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The Darkness Inside Me

von

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Impulso.


 

Impuls.

10. März 2013

»Vermutlich bekommst du noch Besuch

»Von dir

»Nein … sagen wir ich habe jemanden in der Bar getroffen und mich dezent verplappert … so ein bisschen?« Nochmal las Robin über die Nachrichten drüber, warf einen prüfenden Blick auf die Uhrzeit. Knapp nach Eins.

Wer wollte jetzt noch mit ihr reden?

Gerade als sie kopfschüttelnd die nächste Antwort abgetippt hatte und sie absenden wollte, hielt sie inne.

Grübelnd zogen sich ihre Brauen zusammen.

Bruno.

Gast.

Verplappert.

Ein möglicher Besuch.

Es dämmerte und sie löschte das Geschriebene, schickte stattdessen nur einen Namen: »Nami

Wer sonst käme in Frage?

Während Robin nur auf eine Bestätigung wartete, schenkte sie Rotwein nach.

»Bingo … mein Fehler … sorry?« Offen stand nun, welche Information herausgerutscht war. Robin betete förmlich, er hatte nur den Umzug ausgeplaudert. Im Redefluss, gespickt mit den eigenen Emotionen, war bei Franky viel möglich. Dementsprechend fühlte Robin eine Erleichterung und sie trank einen großen Schluck.

»Wirklich nur unser Verschwinden. Versprochen! Sollte sie so auch nicht erfahren … hab mich reingeredet.« Seufzend nickte sie vor sich hin. Korrekt – der Plan sah einen sauberen Schnitt vor. Bislang lief er auch reibungslos ab. Wichtige Punkte waren geklärt und der größte Teil bereits eingepackt.

Robin würde ihr Noch-Zuhause nicht zur Gänze aufgeben, aber eine Rückkehr war auf längere Zeit hin nicht vorgesehen. Manches blieb einfach zurück. Sie händelte es auf dieselbe Weise, wie sie es die letzten Jahre über mit St. Petersburg getan hatte.

»Vielleicht will sie dich ja abhalten … dich so ignorieren oder gar nicht mehr sehen können ist ein Unterschied … findet ihr zurück können wir alles abblasen und bleiben??«

„Idiot“, murmelte Robin gepresst.

Wahrscheinlich hatte er erneut zu tief ins Glas geschaut. Das merkte Robin nicht länger nur am Schreibstil, sondern auch langsam am Inhalt.

Wenn er plötzlich an eine glückliche Fügung dachte, musste er einfach mehr getrunken haben, auch wenn Namis Verhalten sie gerade selbst irritierte (sofern sie sich tatsächlich hierher begab).

Gevatter Alkohol? Ausgerechnet bei Nami? Er lockerte zwar, aber bei ihr brauchte es am Ende doch eine ordentliche Menge. Irgendwie glaubte sie nicht an ein Besäufnis ihrerseits.

Vermutlich diente das Gespräch der beiden als Anstoß. Nami und Franky. Eine Unterhaltung der beiden kam überraschend.

Andererseits hatte das Treffen Robin aufgezeigt, dass eben nicht nur sie sehr unter der Trennung litt. Sie beide blieben einfach standhaft, hielten gegen ihre Gefühle. Wobei Robin sich eher an Nami orientierte. In dem Fall musste diese den Schritt machen, nicht Robin. Vielleicht brauchte es eine unerwartete Kleinigkeit, die das eigentliche Vorhaben über Bord warf. Nami hatte ihren Standpunkt verdeutlicht und eigentlich müsste sie sich über die Neuigkeit freuen. Das Problem löste sich von allein auf.

Was, wenn Franky richtig lag?

Robin nahm einen weiteren Schluck. Noch immer wünschte sich ihr Herz endlich aufzuwachen. Dass sich die letzten Wochen als Albtraum entpuppten. Wäre es anders, würde Robin längst über sie hinweg sein, aber es gehörte eben dazu. Zu hoffen, wo es keine Hoffnung gab.

Umso mehr erstickte sie ihre Gefühle rigoros, sie gewährte ihnen kaum Freiraum. Damit hatte sie aufgehört, direkt nach der Zürich-Reise.

Happy Ends mochten für andere existieren, in ihrem Leben fanden sie jedoch keinen Platz.

Nach vorne. Sie orientierte sich strickt geradeaus. Jahre war sie ohne Liebe ausgekommen, warum also nicht wieder in das Gewohnte zurückkehren.

»Abwarten, ob sie kommt oder nicht. Geh nach Hause und schlaf dich aus.«, antworte Robin und legte das Handy am Tisch ab, rieb sich anschließend müde die Augen.

Robin war an wenig Schlaf gewohnt. Hielt sie ein Auftrag auf Trab oder die normale Arbeit, ihre Gedanken oder gar Ängste. Als ob nie eine Stille einkehren durfte. So hatte sie lange gelebt, erst Nami hatte die Gewohnheit verändert. Positiv verändert. Robin hatte ungewöhnlich schnell gelernt öfter abzuschalten, früher schlafen zu gehen, anstatt die halbe Nacht wachzubleiben. Selbst allein war ihr das hin und wieder gelungen.

Mit der Trennung fiel sie dann rascher ins gewohnte Muster zurück als es ihr lieb war und der Rückschritt rächte sich. Denn ihr Körper zeigte sich alles andere als erfreut.

Verrückt, wie schnell manche Veränderungen griffen.

Nun blieb hierfür keine Zeit, sollte Nami sie besuchen, würde sie keinen Schlaf finden. Ihr Kopf würde sie nicht lassen.

Eigentlich sollte sie die Wendung nicht unerwartet treffen. Stets spielte Robin sämtliche Szenarien durch, ob sie wollte oder nicht. Ihr Doppelleben trug dazu bei. Manchmal stellte sie sich das Unmöglichste vor, damit sie jedem erdenklichen Problem frühzeitig entgegenwirken konnte. Der Großteil entpuppte sich glücklicherweise als einfache Hirngespinste. Manchmal war ihr das Leben erleichtert worden, wenn nicht gar gerettet. Leider zerrte es an ihren Kräften.

Wenn sie bloß hierbei dasselbe Gespür gehabt hätte. Nami machte es ihr nicht leicht.

Aber eigentlich hatte es ja funktioniert, wenn auch auf andere Weise.

Heute zeichnete sich Franky aus, der öfter zu den Kandidaten gehörte, die Komplikationen brachten. Er tat es nicht mit Absicht, aber wurde seine Zunge lockerer … normalerweise liebte er kryptische Andeutungen, mit denen Außenstehende nichts anfangen konnten, aber nein. Bei Nami musste er es direkt aussprechen.

Diese machte anscheinend die gewünschten Fortschritte, wenn sie bei Bruno einkehrte. Offensichtlich lenkte sie bei den Jungs ein und kehrte langsam in den Alltag zurück. Etwas, das sich Robin für sie wünschte.

Sie wusste ebenso vom Brunch und seinem Ausgang. Sanji hatte nicht gejubelt, sondern gezweifelt, ob es jemals wieder wie früher wurde. Geduld. Er musste sich in Geduld üben. Alles brauchte seine Zeit und das Einmischen der beiden schadete dem Vertrauen ineinander. Dennoch blockte sie nicht komplett. Ob Zorro dahintersteckte?

Zügig leerte Robin das Glas.

Obwohl sie sich bedeckt hielt, blieb sie auf ihre Weise in Reichweite.

Ein Fehler.

Sie verletzte sich selbst. Dennoch hoffte sie so auf eine Besserung, wenn sie mitbekam wie sich Nami machte.

Kurz sah sie auf die Uhr. Suchte sie Robin auf, sollte sie bald eintrudeln. Mit einem tiefen Seufzen schloss Robin die Mappe vor sich und stand auf.

Ignorieren wäre eine Option, so tun als wäre sie auswärts oder einfach auf eine frühe Abreise deuten. Ein verlockender Gedanke. Immerhin war ihr deutlich gemacht worden, wie die Dinge standen. Dennoch entschied Robin dagegen. Warum sollte sie davonlaufen, wenn das Ende so oder so kam?
 

18. Februar 2013

Der nächste Dämpfer, der nächste tiefe Stich.

War der Wunsch nach einer positiven Wendung so verrückt?

Robin? Komm, sag etwas.“

„Wir waren naiv … sie macht ihren Standpunkt deutlich.“ Zu deutlich. Robin war dumm gewesen, nicht an das Abhauen zu denken. Abwimmeln, ein normales Blocken, aber eben nicht ein Abreisen.

Ihr Fehler.

Sanjis Vortrag hatte eben Hoffnung entfacht.

Hätte das Vorhersehen überhaupt eine Veränderung gebracht? Geholfen? Wäre sie direkt zu Nami, um sie davon abzuhalten? Oder hätte Sanji versucht ihr das Vorhaben auszureden?

Im Grunde war das Kalkulieren deplatziert. Hierbei besaß Robin keinen Handlungsfreiraum. Namis impulsive Ader war manchmal kaum einschätzbar. Alles war möglich. Erst recht in Situationen, in denen Gefühle entschieden. Und war Robin ehrlich mit sich, so standen ihr die eigenen im Weg, beeinträchtigten die Sicht auf das Wesentliche. Deshalb beendete sie all ihre Aufträge, weil sie die Gefühle fernhielt. Kalkulierend, gefühlslos plante sie. Ein klarer, kühler Kopf vollbrachte Wunder.

Genau dieser kam bei Nami abhanden.

Wir finden einen Weg. Sie kann uns nicht ewig ignorieren“, sprach Sanji neuerlich gut zu.

Zwecklos.

Was er auch sagte, Robin fand gerade keinen Silberstreif.

Vielmehr verstand sie Namis Handeln.

Reißausnehmen – vor dem Fiasko davonlaufen, wer sollte es verstehen, wenn nicht Robin?

Sie braucht Zeit, mehr nicht. Hat sich Nami erstmal gefangen, kommt sie zurück und wir reden. Wir klären das Problem und sie wird uns schon irgendwie verstehen.“ Unweigerlich unterdrückte Robin ein Lachen. Glaubte er an seine Worte oder sah so sein kläglicher Versuch aus, sich selbst Hoffnungen zu machen?

Mittlerweile dachte Robin weiter, dachte darüber nach, was ihre Abreise bedeutete. Ob Nami Venedig nun gänzlich den Rücken kehrte oder ob sie bloß für eine Weile das Weite suchte.

Realistisch waren beide Möglichkeiten.

Da brach langsam die Verzweiflung durch, sie lehnte erschöpft vor und massierte ihren Nasenrücken. Das Telefonat glich einem Albtraum.

„Sanji“, fing sie mahnend an. „Uns sind nun die Hände gebunden. Du musst das einsehen. Sie will nicht reden und uns schon gar nicht sehen. Akzeptier ihre Entscheidung.“

Gibst du kampflos auf?“, fragte er knirschend.

Aufgeben.

Robin ließ sich das Wort auf der Zunge zergehen.

Wollte sie weinen oder lachen?

Es wäre das Beste. Nami ziehen lassen und sämtliche Verbindungen kappen.

Leben wie früher. Niemanden Rechenschaft leisten.

Eine schmerzhafte Vorstellung.

Der Gedanke reichte aus.

Wie würde sich die Realität auswirken?

Hätte sie den einen Punkt nie überschritten. Wäre sie vor Monaten standhaft geblieben. Immer und immer drehte sie sich im Kreis. Dieses Was-wäre-wenn-Spiel – furchtbar!

Weitermachen fühlte sich unmöglich an. Als nur die Freundschaft im Raum stand, wäre ihr ein Cut leichter gefallen.

Dennoch … nichts war unmöglich, so sagte man.

Natürlich existierte ein Leben ohne Nami.

Nur war der Weg zurück mit neuen Strapazen verbunden. Er war steiler. Ihr war bewusst, dass sie keine Vergleiche zu Laki oder Pola ziehen durfte. Die Ausgangslage unterschied sich, Robin fühlte es klar und deutlich. War sie ehrlich, so hatte sie sich mit beiden rasch abgefunden. Akzeptiert, sich mit Arbeit abgelenkt, bis beide nur noch eine blasse Erinnerung geworden waren, ohne Reue, ohne sich schlecht zu fühlen.

Dasselbe würde sie mit Nami tun oder probieren. Denn aktuell fand Robin kaum eine passende Ablenkung. Es dauerte wesentlich länger.

Immerhin hatte Robin sämtliche Regeln über Bord geworfen. Schritt für Schritt hatte sie damit angefangen, den Gefühlen Oberhand gewährt, trotz des Wissens, das sie ein gefährliches Spiel trieb. Ausgerechnet Robin hatte die Kontrolle abgegeben.

Natürlich wurde sie nun von ihrem selbst erschaffenen Chaos überrollt.

Liebe forderte einen Preis.

„Heute. Morgen. Aktuell fügen wir uns, ist besser. Du hast sie weder gehört noch gesehen. Sie verabscheut mich und ihr Handel unterstreicht es. Mein Gefühl sagt mir, ich mache alles schlimmer, sobald ich aufdringlich werde.“ Auf die Spitze treiben war ein Kinderspiel, wenn sie das Beste für sie beide wollte. Darauf zielte Robin nicht ab. Noch hinderten sie die Gefühle. „Nochmal, wir sollten ihre Entscheidung akzeptieren. Ein paar Tage helfen, allein zum Begreifen. Sie muss es erst mal verarbeiten. Glaub mir, sie wird euch verstehen.“ Danach konnten sie noch immer aktiv werden. Nachreisen, eingreifen. Oder eben die Füße stillhalten und auf eine baldige Rückkehr warten. Optionen waren vorhanden, man musste lediglich richtig wählen.

Derzeit würden sie das Zerwürfnis schlichtweg nähren.

Was ist, wenn unsere Untätigkeit Konsequenzen hat? Sind wir auf dem Holzweg, gibt es vielleicht kein Zurück mehr.“

Das Risiko mussten sie eingehen.

„So sehr ich auf eine Klärung hoffe, so bleibe ich auch realistisch. Meine Chance ist minimal. Eure Freundschaft wird den Zwist überstehen. Also mach ihr keinen Druck, gehe durchdacht vor.“ Er wollte nicht aufgeben, einfach stehengelassen werden, sie verstand Sanji. Natürlich und sie ahnte, dass er bereits in Erwägung zog ihr nachzureisen. Doch was brachte es, wenn Nami nicht reden wollte? Wenn ihr das Ausmaß gerade zu viel war?

Das Ziel stand fest, doch mussten sie am Weg dorthin selbst Abstriche machen. Immer lief nicht alles nach eigenem Wunsch und daher blieb das Warten die beste Option. So sehr Robin es auch verabscheute.

Okay, okay … ich mache mir aber um den Mistkerl Sorgen. Mischt er sich ein, was dann? Ein getrübtes Urteil entpuppt sich für solche Kerle als Fressen.“ Trafalgar. Robin vergaß auf ihn nicht, im Gegenteil. Den angerichteten Scherbenhaufen verdankte sie ihm, dank seinem Handeln hatte alles Fahrt aufgenommen. Natürlich wusste Robin wer die Hauptschuld trug, sie allein, aber es hätte eine andere Wendung nehmen können. Sein Einmischen stieß grob auf und gerne hätte sie ihn büßen lassen. Für sie war er das gefundene Fressen. Leider würde sie damit genau das tun, das er erwartete, das sie gänzlich von Nami entfernen würde. Nahm sie sich Trafalgar vor, verlor sie Nami für immer.

„Sie ist verletzt, nicht dumm. Vertrau ihr“, war alles das Robin sagte, obwohl sie den eigenen Worten mit gemischten Gefühlen gegenüberstand. Sie selbst musste sich an ihre Worte halten und Nami vertrauen.

Nachdem sie aufgelegt hatten, blieb Robin sitzen, wobei sie einfach auf das schwarz gewordene Display starrte. Die Situation lief gewaltig aus dem Ruder. Ausgerechnet für Robin, die sonst diejenige war, die den Überblick bewahrte und vorbereitet war. Normalerweise zog auch sie sich zurück, schloss die Welt aus und blieb für sich. Dieses Mal trieb sie genau jene Reaktion in den Wahnsinn.

Zu gut verstand sie Nami.

Mehr als ihr gerade lieb war.

Das Lügennetz musste irgendwann reißen und den Stein hatte Bonneys Rettung gelegt, ab da war alles langsam dem Bach hinuntergegangen.

Jene Nacht hatte das Ende eingeläutet.

Aus einer dunklen Vorahnung war die bittere Realität geworden.

Und Robin stand am Anfang, sie musste erst herausfinden wie sie eben mit jener Realität umging.
 

10. März 2013

Die Stille wurde mit stürmischem Klingeln unterbrochen. Leicht zuckten ihre Mundwinkel. Unter anderen Umständen würde Robin Freude empfinden, stattdessen krampfte ihr Magen.

Nami vor der Tür zu wissen, fühlte sich merkwürdig an.

Normalerweise stand sie sofort auf oder manchmal wäre Nami einfach hereingeschneit.

Dieses Mal nahm sich Robin Zeit.

Sie ließ Nami absichtlich warten.

Einerseits wollte sie das Gefühl vermitteln, sie wüsste nichts vom Besuch, während sie auf der anderen Seite selbst ein paar Minuten brauchte. Robin hatte eine Entscheidung getroffen, die Vorkehrungen waren abgeschlossen, da überstand sie doch auch eine weitere und wohl letzte Konfrontation.

Eigentlich.

Vielleicht – sofort stoppte sie – kein Zurück. Ihre hoffenden Sehnsüchte mussten endlich aufhören.

Im Flur warf Robin einen raschen Blick in den Spiegel, straffte die Schultern und schob den Gefühlen einen Riegel vor.

Als sie die Tür öffnete und sie Namis errötetes Gesicht erblickte, blieb sie gefasst. „Stimmt es? Verlässt du die Stadt?“, hörte sie nach einem gedehnten Schweigen, das Robin seufzend gegen den Rahmen lehnen ließ.

„Franky?“, fragte Robin, als kannte sie die Antwort nicht, als wäre es ihre eigene Vermutung. Vermutlich wäre sein Name auch ohne Vorwarnung gefallen. Wer sonst sollte sich ihr gegenüber verplappern? Ein Nicken reichte und Robin verschränkte abwehrend die Arme. „Bist du deshalb hier? Für die eine Frage?“

„Warum?“

„Warum ich gehe? Erklär du mir lieber, warum du mich in der Nacht aufsuchst, anstatt dich zu freuen.“

„Weil …“ Weil was? Robin wartete, spürte einen ungewohnt aufkeimende Ungeduld. Was änderte das Wissen? Nami hatte längst verdeutlicht, wie die Zukunft aussah – sie existierte nicht und darauf basierten manche Entscheidungen.

„Nami.“ Wenn sie etwas sagen wollte, dann sollte sie damit rausrücken. Stattdessen wurde Robin angestarrt. Fast geistesabwesend. Suchte sie nach Worten oder den Mut oder bereute sie am Ende ihren überhasteten Überfall? Alles sah nach einem schlichten Kurzschluss aus. Ernüchterung brach schnell durch.

„Nami!“, wiederholte Robin fordernd, während sich ihre Finger druckvoll in den Pullover krallten. Um die Zeit geschah meist nichts Gutes. „Warum bist du hier?“ Nami blinzelte, setzte zum Sprechen an, ehe sie erneut die Lippen aufeinanderpresste. Vor ein paar Monaten noch hätte sie diesen Augenblick anders aufgenommen. Damals hätte der Besuch nur eine Bedeutung gehabt und Robin wäre dieser Art verfallen.

Heute war sie dem Verzweifeln nahe. Tag für Tag hatte sie auf eine Reaktion, ein Entgegenkommen gewartet. Bis sie selbst eingriff, bis sie selbst verstand, was das Beste für beide war. Und ausgerechnet jetzt, wo Robin den Weg gewählt hatte, stand sie vor ihr.

„Ich will nicht, dass du gehst“, brachte diese dann schwer hervor, als hätte es sie immense Kraft gefordert. Ein Zucken ihrer Augen war alles, das Robin zuließ, während sich in ihr ein Sturm zusammenbraute. Sie verstand Nami nicht. Woher der Sinneswandel? Warum scherte sie sie nicht endlich zum Teufel, so wie die vorherigen Male? „Verlass nicht die Stadt. Ist es denn notwendig?“

„Du selbst hast dich aus dem Staub gemacht-“

„Um Ruhe zu finden“, unterbrach Nami. „Ein recht stümperhafter Versuch, ich weiß. Bis ich dich getroffen habe, habe ich nur gelitten, nicht verarbeitet.“

„Ob ich bleibe oder gehe, was ändert es? Sind wir kein Paar mehr, kann ich tun und lassen, was immer ich möchte.“ Daraufhin zog Nami hörbar Luft ein. „Ich habe dich verstanden. Von Anfang an. Es tut weh, aber ich akzeptieren deine Sicht. Tue ich, weil ich an deiner Stelle ähnlich denken würde. Ich selbst habe unzählige Male darüber nachgedacht. Kein normaler Mensch würde sich darauf einlassen und akzeptieren, wozu ich in Lage bin. Und würde ich aufhören – seien wir ehrlich, es bleibt verankert. Also Nami, was stört dich an meiner Abreise? Dass ich dich dein Leben ungestört weiterleben lassen oder dass ich für Rückfälle nicht abrufbereit wäre?“ Robin sprach ihre Gedanken unverblümt aus und sie erkannte, wie wenig Nami die letzten Worte gefielen.

„Rückfall … denkst du so?“

„Was soll ich denken? Erst möchtest du mich aus deinem Leben und jetzt stehst du an meiner Türe.“ Robin wich ihrem Blick aus, starrte auf den Kanal neben dem Haus, an dem sich das Mondlicht mit den leichten Wellen schlug. „Ich habe nie mit dir gespielt. Keine Sekunde. Meine Gefühle sind aufrichtig und ich habe noch keine Idee, wie ich mich von ihnen lösen kann. Im Grunde tue ich, was du möchtest. Ich halte mich fern, ich gebe mich geschlagen, weil du uns berechtigterweise aufgegeben hast. Kaum ziehe ich mein Ding durch, hast du ein Problem. Bisschen unfair, oder?“ Ihr Blick wanderte nach oben, wie so viele Male. Manchmal suchte sie förmlich nach einer Antwort, nach einer Besserung. Doch blieb sie ungehört.

Vielleicht verdiente sie den Ausgang, aber durfte sie ab einem Punkt nicht auch fühlen? Es war unfair, wo sie doch nur glücklich sein wollte. Aber das Karma schlief am Ende nie und in den Jahren hatte sie kein gutes aufgebaut.
 

23. Februar 2013

Es mangelte an Konzentration. Schwer kam Robin weiter, obwohl Arbeit als liebste Ablenkung diente. Sie steckte, denn kaum glaubte sie, sie fasste sich, schon driftete sie erneut ab. Momentan erkannte sich Robin selbst nicht. So tickte sie nicht.

Ein stürmisches Klopfen ließ sie fragend aufblicken. Es war kein Termin eingetragen und als sie den unbekannten Gast hereinbat, wusste sie sofort, worauf der Überfall hinauslaufen würde.

Vivi kam sichtlich außer sich hereingeschneit.

Während diese zum Tisch kam und ihre Tasche auf dem Stuhl fallen ließ, lehnte Robin zurück. Schenkte ihr einen auffordernden Blick. Sollte sie alles loswerden und wieder verschwinden. Je schneller desto besser.

„Was zum Teufel hast du angestellt?!“, begann Vivi fassungslos und warf die Arme in die Luft. „Und wehe du kommst mit einem bescheuerten Seitensprung daher, dann reiß ich dir den Kopf ab. Wenn du Nami für irgendeine daher gelaufene Frau abservierst! Ihr kann kaum die Schuld gegeben werden, wenn sie deinetwegen aus dem Land flüchtet und nach Hause fährt. Dann noch mit dem beschissenen Arschloch!“

Also lag Robin richtig. Law hatte bei der Abreise seine Finger im Spiel gehabt. Was den Rest anging, sollte Vivi besser aufpassen. Ungerührt sah sie zur Schülerin hoch. Ihr gab sie keinen Sieg, umso kälter war Robins Antwort.

„Sie wird schon ihre Gründe haben, warum sie dir nichts sagt, und mir wäre neu, dass ich sie zur Flucht gedrängt habe. Ist ihre Entscheidung, findest du nicht?“

„Denkst du, ich sehe zu? Als ob ich hinnehme, was du mit ihr gemacht hast. Du bist der Grund für ihren plötzlichen Wandel.“ Mut hatte Vivi, dabei war sie sonst äußerst reserviert. „Was läuft hier?“

„Stell dir vor, Prinzesschen, Paare trennen sich und redet sie nicht mit dir, ist das dein Problem, nicht meines. Die Gründe gehen dich nichts an. Wenn du keinen anderen Grund für deinen Besuch hast, solltest du jetzt besser gehen.“ Eine Weile starrten sie einander an, ehe Vivi angewidert das Gesicht verzog. Robins Geduld wurde auf die Probe gestellt. Für solche Diskussionen fehlten ihr die Nerven. Ausgerechnet ihr.

„Mittlerweile bereue ich es, Nami auf diese Gala geschleppt zu haben. Dann wärst du ihr erspart geblieben!“ Vivi machte keinen Heel aus ihren Gefühlen und Robin kämpfte – mit sich.

Weder durfte sie nachgeben und näher auf Umstände eingehen noch Aufschluss auf ihr Innersten geben. Es würde die Situation komplizierter gestalten, als sie ohnehin schon war. Wenn Vivi im Dunklen gelassen wurde, dann machte Robin mit. Da mimte sie lieber den unnahbaren Eisklotz. Besser als offen zu legen, wie sehr sie unter der Trennung litt. Wie sehr sie Vivis Aussage mitnahm. Sie tat weh.

Dabei war ihr der Gedanke selbst längst gekommen. Wäre sie Nami nie wieder begegnet, dann hätten sie sich beide großes Leid erspart.

Ohne das Wiedersehen und die darauffolgenden Treffen wäre Robin nie so übermütig geworden. Robin hätte sie niemals so nah gelassen und schon gar nicht auf eine Beziehung, die von Beginn an zum Scheitern verurteilt gewesen war.

Im Nachhinein immer leichter gesagt und woher wollte sie wissen, dass sie es nicht jederzeit wieder täte?

„Sie ist alt genug und du solltest lernen Entscheidungen zu respektieren. Wenn sie dir nichts erzählen möchte, musst du dich eben in Geduld üben, statt mir eine Szene zu machen. Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig und jetzt geh, bevor du dich endgültig lächerlich machst!“, entgegnete Robin gefühlslos. Ihr tat auch Vivi leid. Mittlerweile kannte sie die Schülerin gut genug, aber in dem Fall durfte Robin nicht weich werden.

Vivi biss sich offensichtlich auf die Zunge. Was immer sie sagen wollte und Robin glaubte an nichts Gutes, schluckte sie gekonnt. Wortlos machte sie kehrt und verließ das Büro, aber nicht ohne ein wütendes Türenknallen.

Erst als Robin sich sicher fühlte, fiel die Spannung ab. Vorne übergebeugt, vergrub sie das Gesicht in den Handflächen, nahm mehrere, tiefe Atemzüge.

In den Jahren hatte sie sehr viel getan, um sich ins rechte Licht zu rücken. Darunter Mauern erbaut, die oft wirkten, als wäre sie unantastbar, als stünde sie über allem.

Ein Schutzmechanismus und der hielt sie seither am Leben.

Ein Schein.

Ein Witz.

Wenn sie bloß so wäre.

Wenige kannten die Wahrheit und die tat weh. Am Ende versteckte sie sich eben doch nur hinter einer Fassade und sie fühlte genug.

Zu viel.

Und momentan drohte sie darin zu ertrinken.
 

10. März 2013

„Fairness.“ Amüsiert schnalzte Nami mit der Zunge. „Was ist schon fair? Dein Lebenswandel, meine törichte Reaktion? Unser fehlendes Glück?“ Kopfschüttelnd setzte sie sich auf die oberste Stufe, klopfte auffordernd neben sich das Robin skeptisch eine Braue heben ließ. „Fangen wir damit an, werden wir nie fertig, aber ich verstehe dich.“ Zögernd betrachtete Robin den Rotschopf. Die Knie wurden angezogen, die Arme darumgelegt. Wollte sie so das Gespräch fortführen?

Wieder hörte sich Robin seufzen, ehe sie kehrt machte. Statt Nami dort sitzen zu lassen, schlüpfte sie in eine Jacke, schloss die Tür und sank neben sie.

„Ist eine Erkältung dann meine Schuld?“, neckte sie halbherzig, das Nami ein sanftes Lächeln entlockte. Für eine Weile schwiegen sie, saßen nebeneinander, starrten vor sich hin und hingen den eigenen Gedanken nach. Eine merkwürdige Stille zwischen ihnen. Nicht direkt unangenehm, aber eben auch nicht losgelöst und entspannend. Die Veränderung war spürbar.

Weinen.

Lachen.

Robin fragte sich das, immer und immer wieder.

Vielleicht sollte sie den kleinen Fortschritt einfach genießen. Vor einer Weile wäre dieser Moment unvorstellbar gewesen.

„Du machst mich verrückt“, hörte sie das Murmeln der anderen. „Kaum bin ich dabei für mich einen Schlussstrich zu ziehen, schon komme ich angerannt und will dich sehen. Dich von etwas abhalten, das uns beiden guttun würde. Klar, die Stadt ist groß genug für uns beide-“ Robins Lachen unterbrach sie und Nami blickte fragend zur Seite.

„Tut mir leid, aber groß genug? Darf ich dich an unsere Begegnungen erinnern? Denkst du ernsthaft wir würden uns durchgehend aus dem Weg gehen können? Manchmal habe ich das Gefühl wir sind fast dazu bestimmt.“ Sogar als Paar hatten sie es geschafft sich irgendwo zu kreuzen. Und nun sollte es aufhören? Wie konnte Robin nicht darüber lachen? „Natürlich ändern sich Umstände. Zeit ist ein Faktor, irgendwann kommt man darüber hinweg, aber darauf warten?“

Schief grinsend stieß Nami mit der Schulter gegen ihre. „Du hast dir alles schön ausgemalt, was?“

„Tue ich immer.“ Oder versuchte sie zumindest.

„Ich weiß“, bedachte Nami seufzend und rieb sich die Hände. „Korrigiere mich, wenn ich falsch liege“, meinte sie ernst und suchte Augenkontakt. „Du tickst anders, das mag ich an dir. Was du tust, tust du durchdacht. Du lässt dich selten von einem Impuls leiten“, setzte sie zur Pause und schien etwas in Robins Augen zu suchen. Vielleicht eine stumme Antwort auf das kommende? Robin hegte bereits einen Verdacht. Sie war eben nicht auf den Kopf gefallen. „Bei deiner oder eurer Entscheidung spielen mehrere Faktoren mit, unsere Trennung nimmst du als die einfachste Ausrede.“ Entschuldigend lächelte Nami. „Vielleicht schätze ich dich gerade falsch ein, aber ich bezweifle, dass du mich so schnell aufgibst, der Stadt ohne lange Bedenkzeit den Rücken kehrst. Das tust du nicht meinetwegen.“

Ertappt.

Zuerst fand Robin keine Worte, starrte Nami lediglich an, die daraufhin ihren Triumph genoss. Unrecht hatte sie nicht, es spielten andere Gründe mit, aber es von Nami zu hören … kein Wunder, dass sie sich in sie verliebt hatte. Und doch stieß ihr ein Punkt wiederum bittersüß auf. „Wir sind aufs Karussell aufgestiegen“, sprach sie gedämpft. „Du magst hier sein, aber ist das genug? Oder habe ich dich dieses Mal einfach überrumpelt?“

„Gefühle haben ihren eigenen Kopf. Ich sollte mich freuen. Stattdessen versetzt mir der Gedanke, dass du fortgehst einen Stich … verrückt. Wo liegt der Sinn darin? Manchmal wünschte ich, du würdest mich nicht gehen lassen, dann bin ich erleichtert darüber die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Ein ziemliches Chaos.“

Chaos passte und doch schien es nicht ausreichend. Nami hatte den ersten Schock überwunden, versuchte hinter die Fassade zu blicken, anstatt sie nur von sich zu stoßen, sie nur noch als ein Monster zu sehen. Ja, sie machte einen Schritt weiter, blieb nicht länger auf der Stelle, auch wenn es Robin beim größten Problem nicht half. Ganzgleich wie sie die Situation drehte und wendete, eine gemeinsame Zukunft blieb unerreichbar. In dem Fall blieb sie realistisch und das gefiel ihrem Herzen überhaupt nicht.

„Es vergeht … irgendwann.“ Robin log sich selbst an. Irgendetwas sagte ihr, dass dem nicht so war. Nicht bei ihr. Es würde eine Besserung geben, aber gänzlich verschwinden? Daran zweifelte Robin. Nami war anders, das hatte sie von Anfang an gespürt.

„Rede ich mir seither ein und doch sitze ich neben dir.“

„Irgendwann, habe ich gesagt“, betonte Robin nochmals. „Nicht heute. Wäre eine Spur zu einfach.“ Nami sah sie skeptisch an, in dem Punkt dachten sie dasselbe. Zum Verrücktwerden. „Hast du mit ihnen geredet?“, schweifte Robin ab.

„Sind auf Kurs? Wird Zeit brauchen, aber ich schätze, wir bekommen das hin. Sie haben ihre Gründe, ich meine. Ist halt dumm gelaufen.“

„Wer kann schon zwei getretenen Hunden widerstehen?“

„Drei. Du hast deinen Kumpel vergessen“, sagte Nami mit ernsterem Tonfall, ehe sie lachen musste. Ein aufrichtiges, aus dem Herzen kommendes Lachen. Eines, das Robin vermisste.

„Lachst du über unsere Möchtegern-Machos oder über unsere aktuelle, surreale Situation?“

„Beides?“, gestand sie verspielt und stand schwungvoll auf. „Wir haben den buntesten Haufen an Freunde. Die noch immer Hoffnung haben, während wir sie ersticken. Was ist das hier, zwischen uns?“ Robin hob ruckartig den Kopf.

Ihr Herz hämmerte.

Was war das zwischen ihnen?

Damals.

Heute.

Das Lachen war längst verebbt und als sich Nami umdrehte und sich in ihren Augen Tränen abzeichneten, gab Robin auf.

Kaum realisiert, schon war sie auf den Beinen, zog Nami zu sich hoch.

Es war der Moment, in dem sie beide aufgaben und ihren Sehnsüchten folgten.
 

28. Februar 2013

„Kannst du dir ausmalen, warum ich hier bin?“, fragte Robin unverblümt.

„Um mich zurückzugewinnen?“

Ja.

Einfach zustimmen.

Das wollte ihr Herz unter allen Umständen, aber mittlerweile dachte Robin um. Während sich Herz und Kopf ein langes Kopf-an-Kopf-Rennen lieferten, nahm der Kopf im Endspurt Geschwindigkeit auf und überholte.

Natürlich ließ es sie nicht kalt. Nami so nahe, mit ihr reden und nach dem katastrophalen Start hatte sich sogar ihr Blick verändert. Ein Gemisch aus Wut und Traurigkeit, aber auch Verzweiflung und Sehnsucht. Für den einen oder anderen Augenblick war der Gedanken an Robin als Monster gewichen.

Vielleicht, wenn es Robin direkt darauf anlegte, könnte sie einen kleinen Fortschritt machen, in die gewünschte Richtung. Nami tatsächlich ins Wanken bringen. Der Funken war da und Robin bräuchte ihn lediglich ergreifen, warum tat sie es dann nicht?

Sie musste nur ihrem Herzen folgen.

„Wäre ich erfolgreich oder würde ich mich lächerlich machen?“ Robin wich ihrem Blick aus. Vermutlich eine Mischung aus beidem. „Sei ehrlich, du hast längst begriffen, worauf es hinauslaufen würde. Kommen wir über eine Nacht hinaus, scheitern wir kurz darauf an den unüberbrückbaren Differenzen. Du wirst nie vergessen.“ Langsam drehte sie sich ihr entgegen, lächelte, wenn auch traurig. Denken und aussprechen waren zwei verschiedene Punkte und die eigenen Worte versetzten Robin einen gewaltigen Stich.

„Mimst du die Vernünftige?“, fragte Nami leise.

Irritiert hob Robin eine Braue. Was erwartete sie?

„Vorhin bist du vor mir davongelaufen. Eigentlich tust du das seit fast zwei Wochen und jetzt hast du damit ein Problem?“ Robin verstand nicht, eigentlich tat sie das von ihr erwartete. „Oder soll ich betteln, obwohl du mich am Ende abweisen wirst? Ganzgleich was ich tue?“ Immerhin dachte Nami darüber nach, ob Robin ihretwegen hier war, um sie zum Schweigen zu bringen. Recht widersprüchlich das Ganze, aber sprachen sie hier über Gefühle. Sie waren nie rational.

„Oh, hast du das in petto? Bitte, ich halte dich nicht auf.“

„Nami.“ Mit einem Unschuldsblick zuckte diese die Schultern, kam dann zögerlich näher.

„Du willst Ehrlichkeit?“ Dicht vor Robin blieb sie stehen, legte die Hand an ihre Wange und zwang sie den Kopf zu senken. „Solange ich dich liebe, werde ich immer einen schwachen Moment haben. Mich fragen, was wäre wenn. Da kann ich mir einreden, was immer ich möchte. Unser Treffen ist der beste Beweis.“ Robin schluckte schwer, spürte ihren Herzschlag, die Wärme, obwohl Namis Hand kalt war. Hoffnung keimte auf, aber endete der Moment, bevor beide die Chance ergriffen. „Ich will uns zurück, jede Sekunde, aber-“

„Wir haben keine Zukunft“, flüsterte Robin. „Ich weiß.“

„Warum bist du dann hier?“ Langsam richtete sich Robin auf, schritt zurück. Ganzgleich was sie sagten, die Nähe ließ Robin nicht kalt. Sie wankte, würde sie für lange Zeit.

„Deine Freunde. Dir verstehen helfen?“ Überrascht, ob von der Antwort oder doch dem Zurücktreten, hob Nami ihre Brauen. „Lass sie nicht im Unklaren. Für Vivi finden wir eine Lösung, ich spiele mit, was immer du ihr sagst. Zorro und Sanji leiden auf ihre Weise, ob gerechtfertigt oder nicht. Sich dem Monster stellen, kann Wunder bewirken.“ Mit schwachem Grinsen blickte sie hoch. Die Wolkendecke wollte sich nicht lösen.

„Lügnerin. Du hast dir Hoffnung gemacht.“

„Machen wir uns die nicht immer? Bis wir einsehen, wie vergebens sie ist. Vielleicht habe ich realisiert, wie die Dinge um uns stehen und höre auf mir Hoffnung zu machen. Besser als einem Traum nachtrauern.“ Das Herz nicht unnötig quälen. Ein simpler Gedanke, der ordentlich in der Umsetzung haperte.

Oft hatte sie mit Pola darüber gelacht. Über all die Liebesprobleme anderer Menschen. Damals hatten beide daran geglaubt, sie wäre längst darüber hinweg. Sie hätten längst verstanden, wie man sich eben nicht verliebte. Nicht auf diese Weise. Das sie sie nicht brauchten und ineinander die perfekte Lösung hatten. Im Nachhinein eine äußerst naive Einstellung. Für Pola war es zu spät gewesen, sie hatte nie die eine Liebe gefunden, die alles auf den Kopf stellte. Anders als Robin, sie war dieser in die offenen Arme gelaufen und musste nun den Preis zahlen.

„Manche sagen, man könne nicht ohne die eine Person leben. Ich halte die Aussage für dummes Gewäsch. Wir können so leben. Du ohne mich, ich ohne dich. Haben wir früher auch. Das Problem ist das Wollen. Will ich mit oder ohne jemanden leben. Das ist der schwierige Part“, begann Nami nachdenklich und blickte wehmütig auf. „Will ich ohne dich? Die Frage habe ich mir gestellt und die Antwort überrascht mich gar nicht. Obwohl ich die Wahrheit kenne, bin ich weit vom Wollen entfernt. Das mit dir … es schien perfekt. Was ich will ist irrelevant, ich muss. Unser Gefühl stimmt überein. Wir können uns einlassen, amüsieren uns für eine Weile und spätestens beim zweiten Versuch stecken wir. Weil du deine Arbeit weitermachst und ich daran erinnert werde.“

Robin schluckte.

Nicht der Worte wegen.

Es war Namis Anblick.

Es waren die stummen Tränen, die Robin die Brust zuschnürten.
 

10. März 2013

Lange stand Robin am Fenster ihres Arbeitszimmers. Wie lange merkte sie an ihrem Kaffee, bei dem sie keine Miene verzog, obwohl er kalt war.

Was war in sie gefahren?

Natürlich hatte es nicht mit einem Kuss geendet.

Früh hatte sich Robin aus dem Bett geschlichen, sobald ihr der Fehler bewusst geworden war.

So vorhersehbar und wiederum eiskalt erwischt.

Vor der Enthüllung das Normalste der Welt, seitdem ein Wunschdenken.

Ein Fehler, ein verdammt großer Fehler. Dessen war sich Robin bewusst und mit Sicherheit würde es Nami ähnlich ergehen, sobald sie auf den Beinen war.

Sie verletzten sich selbst oder durfte Robin hoffen? Hoffen auf eine zweite Chance, einen Weg zurück, auch wenn er beschwerlich war?

Wofür?

Alles drehte sich um diese eine Frage.

Wer wollte da noch fühlen?

Robin hatte sich entschieden. Fort aus Venedig. Ihr Leben in Angriff nehmen und sie spielte nicht mit offenen Karten. Sie verschwieg erneut etwas Essenzielles und das Geheimnis wog schwer. Eine weitere Last, die unausweichlich zwischen ihnen stehen würde.

„Grübeln macht Falten.“ Robin presste die Lippen zusammen. Das Necken hörte sie nicht zum ersten Mal, aber höchstwahrscheinlich zum letzten. Für eine Sekunde fühlte es sich normal an. Als hätte sich nichts zwischen ihnen verändert. Ein normaler Morgen, an dem Robin der Schlaf fehlte und sie Nami ausschlafen lassen wollte. Die Vorstellung quälte Robin. Langsam trat sie zurück und lehnte nach Halt suchend an den Schreibtisch.

Wer der Liebe Einlass gewährte, musste mit Konsequenzen rechnen.

„Ganz schön schräg. Richtig und doch so falsch“, sprach Nami weiter, sie kam näher. „Ich wette, wir haben dieselben Gedanken.“ Robin verkniff sich ein deplatziertes Lächeln, denn Nami trug ihre Sachen. Das alte, zu große Shirt mochte sie am liebsten, das hatte sie oft genug getragen. Da fiel Robin der Hoodie ein. Was aus ihm wurde? „Verbuchen wir die Nacht als Rückschlag oder Abschied?“, fragte Nami mit undeutbarer Miene, während sie es sich auf dem Stuhl bequem machte. Erst nahm sie einen vorsichtigen Schluck Kaffee, dann sah sie zu Robin auf. Welche Antwort wollte sie?

„Davonlaufen sieht anders aus“, entgegnete Robin, durchaus mit verspieltem Unterton. Sie dachte ans Café zurück, was eine einzige Berührung ausgelöst hatte. Wie lange hielt der Augenblick? Bis Nami das Ausmaß realisierte?

Diese zuckte die Schultern „Weißt du, dass ich alle für dumm gehalten habe? Mir wurde mehrmals gesagt, dass ich im richtigen Moment schwach werde … ich dachte, ich wüsste es besser.“ Nachdenklich fuhr sie den Tassenrand entlang.

„Du hast den Schock überwunden, wir haben geredet und unsere Gefühle stehen weiterhin zwischen uns. Geht manchmal recht schnell.“ Zu schnell. Und impulsive Aktionen führten zu Fehlern und Robin hatte ihren Verstand abgeschaltet. Der seine Aufgabe bislang recht gut machte, der sie in Zürich noch vor diesem Schritt bewahrt hatte. Der eigentlich auf der Seite der Vernunft stand und ihr Herz im Zaum hielt – bis vor ein paar Stunden.

„Und jetzt?“

Ja, was jetzt? Robin leerte ihre Tasse.

„Immer wenn ich dich kalten Kaffee trinken sehe, zieht es mir alles zusammen.“

„Damit halte ich mir die Falten vom Hals“, antwortete Robin gekonnt, während sie den Schreibtisch absuchte. Vielleicht sollte sie die Minuten lieber genießen, das Ende hinauszögern, aber nun musste ihr Verstand zurück ans Steuer, auch wenn er das Seil endgültig kappte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Dark777
2022-09-05T18:51:57+00:00 05.09.2022 20:51
Letztens erst hatte ich noch Hoffnung und du hast dieser kurz vorm Schluss einen Dämpfer versetzt.......nur um jetzt in die Vollen zu gehen! Dass sich beide noch einen (vielleicht letzten) Kuss stehlen hatte ich gehofft, aber gleich das volle Programm? Ich bin einerseits begeistert und freue mich für beide, andererseits ist das wirklich wie ein endgültiger Abschied......eine letzte (schöne) gemeinsame Erinnerung. Mein Gefühl sagt mir (leider), dass Robin etwas größeres plant und es nicht so gut enden wird. Vermutlich möchte Robin sich Nami zuliebe von ihrer Schattenseite lösen und einen letzten großen Coup wagen, der zum Schluss wohl aus dem Ufer laufen wird.

Ich kann das Ende kaum erwarten und bange gleichzeitig davor. Sehr gelungen das Ganze, wie immer halt ;).

V(~_^)
Von:  BurglarCat
2022-07-25T14:11:29+00:00 25.07.2022 16:11
Boah.. du machst es spannend. Aber so läuft es eben in Beziehungen. Es gibt manchmal kein klares Ende und manchmal hängt man trotz allem noch zu sehr aneinander. Man kommt nicht wirklich los und verschlimmert den Prozess indem man einfach nicht loslässt sondern immer wieder die Nähe sucht.
Kurz hatte ich das Gefühl die beiden gehen wieder aufeinander zu. Auch schön das ganze noch einmal mehr aus Robin's Perspektive zu bekommen nachdem bisher Nami eher der Fokus des ganzen war. Und man kann es schon verstehen, dass es unfair ist, das Robin endlich raus will und sich nicht mehr selbst schaden möchte mit all dem. Denn natürlich tut es weh.
Es sah aus als könnte man nun eine neue Basis finden, eine auf der man reden kann, die vielleicht zu einer Lösung führen könnte. Und dann? Dann will Robin aus ganz anderen Gründen gehen? Aus Gründen die so oder so dazu führen würden das Nami sich nicht mehr darauf einlässt? Würde zu gerne wissen was das ist und warum sie das nicht noch absagen und sich dem entziehen könnte.
Wenn ich ehrlich bin, dann sehe ich meine Chancen schwinden, dass da doch noch ein Happy End bei raus kommt. Ich würde es mir wünschen aber du scheinst immer wieder neue Steine zu finden, die du auf den Weg legen kannst. Muss man sich wirklich fragen, ob da am Ende nicht ein Cut wirklich das beste ist. Und Robin scheint ja nun ohnehin Nägel mit Köpfen machen zu wollen.. ich liebe es und gleichzeitig mag ich es nicht.. aber du weißt ja wie du das zu verstehen hast ;)


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