Vodka war sprachlos, als er bemerkte, dass Gin sich nicht eine Sekunde nach dem Mädchen umgesehen hatte. Sie war doch unschuldig und konnte nichts dafür, dass sie diesem Mann begegnen musste.
Inständig betete er dafür, dass man sie finden würde, oder sie zumindest nach ihr suchen.
Wenn er sich vorstellte, dass er ganz alleine, ohne Familie an einem abgelegenen Ort sterben musste, nur weil er zur falschen Zeit am falschen Ort war, überkam ihm eine Gänsehaut. So etwas wünschte er sogar Gin nicht. Das war einfach herzlos!
Er bemerkte, wie Gin sein Tempo verringerte und seine Schritte mit mehr Sorgfalt wählte. Sie waren also schon ganz nahe an Vermouth.
Akai starrte sie immer noch wie hypnotisiert an. Sein Blick war jedoch nicht wie immer kalt, sondern eher verzweifelt, verwirrt und.. auch ein wenig traurig.
Er bewegte sich keinen Millimeter. So kannte sie ihn gar nicht. Der Abzug seiner Waffe war das einzige, was sie normalerweise von ihm sah. Wieso brachte er sie nicht um?
War es ihr diesmal wirklich gelungen, sich so gut zu verkleiden, dass es ihm nicht auffiel, wer sie wirklich war?
Was war denn nur los mit ihm. Es war doch so eindeutig. Sie hatten die Kiste mit den Proben. Es war doch klar, dass sie nicht die Guten sein konnten! War er denn total verblödet, dass es ihm nicht auffiel?
Ihr Partner neben ihr schluckte leise. Ihm war die Situation auch nicht ganz Geheuer.
Solange sie sich nicht bewegten, würde Akai nichts unternehmen. Aber sie hatten keine Zeit hier zu verweilen! Bald würde es nur so von FBI-Leuten wimmeln. Sie mussten die Proben schnell hier wegschaffen und dann endlich fliehen!
<Wieso kennt er überhaupt meinen Namen? Yuki. Ist diese Person ihm bekannt?>, grübelte sie.
Das konnte einfach nicht sein. Da spielte jemand einen ganz üblen Scherz mit ihm. Und so etwas konnte er auf den Tod nicht leiden.
Er sah sich das Gesicht des Mädchens genauer an. Seine Gefühle hinter einen aufgesetzten starren Blick versteckend, spürte er, wie sich etwas ganz langsam um sein Herz schnürte. Es band ihm die Luft zum Atmen ab.
Sie war tot. Sie konnte nicht hier vor ihm stehen. Er selbst hatte sie doch in seinen Armen getragen. Sie lebte nicht mehr!
Wut kam in ihm auf. Wie konnte man sein Andenken an sie so leichtfertig in den Schmutz ziehen? Sie so einfach als Spielpuppe für Machenschaften benutzen, die sie nie begangen hätte. Nie im Traum hätte sie je daran auch nur gedacht.
Er wusste, wer sich wirklich hinter diesem unschuldigem Gesicht verstecken musste. Es gab nur sie und sie war wahrlich nicht unschuldig.
Und sie würde dafür büßen, was sie tat. Er würde Rache üben- bittere Rache!
Er verharrte noch eine kleine Weile in seiner Starre und dann, sodass sie nicht damit rechnen konnte, richtete er so schnell er konnte, seine Waffe auf das Mädchen, oder vielmehr auf das Mitglied der Organisation- Vermouth.
Ein Schuss nach dem anderen hallte in seinen Ohren wieder. Ob er überhaupt traf, wusste er nicht.
Akai betätigte den Abzug immer noch, als keine Kugel mehr den Schaft verließ.
Und als er endlich wahrgenommen hatte, dass das Magazin alle war, spürte er auch, dass sich etwas komisch anfühlte. Benommen fasste er sich an den Brustkorb und sah sich seine Hand an.
Klebriges, rotes Blut rann seine Hand herab. Er war getroffen worden.
Mit letzter Kraft drehte er sich zur Seite und erkannte einen schwarz gekleideten Mann, der seine Waffe auf ihn gerichtet hielt. Ihm schwanden die Sinne und er sackte zu Boden.
Verzweifelt hastete er den Flur entlang. Sie musste hier irgendwo sein. Er spürte ihre Anwesenheit förmlich. Und nicht nur das. Auch ihren Schmerz. Sie musste getroffen worden sein. Das sagte ihm sein Gefühl, das er nur zu gerne nicht gespürt hätte.
Heiji biss sich auf die Unterlippe und suchte weiter.
Was würde er tun, wenn es zu spät war? Er wollte es sich erst gar nicht ausmalen. Konnte er noch ohne Kazuha leben? Sie kannten sich nun schon so unendlich lange und sie war viel mehr als nur eine Bekannte, Freundin oder Kumpeline. Sie war sein Ein und Alles- das Wichtigste, was es in seinem Leben neben den Fällen, die er zu löschen liebte, um jeden Preis bewahren wollte.
Man konnte ihm dies nicht einfach wegnehmen! Niemand hatte das Recht dazu.
<Ihr gebt es gut!>, redete Heiji sich ein, da sich sonst nur selbst wahnsinnig machte. Doch es half nichts. Das ungute Gefühl, das sich in ihm breit gemacht hatte, ließ ihn nicht los und fraß sich ganz langsam seine Seele entlang.
Er konnte langsam nicht mehr und er stütze sich nach Luft japsend auf seine Oberschenkel.
<Kazuha, wo bist du?>
Noch einmal tief Luft holend, rannte er weiter. Er ignorierte die Seitenstiche und das er nur noch wenig Luft bekam und lief weiter. Als er um die nächste Ecke bog, wurde ihm kurz schwarz vor den Augen, doch als er dann endlich wieder klar sehen konnte, erkannte er sie.
Sie hatte sich gegen die Wand gelehnt, hielt eine Hand an ihrer Schulter und hatte die Augen geschlossen. Ihr Gesicht war schmerzverzehrt.
Für einen Moment glaubte Heiji wirklich, dass er vorbei war, dass sie tot war. Aber dann sah er, dass sich ihr Brustkorb noch immer hob und senkte.
Unglaublich erleichtert stürzte er zu ihr und ließ sich vor ihr auf die Knie fallen, sodass er sie besser ansehen konnte.
"Kazuha!", versuchte er leise, aber dennoch eindringlich, sie dazu zu bringen, ihre Augen zu öffnen.
Und es klappte auch. Ganz langsam machte Kazuha ihre Augen auf. Ihr Blick war trüb und matt.
"Was ist passiert? Bist du verletzt? Hast du Schmerzen? Wer war das? Wo ist er hin? Soll ich einen..."
Heiji unterbrach sich selbst, als Kazuha ihre linke Hand von ihrer rechten Schulter nahm und er eine Schusswunde entdeckte.
"Es ist nicht schlimm!", beteuerte Kazuha schwach.
Er wusste nicht, was er tun oder sagen sollte. Dabei kannte er so etwas doch schon. Schusswunden hatte er schon viele gesehen und selbst hatte er auch schon eine gehabt, aber das war Kazuha, die angeschossen worden war. Und bei ihr sah jeder kleiner Kratzer für ihn schon schlimm aus. Das starke Gefühl, sie in den Arm nehmen zu wollen, ihr den Schmerz zu nehmen und sie an sich zu drücken, nahm von ihm Besitz.
Doch er kam dagegen an. Es würde ihr nicht helfen, wenn er das tat. Sie musste zu einem Arzt.
"Kannst du gehen? Soll ich dich stützen, oder tragen?", fragte er besorgt.
"Ich wurde doch nur an der Schulter getroffen!", warf Kazuha ein, stütze sich an der Wand ab, um aufzustehen und verzog stöhnte schmerzvoll auf. Ihr tat alles weh und ihr Körper fühlte sich unglaublich schwach an.
"Du hast Blut verloren. Zum Glück nicht viel, aber dein Körper ist dadurch entkräftet... Ich werde schnell nach jemandem suchen, der einen Arzt holen kann! Kommst du solange alleine hier klar?"
"Nein!", kam es sofort als Antwort.
"Hm?"
Flehend sah Kazuha ihren Sandkastenfreund an.
"Gut, dann versuche ich alleine, dich hier wegzutragen... Wenn du nicht alleine bleiben willst."
Kazuha nickte. Dabei war es ihr gar nicht so wichtig, dass jemand um sie war. Sie wollte nur verhindern, dass Heiji auch auf diese beiden Männer traf. Der Anblick der kalten Augen hatte sich in ihrem Gehirn festgebrannt und sie schauderte. Wer waren diese Beiden? Und was wollten sie hier?
Sie sah, wie Akai zu Boden ging. Dem Kugelhagel war sie fast gänzlich entkommen. Akais Kugeln hatten sie nur einmal am Oberarm gestriffen. Sie war also nicht lädiert. Was war nur heute mit ihm los? Er hatte schlecht getroffen, Gin und Vodka nicht gespürt und auch sie nicht sofort getötet. Irgendwie hatte sie Mitleid.
Die blonde Frau sah zu den beiden Männern, die ihnen zu Hilfe gekommen waren. Gins Blick war wie immer ausdruckslos und monoton, aber sein Blick hing an Akai hängen. Und sein Blick hatte eine Spur von Spott.
Doch sie durfte jetzt nicht darauf achten. Sie mussten endlich von hier wegkommen und die Proben in Sicherheit und weg von dem FBI bringen. Das war doch ihre Aufgabe.
"Schnell! Wir müssen weiter!", fuhr sie ihren Partner an und sie machten sich auf den Weg.
Hinter sich hörte sie auch Vodka nachkommen. Von Gin hörte sie nichts, sodass sie sich nach ihm umsah.
Er ging auf den bewusstlosen Akai zu. Und sie wusste, was er jetzt tun würde. Gin hasste ihn, was auf Gegenseitigkeit beruhte. Er würde ihn für immer kalt machen.
Sie blieb abrupt stehen.
"Was...?", fragte ihre Partner sie und sah sie verdutzt an.
"Vodka, bring die Kiste weg! Ich werde Gin helfen!", rief sie dem stämmigen Mann zu und ließ den Griff los.
Eilig ging sie zurück.
<Shit!> In Gedanken verurteilte sie sich schon jetzt dafür, was sie tat. Es würde ihren Tod bedeuten. Aber es war schon zu spät. Sie hatte sich entschieden. Tief in ihrem Unterbewusstsein konnte sie diesen Mann jetzt nicht hier sterben lassen.
Sie sah, wie Gin Akai einen Tritt in die Magenkuhle verpasste und seine Waffe auf ihn richtete.
"Du hast ausgelebt, du Ratte!"
Vermouth richtete ihre Waffe auf Gin, doch noch bevor sie abdrücken konnte, ertönte ein Schuss.
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Tja, ihr seht also, dass Kazuha noch am Leben ist. Kann aber noch viel passieren, so kurz vor dem Ende...
Lasst euch überraschen! ^-^