlich. Aber nicht durchschnittlich. Nein, ganz und gar nicht durchschnittlich. Da....war etwas...."

„Da war etwas, genau. Eine normale Aura mit dem Potential zur Magie, über die nur sehr, sehr wenige Menschen verfügen. Die Aura einer starken Seele. Wer war das?"

„Ich habe nicht die geringste Ahnung...."

Der Unbekannte stapfte unterdessen durch eine nasskalte, düstere Stadt, die mit ihren Wolkenkratzern und lärmenden, verstopften Straßen einmal mehr so anheimelnd wirkte wie eine pietätlos laute Leichenhalle mit dem Charme einer Grau in Grau getönten Zahnarztpraxis. Er eilte zu einer Haltestelle und stieg in den Bus ein, der gerade vorfuhr. Die abrupte Wetterveränderung hatte mehrere Ausflügler ziemlich negativ überrascht; überall sah man verärgerte und schlechtgelaunte Gesichter. Ein Gesicht allerdings war weder verärgert noch schlechtgelaunt, es zeigte vielmehr einen entschlossenen und beinahe kampfbereiten Ausdruck. Es war Hiro, der in Gedanken das Gespräch vorbereitete, das er mit seinem kleinen Bruder zu führen beabsichtigte. Er wandte dem verhüllten Beobachter den Rücken zu und so bemerkte er das Lächeln nicht, das den Mund des Fremden auseinanderzog.

„Hiro Kinomiya....", murmelte er leise, „....deine Zeit ist gekommen."
 

Im Kinomiya-Dojo herrschte trügerische Ruhe. Tyson, in das traditionelle Gewand eines Kendoka gekleidet, trainierte in der Schwertkampfhalle. Er hatte die Türen zum Garten hin aufgeschoben und der Regen begleitete seine Schläge mit rhythmischem Klopfen. Der eisige Wind, der hereinwehte, schien ihn nicht zu kümmern. Kai hatte es bisher vermieden, dem Blauhaarigen über den Weg zu laufen. Er war gestern erst gegen halb zwölf Uhr nachts zurückgekommen und hatte durchgeschlafen bis zum Mittag. Nun sass er in seinem Zimmer auf dem Teppich und spielte Schach gegen Suzaku, der sich in seiner durchsichtigen Seelenform, wie gewöhnlich in einem aufreizenden rot-schwarzen Outfit, auf dem Bett lümmelte und die Figuren mittels Gedankenkraft bewegte.

„Du bist dabei, zu verlieren, ist dir das schon aufgefallen? Du bist unkonzentriert, Kai."

„Suzaku...."

„Ja?"

„Glaubst du....glaubst du, dass Tyson mich nicht mehr liebt?"

„Ich weiß es nicht. Es scheint so, obwohl ich das nicht für möglich gehalten hätte. Aber letztendlich hat er mit Seiryuu eine Menge gemeinsam - unter anderem die Angewohnheit, seinen Kopf öfter als nötig in den Wolken zu haben. Sei war nicht weniger arrogant als Tyson es heute ist. Deimos hat einen Keil zwischen euch getrieben, doch das ist es nicht allein. Das Zerwürfnis war vorauszusehen. Und schließlich ist die Situation für euch beide nicht einfach, zumal du meinetwegen mit einer gespaltenen Seele herumläufst. Du hast zwar gesagt, dass du mich als Freund betrachtest, aber....sei ehrlich, Kai: Du nimmst es mir übel, dass ich noch existiere, habe ich nicht recht?"

„Ich schätze dich als den, der du bist."

„Du weichst aus. Du hast gelernt, mich zu mögen, gut und schön. Aber du akzeptierst mich nicht als einen Teil von dir. Das kann ich auch nicht von dir erwarten, dazu sind wir zu verschieden. Eines Tages werde ich dich verlassen und nicht wieder zurückkehren. Und du wirst mich bestimmt nicht vermissen."

„Vermutlich nicht. Du hast mein Leben umgekrempelt, mischst dich in Dinge ein, die dich nichts angehen, bringst meine innere Ordnung durcheinander - nein, ich würde dich wirklich nicht vermissen. Aber ich würde dich....nicht vergessen."

Kais nächster Zug wurde mit Bedacht ausgeführt und Suzaku bemerkte es wohlwollend. Er zog ebenfalls, schlug den Springer mit seiner Königin und meinte: „Du würdest mich nicht vergessen, hm? Das genügt mir. Wenn wir uns trennen, wird das kaum in großer Freundschaft geschehen. Dennoch bin ich der Meinung, dass unser Zusammentreffen für uns beide eine wichtige Erfahrung war."

„Das denke ich auch." Zielsicher bewegte der Russe seine Dame vor den gegnerischen weißen König und hob den Blick. „Schachmatt."



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  jyorie
2013-06-08T19:09:33+00:00 08.06.2013 21:09
Hallo ^_^

Wie schön, dass tala den inneren Kampf gegen iras gewonnen hat :)

Oh weh, wenn sich das soooo krass auf das Wetter auswirkt, wenn
sich zwei der Prinzen nicht mehr Grün sind, sollten sie sich schnell
wieder einbekommen! Ich bezweifle, das eine "Säule" da viel richten
kann ?!

CuCu Jyorie

Von: abgemeldet
2008-11-28T11:08:55+00:00 28.11.2008 12:08
Ty soll arrogant sein??
Woran machst du das fest??
Würde mich erlich intressieren.
Ansonsten bin ich immer noch der Meinung, das es an Kai ist, den ersten Schritt zu tun. Tyson ist nur wegen Kai geschwächt genug gewesen, dem Eis-Kuss zu erliegen.
Was ich denke, das den Eis-Kuss bricht, ist, wenn Kai Tyson gegenüber genau so agiert, wie manb es von einem verliebten Feuerprinzen erwartet.


Resüme bis jetzt zur FF:
Eine schöne, gut und detaillreich geschildertete FF mit tollen Ideen, wo mich, dank meiner Fremdsprachenhasserei stört, das du so viele Fremdwörter(Namen) hast, dass du die alten Götter des Olymps nicht genug achtest^^(Hades ist nicht Böse, Zeus erst recht nicht(Zeus ist der König der Götter), und, das du Tyson zu wenig seiner Stärke zuerkennst. Nicht umsonst ist Tyson 3maliger Weltmeister in Bladen. Das sagt aus, das er unter den Wächtern und auch den Prinzen das meiste Potential besitzt. Und seelisch ist ebenfalls er der stärkste. Bis jetzt aber ist er der, der immer gerettet wertden muss, oder dem Bösen verfällt. Das ist nicht Fair Tyson gegenüber.

Zu diesem Absatz zu Tyson: Du wolltest Kritik, ich gebe sie dir.

Aber das andere ist als Lob gemeint.

Ich würde mich über ne ENS beim nächsten Kapitel freuen, und, wenn du mich mal wegen der Tyson-Saxche anschreiben würdest.

JLP
Von: abgemeldet
2008-11-28T11:08:47+00:00 28.11.2008 12:08
Ty soll arrogant sein??
Woran machst du das fest??
Würde mich erlich intressieren.
Ansonsten bin ich immer noch der Meinung, das es an Kai ist, den ersten Schritt zu tun. Tyson ist nur wegen Kai geschwächt genug gewesen, dem Eis-Kuss zu erliegen.
Was ich denke, das den Eis-Kuss bricht, ist, wenn Kai Tyson gegenüber genau so agiert, wie manb es von einem verliebten Feuerprinzen erwartet.


Resüme bis jetzt zur FF:
Eine schöne, gut und detaillreich geschildertete FF mit tollen Ideen, wo mich, dank meiner Fremdsprachenhasserei stört, das du so viele Fremdwörter(Namen) hast, dass du die alten Götter des Olymps nicht genug achtest^^(Hades ist nicht Böse, Zeus erst recht nicht(Zeus ist der König der Götter), und, das du Tyson zu wenig seiner Stärke zuerkennst. Nicht umsonst ist Tyson 3maliger Weltmeister in Bladen. Das sagt aus, das er unter den Wächtern und auch den Prinzen das meiste Potential besitzt. Und seelisch ist ebenfalls er der stärkste. Bis jetzt aber ist er der, der immer gerettet wertden muss, oder dem Bösen verfällt. Das ist nicht Fair Tyson gegenüber.

Zu diesem Absatz zu Tyson: Du wolltest Kritik, ich gebe sie dir.

Aber das andere ist als Lob gemeint.

Ich würde mich über ne ENS beim nächsten Kapitel freuen, und, wenn du mich mal wegen der Tyson-Saxche anschreiben würdest.

JLP
Von:  Sakura-Kiss
2008-08-28T20:36:44+00:00 28.08.2008 22:36
die zwei kapis sind einfach mal wieder der wahnsinn....^-^

hoffentlich finden sie alle noch ein gegenmittel für den eiskuss *snif*
und tala ist auch endlich wach...gott sei dank xD *mag ihn*

will am liebsten jetzt schon wissen wie es weiter geht *aufgeregt*


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