Zum Inhalt der Seite

Gewitter der Stille

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Mit etwas Regen

Eine dauerhafte, angenehme Stille umgibt mich.

Ich höre weder die Vögel, die bei diesem Wetter in der Tanne neben dem Fenster hocken müssten, noch den Krach auf der Etage unter mir, der um diese Uhrzeit immer sein soll, wie mir berichtet wurde. Ich sehe nur wie der Regen unablässig auf die ausgedörrte Erde donnert. Und gegen mein Fenster.

Regen hat eine beruhigende Wirkung auf mich. Ich weiß nicht wieso, aber nach dem Regen bin ich immer total entspannt. Vielleicht weil man an ihm sieht, dass alles vergänglich ist. Regen erschafft! Ja, aber Regen zerstört auch! Oder es ist die Gleichmäßigkeit, mit der der Regen auf die Erde fällt. Eine leichte Massage für jeden der sich draußen aufhält.

Meine Zimmertür wird geöffnet, ich höre es nicht, aber ich sehe wie sich das Windspiel neben mir bewegt. In meinem Zimmer hängen überall solcher Sachen von der Decke, jedenfalls an den Plätzen, an denen ich mich immer aufhalte. Sobald sich jemand in meinem Zimmer befindet, bewegen sie sich und ich weis die Tür wurde geöffnet.

Ich bleibe auf meinem Bett sitzen und drehe mich nicht um. Wieso auch? Wenn mich mal jemand besuchen kommt dann eh nur meine ach so liebe Verwandtschaft. Sie haben mir ja doch nichts zu sagen. Meist kommen sie doch nur, bringen vielleicht etwas zu Essen mit, lächeln kurz, sagen ,Hallo' und gehen dann wieder. Man kann mit mir nichts anfangen... hatte einer der Ärzte gesagt. Ich sei nicht kooperativ genug, soviel Geduld könne man gar nicht aufbringen, warum ich mir nicht helfen wolle... Nach fünf Minuten hab ich ihm nicht mehr zugehört. Warum hatte er nicht einfach gesagt ich sei ein hoffnungsloser Fall, und hätte mich dann wieder auf mein Zimmer geschickt? Ich weis es nicht... und will es auch nicht mehr wirklich wissen. Aber immer wenn wir uns nun begegnen, gehe ich ihm aus dem Weg, ich hasse es mich zu unterhalten, jedenfalls auf diese Art. ...

Ich spüre, wie sich mein Bett bewegt, die Matratze noch weiter nach unten sinkt. Toll, mein Besuch hat vor länger zu bleiben. Soll er doch dasitzen und sich langweilen. Mir ist's egal!

Draußen wird es noch dunkler. Der Regen lässt auch nicht nach und ich bin froh hier drinnen vor dem Fenster sitzen zu können. Der Himmel erhellt sich, zwar nur für Sekunden, aber es reicht aus um meine Vermutung zu bestätigen. Es Gewittert! Wenn ich es mir recht bedenke, das erste Gewitter in diesem Sommer...

Leichte Bewegung kommt in das Windspiel, es schaukelt zum Fenster und entfernt sich wieder. Der andere Schwung wirft mich aus meinen Gedanken. Die feinen Gläser werden lebendig, sie erzittern kurz bevor sie heftig gegen einander schlagen. Ein schöner heller Klang, wurde mir einmal freudestrahlend erzählt. Ich verändere mein Blickfeld, und begutachte zum Erstenmal meinen Besuch. Innerlich muss ich leicht lächeln. Da sitzt der Grund für die vielen Windspiele in meinem Zimmer auf meinem Bett und haucht Leben in das Glas mit dem hellen Klang. Ein Mädchen mit den längsten braunen Haaren, die ich je gesehen habe. Sie lächelt mich an, ich starre zurück, und hoffe mein Blick sagt nicht das aus, was ich denke... Was zum Teufel willst du denn hier?

Das Spiel wird noch einmal mit dem Finger angestupst, und schon rasseln tausende Fragen (ich vermute es waren welche) auf mich ein. Ich gehe einfach meiner Beschäftigung von vor zehn Sekunden nach und starre sie weiterhin an. Muss ich mir so etwas gefallen lassen? Ich meine, sie kommt einfach hierher, wo sich doch sonst niemand zu mir traut, bringt mein Alarmierungssystem durcheinander und überschüttet mich dann einfach mit allen möglichen Fingerzeichen.

Die Hände werden erneut gehoben. Warum ich hier drinnen sitze, fragt sie. Mein Blick wandert zum Fenster und wieder zurück. Was bitte soll ich bei dem Wetter draußen? Diesmal ist sie diejenige, die starrt. Erwartet sie drauf eine Antwort?

Es kommt wieder Bewegung in ihren Körper, sie erzählt mir wie schön ihr Tag doch war. Es gab noch nicht einmal Kaffee, woher will sie wissen, das der Tag so schön bleibt? Die Hände sinken in ihren Schoß und sie plappert munter weiter. Ihre Lippen bewegen sich so schnell, ich kann mir gerade so den Zusammenhang erschließen. Willst du meinen Tag auch wissen? Ich sitze hier seit Sonnenaufgang und schaue aus diesem Fenster, gut ab und zu habe ich auch etwas aufgeschrieben, aber mehr war da heute nicht. Ich verlasse mein Zimmer nicht gerne. Zu viele Menschen sind mir nicht geheuer, sie bewegen sich so hektisch und in Massen sind sie besonders schlimm, wenn zwei durchdrehen, benehmen sich bald alle daneben. Wie bei diesem Lemmingsyndrom, einer macht es vor, und alle nach! ...

Ich glaub ich habe etwas wichtiges verpasst, warum sieht sie mich so Erwartungsvoll an? Ihr kleiner Finger bewegt (mal wieder) das Windspiel. Sie hat mich noch nie lachen sehen, nach diesem Satz verziehen sich ihre Lippen zu einem leichten Schmollmund. Das hat hier noch keiner, schießt es mir durch den Kopf. Außerdem bekommt man vom Lachen Falten! Wir lassen uns nicht aus den Augen, sie starrt mich an und ich zurück. Wie bei diesem Spiel ,Wer zuerst lacht, hat verloren!' (ich habe bisher immer gewonnen). Das Fingerzeichen für ,wer' erscheint vor meiner Nase. Wer nicht lacht bekommt Falten und einen Fischmund, konnte ich lesen. Einen Fischmund?

Und wieder setzt sie für einen neuen Satz an! Wie kann man nur soviel reden?

Ihr Kopf zuckt in Richtung Tür, als sie mich wieder ansieht, ist das riesengroße Lächeln nicht zu übersehen. Kaffeezeit... nicht mehr, und nicht weniger. Eine Glocke auf dem Flur kündigt sie an. Langsam und eher widerwillig steht sie auf, die Matratze federt leicht zurück. Auf den fragenden Blick erwidere ich ein Kopfschütteln (die erste Antwort, die sie von mir erhält). Ich werde garantiert nicht mit in diese lemmingsyndromverseuchte Welt, außerhalb meines Zimmers gehen. Sie nickt, ... kein Wort, kein Zeichen... ein einfaches Nicken... ich bin begeistert...

Ein entschuldigender Blick trifft mich. Sie muss gehen. Aber sie verspricht morgen wiederzukommen. Wenn du unbedingt willst.

Die Tür schließt sich und ich gehe meiner alter Beschäftigung nach. Das Gewitter ist verschwunden, und da hinten klart der Himmel schon wieder auf. Ist die Zeit wirklich so schnell vergangen? Merkwürdig... es ist nichts, aber auch gar nichts interessantes zu sehen. Sonst finde ich immer etwas! Der Schreibtisch ist nicht weit von meinem Bett entfernt. Ich setzte mich und suche nach einem Bleistift, ein Blattpapier ist auch schnell gefunden. Zu den ersten paar Strichen gesellen sich immer mehr.

So, so du willst also morgen wieder kommen, ja?

Du magst vielleicht heute gewonnen haben, aber morgen, wenn du wirklich kommen solltest, werde ich dich überschütten. Vielleicht nicht mit Worten, und Zeichen, aber mir fällt sicher noch etwas ein, der Tag ist ja noch lang. Immerhin haben wir erst die Kaffeezeit.

Es könnte ein Schnabel mit einem Vogelkopf sein, was der Bleistift dort umrandet hat. Wenn man es noch ausbessert und ordentlich nachzieht, sieht es wie eine Ente aus.

Und vielleicht, aber wirklich nur vielleicht, siehst du mich einmal lachen,... wenn du öfter kommst.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2005-12-18T14:01:48+00:00 18.12.2005 15:01
Gefällt mir gut deine FF. Ich finde du beschreibst alles sehr gut und auch schon. Schreib weiter^^.
Von: abgemeldet
2005-07-12T10:10:26+00:00 12.07.2005 12:10
Huhu Kiko! =)
Wow, ich bin echt beeindruckt...als ich angefangen hab zu lesen, dachte ich du beschreibst deinen Tagesablauf oder sowas ^^° also mit andern Worten ich hab nicht allzu viel erwartet..aber es ist echt schön. Du beschreibst die Gedanken und Gefühle sehr sensibel und vor allem die kleinen Dinge, wie das Windspiel, oder wie die Matratze sich senkt usw., wirklich sehr schön =) Ich ifnd du hast nen tollen Schreibstil entwickelt =^-^=
Also, weiterschreiben! :)
Lino
Von: abgemeldet
2005-06-16T10:53:09+00:00 16.06.2005 12:53
Die FF ist so schön! Und dabei so melancholisch! Sie gefällt mir sehr!
Liebe Grüße,
Nanashi.
:)


Zurück