Kommentar: Pünktlich zu Weihnachten 2004 und dem diesjährigen Adventskalender
von boyxboy ein kleines süßes happysappi für euch ^-^ Ich hoffe ihr habt Leon
und Damian genau so knuddelflauschigzimtsternchenlieb (was für ein Wort - ich
glaub langsam bekomm ich auch das alljährliche Weihnachtsfieber ^^°) wie ich ^-^
Ich weiß, ich hab gesagt, dass es ein Einteiler wird. Es hat sich auch von der
Story rein gar nichts geändert, ich hab also nicht mehr geschrieben als
ursprünglich geplant oder so(d.h. vom Inhalt ist nicht mehr dazu gekommen, aber
ich hatte zugegebenermaßen nicht damit gerechnet, dass ich so viele Worte
brauchen würde um diese Geschichte zu erzählen >.<), aber ich fand, dass es
übersichtlicher ist, wenn man es noch mal ein bisschen aufteilt ^-^
Das Lied gibt es nicht wirklich, dass habe ich mir nur mal eben auf die Schnelle
ausgedacht, weil mir mein Titel so gefallen hat und ich ein Lied brauchte, indem
diese Zeile vorkommt (und versucht mal so ein nichtvorhandenes Lied zu kriegen,
ohne es schließlich selbst zu "dichten"...)
Also viel Spaß beim Lesen und danke an Netti fürs Beta ^-^
Gewidmet ist die Story No-kun. Er weiß warum *anflausch* ^__^
CONTACT I
Leon seufzte leise auf und strich sich eine der schulterlangen, blonden Locken
aus dem Gesicht, die ihm immer wieder in die haselnussbraunen Augen fielen.
/Warum muss Lina ausgerechnet jetzt krank werden und dann gleich noch Thomas
anstecken? Ich kann doch nicht für drei Personen essen! Aber bei meinem Glück
war das ja abzusehen. Erst müssen meine Eltern auf nach Japan und jetzt sind
auch noch meine beiden besten Freunde ausgeknockt... Ach menno, ich will
nicht... Weihnachten allein feiern ist doof... und nur für sich selbst Plätzchen
backen macht keinen Spaß... /
Selbstvergessen vor sich hinschmollend blickte er aus dem großen Glasfenster des
heimelig warmen, wundervoll duftenden Cafés. Seit er vor etwa anderthalb Jahren
sein Studium der Germanistik und Anglistik aufgenommen hatte, war es ihm zu
vertraut schöner Gewohnheit geworden, so oft er konnte (was bedeutete mindestens
zwei Mal pro Woche) mit ausreichend Schreibmaterial hierher zu finden.
Das kleine festlich aber nicht kitschig hergerichtete Café war wirklich sein
absoluter Lieblinsplatz um zu schreiben und zu träumen - sogar noch vor seiner
weichgepolsterten Fensterbank und seinem geliebt-geheiligten Bett. Dies hatte
mehrere Gründe: Zum einen war er nicht gern allein und hier war er von Menschen
umringt, deren Gesprächen er aufmerksam lauschen konnte, ohne dass man ihn
irgendwie stören würde, während er nach einer zündenden Idee suchte, und zum
anderen konnte er in seiner gemütlichen Einzimmerwohnung nicht Kaffee, heiße
Schokolade und Tee sowie leckeren Kuchen und frisches Gebäck bestellen - das
hieß, er konnte schon, nur hatten weder sein Kühlschrank noch sein Wasserkocher
bis jetzt gelernt, ohne ihn zurecht zu kommen und ihm ihr kleines kulinarisches
Meisterwerk dann auch noch mit dem bezauberndsten Lächeln dieser Erde zu
servieren, so wie etwa einer der hiesigen Kellner.
"So, bitte schön, ein Lady Grey Tea für unseren Bestsellerautoren mit den
,singenden Händen'", lächelte ihn der Schwarzhaarige mit den durchdringenden
aber sanftwarmen grünen Augen an und platzierte den Tee samt allen anderen
Utensilien auf dem Tisch vor ihm.
Leon errötete leicht, wie er es immer tat, wenn der Kellner (und übrigens auch
Germanistik- und Journalistik-Student) ihn mit Komplimenten oder anderen netten
Gesten - wie sein zauberhaftes Lächeln... - bedachte. Allerdings war er auch
mehr als nur ein bisschen überrascht davon, dass Damian, wie dieser Traummann
von seinen Eltern genannt worden war, ganz offensichtlich seinen Roman
,Nachtglühen' gelesen hatte. Wie sonst hätte er von den ,singenden Händen'
wissen können?
"Dankeschön", murmelte er leise, da er seiner Stimme in Anwesenheit des, soweit
er wusste, geringfügig Älteren nie so recht trauen wollte, einfach aus der
Befürchtung heraus, seine Stimme könnte vor Glückseligkeit - oder wie in diesem
Augenblick _Verlegenheit_ - kippen.
"Gerne. Dafür bin ich doch da", zwinkerte der andere, sah sich kurz um, ob alle
Gäste bedient waren, und rutschte dann kurzerhand auf den Platz neben Leon.
/Jetzt oder nie.../
Der junge Blondschopf blinzelte ihn verwirrt an und Damian musste sich wirklich
schwer zusammenreißen, um nicht auf der Stelle von den vor Überraschung leicht
offen stehenden, rosenen Lippen zu kosten. Stattdessen lachte er nur leise über
den niedlichen Anblick, den er als leicht verfrühtes Weihnachtsgeschenk für sich
verbuchte, und sagte dann sein Sätzlein auf, dass er nun mindestens schon
50.364.790 Mal vor seinem Spiegel aufgesagt hatte:
"Sag mal... könnte ich in den Ferien vielleicht einmal bei dir vorbeischauen und
deine Aufzeichnungen für Germanistik von vorgestern abschreiben? Ich war doch
krank und irgendwie habe ich bis jetzt niemanden gefunden, der sie einigermaßen
vollständig hat..."
"Natürlich...", antwortete der Kleinere langsam und sichtlich überrascht, schob
gleich noch nach: "Wann willst du denn kommen?"
"Sobald du Zeit für mich hast", strahlte Damian ihn überglücklich an, grinste
dann schief, und deutlich weniger glücklich erklärte er: "Ich muss Weihnachten
diesmal allein verbringen und kann mich ganz nach dir richten."
"Ja, ich auch...", nuschelte Leon traurig, sodass Damian unmerklich die
Augenbrauen zusammenzog. So eine Trauermiene stand dem Kleineren überhaupt
nicht, fand er.
"Ich habe sowieso nichts weiter vor, außer ein bisschen schreiben und ausspannen
- theoretisch könntest du also schon morgen kommen, wenn du nichts besseres zu
tun hast", führte der Blonde zu Ende und schnitt eine reichlich schief
ausfallende Grimmasse.
"Wenn es dir wirklich nichts ausmacht, gerne!", antwortete Damian schnell und
mit klopfendem Herzen, bevor Leon es sich anders überlegen konnte. Wenn diese
braunen Augen nur wüssten, was sie mit jedem Blick in ihm auslösten...
Am liebsten hätte er der schlanken aber nicht zu zierlichen Gestalt auf der
Stelle die Kleider vom Leib gerissen und jeden einzelnen Zentimeter mit seinen
Mund liebkost, jedes Fleckchen Haut mit seinen Lippen ertastet; aber er wusste
ja noch nicht einmal sicher, ob der Jüngere nur über Männerliebe schrieb oder
ihr auch selbst frönte. Zugetraut hätte er Leon nämlich auch ersteres, denn sein
Erstling, der trotz des _speziellen_ Hintergrunds auf die (sowohl hetero- als
auch homosexuellen) deutschsprachigen, und vielleicht bald auch auf
internationalen Bestsellerlisten gefunden hatte, hatte seinen jungen Verfasser
als eine sehr feinsinnige und einfühlsame Person enttarnt.
"Nein, ganz und gar nicht", rief Leon hastig und der Schwarzhaarige bemerkte
erfreut, dass dieser sich schon jetzt über sein Kommen freute.
"Wo wohnst du denn genau?", erkundigte sich der kellnernde Student und ließ sich
von dem Jüngeren die Adresse aufschreiben und genauestens erklären, damit er
auch ja nicht zu spät kam. Das letzte, was er wollte, war, Leon glauben zu
lassen, dass er ihn vielleicht doch versetzte, wo er ihm extra seinen ersten
Weihnachtsfeiertag opferte.
"Damian!", rief Herr Siebenstern, der Besitzer des Cafés, in eben diesem
Augenblick nach ihm.
"Komme sofort", gab der Gerufene freudig zurück und sprang mit der
feinsäuberlich geschriebenen Adressennotiz eilfertig auf, beugte sich aber noch
einmal zu dem anderen herunter und konnte es sich einfach nicht verkneifen, die
feingliedrige, etwas kleinere Hand leicht zu berühren.
"Also abgemacht - ist dir so gegen 14 Uhr recht?"
Der junge Student blickte erstaunt auf ihre beiden Hände, zog die seine aber
auch nicht weg, sah nur mit großen, fragenden Augen zu ihm auf und nickte stumm.
"Vielen Dank...", lächelte der spanisch-schweizerische Mischling mit tief
empfundener Herzlichkeit und fügte in Gedanken ein wenig über sich selbst
schmunzelnd hinzu: /Und "Merci, dass es dich gibt."/
Nach mehr als einem Jahr des um den Jüngeren Herumschleichens hatte er sich nun
also endlich ein Herz gefasst - und er bereute es nicht, schwebte im Moment viel
mehr auf Wolke Sieben, weil er es getan hatte und nicht abgewiesen worden war.
Er wusste natürlich, dass er von ,Aufzeichnungen abschreiben' gesprochen hatte
und die Abfuhr noch früh genug kommen konnte, aber schließlich war heute das
Fest der Liebe und er in genau diesem Augenblick einfach viel zu aufgedreht, als
dass er an so etwas denken mochte.
Er schenkte dem hübschen Blondschopf noch einen letzten sehr ausgiebigen und
liebevollen Blick und erst dann begab er sich zu seinem Chef, der ihn zum
Telefon schickte, an dessen anderen Ende sein bester Freund schon ungeduldig auf
ihn wartete.
Fast zaghaft hob er den mittlerweile nur noch warmen, aber nicht mehr heißen Tee
an seine Lippen und trank in kleinen Schlucken davon, hatte merkwürdigerweise
das Gefühl, als koste er von weichwarmen Lippen, die sich sanft auf die seinen
schmiegten.
Noch immer mitgenommen von dieser freudigen Botschaft wank er Herrn Siebenstern
heran um zu bezahlen. Er musste schnellstens hier raus, bevor der Größere
wiederkam, oder Leon würde für rein gar nichts mehr garantieren können - nicht
in diesem Zustand des scheinbar absoluten und nicht mehr zu übertreffenden
Glücks.
/Ich glaube, ich habe so eben das schönste Weihnachtsgeschenk meines Lebens
bekommen/, dachte er verträumt lächelnd und kramte in seiner geliebten
schwarzroten Stoffumhängetasche nach dem Portemonnaie, musste erst alles
ausräumen um die Geldbörse wie immer ganz am Grund zu finden - eines dieser
unbegreiflichen Phänomene, deren Sinn einzig und allein der sein musste, Leon
auch noch den letzten Nerv zu rauben.
Herr Siebenstern wünschte ihm festlich gestimmt und mit einem warmen Lächeln
schöne Weihnachten, dann verließ der Blondschopf eilig, aber deutlich besser
gelaunt als zuvor, das Café und machte sich auf den Heimweg.
Ja, schon allein die Vorfreude würde ihm den einsamen Heiligabend mehr versüßen
als Zehn LKW-Ladungen frischgebackener Plätzchen...
Mehr als nur gut gelaunt kam Damian aus dem Raum "nur für Mitarbeiter", jedoch
verkehrte sich sein Lächeln schnell in sichtbare Enttäuschung, als er Leons
Platz verwaist vorfand.
"Falls du den kleinen Träumer suchst, der ist gerade gegangen... Hatte es ja auf
einmal mächtig eilig - und hat gestrahlt wie so'n Honigkuchenpferd... Mein
nichtsnutziger Neffe hat ihm wohl schöne Augen gemacht, was?", fragte sein Onkel
amüsiert.
Damian wurde leicht rot. "Onkel, nicht so laut!", zischte er. Es war ja nicht
so, dass er sich für seine Sexualität schämte, aber mit Informationen über sein
Privatleben hatte er sich bei Fremden schon immer sehr zurückgehalten und er war
ja auch wirklich froh, dass sein Onkel ihn als das akzeptierte und mochte, was
er war, aber musste er ihm das denn unbedingt zeigen, indem er Damian ständig
damit aufzog? Leider wusste der gemütliche Endvierziger nämlich nur zu genau,
dass sein Neffe beide Augen auf den kleinen verträumten Engel mit den
goldblonden Rauschelocken geworfen hatte... Was allerdings zugegebenermaßen den
Vorteil hatte, dass es in der Regel auch Damian war, der den liebenswerten
Blondschopf bedienen _durfte_.
"Fragen wird man ja wohl noch dürfen", grinste sein Lieblingsverwandter und
klopfte ihm aufmunternd auf die Schultern. "Man macht sich halt so seine
Gedanken, wenn man herausfindet, dass du ihn ausgerechnet heute, zum Fest der
Liebe, besuchst..."
Damian blinzelte verwirrt. "Wovon redest du? Ich gehe _morgen_ zu ihm - und nur,
um seine Aufzeichnungen abzuschreiben!"
Das Grinsen auf den Lippen seines Onkels mütterlicherseits wurde noch viel
breiter. "Und wer's glaubt... aber ich wette mit dir, dass du nicht bis morgen
warten wirst, um ihn zu besuchen..."
Misstrauisch hob er die Augenbraue. Was hatte der Cafébesitzer nun schon wieder
ausgeheckt? "Und woher willst du das wissen?", erkundigte er sich argwöhnisch.
"Ganz einfach: Ich glaube nicht, dass du dir die Chance entgehen lässt, den
rettenden Ritter in der weißen Rüstung zu spielen - und schon gar nicht, dass du
den Kleinen eine Nacht vor seiner eigenen Wohnung campieren lässt!" Damit zog er
einen Damian unbekannten Schlüsselbund aus seiner Schürze, die er beim Backen
seines stadtweit berühmten Naschwerks trug - und somit so gut wie nie ablegte.
"Dein Kleiner hat seine Schlüssel hier vergessen - ist mir nur leider viel zu
spät aufgefallen und theoretisch ist es ja auch gar nicht so schlecht, wenn ich
meinem Neffen helfen kann unter die Haube zu kommen."
Damian stöhnte auf und riss schnell die Schlüssel aus der Hand seines Onkels,
bevor der noch auf irgendwelche "genialen" Ideen kommen konnte.
"Er ist N.I.C.H.T. _mein_ Kleiner, okay Johnny?"
"Ja... _noch_ nicht", grinste Johnny Siebenstern nur und zwinkerte ihm
verschwörerisch zu, bevor er ihn zurück in den Personal-Raum scheuchte, wo der
Schwarzhaarige seine Arbeitsklamotten gegen seine Freizeitkleidung eintauschen
konnte, und schenkte ihm "weil doch heute Weihnachten ist" die 45 Minuten bis zu
seinem eigentlichen Feierabend damit sein junger Lieblingsverwandter seine
Rettungsaktion für ausgesperrte - und unbestreitbar niedliche - Träumer antreten
konnte.
"Ciao!", rief Damian seinem Onkel zu, während er sich den schwarzen
Stoffrucksack überwarf, der nur einen einzigen Träger besaß welchen man bequem
quer über die Brust hängte.
"Viel Glück - und tut nichts, was ich nicht auch tun würde!"
Der 21jährige Student behielt es sich vor, darauf nichts zu antworten und
quittierte es nur mit einem alles sagenden Augenrollen, während er die Tür
aufzog und sich dem mittlerweile ausgewachsenen Schneesturm entgegenwarf.
/Was beklagen sich nur alle? Immerhin weiße Weihnachten, oder etwa nicht?/,
dachte er leicht schief grinsend über die zahlreichen wenig festlichen Flüche
die ihm ein heftiger Wind zutrug, welcher aus gewöhnlichen Fußgängern torkelnde
fußkranke Enten machte.
/Na Rückenwind ist immer noch besser als Gegenwind/, versuchte er sich wie immer
den positiven Krümel aus dem Pessimistenkuchen herauszupicken und machte sich
dann auf zu Leons Wohnung.
Leon für seine Wenigkeit hatte im Moment genug damit zu tun, seine kläglichen
Flugversuche so kurz vor seiner Wohnung nicht doch noch in einem wenig
würdevollen Abgang enden zu lassen und jammerte leise vor sich hin, wobei der
Wind es ohnehin auf seine eigene - und sehr effektive - Weise unmöglich machte
auch nur das eigene Wort zu verstehen.
Er war ja wirklich froh, dass sie dieses Jahr doch noch weiße Weihnachten
bekamen, aber man konnte es auch übertreiben...
/Egal. Weihnachten bleibt Weihnachten/, dachte der hübsche Blondschopf fröhlich,
den so manch eilig vorbeihastender Fußgänger en passant beinahe mit dem
Christkind verwechselte.
Weihnachten war für ihn praktisch der wichtigste Tag im Jahr. Er bedeutete ihm
sogar viel mehr als sein eigener Geburtstag. Schon als Kind hatte Leon sich
immer riesig über Weihnachten und all seine Auswirkungen gefreut: Alle wurden in
festliche Stimmung versetzt, die Menschen _versuchten_ immerhin lieb und
freundlich zueinander zu sein, die ganze Familie kam zusammen und jedes Jahr
spätestens ab Nikolaus wurden von seiner Mutter, seinem Onkel, allen anderen der
Backkunst fähigen Verwandten und nicht zuletzt von ihm Unmengen an Plätzchen
gebacken - und da ihm ohnehin irgendein Alien nach seiner Geburt ein schwarzes
Loch anstatt eines Magens eingepflanzt zu haben schien, konnte er so viele davon
essen wie er nur wollte... und das war wirklich eine ganze Menge...
Plötzlich ließ ihn etwas aus seinen Gedanken aufschrecken: Ein leises vom
Schneesturm fast verschlucktes Maunzen.
Leon hielt erschrocken inne und sah sich nervös um. Seit er als kleines Kind
_wirklich_ grundlos von einer Katze lebensgefährlich gebissen worden war, als er
sich im Garten seiner Großtante auf der Wiese ausgestreckt hatte - und von deren
Biss er noch immer zwei Wundmale am Hals trug, als ob er von einem Vampir
gebissen worden wäre[1] -, verspürte er eine ernsthafte Aversion gegen
Hauskatzen. Er hatte nie verstanden, wieso er wegen seiner Verschmustheit oft
mit diesen Tieren verglichen wurde. Für ihn waren sie lediglich ganz besonders
gemeine und abgrundtief hinterhältige Vierbeiner - ganz und gar nicht zu
vergleichen etwa mit den friedlichen Kaninchen oder einem Hund.
Der junge Student wusste ja selbst, dass es kindisch war, aber er konnte nun mal
nichts dafür, dass er diese Tiere einfach nicht mochte, so schön sie auch
aussehen und so weich ihr Fell auch sein mochte. Er fand sie sogar regelrecht
unheimlich oder besser gesagt die Tatsache, dass immer eine Katze in der Nähe
war, wenn ihm irgendetwas passierte - und dabei war er nun wirklich kein
abergläubischer Mensch.
Wieder einmal überlegte Leon ergebnislos, ob ein "einfacher Katzenbiss" für ein
lebenslanges Trauma ausreichte, musste aber zumindest doch einräumen, dass er
schließlich nicht von diesem einen heimtückischen, boshaften, ja fast
dämonischen Riesenvieh seiner Großtante auf alle Katzen schließen konnte - oder
besser gesagt: Es zumindest nicht tun _sollte_. Schließlich konnte man kaum
behaupten, dass, weil es unter den Menschen ein so unglaubliches, regelrecht
zauberhaftes Exemplar namens Damian gab, alle anderen Vertreter dieser Spezies
genauso waren. Bestes Beispiel war er ja selbst.
Wieder hörte er das Miauen und ging eilig weiter. Er war fröhlich - oder um der
Wahrheit die Ehre zu geben: Überglücklich - und hatte jetzt keine Lust auf
Pleiten, Pech und Pannen.
Leider schien die nur schemenhaft erkennbare weißschwarze Katze nichts davon zu
wissen, denn im nächsten Moment huschte sie unbekümmert zwischen seinen Beinen
hindurch, sodass Leon einen erschrockenen Satz nach vorne machte und prompt auf
dem zu Glatteis festgetretenem Schnee ausglitt, eine meisterhafte Eiskunstlauf-
Kür zum Besten gab und beinahe sein Gleichgewicht wiedergefunden hätte, wäre da
nur nicht urplötzlich der Absatz der niedrigen nach unten führenden Steintreppe
aufgetaucht, die sich an den Weg, der von dem Wohnhaus zur Straße führte,
anschloss...
Schliddernd und wild mit den Armen rudernd versuchte er sich noch zu retten,
doch da hatte er auch schon vollends die Bodenhaftung verloren.
Es ging alles viel zu schnell - nicht einmal für einen Schreckenschrei, der
ohnehin ungehört im Tosen des winterlichen Sturmes untergegangen wäre, blieb ihm
noch Zeit, bevor der Schmerz wie weißglühendes Eisen in seinem rechten Fuß
explodierte.
Leon stöhnte leise, Tränen stiegen ihm wie bei einer Springflut schlagartig in
die Augen und für einen Moment sah er nur bunte Lichtblitze verschwommen über
seine fest zusammengepressten Lider zucken.
Als der Schmerz schließlich wildpochend auf ein gerade noch erträgliches Maß
gesunken war, begann er herzhaft zu fluchen und versuchte unterdessen noch
irgendwie wieder in die Senkrechte zu kommen ohne seinen offensichtlich
verletzten Fuß zu belasten.
Unmittelbar zu eben jenem Fuß erklang plötzlich ein beinahe besorgtes Maunzen,
sodass Leon erschocken zusammenzuckte und aus Versehen seinen verletzten Fuß
aufsetzte.
Zischend sog er die Luft zwischen den Zähnen ein und eine einsame Träne bahnte
sich ihren Weg über seine Wange.
Erneut ließ die Katze ein klagendes Miauen hören und er blickte, nachdem er sich
einigermaßen beruhigt hatte, argwöhnisch zu dem schwarzweißen, scheinbar noch
sehr jungen Fellbündel, dass sich in diesem Moment aufrichtete und mit den zwei
Vorderpfoten gegen seine Wade lehnte als wolle sie an ihm hinaufklettern und
sich in seiner Jacke oder wenigstens zwischen seine Arme verkriechen.
Und obwohl er eine fast an Hass grenzende Abneigung gegen Katzen hegte, tat ihm
dieses eine, ein wenig tollpatschige Kätzchen plötzlich Leid. Es konnte ja
nichts dafür, dass er sich wie ein Kleinkind schon bei einem lächerlichen Miauen
zu Tode erschreckte - außerdem war es wirklich verdammt kalt und abgesehen
davon, dass selbst er erkannte, dass er vor sich einen entwischten Stubentiger
haben musste, war heute doch Weihnachten, das Fest der Liebe und Besinnlichkeit.
Er seufzte leise auf und hüpfte einbeinig und ziemlich unbeholfen zur Haustür,
ließ auch das maunzende Fellknäuel nach einem letzten - _sehr_ - langen Blick
hinein, als er mit vor Kälte bereits tauben Fingern endlich die Tür an dem
eisigen Metallgriff aufgedrückt hatte.
Erschöpft sank Leon auf die unterste Treppenstufe und lauschte schaudernd und
fröstelnd dem pfeifenden Wind, der um das Haus sauste und jede noch so winzige
Ritze nutzte. Er war zwar kein muskelbepackter Athlet, aber schließlich trotz
seiner beinahe zierlichen Statur auch kein absoluter Schwächling und
einbeinhüpfend gegen einen ausgewachsenen Schneesturm anzukämpfen war nun auch
nicht gerade die üblichste Freizeitaktivität.
Das Fellbündel namens June, wie man von einem kleinen silbernen Plättchen an dem
blutroten Halsband ablesen konnte, störte sich indes nicht an den sehr
nobelpreisverdächtigen Gedankengängen des blonden Jünglings. Stattdessen begann
es sich die Treppe hinaufzuarbeiten und Leon gestand sich seufzend ein, dass es
besser war, es sofort hinter sich zu bringen, bevor es ihm auf der Treppe allzu
gemütlich wurde und er vielleicht noch in Betracht zog, darauf zu übernachten,
um sich morgen von einem Nachbarn hoch tragen zu lassen.
- - - -
[1] Sorry No-kun, aber ich fand es irgendwie trotzdem cool ^^° *dir eine packung
katzenleckerlis zur Verteidigung reich*