15
Wieder einmal war es der Geruch von Pizza, der Bill aus seinem Zimmer kommen liess. Seit gestern Mittag hatte er nichts mehr gegessen, langsam war es wirklich Zeit dafür. Auf der Treppe wurde ihm allerdings schon wieder schwindelig und trotz seiner eisernen Bemühung, sich am Geländer festzuhalten, kippte er auf den letzten Stufen um.
Tom kam aus der Küche gerannt, alarmiert von dem lauten Geräusch. Erschrocken lief er zu seinem Bruder, der bereits wieder bei Sinnen war und sich den schmerzenden Kopf hielt.
„Bill… was ist passiert?“
„Ich… mir… ist schwarz vor Augen geworden. Ganz plötzlich.“
Tom zog seinen Bruder hoch und half ihm in die Küche zu kommen und sich auf einen Stuhl zu setzen.
„Du solltest mal was essen…“ sagte er und rückte den Handtuchhaufen auf seinem Kopf zurecht.
„Mensch bist du aber lustig.“ grummelte Bill.
„Wieso?“
„Rate mal wofür ich runterlaufen wollte…“
„Weiß nicht… vielleicht wolltest du die Post reinholen?“ grinste Tom frech.
Bill schüttelte den Kopf. Sein Bruder war einfach nur voller Unsinn, egal worum es ging. Nie konnte er einmal wirklich ernst bleiben. Allein schon darüber nachzudenken brachte ihn allerdings auch zum schmunzeln. Völlig amüsiert, da ihm ein paar von Tom’s dümmsten Aktionen im Kopf vorüberzogen, grinste er vor sich hin.
Tom bekam von dem allerdings nichts mit, da er versuchte, die heiße Pizza aus dem Backofen zu bekommen. Dabei stellte er sich so ungeschickt an, dass er sich seine Finger verbrannte.
„Au!“ schrie er und nahm seine Finger in den Mund.
Bill prustete los beim Anblick seines Bruders. „Soll ich dir helfen?“ brachte er unter lachen hervor.
Tom nickte nur und machte ein verdammt klägliches Gesicht.
Bill zog ihn mit sich zur Spüle, machte das kalte Wasser an und hielt die angebrühten Finger darunter.
„AUA!“
Der schwarzhaarige kicherte ob der Schmerzempfindlichkeit seines Gegenübers.
„Mensch lach nicht so, das zwiebelt wirklich wie die Hölle.“ gab Tom brummelnd von sich.
„Ach komm… du bist doch sonst nicht so ein Weichei…“
„Ja, sonst nicht. Aber das tut ja sonst auch nicht so weh wie Sau!“ beschwerte er sich immer noch.
Bill schüttelte glucksend den Kopf und liess seinen Bruder alleine an der Spüle stehen.
In Windeseile hatte er die Pizzen aus dem Backofen geholt und auf den Tisch gestellt. Als er damit fertig war, setzte Tom sich dazu. Es herrschte stillschweigen. Solange, bis Tom versuchte seine Pizza kleinzuschneiden. Da ihm seine Finger wehtaten, endete das ganze in einer Verrenkung, die Bill abermals zum lachen brachte.
„Könnte der Herr vielleicht so gütig sein und mir helfen anstatt da zu sitzen und sich über mich lustig zu machen?“ quengelte er.
Sein Bruder schüttelte den Kopf. „Nein, dann würd ich ja nichts mehr zu lachen haben…“
Tom zog einen Schmollmund und schaute angestrengt auf seine Pizza. Es musste doch irgend einen Weg geben, das Essen in sich hineinzubekommen, ohne dafür die Hilfe seines Bruders in Anspruch nehmen zu müssen, aber auch ohne dass seine Finger schmerzhaft beansprucht würden.
Das Trara, das er da allerdings veranstaltete, war für Bill nicht mehr länger mit ansehbar. Er bekam einen Lachkrampf und fiel vom Stuhl, woraufhin Tom sich nicht mehr zusammenreißen konnte und mit losbrüllte. Als Bill wieder aufgestanden war, schnitt er seinem Bruder die Pizza in Viertel, sodass dieser nicht verhungern musste.
Schweigend aßen sie beide. Die Stille die herrschte, wäre geradezu unheimlich gewesen, hätten beide nicht ein enormes Grinsen im Gesicht gehabt. Nachdem Bills Teller leer war, fand er als erstes seine Stimme wieder.
„Und was machen wir jetzt mit dem Rest des Tages?“
Tom zuckte mit den Schultern. „Kein Plan…“
Eigentlich hatte er schon einen Plan. Er wollte mit Bill über das im Wald geschehene reden. Und über die Party. Aber noch immer hatte er keine konkrete Idee, was genau er Bill eigentlich erzählen wollte.
Selbiger stellte sein Geschirr weg und setzte sich wieder Tom gegenüber auf den Stuhl, um ihn eingehend zu betrachten. Diese braunen Augen… diese sanften Lippen…
Was war das alles nur?
War es nur ein Spiel?
Ein seltsames Spiel mit Gefühlen?
War es ernst?
War es echt?
Oder würde ihm innerhalb kürzester Zeit wieder das Herz gebrochen werden?
Tom stand auf, stellte seinen Teller weg und sah zu seinem Bruder, der scheinbar geistesabwesend in der Gegend umhersah. Irgendwie musste er es langsam loswerden. Er hatte immer mehr das Gefühl, das Bill ihm nicht glaubte. Andererseits hatte er irgendwie Angst davor, Bill von allem zu erzählen.