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Zerrissen zwischen den Welten

von

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Trotz des Windes, der in meinen Ohren rauschte und den schwungvollen Flügelschlägen der Greifen, Wyvern und diversen anderen Flugtieren um mich herum, konnte ich das begeisterte Brüllen und Klatschen der Massen, welche sich auf dem Landeplatz von Dalaran versammelt hatten schon von weitem hören. Die sonst gelblich schimmernde Plattform war nun von einer bunten, wogenden Masse bedeckt. Ich konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Wir hatten Gul'dan getötet, das Auge von Aman'thul in unseren Besitz gebracht und Illidans Geist seinen Körper zurück gegeben. Nun, ob uns der letzte Punkt wirklich zum Vorteil gereicht würde sich noch zeigen, aber der Triumpf war enorm. Die Säulen der Schöpfung waren vollständig. Und die Vernichtung der Legion würde nun nur noch eine Frage der Zeit sein.

"So zufrieden habe ich Euch lange nicht mehr gesehen", erklang plötzlich eine vertraute Stimme links neben mir. Ich blickte zur Seite, wohin Khadgar unbemerkt auf seinem Greif geglitten war. Sein Gesicht zeigte das gleiche zufriedene Lächeln wie meines.

"Ich denke wir haben auch allen Grund dazu Khadgar." Ich richtete mich in meinem Sattel auf und sofort glitt mein großer Wyvern sanfter durch die Luft. Khadgar nickte bestätigend.

"Und offenbar weiß bereits ganz Dalaran von Euren Heldentaten." Er wieß mit einer Hand auf die immer lauter brüllende Menge. Ich zog eine Augenbraue hoch.

"Woher weiß Dalaran überhaupt schon was passiert ist?" Khadgar zuckte mit gespielter unschuldiger Miene die Schultern.

"Womöglich war das plötzliche Auftauchen des Auge von Aman'thul ein Hinweis. Und der Rabe den ich mit einer Nachricht voraus geschickt habe", fügte er so leise hinzu, dass ich es fast nicht verstanden hätte und trieb dann mit einem Grinsen seinen Greifen wieder an. Ich verdrehte die Augen und kauerte mich wieder tiefer in den harten Sattel. Mein Wyvern schlug kräftiger mit den Flügeln und gewann an Höhe.

Die ersten schwebenden Inseln vor Dalaran rauschten an mir vorbei. Vorsichtig landete mein Wyvern zwischen den begeisterten Bewohnern und unzähligen Besuchern und brachte das Kunststück fertig keinen von ihnen mit einem Flügelschlag wegzufegen. Ich glitt von seinem Rücken und tätschelte ihn sanft, was er mit einem leisen Brummen quittierte. Ich sah über die Köpfe der Leute hinweg wie auch Khadgars Greif und die anderen Helden landeten. Plötzlich erhellte Feuerwerk den Himmel. Eindeutig magisch, denn es formte nacheinander die Namen aller Helden, welche Gul'dan bezwungen hatten. Gerade als mein Name golden aufleuchtete, legte sich eine Hand auf meine Schulter.

"Ihr habt wirklich mutig gekämpft heute", sagte Khadgar und blickte ebenfalls hinauf zu meinem Namen, welcher langsam verblasste.

"Nur heute?", lachte ich. Er stimmte mit ein.

"Morgen Abend findet im Gasthaus 'Zum gefeierten Helden' ein Fest zu euer aller Ehren statt. Ich hoffe doch den Hochlord auch dort begrüßen zu dürfen?" Und er zwinkerte mir zu. Ich errötete leicht und hoffte er bemerkte es durch die Farben des Feuerwerks nicht.

"Ein Fest? Ist das nicht etwas übertrieben? Und soweit ich weiß sind Mitglieder der Horde dort nicht gern gesehen."

"Der einzige Feind ist die Legion und es wird Zeit, dass dies jedem klar wird", wischte Khadgar meine Bedenken beiseite. "Und ein Fest ist wohl kaum übertrieben, wenn man bedenkt wie lange wir nun schon Gul'dan hinterher gejagt sind."

"Das mag sein, aber ist dort unbedingt meine Anwesendheit nötig?"

"Die Anführerin der silbernen Hand sollte nicht so panisch klingen, wenn eine gesellschaftliche Verpflichtung ruft", lachte Khadgar.

"So lang hab ich den Job ja noch nicht", murmelte ich leise. Khadgar ergriff meine Hand und drückte sie so fest, dass ich es selbst durch meine Plattenhandschuhe fühlte. Ich blickte zu ihm auf und wie immer fingen seine blauen Augen meinen Blick ein.

"Ich bitte Euch Hochlord; Orava; Freundin. Es würde mir eine unendlich große Freude machen, wenn Ihr dort erscheint." Als ich fühlte wie meine Wangen heiß wurden, schaffte ich es endlich den Blick abzuwenden. Ich nickte langsam. Khadgar hob meine Hand an seine Lippen und hauchte einen Kuss auf das zerschrammte Metall. Dann verschwand er mit einem Lächeln in der lauten Menge. Verwirrt blickte ich ihm hinterher, bis er außer Sicht war, schnellte dann herum und sprang in den Sattel meines immer noch geduldig wartenden Wyvern. Er spürte meine Aufregung und ohne, dass ich ihn antreiben musste, sprang er mit seinen kräftigen Beinen in die Luft und entfaltete seine Flügel. Die überraschten Rufe ignorierend lenkte ich ihn haarscharf über die Dächer der Stadt und auf dem kürzesten Weg zum Portal, welches direkt in das Sanktum des Lichts führte, die Ordenshalle der silbernen Hand und aller Paladine.

Ich stürmte hindurch und erschrak die Ehrenwachen auf der anderen Seite, als ich keuchend an ihnen vorbei stürzte. Überrascht sahen mir die paar Anwärter hinterher, welche an der großen Tafel Bücher wälzten.

"Delas! Delas!", rief ich, den Mittelgang entlang eilend und das leicht verunsicherte Salutieren der Wachen ignorierend.

"Was ist denn los?", kam eine Stimme von hinten und ließ mich herum fahren. Eine für ihr Volk zierliche Nachtelfe war aus einem Seitengang getreten und polierte geistesabwesend einen Dolch, während sie fragend ihre langen Augenbrauen hob.

"Delas! Ich brauch deine Hilfe!", rief ich und stolperte auf sie zu. Ihr Blick wurde wachsam und ihre Hand schloss sich fester um den Griff des Dolches.

"Was ist geschehen Hochlord? Wir haben erfahren, dass Gul'dan gefallen ist, aber-"

"Jaja, ist er", fiel ich ihr ins Wort und packte ihre Arme. "Khadgar will, dass ich auf die Siegesfeier morgen Abend gehe! Was soll ich da anziehen?!", presste ich hervor. Delas leuchtende Augen verengten sich zu Schlitzen.

"Oh", war alles was sie sagte, bevor sie mich in einen anderen Seitengang schob.
 

Unruhig zupfte ich am Saum eines Wandteppichs herum, während Delas einen großen Spiegel zurecht rückte.

"Wie man sich wegen des Tragen eines Kleides so anstellen kann...", hörte ich sie halblaut schimpfen und gab es auf den Wandteppich zu malträtieren.

"Es ist ja nicht nur wegen dem Kleid...", murmelte ich, als ich mir das erste grün schimmernde Stück Stoff in die Hände drückte. Ihr Blick wurde kurz weich und sie berührte mitfühlend meinen Arm, bevor sie mich ohne Gnade hinter einen Wandschirm schob. Der Stoff war so leicht, dass ich mich fühlte, als hätte ich gar nichts am Körper. Ich sehnte mich nach meiner Rüstung. Seufzend stellte ich mich vor den Spiegel und betrachtete das ungewohnte Bild. Selbstverständlich trug ich meine Rüstung nicht permanent, aber eben auch nie elde Stoffe besetzt mit kratzenden, goldenen Borten.

"Hm, ich hatte gedacht das Grün würde deine Augen mehr zur Geltung bringen, aber nein...", murmelte Dela und schob mich erneut hinter den Wandschirm. "Welche Farbe würdest du nehmen?", fragte sie und hielt mir 2 Kleider entgegen. Ich würdigte sie kaum eines Blickes und schielte nach meiner Rüstung, welche verwaist auf dem Boden lag. Delas räusperte sich ungeduldig. "Umso schneller wir das geklärt haben, umso schneller kannst du da wieder rein, also? Rot oder blau?" Mich meinem Schicksal fügend betrachtete ich die Kleider. Mein Blick wanderte sofort zu dem Roten. Welche Farbe repräsentierte schon sonst mein Volk und meine Fraktion besser? Dann jedoch sah ich das Blau und bei seinem Anblick kam mir sofort ein Gesicht in den Sinn, dessen Augen die selbe klare Farbe hatten.

"Das Blaue!", plazte ich heraus. Delas betrachtete es und sah dann verwundert zu mir.

"Wirklich?" Ich nickte heftig und schulterzuckend half sie mir es anzuziehen. Es kratzte nicht. Delas zupfte vor dem Spiegel ein wenig an mir herum und legte dann den Kopf schräg.

"Es steht dir besser als erwartet. Also dann blau." Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen, als ich mir vorstellte was Khadgar wohl sagen würde, wenn er mich morgen darin sehen würde. Ich streifte mir meine Rüstung wieder an und nahm mein Schild, den Wahrheitshüter und mein Schwert, den Eidsucher wieder auf. Ich nickte Delas zu und gemeinsam gingen wir zurück in die Haupthalle und bis zum Altar der uralten Könige. Es hatten sich bereits viele Paladine versammelt und das Getuschel was vermutlich seit meiner überstürzten Ankunft gerherrscht hatte verstärkte sich noch mehr als ich an den Bänken vorbei schritt. Vor dem Altar angekommen kniete ich kurz und gedachte Fordring. Ich hatte seine Entscheidung mich im Angesicht seines Todes zum Hochlord zu ernennen nie gewagt in Frage zu stellen, aber ich verstand auch nicht ganz was ihn zu diesem Schritt bewogen hatte. Seufzend erhob ich mich wieder und drehte mich um. Ich schlug den Eidsucher an den Wahrheitshüter und das Gemurmel erstarb.

"Paladine!", erhob ich meine Stimme. "Heute gelang uns ein großer Schlag gegen die Legion! Gul'dan ist tot! Endgültig vernichtet." Wie ein Mann erhob jeder seine Waffe und ein Schrei des Triumpfs drang aus ihren Kehlen. Das Sanktum erbebte förmlich.

"Zwar ist die Legion noch lange nicht besiegt, aber wir sind diesem Sieg näher als je zuvor. Und ich danke jedem von euch, der sein Leben dafür riskiert hat und wir gedenken jenen, die ihr Leben dafür gegeben haben." Ich senkte den Kopf und schloss die Augen. Auch wenn ich es nicht sah, so wusste ich doch, dass jeder im Raum es mir gleichtat. Vom Knappen bis zu den Meistern, jeder gedachte den Gefallenen und sandte ein Gebet zum Licht. Ich gedachte der Schrecken die noch vor uns lagen und wie viele Leben es noch fordern würde. Dann schüttelte ich den Kopf. Solche Bitterkeit konnte ich getrost Todesrittern oder Jägern überlassen. Paladine standen für die Hoffnung und ganz besonders ich. Ohne meine Anhänger in ihren Andachten zu stören verließ ich den Altarraum und zog mich auf mein Zimmer zurück, um endlich zu schlafen.

Eine unbekannte Zeit später klopfte es sachte an meiner Tür. Ich schwebte bereits in dem trägen Zustand zwischen Schlaf und aufwachen und grunzte ein herein. Die Tür schwang auf und eine nervös wirkende Initiantin trat ein. In ihren Händen hielt sie meine reparierte Rüstung.

"Hochlord, Eure Rüstung ist fertig." Ich winkte zu einem Stuhl und sie legte sie darauf ab. Stöhnend erhob ich mich von meinem Bett und streckte mich. Ich spürte jeden Muskel, ließ es mir aber nicht anmerken und stand auf.

"Hochlord, Aponi Lichtmähne möchte Euch sprechen", fügte die Initiantin hinzu. Ich nickte und dankte ihr geistesabwesend. Mit einer Verbeugung verließ sie den Raum. Mit den Gedanken weit weg wusch ich mich und legte meine Rüstung an. Das Metall glänzte wieder, aber ich fühlte die kleinen Beulen und Scharten, welche der Schmied nie würde entfernen können. Schwert und Schild ließ ich zurück und begab mich in das Sanktum. Wie immer ging ich zu erst zum Altar und dankte dem Licht und unseren glorreichen Anführern für ihr Geleit, danach begab ich mich zu dem weltlicheren Teil unserer Ordenshalle und fand Aponi Lichtmähne in den Band der uralten Könige versunken. Ich legte ihr eine Hand auf die massige Schulter und sie wandte sich um. Ein Lächeln erhellte ihre breiten Züge.

"Schön Euch unversehrt wieder zu sehen, Hochlord", sagte sie und erhob sich. Meine Hand verschwand fast vollständig in ihrer, als sie sie schüttelte.

"Ich danke Euch Aponi, aber bitte, lasst das Hochlord weg", sagte ich verlegen und lehnte mich ihr gegenüber an den Tisch. "Was wolltet Ihr so dringend von mir?"

"Delas sagte Ihr seid heute zu dem Fest im 'Geifeierten Helden' eingeladen. Besteht die Chance, dass die Einladung für noch ein paar weitere gefeierte Helden hier gillt?" Sie versuchte so beiläufig wie möglich zu klingen, aber ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen.

"Ich denke man wird überaus geehrt sein, wenn Ihr mich dorthin begleitet", sagte ich und Aponi grinste glücklich. Ich klopfte ihr auf den Arm und wandte mich zum gehen.

"Oh, und zieh etwas anderes als deine Rüstung an", sagte ich über die Schulter.

"Hatte ich vor!", rief sie mir hinterher. Scheinbar war ich die einzige die Probleme damit hatte etwas anderes zum anziehen zu finden als schepperndes Metall. Mir kam der Gedanke noch einen der anderen Helden einzuladen, vielleicht wäre es ein gutes Signal noch ein Volk auf Seiten der Allianz an meiner Seite zu haben.

"Boros?" Ich schaffte es nicht dem Hünenhaften Draenei auf die Schulter zu klopfen, so beließ ich es bei einer Berührung seines Armes.

"Hochlord? Gibt es einen neuen Auftrag?", fragte er pflichtergeben. Ich schüttelte abwehrend den Kopf.

"Nein, ich wollte fragen ob Ihr mich heute zu dem Fest begleiten würdet?" Boros wirkte überrascht.

"Natürlich sehr gern, Hochlord, aber wie kommt Ihr auf mich?"

"Nun, Lichtmähne begleitet mich ebenfalls und ich hielt es für angemessener wenn nicht nur Paladine auf der Seite der Horde dort erscheinen", antwortete ich ehrlich. Boros nickte verstehend.

"Sehr diplomatisch gedacht, Hochlord. Ich werde versuchen Euch nicht zu blamieren." Ein Lachen blitzte in seinen Augen.

"Wart Ihr schon einmal im 'Gefeierten Helden'?", fragte ich und begleitet ihn zu den Übungsatrappen. Boros lachte leise.

"Ja, einmal, vor einer Ewigkeit. Ich weiß jedoch nicht mehr wie ich hinaus gekommen bin." Und er zwinkerte mir vielsagend zu. Ich unterdrückte ein Lächeln und beobachtete ein paar Adepten bei ihren Schwertübungen.

"Nun, dann kennt sich dort zumindest einer von uns aus. Ich erwarte Euch dann später hinter dem Portal. Bitte in etwas weniger... breitem." Und ich wieß auf seine ausladende Rüstung. Er verbeugte sich leicht und wandte sich ab um die Fussstellung eines Adepten zu korrigieren. Den Rest des Tages widmete ich mich der Planung von Missionen und teilte meine Truppen für verschiedene Aufgaben ein. Obwohl sich mein ganzes Selbst darauf konzentrierte, konnte ich nicht verhindern, dass die Gedanken an den Abend wie eine bedrohliche Wolke über allem hingen.

Irgendwann tippte mir Delas auf die Schulter und ich riss mich von einem Bericht eines Ritters über verderbte Murlocs los.

"Es wird Zeit. Du musst dich noch umziehen", sagte sie drängend und ich ließ mich von ihr in die hinteren Gemächer ziehen. Sie half mir beim ablegen meiner Rüstung und ich schlüpfte in das blaue Kleid.

"Wir sollten noch irgendwas mit deinen Haaren anstellen...", murmelte Delas und öffnete meinen gewohnten Pferdeschwanz. Rotblonde Haare fielen mir auf die Schulter. "Ein Glück reicht es bei Elfen schon sie einfach aufzumachen", sagte sie kichernd und kämmte die wallende Masse mit ihren Fingern durch. Ich betrachtete mich im Spiegel und erkannte mich selbst kaum.

Das Sanktum war weitgehend leer und ich nicht böse darüber. Delas begleitete mich zum Portal, immer noch darüber lachend, dass ich aus Gewohnheit mein Schwert und Schild hatte mitnehmen wollen. Die wenigen Meister und Knappen, welche ihre Studien einer Nachtruhe vorgezogen hatten, versuchten mich nicht allzu offensichtlich anzustarren, aber ihre Blicke spürte ich trotzdem und wurde immer aufgeregter. Vor dem Portal drückte Delas mich aufmunternd an ihre Brust und ich nickte ihr zuversichtlich und dankbar zu.

Aponi und Boros warteten auf der anderen Seite bereits auf mich. Selbstverständlich perfekt in festlicher Taurischer und Draeneischer Tracht gekleidet. Flankiert von beiden liefen wir durch das belebte abendliche Dalaran und auf das Gasthaus zu. Wie üblich standen davor die Worgenwächter, so grimmig dreinschauend wie eh und je. Ich zögerte kurz vor dem Eingang, doch Boros schenkte mir ein aufmunterndes Nicken und so straffte ich die Schultern und ging erhobenen Hauptes hinein. Niemand forderte mich zum gehen auf. Auch Aponi und Boros traten ein und sahen sich neugierig um. Ich tat es ihnen gleich. Der Raum wirkte riesig und war oppulent geschmückt. Ich bezweifelte, dass hier immer riesige goldene Banner von der Decke hingen und die Tische unter dem Gewicht von riesigen Mengen an Essen ächzten.

"Dann, wünsch ich euch beiden viel Spaß", wandte ich mich an meine Begleiter und entließ sie aus meinem Geleid. Beide verneigten sich kurz und mischten sich dann unter die zahllosen Gäste. Ich ging ziellos im Raum herum, sah immer wieder ein bekanntes Gesicht und nickte zum Gruß, aber nirgends war der Mann zu sehen nach dem ich eigentlich insgeheim ausschau hielt. Eine halbe Stunde später war ich kurz davor mein halbvolles Glas mit Mondschein stehen zu lassen und mich klammheimlich weg zu schleichen. Boros und Aponi amüsierten sich köstlich und ich hatte Boros inzwischen schon dreimal dabei beobachtet wie er die Anekdote mit den 3 Teufelsorcs und dem Felshetzer vorführte. Das Publikum lachte ergeben. Ich hatte mich mit ein paar der anderen Champions unterhalten, welche gestern ebenfalls dabei gewesen waren, aber hatte mich nicht getraut nach Khadgar zu fragen. Und nun saß ich an meinem 3. Glas Mondschein und starrte eines der goldenen Banner an. Mein Bett schien mir als der schönste Ort den es auf Azeroth gibt. Da spürte ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter. Ich drehte mich um und da stand er.

"Hochlord. Ich freue mich, dass Ihr meiner Einladung nachgekommen seid", begrüßte mich Khadgar mit einem warmen Lächeln. Mein vom Mondschein bereits etwas aufgeweichtes Gehirn schaffte es nicht sofort eine angemessene Antwort zu formulieren.

"Ja...ja, natürlich", stammelte ich und fuhr mir nervös durch die Haare.

"Ich hätte Euch fast nicht erkannt. Das Kleid steht Euch ausgezeichnet." Und er nickte anerkennend. Verlegen sah ich zu Boden, auch um mein rot angelaufenes Gesicht zu verbergen.

"Sind denn nicht alle Eingeladenen gekommen?", fragte ich in dem verzweifelten Versuch eine sinnvolle Konversation zu führen. Khadgar schüttelte bedauernd den Kopf und ließ seinen Blick über die feiernde Menge schweifen.

"Leider nein. Ich hatte gedacht, dass Jaina sich zumindest heute überwinden kann mit uns zu feiern. Aber..." Er verstummte und ich sah die Enttäuschung in seinem Gesicht. So gern ich auch etwas tröstendes zu ihm gesagt hätte, aber wie könnte ich? Schließlich war es nicht zu einem unerheblichen Teil meine Schuld, dass Jaina Prachtmeer sich nicht nur aus Dalaran sondern auch allem anderen in Azeroth entfremdet hatte. Es war Khadgars Entscheidung und Wille gewesen, mich in die Geheimnisse der Kirin Tor einzuweihen und mir ihre Hilfe zur Seite zu stellen, um gegen die eiserne Horde zu kämpfen und schon damals hatte Jaina nur widerwillig zugestimmt. Und jetzt, als er es ein weiteres mal getan hatte, um gegen die Legion in die Schlacht zu ziehen, hatte sie sich endgültig losgesagt. Keiner wusste wo sie sich aufhielt, doch ich zweifelte nicht daran, dass Khadgar ihr trotzdem Nachrichten zusenden konnte. Und, allerdings gab ich das kaum vor mir selbst zu, ich war nicht gerade unglücklich darüber, dass Jaina Prachtmeer hier nicht aufgetaucht war. Es mochte lange her sein, doch ich hatte ihre Säuberungsaktion der Kirin Tor und die Evakuierung aller Blutelfen aus Dalaran nicht vergessen. Bei dem Versuch meine Schwestern und Brüder zu retten hatte sie mich fast getötet und ich konnte ihr nur durch einen Sprung in die Tiefe unter Dalaran und einem rechtzeitig vorbei fliegenden Drachenfalken entkommen. Auf weitere Beschimpfungen konnte ich gut verzichten. Und so beließ ich es dabei meine Hand tröstend auf Khadgars Arm zu legen. Seine schlechte Stimmung verflog sofort und er lächelte mich entschuldigend an.

"Doch wir sollten uns lieber über die freuen, welche gekommen sind, nicht wahr?" Und lachend stießen wir an. Khadgar und ich redeten ewig. Vielleicht war es auch nur eine Stunde, aber für mich stand die Zeit still und lief gleichzeitig mit doppelter Geschwindigkeit. Vermutlich fühlte ein Zeitdrache sich immer so. Als wir gerade dabei waren über Illidans Vergangenheit zu fachsimpeln unterbrach uns plötzlich eine sehr laute Stimme.

"Khadgar! Hier habt Ihr Euch versteckt! Mein Freund, auf ein Wort!" König Genn Graumähnes Stimme war so dröhnend, dass man ihn vermutlich noch bis zum Brunnen hören konnte. Er legte Khadgar einen Arm um die Schulter und wollte ihn fortziehen, mich keines Blickes würdigend. Doch Khadgar bewegte sich keinen Zentimeter fort.

"Genn, wenn Ihr so freundlich wäret kurz auf mich zu warten? Ich möchte gern noch mein Gespräch mit Hochlord Silberdorn beenden. Ich bin mir sicher was ihr zu sagen habt kann bis dahin warten", sagte er freundlich aber bestimmt. Ein Lächeln umzuckte meine Mundwinkel. Nun hefteten sich eisblaue Augen auf mich. Ich konnte Verachtung in jeder Faser von Graumähne für mich fühlen. Er schnaubte und ein Schwall an Alkoholdunst wehte mir entgegen. Offenbar war der König nicht mehr ganz nüchtern.

"Es stimmt also, ihr zieht inzwischen die Horde Eurem eigenen Volk und der Allianz vor", fauchte er angriffslustig. Khadgar blieb ungerührt von dieser Anschuldigung.

"Nein Genn, ich ziehe Höflichkeit vor. Deshalb solltet Ihr nun gehen." Genn spuckte vor mir auf den Boden. Ich wisch erschrocken einen Schritt zurück.

"Verkleidet Euch ruhig als was Ihr wollt. Ihr täuscht niemanden! Khadgar mag auf Euch herein fallen, aber ich werde nie einem euresgleichen trauen!" Khadgar packte seinen Arm, welchen Graumähne unbewusst erhoben hatte.

"Es reicht jetzt! Ich lasse nicht zu, dass Ihr meine Gäste beleidigt Genn. Gerade jetzt sollten wir geschlossen gegen unseren Feind stehen." Um uns herum war es still geworden und die umstehenden beobachteten gespannt was geschah. Graumähnes wutentbranntes Gesicht wandte sich jetzt Khadgar zu und mit beängstigender Geschwindigkeit verwandelte er sich in einen riesigen Worgen. Obwohl er den Erzmagier nun um einen Kopf überragte zeigte er sich nicht beeindruckt und hielt den nun an einem Ende mit scharfen Klauen bewaffneten Arm weiter fest.

"Das dort ist der Feind Khadgar! Habt Ihr noch nicht genug verloren um das zu begreifen?", grollte Graumähne und zeigte anklagend auf mich. Ich konnte nur versteinert dastehen und wünschte mir nichts sehnlicher als mein Schild nun bei mir zu haben. Ich hatte Worgen schon unzählige Male bekämpft, aber niemals praktisch unbewaffnet und nur von einem Stück Stoff geschützt. Plötzlich wurden Genns klaffende Kiefer von einem purpurnen Band verschlossen. Auch um seine Handgelenke legte sich dieses Band und zog sie ihm auf den Rücken. Der geknebelte Worgenkönig ging in die Knie und sah hasserfüllt zwischen mir und Khadgar hin und her. Nun fiel mir auf, dass Khadgars Augen begonnen hatten hellblau aufzuleuchten. Er hatte Genn gefesselt. Sofort traten grimmig dreinblickende Worgen herbei. Khadgar hob einen Arm und sie blieben wie angewurzelt stehen.

"Genug damit! Schafft ihn fort und lasst ihn in einem Zimmer ausnüchtern bevor er etwas noch unbedachteres tut", befehligte er die Worgen, welche ohne zu zögern Graumähne hochhoben und weg trugen. Inzwischen war es im ganzen Gasthaus totenstill und jeder Blick auf uns geheftet.

"Verzeiht bitte diesen Zwischenfall. König Graumähne fühlt sich nicht gut, aber das ist kein Grund nicht weiter zu feiern", erhob Khadgar das Wort. Die meisten Gäste waren ebenso betrunken wie Genn und so kehrte die gute Stimmung schnell zurück. Ich stand mit gesenktem Kopf da und betrachtete den Steinboden auf welchem noch die Spucke von Graumähne glitzerte.

"Verzeiht das alles bitte Orava." Khadgars Worte waren nur ein Flüstern. Langsam sah ich auf.

"Nein, verzeiht mir bitte. Ich hätte nicht kommen sollen", würgte ich hervor, drehte mich um und ging. Ich weiß nicht ob Khadgar versuchte mich aufzuhalten, der Raum war so voll, dass er kaum eine Gelegenheit dazu gehabt haben konnte. Als ich es endlich raus auf die Straße geschafft hatte lief ich zurück zum Portal des Sanktums. Heiße Tränen liefen mir das Gesicht herunter, doch ich achtete nicht darauf.

Verkatert und mit einem dröhnenden Schädel erwachte ich am nächsten Tag aus meinem Koma. Zu mehr als die Augen zu öffnen war ich noch nicht in der Lage und so starrte ich die karge Steindecke an. Es gab kein Fenster in meinem Raum, ich hatte keine Vorstellung davon wie spät es war und eigentlich war es mir auch vollkommen egal. Ich versuchte nicht an den Abend zu denken, doch da ich meinem Hirn sonst nichts zu tun gab, wanderte es immer wieder zu dem Hass in Graumähnes Augen. Schließlich raffte ich mich auf und setzte mich auf die Bettkante. In mein Zimmer hatte ich es glücklicherweise geschafft, allerdings war ich viel zu erschöpft von allem gewesen, um mich auch noch auszuziehen. Ich blickte auf das zerknitterte blaue Kleid hinunter und sinnlose Wut und Scham flammte durch mich. Was hatte ich mir nur gedacht? Wem wollte ich etwas vormachen? Ich riss mir das Kleid vom Körper und achtete nicht auf die beunruhigenden Geräusche die es dabei von sich gab. Dann warf ich es auf den Boden und versetzte ihm auch noch einen Tritt. Wie hatte ich zulassen können, das Graumähne so mit mir redete? Warum hatte ich ihm nicht gleich dort sein viel zu großes Maul gestopft? Ebenso wütend, aber entschlossener legte ich meine Rüstung an, das flaue Gefühl im Magen verdrängend. Ich hatte mich ablenken lassen, war weich geworden. Wegen einem Menschen. Ich lachte freudlos auf. Ausgerechnet ich. Diesen Fehler würde ich nicht noch einmal begehen. Ich nahm den Eidsucher und den Wahrheitshüter auf. Ihr Gewicht gab mir meine innere Sicherheit zurück. Mag Graumähne von mir und der Horde denken was er wolle. Ich war Hochlord. Ernannt von Tirion Fordring persönlich. Aufrecht trat ich aus meinem Raum und ging mit weiten Schritten zum Altar. Ehrfürchtig kniete ich nieder und schloss meine Augen. Wie schon so unzählige Male davor blendete ich die Geräusche um mich herum aus und lauschte nur auf meine Innere Stimme. Ich hörte... Stille und verkniff mir ein Seufzen. Die Wut in meinem Bauch legte sich langsam und ich ließ die letzten Wochen vor meinem geistigen Auge Revue passieren. Ich hatte den Pfad des Lichts nicht verlassen, aber ihn in eine falsche Richtung eingeschlagen, wie ich bemerkte. Respekt und Geduld waren mir nicht abhanden gekommen, aber die am schwersten zu lernende Tugend des Mitgefühls war mir entglitten. Oder vielleicht sollte ich besser sagen, ich hatte sie falsch verwendet. Das Mitgefühl lehren wir unseren Schülern ganz zum Schluss, denn falsch angewandt bringt es oft mehr Schaden als Nutzen. Ein echter Paladin erkennt wer Hilfe benötigt und wer sich selbst helfen kann. Ich hatte das vergessen. Die Position des Hochlords hatte es mich vergessen lassen. Auch wenn ich versucht hatte mich davon nicht beeinflussen zu lassen, war ich doch Anmaßend und überheblich geworden. Ich hatte mir eingebildet den Schlachtzug gegen die Legion ganz allein gewinnen zu müssen und auch zu können. Die Selbe Überheblichkeit die auch den Scharlachroten Kreuzzug hervor gebracht hatte. Und dann waren da noch meine Gefühle für Khadgar. Ich hatte sie mir zwar gestanden, aber mich auch von ihnen schlecht beeinflussen lassen. Khadgar zu helfen und permanent für ihn da zu sein war mir richtig und normal vorgekommen. Dabei hatte ich übersehen wer wirklich meine Hilfe gebraucht hätte. Nun erlaubte ich mir ein Seufzen. Das war eine gute Lektion selbst als erfahrener Kämpfer seine Motive immer zu hinterfragen. Ich gedachte meiner Gefühle für Khadgar. Sie waren unverändert. Selbst jetzt vertieft in meine Andacht spürte ich mein Herz schneller schlagen. Doch nun hinterfragte ich sie zum ersten mal. Sie machten weder mich noch jemanden anderen glücklich und brachten mich nirgendwohin. Warum also sollte ich an ihnen festhalten? Konnte ich nicht einfach nur Bewunderung für den großen Erzmagier empfinden? Ihn vielleicht ein wenig anhimmeln, aber mehr auch nicht? Es wäre wohl ein hartes Stück Arbeit, aber was war in meinem Leben bisher kein hartes Stück Arbeit gewesen? Eine Träne stahl sich aus meinem Augenwinkel. Es überraschte mich selbst wie hart mich offenbar die Entscheidung traf ihn aufzugeben.

"Wer mit dem Licht ist, ist niemals allein", rief ich mir ins Gedächtnis. Lächelnd öffnete ich die Augen und blickte nach oben.

"Danke", flüsterte ich und eine vertraute Wärme strömte durch mich hindurch. Langsam erhob ich mich und wandte mich um. Boros stand geduldig wartend hinter mir.

"Hochlord, ihr schient Nachzusinnen. Ich wollte Euch nicht stören", erklärte er mit einer Verbeugung. Ich nickte verstehend.

"Was gibt es Boros?"

"Ich wollte fragen, ob es Euch gut geht? Ihr wart gestern plötzlich verschwunden." Ich lächelte.

"Ja, mir geht es gut. Danke, dass Ihr Euch Sorgen gemacht habt, aber wir sollten uns nun Wichtigerem zuwenden." Ich ging an Boros vorbei und er folgte mir in geringem Abstand. Vor der Kundschafterkarte hatten sich bereits einige meiner Helden versammelt. Die Gespräche verstummten als ich hinzu trat.

"Was gibt es zu berichten?", fragte ich in die Runde. Ich sah wie Blicke getauscht wurden.

"Geht es Euch gut, Hochlord?", fragte Lady Liadrin stirnrunzelnd. Ich lächelte und nickte.

"Natürlich. Also, was gibt es zu berichten?" Wieder Blicke, aber außer der Matriarchin der Blutritter traute es sich keiner nochmal nachzufragen.

"Ähm, Ettins terrorisieren die Tauren im Hochberg immer mehr und halten inzwischen die Handelswege nach Donnertotem auf", fing Aponi an.

"Gut, kümmer dich darum. Ebenhorn hat genug mit den Harpyien zu kämpfen." Aponi nickte und ging ein paar Knappen herbei pfeifend.

"Was noch?" Ich hörte mir alle Sorgen und Probleme, sowie Beobachtungen und viele Belanglosigkeiten an. Auf jede reagierte ich angemessen und mit mehr emotionalen Abstand als zuvor. Als alle Helden fort waren, setzte ich mich an den großen Tisch und laß mir die liegen gebliebenen Papiere durch. Es ging mir gut, aber tief in mir, in dem dunklen Winkel den nicht einmal das Licht erhellen konnte fühlte ich, dass etwas fehlte.

So vergingen die Tage. Ich wägte die Aufträge ab und die Erfolgsmeldungen gaben mir recht. Allerdings verließ ich selbst das Sanktum nicht mehr. Die ersten Tage fiel es noch nicht weiter auf, aber nach einer Woche in denen ich das Sanktum nur durch die Kapelle des Hoffnungsvollen Lichts verlassen hatte, um mir in den östlichen Pestländern ein wenig die Beine zu vertreten, wurden die Meister aufmerksam.

"Mir ist aufgefallen, dass du keine Aufträge mehr selbst übernimmst", sagte Delas eines Tages aus heiterem Himmel. "Warum?" Ich saß noch über meinem Frühstück und seufzte leise.

"Das ist nicht nötig. Ihr erledigt alles perfekt." Ich hoffte, dass ihr das genügen würde, aber natürlich tat es das nicht.

"Mag sein, aber du gehst auch nicht mehr nach Dalaran oder Orgrimmar. Und sonst vergehen kaum 2 Tage, ohne dass du in Silbermond auftauchst. Also, was ist los?" Ich mochte Delas wirklich sehr, aber ihre direkte Art war manchmal wirklich anstrengend. "Ich fühl mich einfach derzeit hier wohler", sagte ich wage. Ich musste Delas nicht anschauen, um zu wissen, dass ihre Augenbraue hoch gewandert war. "Und hier gibt es genug für mich zu tun. Ich habe in den letzten Wochen viel vernachlässigt, weil ich permanent draußen unterwegs war. Das will ich nun nachholen." Delas brummte unzufrieden. Ich ergriff ihre Hand. "Mir geht es gut. Wirklich. Und jetzt zerbrich dir nicht länger meinen Kopf." Ich lächelte aufmunternd. Delas starrte mich weiterhin zweifelnd an, aber kam wohl zu dem Schluss, dass es nichts brachte mich weiter zu beackern. Sie nickte, stand auf und ging zu den Übungsatrappen. Ich widmete mich wieder meinem Frühstück und ging dann auf einen Spaziergang durch die Pestländer. Die Gegend war weder schön, noch war die Luft erfrischend, sondern durchsetzt mit dem Geruch von Verwesung und Schimmel. Aber es war einsam hier, und ruhig. Niemand verirrte sich zufällig hier her. Selbstverständlich hatte Delas recht. Ich zog mich mit voller Absicht zurück und war heilfroh, dass nur wenige wussten, dass die Kapelle des Hoffnungsvollen Lichts so einen weitläufigen Keller hatte. Es geschah nicht wirklich aus Verlegenheit oder weil ich Graumähne nicht über den Weg laufen wollte. Sondern weil mir mein Entschluss Khadgar nur noch mit neutralen Augen zu betrachten unendlich schwer viel. Ich dachte, dass es mir gut tun würde Abstand zu halten. Um weniger an ihn zu denken. Das war leider ein Irrtum. So sehr ich es auch versuchte, jeden Tag dachte ich an ihn. Und obwohl er inzwischen wertlos war, trug ich den Ring, welchen er mir für den Kampf gegen die eiserne Horde angefertigt hatte immernoch bei mir. Ich wollte ihn weg werfen, brachte es aber einfach nicht fertig. Und wie so oft ließ ich meine Hand in die Tasche gleiten und holte Thorasus, das steinerne Herz Draenors hervor. Der schmale Goldreif mit dem blutig roten Stein glänzte wie an dem Tag, als er ihn mir überreicht hatte. Ich seufzte bei seinem Anblick. Dass ich in diesen Dingen so einen schwachen Willen hatte überraschte mich sehr.

Ich machte mich auf den Rückweg. Als die Kapelle wieder in Sicht kam, hörte ich jemanden nach mir brüllen.

"Hochlord Silberdorn! Hochlord Silberdorn!" Ein Knappe rannte auf mich zu. "Hochlord! Eine wichtige Nachricht ist für Euch eingetroffen!" Ich streckte meine Hand aus. Der Knappe starrte sie verwirrt an.

"Nun? Gib mir die Nachricht."

"Oh nein nein! Ich hab sie nicht mitgebracht, sie liegt noch im Sanktum." Ich unterdrückte das Augenrollen. "Gut, lauf zurück, ich komme gleich nach." Der Knappe nickte, drehte sich um und sprintete zurück. Ich nahm mir vor logisches Denken mit in den Unterricht aufzunehmen und schlenderte an den trainierenden Paladinen vor der Kapelle vorbei und hinein in das unscheinbare Bauwerk. Im winzigen Kirchenschiff senkte sich langsam der Steinboden ab und bildete eine Rampe hinab ins Sanktum.

Ich sah die Schriftrolle bereits von weitem. Und auch welches Siegel sie trug. Doch ich unterdrückte das Verlangen inne zu halten, brach das Siegel und rollte die Nachricht auf.

"Hochlord Orava,

ich hoffe es geht Euch gut und Ihr habt Euch die Worte König Graumähnes nicht zu Herzen genommen.

Eure Gefolgsleute unterrichteten mich darüber, dass das Sanktum des Lichts Euch derzeit nicht entbehren kann, doch ich habe eine überaus wichtige Mission, welche ich nur Euch anvertrauen kann. Ich bitte Euch daher mich unverzüglich in Dalaran aufzusuchen.

Hochachtungsvoll,

Erzmagier Khadgar"

Ich laß die Nachricht noch 3 mal, bevor ich sie auf den Tisch zurück legte. Ich wusste nicht genau wie ich mich nun fühlen sollte. Enttäuscht? Verärgert? Neugierig? Ja irgendwie das alles. Ich spielte mit dem Gedanken die Nachricht einfach zu ignorieren, oder einen der anderen Helden zu schicken. Aber natürlich verwarf ich diese Überlegungen sofort wieder. Das käme einer Beleidigung gleich und eigentlich war ich ja überhaupt nicht sauer auf Khadgar sondern einfach nur ein riesiger Idiot. Ich seufzte.

"Schlechte Nachrichten?", fragte plötzlich eine Stimme hinter mir. Ich zuckte zusammen und wandte mich um. Delas sah mich unschuldig an. Ich verdrehte die Augen.

"Nicht direkt. Khadgar ruft mich. Das wars wohl mit meinem Urlaub", sagte ich bedauernd. Delas hob eine Augenbraue.

"Ach war das jetzt also doch Urlaub? Ich dachte du hattest so viel Arbeit zu erledigen?" Verdammte aufmerksame Elfe.

"Du weißt schon was ich meine!", schnappte ich und wandte mich ab, um auf mein Zimmer zu gehen. Ich hörte ein leises Kichern hinter mir und ignorierte es geflissentlich. Die ganze Zeit über in meinem selbstgewählten Exil hatte ich nur ein schlichtes Gewand aus Leder getragen, wie es auch die Novizen zum Schwerttraining anhatten. Nur der Wappenrock der Silbernen Hand, welchen ich darüber trug unterschied mich von ihnen. Leider war das für Dalaran nicht gut genug. Meine Rüstung wartete bereits auf mich. Als ich sie anlegte konzentrierte ich mich nur auf ihr Gewicht, den Geruch des Leders und versuchte nicht an den Grund zu denken warum ich sie anlegte. Wahrheitshüter und Eidsucher funkelten mir bereits entgegen. Anders als meine Rüstung waren beide ohne jeden Makel. Zu mächtig war die Magie, die ihnen inne wohnte. Ich nahm das mächtige Schild in die Hand und fühlte wie mich seine Wärme erfüllte. Unwillkürlich lächelte ich. Erst jetzt bemerkte ich wie sehr mir diese Wärme gefehlt hatte. Zuversicht, von welcher ich erst nicht bemerkt hatte, dass sie fort gewesen war nahm ihren Platz wieder ein. Ich war bereit.

Als ich auf der anderen Seite des Portals Dalarans Boden betrat wehte mir der unverkennbare Geruch der Großstadt entgegen. Interessanterweise unterschied er sich nur wenig von dem des Pestlandes. Scheinbar hatte Delas mein Erscheinen angekündigt, denn Belore, mein Wyvern wartete bereits auf mich. Liebevoll streichelte ich ihm durch die zottige Mähne, was er dunkel brummend genoss.

"Es tut mir leid mein Großer. Ich hab dich vernachlässigt", murmelte ich in sein Ohr, doch er schnaubte nur leise. Ein Glück waren Wyvern selten nachtragend. Mit Greifen verhielt es sich wohl anders wie ich gehört hatte. Mit einem Satz schwang ich mich in den Sattel und Belore trabte hinaus in die Sonne. Der Weg war zwar nicht weit bis zur violetten Zitadelle, aber ich war froh einfach über die Massen, welche sich durch die Straßen von Dalaran schoben hinweg fliegen zu können. Man konnte nie ahnen wem man begegnete. Doch nun versuchte ich mich für die Begegnung zu wappnen welche mir unweigerlich bevorstand. Belore landete auf der breiten Treppe, welche zur Zitadelle hinauf führte und ich stieg ab.

"Warte auf mich", flüsterte ich dem geduldigen Tier zu, welches sich sofort artig setzte und mehr als einem ungeduldigen Magier den Weg versperrte. Ich sah die Stufen hinauf und fühlte mich klein, ob der riesigen Türme der Zitadelle und der Macht ihrer Herren. Der Rat der Sechs hielt sich fast immer hier auf. Sie waren es die meinen Wahrheitshüter noch stärker gemacht und das bereits von Titanen als unüberwindlichen Wall erschaffene Schild nun endgültig unbesiegbar gemacht hatten. Zumindest wenn sein Träger sich als stark genug erwies.

"Bloß keinen Druck", murmelte ich. Meine Beine nahmen mechanisch eine Stufe nach der anderen. Schon stand ich vor dem riesigen Eingang und bevor ich richtig in Panik geraten konnte, war ich auch schon hindurch und fand mich vor dem Rat der Sechs wieder. Unter ihnen natürlich Khadgar. Ich verbeugte mich leicht vor ihnen.

"Ihr hattet mich rufen lassen", wandte ich mich direkt an Khadgar. Zu meiner Erleichterung hörte ich kein Zittern in meiner Stimme. Ein Lächeln zog sich über sein Gesicht.

"In der Tat. Es tut gut Euch wieder zu sehen. Macht mir die Freude und begleitet mich auf einen kleinen Spaziergang." Ohne ein weiteres Wort ging er an mir vorbei. Ich schaute ihm verdutzt nach, verbeugte mich schnell zum Abschied vor den anderen Ratsmitgliedern und eilte ihm hinterher. Khadgar war bereits auf der ersten Stufe, bevor ich ihn einholte. Schweigend lief ich an seiner Seite und wurde immer unruhiger. Scheinbar war es doch etwas äußerst wichtiges, wenn er den Auftrag nicht mal vor dem Rat mit mir besprechen wollte.

"So gern ich auch die Ausreden der Studenten höre, warum sie zu spät zum Unterricht erschienen sind, so denke ich doch es gibt einen besseren Rastplatz für Euren Begleiter", meinte Khadgar plötzlich milde schmunzelnd. Ich sah zu Belore hinab, welcher immer noch entspannt auf der Hälfte der Stufen saß und eine wachsende Zahl verärgerter Magier, die sich an ihm vorbei drücken musste, jedoch auch nicht den Mut aufbrachten irgendetwas gegen den trägen Berg aus Muskeln und Klauen zu unternehmen.

"Oh. Verzeihung. Belore! Auf!", rief ich zu ihm hinab und sofort schnellten seine Ohren zu mir herum, kauerte sich nieder und sprang dann in die Luft, seine Flügel entfaltend. Ich kicherte leicht, als ein paar der umstehenden Magier vor Schreck laut aufkreischten. Wahrlich nicht alle sind für den Kampf geschaffen. Ich wandte erstaunt den Kopf, als ich Khadgar neben mir ebenfalls kichern hörte. Wir sahen uns an und dann brach das Lachen aus uns heraus. Erst am Fuss der Treppe beruhigten wir uns wieder. Anstatt auf der Straße zu bleiben bog Khadgar nach links ab auf den hübsch gepflegten Rasen, welcher Dalaran umgab. Das Gras war so dicht und weich wie ein teurer Teppisch und ich hatte schon mehr als einmal überlegt, dass er unmöglich ohne Magie so perfekt wachsen konnte. Schweigend gingen wir an der Zitadelle vorbei, ignorierten geflissentlich den weit offen stehenden Eingang zur Kanalisation und wussten natürlich absolut nichts davon, dass es dort unten einen mehr oder weniger illegalen Kampfring gab.

"Wisst Ihr woran mich das Gras hier erinnert?", fragte Khadgar plötzlich unvermittelt. Ich schaute unsicher zu ihm, doch er hielt seinen Blick nach vorn gerichtet.

"Nein."

"An Sturmwind. Im Magierviertel ist überall genau solches Gras. Wart Ihr schon einmal dort?" Wieder schaute ich ihn an, diesmal mit zusammengezogenen Augenbrauen, aber sein Gesichtsausdruck wirkte vollkommen neutral. Scheinbar war die Frage ernst gemeint.

"Nein", erwiederte ich deshalb erneut.

"Zu schade."

"Aber, in Silbermond und dem Immersangwald gibt es ebenfalls solch schönes Gras. Natürlich nicht überall..." Auch nach so langer Zeit war die Narbe, welche die Legion unserer wunderschönen Heimat zugefügt hatte nicht verblasst. Khadgar nickte zustimmend und wir liefen weiter. Hatte er mich nur gerufen, um über Gras zu plaudern? Wir erreichten die halb zerfallene Aussenmauer von Dalaran, stiegen über die herum liegenden Teile hinweg und beobachteten kurz einen Haustierkampf in der davor improvisierten Arena.

"Ich hatte überlegt die Mauer endlich wieder ordentlich aufbauen zu lassen, aber dann entgeht einem leicht ein unvergleichlicher Ausblick", sagte Khadgar gedankenverloren und wieß auf den Rand der schwebenden Stadt. Er hatte recht. Schon oft hatte ich selbst inne gehalten, um einen Blick auf die verheerten Inseln oder einfach nur hinab ins tiefe, dunkelblaue Meer zu werfen. Wir setzten unseren Weg am Rand der Stadtmauer fort und waren nun vollkommen allein.

"Ihr fragt Euch sicher, warum ich Euch riefen ließ." Ich nickte. "Nun zum einen wollte ich wissen, ob Ihr tatsächlich noch lebt, wie mir Eure Leute auffällig häufig versicherten." Ich sah ein Lächeln auf seinem Gesicht und konnte nicht anders als es zu erwiedern.

"Aber natürlich habe ich auch einen weiteren wichtigen Auftrag für Euch." Wieder nickte ich, jedoch ernsthafter. Doch anstatt mir nun endlich diesen Auftrag zu erklären, verfiel er wieder in Schweigen. Ich beobachtete eine nah dahin schwebende kleine Insel. Nur ein Baum wuchs auf ihr. Wie groß wohl die Wellen währen, wenn sie plötzlich hinunter stürzen würde?

"Hoch genug um Azsuna zu überfluten sicherlich", kam es plötzlich von Khadgar. Erschrocken wandte ich mich zu ihm. Er lachte laut auf.

"Keine Sorge, Gedankenlesen habe ich mir noch nicht angeeignet. Aber ich habe auch schon oft darüber nachgedacht, wenn ich hier entlang komme." Ich stieß ihm meinen Ellenbogen in die Rippen und fiel in sein Lachen ein.

"Nun werde ich mir nie wieder erlauben meine Gedanken schweifen zu lassen, solltet Ihr in der Nähe sein."

"Verzeiht bitte." Ich winkte lachend ab. Und bemerkte dann, dass Khadgar stehen geblieben war. Ich drehte mich zu ihm.

"Nein wirklich. Bitte verzeiht mir." Das Lachen war verschwunden. "Was auf der Feier geschah ist unentschuldbar. Graumähne ist längst zurück nach Sturmwind gekehrt, um weiter Varians Vermächtnis für Anduin zu verderben. Und ich muss leider sagen, dass er tatsächlich das denkt was er in der Nacht sagte." Ich wandte mein Gesicht von ihm ab. Ich wollte nicht, dass er sah wie sehr sich meine Augen bei diesen Worten und der Erinnerung an den Abend verdunkelt hatten.

"Leider muss ich sagen, dass ich seinen Hass Euch gegenüber verstehen kann." Sofort öffnete ich den Mund, um zu protestieren, doch Khadgar hob eine Hand.

"Lasst mich ausreden. Natürlich nicht Eurer Person gegenüber, schließlich kennt er Euch quasi nicht. Aber für das war Ihr steht."

"Die Horde", flüsterte ich.

"Die Horde", bestätigte Khadgar. "Die in seinen Augen für den Tod von Varian verantwortlich war. Oder, um noch deutlicher zu sein, Sylvanas Windläufer. Er hasst sie bereits mit allem was er hat, nachdem sie sein Volk aus ihrer Heimat vertrieb und seinen Sohn tötete. Und jetzt ist ausgerechnet sie der neue Kriegshäuptling der Horde. Und... was durchaus auch nicht gerade hilfreich ist. Sylvanas ist und war eine Hochelfe. Und auch wenn ihre jetzige Gestalt nur noch verzerrt an Eure erinnert, so wird es reichen, um Glenns Zorn noch mehr anzufachen." Ich schüttelte langsam den Kopf.

"Mag sein, aber, was genau wollt Ihr mir damit sagen?"

"Dass ich ganz einfach zu naiv gewesen bin. Ich selbst habe weder mit der Horde noch der Allianz Probleme, doch ich vergaß, dass nicht jeder das ebenfalls so sieht. Ich bildete mir ein, dass wir nun im Angesicht eines viel gefährlicheren Feindes diesen Wahnsinn hinter uns lassen könnten. Das war ein Fehler. Und dafür möchte ich Euch um Verzeihung bitten." Und bevor ich irgendetwas sagen konnte, kniete Khadgar plötzlich vor mir im Gras, den Kopf gesenkt. Ich konnte nur mit weit aufgerissenen Augen da stehen.

"Solltet Ihr mir weiterhin grollen, so muss ich das natürlich akzeptieren, aber ich würde es wirklich bedauern", fügte er hinzu, nachdem sich die Stille unheimlich in die Länge gezogen hatte.

"Oh nein, nein, also, nein. Ich bin Euch nicht böse, das war ich nicht eine Sekunde. Wie könnte ich auch? Nun steht endlich wieder auf!", rief ich aufgeregt. Lächelnd und leicht ächzend erhob er sich wieder. "Bitte, das war ein furchtbarer Moment, ja, aber es war nicht Eure Schuld. Es gibt nichts zu vergeben." Er legte eine Hand auf meine Schulter.

"Ich danke Euch, dass Ihr es so seht. Dann hoffe ich, wir begegnen uns nun wieder häufiger." Ich nickte auf seine nicht richtig gestellte Frage und wir lächelten uns an. Ich fühlte wie eine Last von mir abfiel, die ich zuvor nicht hatte wahrnehmen wollen.

"Gut, dann wenden wir uns doch nun wieder der Vernichtung der Legion zu", sein Ton war scherzhaft, aber ich sah auch wie Sorgen seine Augen verdunkelten. Doch was auch immer uns die Legion entgegen schicken würde, die Zuversicht strahlte wieder hell wie das Licht selbst in meiner Brust.

Mit weit ausholenden Flügelschlägen trug Belore mich weg von Dalaran und über die Küste der verheerten Inseln. Seine Muskeln zitterten unter meinen Beinen. Auch ich spürte Freude in mir aufwallen endlich wieder frei fliegen zu können. Mir schossen all die Tage durch den Kopf, bevor ich Hochlord wurde und ich nur irgendjemand mit einem Schwert war. Wie oft war ich einfach durch die mit saftigem Grün bewachsenen Berge von Pandaria geflogen? Hatte vor lauter Übermut und Abenteuerlust den Nimmerlaya überflogen und wäre dabei fast mit Belore abgestürzt. Ich vermisste das. Ich wuschelte durch die Mähne des Wyvern und trieb ihn an noch ein wenige schneller zu werden. Er ließ es sich nicht zweimal sagen.

Vor uns kam Suramar in Sicht. Die riesigen Türme der Stadt waren selbst von Dalaran aus sichtbar. Doch mein Auftrag führte mich diesmal nicht in diese kaputte und entartete Metropole. Ich war nicht böse darüber. Das Versteckspiel in den viel zu engen Gassen machte mir nie Freude. Und auch das Leid der süchtigen Nachtgeborenen mitanzusehen, denen ich kaum Linderung bescheren konnte zermürbte mich jedesmal. Es erinnerte mich zu sehr an das Schicksal welches fast mein gesamtes Volk betroffen hätte.

Mein Ziel lag neben Suramar. Die Teufelsseelen Bastion. Ein Krebsgeschwür der Legion direkt neben der großen Stadt. Die Dämonen hatten dort in einem Krater eine riesige Basis aufgebaut. Da wir nun die Stadt endlich von Gul'dan und Großmagistrix Elisande befreit hatten, wurde es Zeit auch die übrigen Dämonen hinaus zu werfen. Die Illidari hatten sich an Khadgar gewandt mit der Bitte ihnen bei der Vernichtung eines der großen Legionschiffe zu helfen, welches über der Teufelsseelen Bastion schwebte. Da ich bereits Erfahrungen mit der Sentinax hatte war ich scheinbar die erste Wahl für diese Aufgabe. Und so war ich nun auf dem Weg zu dieser von Dämonen verseuchten Gegend, um mich mit einer Dämonenjägerin zu treffen, welche sich in meinen Augen kaum von dem was sie jagten unterschieden. Aber diese Mission war tatsächlich wichtig und ich hätte sie keinem anderen überlassen, selbst wenn es nicht Khadgar gewesen wäre, der mich um Hilfe gebeten hätte.

Als die ekeleregenden Ausdünstungen der Legion mir immer mehr in der Nase stachen gingen wir tiefer hinab. Belore landete direkt an einem überhängenden Felsen, welcher uns von möglichen Wachposten verbarg und ich stieg ab.

"Warte hier", flüsterte ich dem treuen Tier zu. Es winselte leise und rollte sich zusammen. Gerne hätte ich mir den Weg durch die Dämonen erspart, aber entweder wären wir abgeschossen wurden, oder eine der Teufelsfledermäuse hätte uns vom Himmel geholt. Keine gute Idee für eine geheime Mission. Ich wagte mich hinter dem Überhang hervor und späte in das von grünem Nebel und Rauch verhangene Tal. Furchtbare Schreie und metallisches Kreischen drangen zu mir. Ich hatte schon schlimmeres gesehen. Schwert und Schild fest umklammert machte ich mich an den Abstieg. Ich huschte von Deckung zu Deckung. Fast währe ich einem Brecher der Teufelsseele mitten unter die Steinernen Füße gelaufen, doch im letzten Moment konnte ich mich noch hinter ein Stück pechschwarze Ruine rollen und er stapfte an mir vorbei. Ich war nun mitten in dem Krater, umgeben von Dämonen und ohne eine Möglichkeit zu entkommen. Es wurde Zeit den Dämonenjäger zu finden. Er sollte in der Nähe der Mienen sein und ich rollte mit den Augen, als ich die zahllosen Eingänge in die steilen Hänge sah. Etwas genauer wäre die Beschreibung wohl nicht möglich gewesen. Ich arbeitete mich weiter vor und hielt nach etwas ausschau das nicht vollkommen verdorben war. Versklavte Verdorrte humpelten an meinem Versteck vorbei und winselten jämmerlich als die Peitsche einer Teufelswache auf sie niedersauste. Mein Herz zog sich bei diesen Lauten zusammen. Ich verstärkte den Griff um mein Schwert und schlich hinter der Teufelswache weiter. Aufmerksam blickte ich mich um, enthauptete 3 Wichtel, welche plötzlich vor mir auftauchten, gerade noch bevor sie eine Wache alarmieren konnten. Ein ungesund brodelnder, grüner Lavateich hielt mich davon ab weiter an der Felswand entlang zu gehen. Ich überlegte mir gerade einen sicheren Umweg, als sich plötzlich eine Hand auf meine Schulter legte. Ich fuhr herum, erhob mein Schild und führte einen Schlag mit meinem Schwert. Funkensprühend prallte es an einer Gleve ab. Überrascht stellte ich fest, dass mir eine Dämonenjägerin gegenüber stand und mit einem Lächeln meinen Hieb abgewehrt hatte.

"Etwas träge, hm? Ein Wunder, dass Ihr es bis hierher geschafft habt", sagte sie abfällig und senkte ihre Waffen. Ich tat es ihr gleich und konnte nicht aufhören sie anzustarren. Früher einmal war sie wohl eine Nachtelfe gewesen, jedoch war davon kaum noch etwas übrig. Ein Schleier verbarg ihr halbes Gesicht und auch ihre Augen. Ich wusste, dass diese Wesen trotzdem sehen konnten, empfand es aber immer als unangenehm ihre Augen nicht sehen zu können. 2 spitze Hörner ragten aus ihrem Schädel und riesige, leuchtende Narben überzogen ihren Körper. Seufzend winkte sie mich von dem Lavateich weg und näher zu den Felsen in welchen sich plötzlich eine schmale Spalte auftat. Diese war nur aus einem bestimmten Winkel sichtbar und ich quetschte mich hinter ihr hindurch in eine kleine, fast runde Höhle. Ein giftig grüner Kristal beleuchtete sie leicht. In einer der dunkleren Ecken zappelte etwas unförmiges herum und gab spotzende Laute von sich. Die Dämonenjägerin ging zu dem etwas hin und trat es mit offensichtlicher Genugtuung. Sie legte ihre Gleven auf die Erde und setzte sich neben sie, dann schaute sie abwartend zu mir auf.

"Erzmagier Khadgar schickte mich. Ich bin Hochlord Orava Silberdorn. Ich habe dabei geholfen die Sentinax zu schwächen und er meinte Ihr könntet Hilfe gebrauchen." Ich versuchte so erhaben und unbeeindruckt wie möglich zu klingen. Sie schnaubte verächtlich und bedeutete mir mich zu setzen.

"Die Sentinax schwächen. Ein guter Scherz. Aber gut, vielleicht könnt Ihr zumindest ein paar der Dämonen lange genug beschäftigen, damit ich sie vernichten kann." Ich trommelte gereizt mit meinen Fingern auf mein Schild.

"Habt Ihr noch mehr Beleidigungen für mich, oder sagt Ihr mir endlich was ich tun muss, um hier bald wieder weg zu kommen?" Kurz herrschte Stille. Dann warf die Dämonenjägerin mir gegenüber plötzlich den Kopf zurück und lachte lauthals. Ihr spitzen Zähne leuchteten im unbehaglichen Licht der Kristalls und ließ sie kurzzeitig noch furchteinflößender wirken.

"Ihr gefallt mir! Verzeiht, wenn ich Euch unrecht getan habe, aber Jahrelang regungslos in einen Kerker eingesperrt zu sein hat meine Manieren nicht unbedingt verbessert." Sie lachte weiter, nun jedoch klang es sehr viel bitterer. "Wir müssen Azoran umbringen. Ein Eredar und Befehliger der Lichtbrecher. Er will Dalaran vom Himmel holen. Und das wird er auch schaffen." Die Dämonenjägerin starrte zu Boden, zumindest nahm ich das an. "Leider ist es unmöglich einfach hinauf auf das Schiff zu fliegen. Man würde abgeschossen und im besten Fall sofort vernichtet werden. Aber... es gibt ein Portal nach oben. Wenn wir an ihn rankommen wollen, müssen wir dieses Portal öffnen. Für Azoran arbeitet ein Dämonengefängniswärter namens Kozak der Besudler. Kozak verfügt über einen der Schlüsselsplitter, die man benötigt, um ein Portal zum Schiff zu öffnen. Er hält sich meistens in den Hallen der Dunkelung auf, in dem Gefängnistrakt im unteren Bereich der Teufelsseelenbastion." Sie hob ihren Blick wieder und ich spürte mit einer Deutlichkeit, die mir eine Gänsehaut den Rücken hinab sannte, dass sie mir direkt in die Augen sah.

"Ich würde Kozak gerne selbst umbringen und ihn seine Eingeweide fressen lassen, aber ich muss mich um meinen Gast hier noch ein wenig kümmern." Und sie wieß auf das nun wieder heftiger zappelnde Bündel hinter ihr. Meine Augen hatten sich inzwischen weit genug an das schummrige Licht gewöhnt, dass ich darin eine gefesselte Wyrmzunge erkannte. Ein niedriger Diener der Legion und schon im normalen Zustand einfach unansehnlich hässlich. Doch die Dämonenjägerin hatte es geschafft ihn noch furchtbarer zuzurichten, um Informationen aus ihm heraus zu bekommen. Ich nickte verstehend. Die Dämonenjägerin erhob sich wieder und ging zu der schmalen Felsspalte. Ich folgte ihr.

"Wenn Ihr das ganze überlebt, kommt wieder hier her. Bis dahin sollte ich rausgefunden haben wo der andere Splitter ist." Und sie schaute bösartig grinsend zurück zu ihrem Gefangenen. Mir behagte zwar der Gedanke an Folter nicht sonderlich, jedoch kam mir gleichzeitig das Schicksal der Verdorrten wieder in den Sinn und ich wünschte der Dämonenjägerin in Gedanken viel Erfolg. Ich rutschte durch den Spalt wieder nach draußen und sah mich vorsichtig um.

"Geht dort vorn den Abhang hinunter, dann müsstet Ihr bald einen Höhleneingang sehen vor dem Käfige und Ketten herum hängen. Oh und, ich heiße Lyana Düstergram. Würde mich freuen Euch wieder zu sehen." Und mit einem weiteren furchteinflößenden Lächeln wandte sie sich ab. Gewöhnungsbedürftig, aber ich hatte schon schlechtere Gefährten gehabt. Aus dem Spalt drangen nun gedämpfte Schreie und ich beeilte mich in die gezeigte Richtung zu laufen. Tatsächlich entdeckte ich schon bald die Höhle. Es gab keine Wachen davor. Als ich die ersten Gefangenen in ihren Käfigen sah wusste ich auch warum. Selbst die, welche noch ein wenig Leben in sich trugen wären ausser stande gewesen zu flüchten. Wut flammte in mir hoch und ich ließ es widerstandslos zu. Es war die rechtschaffene Wut des Lichts auf die Dunkelheit. Ich rannte mit gezückten Waffen in die Höhle. Kozak, ein riesiger Gefängniswärter wandte sich von seinem letzten Opfer ab und richtete seine winzigen Augen auf mich. Ein gurgelndes Lachen entstieg seinem Schlund.

"Ahahahaha! Ist euch euer erbärmliches Leben inzwischen so lästig, dass ihr euch freiwillig opfert?", höhnte er und streckte seine Hand gegen mich aus. Ein grüner Strahl aus Magie schoss gegen mich. Ich erhob den Wahrheitshüter und blendendes Licht strahlte ihm entgegen, löste die Magie auf und blendete das Monstrum. Er schrie glutaral, riss seine Hände vor die Augen und gab mir die Gelegenheit den Eidsucher tief in seinen Leib zu stoßen. Der Schrei wurde so laut, dass meine Ohren klingelten. Grünes, ätzend riechendes Blut lief aus seinem Mund.

"Stirb Dämon!", schrie ich und zog den Eidsucher erbarmungslos weiter durch das Fleisch. Stinkende Eingeweide drangen aus der Wunde und mir entgegen. Ich sprang einen Schritt zurück, um nicht davon zerquetscht zu werden. Kozak brach röchelnd zusammen und spuckte sein Blut auf den Boden. Dann wandte er mir wieder sein hässliches Gesicht zu.

"Anmaßende Kreatur. Mein Tod bedeutet gar nichts. Der Legion... könnt Ihr nicht entkommen. Diese Welt wird... brennen..." Und er starb.

"Aber nicht heute", sagte ich, über seine Leiche steigend. Auf einem Tisch in einer Ecke fand ich den Splitter und nahm ihn an mich. Meine Haut kribbelte unangenehm, als sie mit ihm in Berührung kam und ich beeilte mich ihn einzustecken.

Lyana wartete bereits vor dem Spalt auf mich. Sie nickte mir anerkennend zu.

"Ihr habt überlebt. Beeindruckend." Ich breitete meine Arme aus.

"Und auch noch unversehrt. Wie geht es weiter?"

"Laut Aussage des Wyrmzungenknechts ist der andere Schlüsselsplitter im Besitz eines Ered'ruin namens Vorgos. Er lebt in der Teufelsbresche am Ende des Arkus." Ich vermutete im Stillen, dass die Wyrmzunge wohl inzwischen gar nichts mehr sagen konnte. Die Dämonenjägerin wieß auf die andere Seite der Schlucht, welche verborgen im Rauch lag.

"Bringt den Kristall in Euren Besitz, wie ist mir egal. Und kommt dann zum Portal." Und sie wieß auf einen weiteren im Rauch versteckten Punkt in der Schlucht. "Damit werden wir es wieder in Betrieb nehmen. Ich sorge derweil dafür, dass uns vor dem Portal niemand stört." Ich nickte ihr zu und wir machten uns beide auf unseren Weg.

Als ich versuchte einen großen Lavasee zu umgehen scheuchte ich ein paar Teufelsschieferbasilisken auf. Langsame aber äußerst aggressive Tiere. Ich rammte dem ersten mein Schwert in den hässlichen Schädel und hieb einem anderen den Stachel bewehrten Schwanz ab. Daraufhin fielen die anderen über ihre verletzten Artgenossen her und ich eilte schleunigst weiter um nicht zwischen die Kiefer zu geraten. Der Eingang zur Teufelsbreche war riesig und kaum zu übersehen. Teufelswachen standen aufmerksam umher blickend davor. Ich seufzte und kauerte mich hinter eine verwaiste Teufelskanone. Es half nichts, ich musste dort hinein. Ich blickte in den von schwarz-grünen Wolken verhangenen Himmel.

"Wer mit dem Licht ist, ist niemals allein", flüsterte ich und stand auf. Da brach plötzlich durch die Wolkendecke ein Strahl reinen Lichtes und schien direkt auf mich herab. Es blendete mich nicht, sondern wies mir meinen Weg. Und mit erhobenen Schwert, ging ich ihn. Die Teufelswachen stürzten sich sofort auf mich, doch ich parierte die Hiebe ihrer Langschwerter, nutzte den winzigen Moment in welchem sie ihr Gleichgewicht suchten und schlug dem ersten einen Arm ab. Er jaulte, mehr aus Wut als aus Schmerz. Der andere stieß ihn beiseite und ließ sein Schwert so heftig auf mich nieder gehen, dass er mich gespalten hätte. Doch ich ließ mich fallen und rollte zur Seite. Ungeduldig stapfte die Wacher hinter mir her, in dem Versuch mich zu zerquetschen. Glücklicherweise war ich schneller, schlüpfte zwischen seinen Beinen hindurch und hieb ihm das Schild in ein Knie. Er knickte ein und ich konnte den Eidsucher bis zum Griff in seinen ungeschützten Rücken rammen. Ich hörte wie er Blut erbrach. In dem Moment stürzte sich der nun einarmige Teufelswächter schnaufend auf mich, eine Spur von schwarzem Blut hinterlassend. Ich ließ den Eidsucher zurück und hob mein Schild gegen den ersten Schlag. Spitze Klauen krachten darauf nieder. Sie griffen danach und versuchten es mir zu entreissen. Ich schrie nach dem Licht und es antwortete. Der Wahrheitshüter strahlte plötzlich wie 1000 Sonnen auf und der verbliebene Arm des Dämons schmolz wie Kerzenwachs. Er kreischte fürchterlich und ich hieb ihm das Schild in sein weit aufgesperrtes Maul. Zu meiner Zufriedenheit hörte ich wie Knochen brachen. Die Teufelswache strauchelte und fiel in den schwarzen Staub. Tief durchatmend richtete ich mich auf. Mein Schwert steckte noch in der sterbenden Wache und ich zog es mit einem kräftigen Ruck aus ihr heraus. Schwarzes Blut klebte an der Klinge wie Geschwüre, doch sobald meine Hand wieder am Griff lag jagte das Licht hindurch und die Flecken verbrannten ohne Rückstand. Ohne einen weiteren Blick auf die wehrlosen Dämonen zu werfen betrat ich die Teufelsbresche. Der Pfad führte hinab und das wenige Licht was manche Schatten weniger dunkel als andere machte, ging von den gleichen Kristallen aus wie ich ihn auch in Lyanas Versteck gesehen hatte. Schon bald öffnete sich der Gang wieder in einen Raum. Ich spähte vorsichtig hinein und sah 2 Inquisitoren, welche allerdings konzentriert über ihre Bücher gebeugt waren. Ich nutzte die Gelegenheit und schlich vorsichtig an ihnen vorbei in den nächsten Gang, eine Treppe tiefer hinunter in den Bauch der Erde. Der nächste Raum öffnete sich vor mir und bevor ich Gelegenheit hatte mich umzusehen hörte ich lautes Kreischen. 2 Wyrmzungen waren hier unten mit was auch immer beschäftigt gewesen und hatten mich leider eher bemerkt als ich sie. Schon flog mir eine zweifellos mit Gift gefüllte Phiole entgegen, doch ich war geistesgegenwärtig genug sie nicht wegzuschlagen sondern einfach auszuweichen. Nun flog auch noch ein kleines Beil nach mir und andere Werkzeuge, die kaum zum kämpfen geeignet waren. Die Wyrmzungen zischten mir feindselig entgegen. Ich schlizte ihre fetten Bäuche auf. Eine Treppe führte mich weiter und diesmal hinauf. Ich hörte ein Knurren vom Ende der Treppe herunter kommen. Und als ich höher stieg waren auch die unverkennbaren, knirschenden Flügelschläge eines Ered'ruin zu hören. Vorgos war nah. Ich erreichte eine Plattform. Der Dämon wartete bereits auf mich. Es ist schwierig in der brutalen Fratze eines Ered'ruin zu lesen, aber ich konnte schwören, dass er lachte. Dann hob er seine riesige Axt und donnerte auf mich zu. Unter seinen riesigen Hufen splitterten die Fließen der Plattform. Die Axt krachte auf mein Schild und ich spürte den Schlag in jedem Knochen, doch ich hielt stand und schlug die Axt mit dem Schild weg. Ich holte zum Gegenschlag aus und ließ das Schwert auf einen der Baumstammdicken Oberschenkel niedersausen, da wurde es plötzlich von grausamen Klauen gestopt. Der Ered'ruin hatte es einfach gegriffen und hielt es nun mit eisernem Griff fest. Ich war von diesem Manöver so überrascht, dass ich von seinem nächsten Schlag ohne Gegenwehr getroffen wurde. Die Axt traf meine Hüfte und schleuderte mich zur Seite. Nur meine Rüstung schützte mich davor in 2 Hälften gespalten zu werden. Ich schlug auf dem Boden auf, unfähig sofort wieder aufzustehen. Vorgos hielt immer noch mein Schwert in seiner Pranke und warf es achtlos zur Seite. Ich hörte seine donnernden Hufe näher kommen. Verzweifelt rief ich das Licht an. Und natürlich ließ es mich nicht im Stich. Mein Körper wurde heiß, die Verletzung, welche bis eben meinen ganzen Körper gelähmt hatte glühte auf und dann war da plötzlich nichts mehr. Kein Schmerz und mein Verstand war wieder klar. Ich hörte das keuchende Lachen des Ungeheuers, doch bevor seine Axt erneut auf mich nieder gehen konnte, rollte ich zur Seite und schaffte es an seinen Beinen vorbei zu kommen. Erneut nuzte ich die Schutzlosen Knie aus und hieb mein Schild genau dort hinein. Der Dämon strauchelte, doch ich blieb nicht stehen und wartete bis er sich wieder fing. Ich brauchte mein Schwert. Es lag verlassen mehrere Meter von mir entfernt. Eine schier gigantische Strecke in diesem Moment. Ich rannte, den brüllenden Dämon im Nacken, so schnell ich konnte. Gerade als ich das Schwert erreichte sauste die Axt von hinten wie eine Sense heran. Ich ließ mich fallen, ergriff das Schwert und rollte mich auf den Rücken. Die Axt schlug neben mir in den Boden ein. Fließensplitter regneten auf mich. Und ich stach den Eidsucher in den muskulösen Arm von Vorgos. Sofort ließ er die Axt loß und taumelte das Schwert immer noch im Arm steckend zurück. Er grollte wütend. Ich war erneut schwertlos und stand schnell auf. Schon hatte sich der Dämon wieder gefangen und holte mit seinen Klauen aus. Ich erhob das Schild und gleißendes Licht brach daraus hervor. Es blendete Vorgos vollständig, obwohl er seine Hände schützend hoch riss. Unsicher taumelte er zurück. Ich nutzte die Chance, rannte zu ihm, zog das Schwert aus seinem Arm und rammte ihm die Klinge mit einer schnellen Bewegung in den Hals. Gurgelnd und wild mit den ledrigen Flügeln schlagend brach das Monster zusammen. Ich riss mein Schwert ein letztes mal aus ihm heraus und das Blut sprühte aus seinem Hals über den Boden und seine Brust. Langsam starb er. Ich machte mir nicht die Mühe ihm dabei zuzusehen. Den Splitter fand ich hinter einigen gestapelten Kisten, die bestialisch nach verwesendem Fleisch stanken. Er pulsierte in meiner Hand. Wie auch den ersten steckte ich ihn schnell weg. So schnell ich konnte verließ ich diesen widerwärtigen Ort. Über die Leichern der Teufelswächter am Eingang hatten sich bereits ein paar Teufelsfledermäuse her gemacht. Ich schlich mich an dem laut streitenden Haufen vorbei und machte mich auf den Weg zum Portal.

Schon bald traf ich auf die erste aufgeschlitzte Dämonenleiche. Und auf die nächste. Sie waren ein perfekter Wegweiser. Lyana schien nicht viel davon zu halten sich unbemerkt durch ihre Reihen zu schleichen. Bald tauchte aus dem Rauch ein riesiges, grotesk anmutendes Gebilde auf. Es wirkte gebaut, aber auch irgendwie gewachsen. Das schwarze Metall aus dem es bestand zuckte leicht. Ich versuchte es nicht näher zu beachten. Lyana stand davor und wandte sich sofort in meine Richtung, als ich aus dem Rauch trat.

"Keine Sorge, ich bin es nur", rief ich ihr vorsorglich zu. Die vielen Dämonenleichen um sie herum waren mir nicht entgangen. Sie winkte mich näher.

"Ich weiß. Dämonen sehen anders aus. Beeindruckender." Ich verdrehte die Augen und holte beide Splitter hervor.

"Wohin jetzt damit?", fragte ich. Die Dämonenjägerin zeigte mit einer Gleve auf das Bauwerk.

"An den Seiten des Portals sind Vertiefungen für die Splitter. Setzt sie dort einfach ein." Ich kam der Aufforderung nach. Die Splitter sprangen mir fast von selbst aus der Hand und an ihren Platz. Ich spürte, wie die wirbelnde, dunkle Teufelsenergie mich umgab, während sie sich neben dem Portal ansammelte. Das scheinbar lebende Metall kam in Wallung und zuckte nun stärker und krampfhaft. Ich stand schnell auf und wollte zurück zu Lyana, die einige Meter entfernt abwartend stand. Da summte die Apparatur plötzlich laut auf. Ich drehte mich erschreckt zu ihr um und sah die hellgrüne Wand aus purer Teufelsenergie direkt auf mich zukommen. Bevor ich reagieren konnte überrollte sie mich. Etwas was ich noch nie gefühlt hatte umfing mich. Schwer. Widerlich. Erstickend. Kurz hatte ich den Eindruck lebendig von glühenden Zangen gehäutet zu werden, dann kam endlich eine gnädige Ohnmacht. Ich erwachte davon, dass mich jemand heftig schüttelte.

"Kommt schon, wenn Ihr sterbt bekomm ich vermutlich Ärger", sagte eine penetrante Stimme. Ich schlug die Augen wieder auf und sah Lyana über mich gebeugt.

"Ich lebe, ich lebe", sagte ich schwach und schob sie beiseite. Sie atmete hörbar auf und half mir dabei mich aufzurichten.

"Was ist passiert?", fragte ich und hielt mir meinen Kopf. Er dröhnte so, als hätte ich mehrere Flaschen Mondschein getrunken.

"Das Portal hatte eine Fehlfunktion. Es ist mit einem Schlag sehr viel Teufelsenergie ausgetreten und die hat Euch voll erwischt. Ich stand zum Glück ein wenig weiter weg", erklärte Lyana ungerührt. Ich blickte sie prüfend an.

"Ihr wusstet, dass etwas schief gehen könnte", sagte ich misstrauisch. Sie zuckte mit den Schultern.

"Ich ahnte etwas. Aber Euch geht es doch gut, also alles in Ordnung." Ich öffnete schon den Mund, um sie anzufauchen, aber ließ es dann doch bleiben und stand einfach auf. Meine Beine fühlten sich zwar unsicher an und mir war noch leicht schwindelig, aber sonst ging es mir gut. Ich drehte mich zu dem Portal um. In seiner Mitte glühte nun eine grüne, wabernde Kugel.

"Fühlt Ihr Euch bereit hindurch zu gehen?" Ich atmete tief durch und horchte kurz in mich hinein. Alles schien wie immer zu sein. Ich nickte entschlossen.

"Ihr werdet nicht viel Zeit haben, bevor die Legion Eure Anwesenheit auf dem Schiff bemerkt. Sobald Alarm geschlagen wird, werden zahllose Streitkräfte der Legion versuchen, durch dieses Portal an Bord des Schiffs zu gelangen. Das werde ich nicht zulassen. Ich werde dieses Portal bis zu Eurer Rückkehr verteidigen und gegnerische Verstärkung zurückschlagen. Es liegt an Euch, Azoran zu töten und sein Schiff zu vernichten. Uns bleibt nicht viel Zeit. Ihr müsst schnell und gnadenlos zuschlagen." Lyana hob ihre Waffen und wieder spürte ich ihren durchdringenden Blick.

"Ich werde Euch und Dalaran nicht enttäuschen." In Gedanken fügte ich hinzu: 'Und auf keinen Fall Khadgar.' Dann zog ich Schwert und Schild und wandte mich dem Portal zu. Ich ging zu der wabernden Kugel, schloss die Augen und trat hinein. Wieder spürte ich wie die Teufelsenergie in mich eindrang. Zumindest war es diesmal deutlich weniger schmerzhaft. Plötzlich verschwand der Druck von meinem Körper. Ich öffnete meine Augen wieder und sah einen runden Raum, unverkennbar geschaffen von der Legion. Ich spürte wie der Boden vibrierte, vermutlich von starken Maschienen verursacht. Ich befand mich an Bord der Lichtbrecher. Leider war der Raum nicht verlassen. 4 Verderbnisbringer starrten mich überrascht an und brüllten dann kehlig los. Sie rannten mit erhobenen Äxten auf mich los. Zum Glück für mich behinderten sich ihre massigen Leiber gegenseitig und so schafften es nur 2 ihre Waffen auch gegen mich einzusetzen. Ich wehrte den einen Schlag mit dem Schild, den anderen mit dem Schwert ab, stieß beide zurück und konterte mit schnellen Schlägen. Ich schlug mich nicht schlecht, aber es wurde immer schwerer den unermüdlich auf mich einprasselnden Schlägen zu entgehen. Ich konnte irgendwann nur noch verteidigen und keine Schläge mehr anbringen. Die Lage begann aussichtslos zu werden. Ich stand inzwischen mit dem Rücken an einer der Wände, zumindest konnte mir so keiner in den Rücken fallen. Schweißtropfen standen mir auf der Stirn. Ich spürte jeden Schlag gegen mein Schild so hart, als hätte die Axt mich selbst getroffen. Die Verderbnisbringer schienen nicht müde zu werden, und ich hatte bereits zu viele harte Kämpfe an diesem Tag hinter mir. Ich erlaubte mir nicht zu verzweifeln. Stattdessen spürte ich wie die Wut wieder in mir hochkochte. Ich war wütend darüber, dass ich hier allein war, wütend, dass Khadgar seine eigene Stadt nicht selbst beschützen konnte, wütend darüber, dass diese arrogante Dämonenjägerin sich über mich lustig machte. Die Wut sammelte sich in meiner Brust, wurde unerträglich und schließlich brüllte ich sie hinaus. Eine Kugel aus goldenem und grünen Licht brach aus mir heraus, dehnte sich unglaublich schnell aus und warf die 4 Verderbnisbringer einfach um, als wären es Strohpuppen. Benommen lagen sie am Boden, unfähig aufzustehen. Ich stand über ihnen, verwirrt von dem was geschehen war. Dann schüttelte ich den Kopf, kam zurück ins Jetzt und machte jedem einzelnen den Gar aus, bevor sie sich wieder aufrappeln konnten. Unsicher blickte ich danach auf den Eidsucher und den Wahrheitshüter. Beide Waffen sahen aus wie immer. Ich sah die Runen und feinen Linien die das Licht auf ihre Oberfläche zeichnete. Keine davon hatte einen grünen Schimmer. Ich musste es mir eingebildet haben. Ich dankte dem Licht, dass es mich beschützt hatte und ging weiter, auf mein eigentliches Ziel zu. Ich fand Azoran eine Etage höher. Der dämonische Eredar schien in ein Ritual versunken zu sein. Mir wurde klar, dass dies bereits die Vorbereitung zum Vernichtungsschlag gegen Dalaran sein konnte. Schnell rannte ich auf ihn zu, doch bevor ich auch nur nah genug war um mein Schwert zu erheben erhob er plötzlich seinen Arm in meine Richtung. Eine unerbittliche Macht riss mich vom Boden hoch und hielt mich in der Luft fest. Ich bekam kaum noch Luft und japste hilflos. Nun wandte dieser Alptraum mir sein Gesicht zu. Er grinste bösartig.

"Es scheint es hat sich Ungeziefer hier breit gemacht", lachte er. Der Griff seines Zaubers wurde noch fester. Ich konnte nicht mal mehr einen Finger rühren.

"Meine Leibwächter werden wohl nachlässig. Aber, ich werde das Beste daraus machen und Euch als Spielzeug behalten." Er wandte sich wieder ab. "Doch zunächst, muss ich mich um wichtigeres kümmern." Er nahm das Ritual wieder auf. Entsetzt sah ich ihm zu. Konnte nichts tun, außer ihn zu beobachten. Nein! Es durfte nicht so zu ende gehen! Ich lehnte mich mit jeder Faser meines Seins gegen meine unsichtbaren Fesseln auf, schrie nach dem Licht und seiner Unterstützung. Aber es half nichts. Mir kamen die Tränen vor Frustration und Angst. Ja, jetzt fühlte ich Angst. Nicht um mich, aber um Dalaran, um Khadgar. Ich wünschte mir nichts sehnlicher als wieder so viel Macht entfesseln zu können wie beim Kampf mit den Verderbnisbringern. Doch ich spürte wie Zweifel in meinem Kopf nagten. Ich hatte mir das grüne Licht nicht nur eingebildet. So sehr ich es auch glauben wollte, es war da gewesen. Die Farbe der Dämonenmagie. In dem Moment setzte Azoran zu einem unheimlichen Singsang an. Ich kannte die Sprache, welche er benutzte. Eredun, die Sprache der Dämonen in derer auch die Dämonenjäger sich unterhielten. Sie erzeugte eine Gänsehaut bei mir. Es nutzte nichts. Es war egal woher diese Macht kam. Die Zweifel verstummten, wurden übertönt von purer Panik davor zu versagen. Und dann spürte ich es wieder, eine Zusammenballung von Energie in mir, die plötzlich heraus brach. Mein Gefängnis wurde mit einem Schlag von mir fort gerissen und ich fiel zurück auf den Boden. Ich landete glücklich auf beiden Beinen und blickte auf. Azoran war verstummt und starrte in meine Augen.

"Was hat das-?" Er kam nicht zu Ende, denn ich stürzte mich bereits auf ihn. Ich legte mein Herz und Sein in jeden Schlag. Jeder durchtrennte Muskel, jeder gebrochene Knochen feuerte mich noch mehr an. Schließlich lag der Kommandant der Lichtbrecher keuchend und zuckend am Boden. Ich trat näher an ihn heran. Zu meiner Überraschung lachte er lautlos. Seine leuchtenden Augen bohrten sich in meine.

"Ihr denkt, Ihr habt gewonnen. Oh, aber Ihr wisst noch nicht, was Ihr verloren habt." Ich runzelte die Stirn.

"Was meinst du damit, Dämon?" Wieder lachte er, diesmal unterbrochen von rasselndem Husten.

"Tötet mich ruhig. Die Legion hat schon gewonnen." Ich erhob meine Klinge, ließ die Spitze in seinen Brustkorb gleiten und sah in sein Schmerz verzerrtes Gesicht.

"Nicht so lange wir noch kämpfen", zischte ich und stieß in sein Herz vor. Der Eredar starb. Im Tod behielt er das höhnische Lachen. Ich sah nachdenklich auf ihn herab. Aber was kümmerte es mich was ein toter Dämon zu sagen hatte. Sie logen jederzeit wenn es ihren Zwecken nuzte. Ich spürte wie das Vibrieren der Maschinen schwächer wurde. Scheinbar hatte die Lichtbrecher ohne ihren Kommandant die Arbeit eingestellt. Ohne einen Wiederstand zog ich das Schwert wieder aus der Leiche. Zu meiner Beruhigung konnte ich wieder keinen grünen Schimmer auf der makellosen Klinge entdecken. Es mochte sein, dass ich Teufelsmagie gewirkt hatte, aber sicherlich waren das nur Überreste von der Fehlzündung des Portals gewesen. Und schließlich geschah es aus gutem Grund. Da fiel mir Lyana wieder ein. Ich musste schnell zurück, bevor sie von Dämonen überrant wurde. So eilte ich schnell wieder hinunter zum Portal und trat hinein. Als sich das bedrückende Gefühl endlich aufgelöst hatte war ich umgeben von Dämonenleichen. Seelenschinder und Verderbnisbringer lagen überall herum. Inmitten von ihnen stand Lyana und schaute abwartend zu mir auf.

"Azoran ist tot", sagte ich. Lyana seufzte erleichtert. Sie trat näher zu mir.

"Mit Azorans Tod wurde der Legion ein schwerer Schlag versetzt, von dem sie sich nicht so schnell erholen wird. Ihr habt Euch meinen Respekt verdient, Orava." Und sie reichte mir ihre Hand. Lächelnd ergriff ich sie mit meiner. Da spürte ich wie sich ihre Finger verkrampften.

"Was ist das?", fragte sie hart. Verwirrt blickte ich mich um. Lyana entzog mir ihre Hand.

"Ich habe etwas gespürt, nur kurz, aber... Habt Ihr Felmagie gewirkt?" Sie klang zweifelnd, als würde sie ihren eigenen Worten nicht ganz trauen.

"Felmagie?"

"Teufelsmagie, Dämonenmagie. Wie immer Ihr es nennen wollt. Sagt es mir! Habt Ihr Felmagie gewirkt?" Ich zögerte kurz und schüttelte dann entschieden den Kopf.

"Nein, natürlich nicht. Azoran hatte mich mit Teufelsmagie angegriffen. Vielleicht habt Ihr Rückstände von seinen Angriffen auf mir gespürt." Lyana blieb noch ein paar weitere Momente angespannt stehen. Dann endlich kam sie wohl zu dem Schluss, dass es so gewesen sein musste.

"Verzeiht mir. Es war ein Tag voller Sterben. Ich bin erschöpft." Ich nickte verstehend. Mir ging es nicht anders. Lyana wandte sich zum gehen.

"Der brennende Kreuzzug musste heute einen schweren Schlag einstecken, aber unsere Arbeit ist noch lange nicht getan. Kehrt zurück zu Khadgar." Sie hielt kurz inne und wandte mir noch einmal den Kopf zu. "Und überbringt Ihm meinen Dank." Ihr grausames Lächeln erschien, dann verschwand sie in giftigen Rauchschwaden. Ich starrte auf das Massaker um mich herum. Ich war dankbar, dass es diese Dämonen nicht durch das Portal geschafft hatten. Aber nun wollte ich nichts lieber als weg von hier. Ich steckte 2 Finger in den Mund und Pfiff gellend 3 mal. Zunächst passierte gar nichts. Dann hörte ich vertrautes Flügelrauschen. Belore hatte mich mit seinen feinen Ohren gehört und versuchte mich nun in all dem Nebel zu finden. Ich pfiff erneut nach ihm und endlich sah ich ihn durch die Schwaden heran gleiten. Glücklich landete er vor mir und leckte mir aufmunternd über das Gesicht. Ich konnte nicht anders als aufzulachen. Ich fühlte wie die Anspannung von meinen Schultern fiel wie Steinplatten.

"Gutes Tier", flüsterte ich immer wieder und kraulte das borstige Fell. Ich schwang mich in den Sattel und Belore hob ab. Trug uns weg von dem furchtbaren Gestank und den Schreien.

Ich ließ Belore mehrere Runden um und über Dalaran drehen. Es tat gut den warmen Schein der Sonne auf der Haut zu spüren und die schneidende, aber frische Luft einzuatmen. Die Stadt unter mir strahlte wie immer. Ich sah wie Flugreittiere landeten und starteten, sah das Wasser im Brunnen glitzern und Funken aus einem Schornstein heraus steigen. So viel Leben. Ich lächelte glücklich. Als die Sonne sich langsam dem Horizont näherte ließ ich Belore wieder auf den Stufen zur Violetten Zitadelle landen. Trotz der fortgeschrittenen Zeit waren die Straßen wie immer überfüllt, so dass wieder ein paar Magier erschrocken zur Seite sprangen als der große Wyvern landete. Ich entließ Belore zu seiner wohl verdienten Ruhe und er flog davon zu seinem Stall. Ich stieg die Treppe hinauf. In mir fühlte ich Freude darüber aufkommen Khadgar wieder sehen zu können. Ich malte mir bereits aus wie dankbar er sein würde. Ein Lächeln umspielte meine Lippen. Ich sah den Rat der 6 wie immer beisammen stehen, tief in einer Unterhaltung versunken. Langsam trat ich näher und stellte mich abwartend vor ihnen auf. Khadgar wandte als erstes den Kopf, schenkte mir ein Kopfnicken und setzte dann die Unterhaltung fort. Scheinbar handelte es sich um etwas wichtiges. Ich stellte mich geduldig etwas bequemer hin und sah mich aufmerksam in dem hohen Gebäude um. Jeder Meter war mit nicht zusammen passenden Bücherregalen voll gestellt. Manche der Bücher flogen wie träge Schmetterlinge selbstständig herum. Studenten und Gelehrte liefen mit blasiert wirkenden Minen herum.

"Hochlord, was habt Ihr zu berichten?" Ich schrak leicht zusammen, als sich plötzlich eine laute Stimme an mich richtete. Es war Kalecgos, der Großdrachenaspekt des blauen Drachenschwarms. Er winkte mich warm lächelnd näher.

"Rat der 6. Es ist mir eine Freude berichten zu können, dass der Kommandant der Lichtbrecher, Azoran besiegt und getötet ist. Zumindest davon geht nun keine Gefahr mehr für Dalaran aus." Ich verbeugte mich tief. Leiser Applaus erklang. Ich richtete mich wieder auf.

"Wir haben Euch viel zu verdanken. Es war ein schwerer Kampf, nehm ich an?", fragte Erzmagierin Modera. Ich nickte knapp.

"Er war...langwierig." Verstehendes Nicken machte die Runde.

"Umso größer ist unser Dank." Endlich ergriff Khadgar das Wort. Ich lächelte ihm zu und senkte bescheiden den Blick. "Der Rat von Dalaran ist zu dem Schluss gekommen Euch einen Teil unserer Macht zu gewähren." Ich riss vor Überraschung die Augen auf.

"Ich denke Euer Schild wäre der ideale Träger für dieses Geschenk." Khadgar wies auf den Wahrheitshüter. Ich verbeugte mich ein weiteres mal.

"Ich danke Euch vielmals für diesen Gunstbeweis!" Brachte ich endlich hervor und nahm mein Schild in die Hand.

"Geht in unsere Mitte und haltet das Schild hoch", wies mich Khadgar an und ich gehorchte. Alle Augen waren auf mich gerichtet und ich versuchte das Schild so still wie möglich zu halten.

"Nun denn, konzentriert Eure Magie", kommandierte Khadgar und alle 6 hoben ihre Stäbe oder die Hand. Nacheinander stieg von jedem ein heller Strahl konzentrierter Magie auf und traf mein Schild. Ich spürte es vibrieren und heiß werden, aber ich hielt es still. Als letzter kam Khadgar. Als seine Magie auf den Schild traf entglitt es mir fast, so stark war seine Macht. Und plötzlich war es vorbei. Ich ließ das Schild sinken und betrachtete es neugierig. Nichts hatte sich verändert.

"Ihr solltet es im Kampf ausprobieren", schmunzelte Khadgar, dem wohl mein ernüchtender Blick aufgefallen war. Schnell legte ich wieder eine neutrale Mine auf.

"Habt Dank für Eure Macht. Ich werde mich würdig erweisen." Die Ratsmitglieder nickten mir freundlich zu und ich verließ sie. Auf halbem Weg die Treppe hinunter holte mich Khadgar ein. Ich sah überrascht auf, als er plötzlich neben mir lief.

"Ich würde gerne die ganze Geschichte Eures Sieges hören", sagte er freundlich. Und so berichtete ich ihm von Lyana Düstergram. Bei der Beschreibung ihres Charakters lachte er auf. Ich erzählte von allem was ich sah. Er lauschte mit ernster Mine als ich von den Gefangenen erzählte, unterbrach mich nur selten um eine Frage zu stellen und war sehr interessiert an dem Portal zur Lichtbrecher. Ich erzählte ihm zwar von der Fehlzündung, verschwieg jedoch, dass ich von einer Wand aus Teufelsenergie überrollt wurden war. Genauso erzählte ich nicht bis ins Detail wie der Kampf auf der Lichtbrecher abgelaufen war. Ich wusste nicht genau warum ich all das für mich behielt. Ich vermutete, dass ich Khadgar nicht wegen dieser Nichtigkeit beunruhigen wollte. Auch Azorans letzte Worte behielt ich für mich. Vermutlich hatten sie sowieso nichts zu bedeuten. Und so beendete ich meinen Bericht mit Lyanas Abschied.

"Und das ist alles was geschah?", fragte Khadgar nachdenklich. Ich nickte überzeugt, die nörgelnde Stimme in meinem Kopf ignorierend. Khadgar musterte mein Gesicht und nickte schließlich lächelnd. Er legte eine Hand auf meine Schulter.

"Ich bin Euch wirklich zu großem Dank verpflichtet. Ich wünschte wir könnten mehr tun, um Euch zu helfen." Ich blickte auf mein Schild, spürte die Macht welche darin pulsierte.

"Ihr habt bereits mehr getan, als ich je zu hoffen gewagt hätte", sagte ich ehrlich dankbar.

"Dann will ich Euch nun nicht länger von Eurer verdienten Ruhe abhalten. Ich hoffe Euch nun wieder häufiger in Dalaran antreffen zu können." Ich lächelt leicht und nickte langsam.

"Sehr gut, ohne Euch ist diese Stadt einfach zu langweilig." Wieder spürte ich mein Gesicht rot werden. Oh warum musste er nur immer ohne Vorwarnung solche Sachen sagen?

"Ihr seid zu freundlich. Ich werde mich diesmal nicht so lange rar machen", versprach ich und wandte mich zum gehen. Auf halbem weg durch die Menge, drehte ich leicht den Kopf zurück. Khadgar stand unbewegt am selben Ort wo ich ihn zurück gelassen hatte und sah mir nach. Schnell starrte ich wieder nach vorn und versuchte angestrengt nicht schneller zu laufen. Ich hatte dem Licht vieles zu beichten, sobald ich zurück war.

Im Sanktum war es bereits sehr ruhig, als ich durch das Portal trat. Im Altarraum saß gar niemand mehr und ich war sehr erleichtert darüber. Seufzend setzte ich mich in die vorderste Bank und lehnte mich erschöpft zurück. Zum ersten mal, seit ich aufgebrochen war fühlte ich mich entspannt und ruhig. Mit geschlossenen Augen saß ich eine Ewigkeit dort und schaffte es absolut nichts zu denken. Dann hob ich mein Gesicht ein Stück, bis ich das hereinfallende Licht durch meine geschlossenen Augenlider sehen konnte. Jeden Moment dieses Tages ließ ich in Gedanken an mir vorbei laufen. Ich roch den Rauch, fühlte Asche auf meiner Haut, spürte den Schmerz der Treffer, erlebte jedes Detail erneut. Und zeigte es damit dem Licht. Die grüne Teufelsmagie schoss erneut auf mich zu und begrub mich erneut unter ihrer Gewalt. Doch diesmal sah ich von außen dabei zu. Besorgt wartete ich auf eine Reaktion des Lichts. Doch es schien genauso wie ich einfach nur zuzusehen. So fuhr ich meiner Erinnerung fort. Sah mich gegen die Dämonen kämpfen. Sah zu wie ich fast starb. Und gerettet wurde. Aber nicht vom Licht. Zumindest nicht ganz. Die durchsichtige Kugel, welche meine Gegner zurück gestoßen hatte war tatsächlich durchwoben von Teufelsmagie. Ich sah es nun ganz deutlich. Wieder geschah nichts. Weder spürte ich wie sich das Licht angeekelt von mir zurück zog, noch dass es versuchte mich zu vernichten. Es war einfach da, wie immer. Und zusammen sahen wir nun meinem Kampf mit Azoran an. Ich erschrak ein wenig darüber wie einfach ich ihn am Ende besiegte. Vor allem mein Gesichtsausdruck dabei. Und wieder hörte ich seine rätselhaften letzten Worte. Hatte ich vielleicht etwas vergessen? Aber nein, die Lichtbrecher war führerlos zurück geblieben. Und Lyana und ihre Illidari wird dafür gesorgt haben, dass es so bleibt. Ich unterbrach meine Gedanken und horchte einfach nur in mich hinein. Sollte er die Teufelsmagie in mir gemeint haben? War ich vielleicht tatsächlich... verseucht? Aber ich fühlte mich normal. Erschöpft ja, aber mehr auch nicht. Ich fuhr fort dem Licht meine Taten offen zu legen. Zeigte ihm ohne zu zögern, wie ich erst Lyana und dann Khadgar belogen hatte. Und wartete auf eine Reaktion. Es kam erneut keine. Vielleicht verstand das Licht besser als ich warum ich es keinem von ihnen gesagt hatte. Ich öffnete die Augen und sah mich umgeben von den Statuen der gefallenen Helden. Sie wirkten so wenig bedrohlich wie immer und auch nicht abweisend, aber mir erschien es, als hätten sie sich zurück gelehnt, als würden sie mit ihrem Urteil über mich noch abwarten bis ich mich entschieden hätte. Nur für was, blieb ein Rätsel. Ich dankte dem Licht, dass es meine Entscheidung gebilligt hatte, stand auf und schleppte mich endlich in mein Zimmer. Ich brauchte jetzt nichts so sehr wie Schlaf.

Ich schrak hoch. Mein Herz schlug so wild, als wäre ich um mein Leben gerannt und ich keuchte nach Luft. Mit zitternden Händen wischte ich mir feuchte Haarsträhnen von meiner schweißnassen Stirn. Meine Augen huschten im Raum herum, aber wie immer war ich allein. Seufzend und mich dazu zwingend langsamer zu atmen ließ ich mich wieder in mein Kissen fallen und starrte wütend zur Decke. Wärend mein Herzschlag sich langsam wieder normalisierte versuchte ich angestrengt mich an den Traum zu erinnern, welcher mich nun die 6. Nacht in Folge aufgeschreckt hatte. Doch wie die male davor, gelang es mir einfach nicht. Kein einziges Detail kam mir in den Sinn, aber offensichtlich jagte er mir so riesige Angst ein, als wäre ich ein kleines Kind. Ich hatte kein großes Verlangen danach erneut einzuschlafen und stand stattdessen auf. Es war noch so früh am Morgen, dass man es auch noch als mitten in der Nacht hätte bezeichnen können und das Sanktum war vollkommen leer. Ich verließ es durch die Kapelle des Lichts und flog mit Belore unbemerkt in den langsam heller werdenden Himmel davon. Vielleicht sollte ich jemanden davon erzählen, überlegte ich, während Wälder und Berge unter mir dahin glitten. Nur wem, und was überhaupt? Schlechte Träume waren vermutlich nicht wirklich etwas besonderes, allerdings hatten sie erst angefangen nach dem der Unfall mit dem Teleporter passiert war. Mir war es unangenehm beide Ereignisse miteinander zu verbinden, aber es lag sehr nah. Vielleicht sollte ich es einem Schamanen erzählen, oder kannten sich Druiden nicht mehr mit Träumen aus? Aber die waren vermutlich nicht mit normalen Träumen zu vergleichen. Also doch ein Schamane? Kannte ich einen Schamanen? Nicht direkt. Jedoch hatte ich mir bei den Tauren einiges an Ansehen erarbeitet und sie brachten hervorragende Schamanen hervor. Einer von denen würde mir schon helfen können. Zumindest stand nun mein nächstes Ziel fest. Ich lenkte Belore auf einen südlichen Kurs und steuerte das Schlingdorntal an. Als wir den Wald von Elwynn immer näher kamen ließ ich Belore noch ein Stück höher steigen. Zahllose Wachtürme der Allianz standen in diesem undurchdringlichen Grün und die Armbrustschützen darin zögerten nie ein Mitglied der Horde vom Himmel zu holen. Endlich wehte mir der erste schwül warme Lufthauch entgegen, welcher das mit einem dichten Dschungel bewachsene Schlingdorntal ankündigte. Die Sonne senkte sich bereits wieder über den Horizont hinab, als die ersten Urwaldriesen in Sicht kamen. Obwohl Belore den ganzen Tag geflogen war, zeigte er keinerlei Müdigkeit. Im Gegenteil schien das große Tier es zu genießen endlich wieder einmal unendlich lang fliegen zu können. So beschloss ich keine Pause in einem der Camps unterwegs zu machen und direkt bis Beutebucht am südlichsten Ende des Kontinents durch zu fliegen. Auch wenn wir erst mitten in der Nacht ankommen würden, machte es kaum einen Unterschied. Diese Stadt schlief nie. Ich lenkte Belore näher an die Küste und beobachtete die von der untergehenden Sonne mit goldenen Kronen versehenen Wellen dabei wie sie an den endlosen Strand schlugen. Ich erinnerte mich an unbeschwertere Tage, ohne jegliche Verantwortung. Tagelang hatten wir hier am Strand gelegen. Hatten das Korallenriff davor erkundet. Uns mit Nagas und Panthern angelegt. Ich lächelte wehmütig. Mir fehlten die Freunde aus diesen Tagen. Schließlich war die Sonne verschwunden und der silbrige Schimmer von Elune ließ alles schlafend und friedlich wirken. Ich wusste es besser. Ab und zu sah man in der Dunkelheit das verräterische Leuchten eines Lagerfeuers. Vielleicht von Schmugglern oder den Gurubashi Trollen entfacht. Ich würde es nicht versuchen raus zu finden. Endlich zeigte ein heller werdender Schimmer hinter den Bäumen, dass wir uns Beutebucht näherten. Und recht bald kam auch die passende Geräuschkulisse dazu. Das Knarren von Schiffsplanken, Geschrei betrunkener Piraten, Geschirr, dass kaputt ging. Pistolenschüsse. Ich flog einen Bogen aufs Meer hinaus und näherte mich von dort der eigenwillig in eine Bucht gebauten Stadt. Sie bestand fast nur aus alten Schiffen und dem was das Meer noch so angespült hatte. Am Eingang der Bucht auf einer vorgelagerten Insel stand die inzwischen arg beschädigte Statue von Baron Revilgaz, dem Beutebucht seinen jetzigen Namen und den Ruf verdankte jedem offen zu stehen, der Gold dabei hatte. Ich segelte an ihr vorbei und landete auf dem Flachdach vor den Flugmeistern. Sofort sprang ein eifriger junger Goblin herbei und ergriff Belores Zügel. Ich warf ihm ein Silberstück zu und betrat die schmuddelige Taverne der Stadt, "Zum salzigen Seemann". Es roch nach Unbeschreiblichen und ein wenig nach Meer. Ich stieg über ein paar bewegungslose Körper hinweg und tröstete mich damit, dass sie vermutlich nur schliefen und ging an die niedrige Bar. Ein fies aussehender Goblin stand dahinter und polierte in ein dreckiges Glas noch mehr Dreck hinein.

"Heya. Was willste haben?" Ich setzte mich auf einen der Barhocker und sah mir die Etiketten der Flaschen hinter ihm an.

"Na komm, Zeit ist Geld", knurrte er mürrisch.

"Melonensaft. Und irgendwas zu essen", sagte ich ungerührt. Goblins waren immer unfreundlich. Das gehörte einfach dazu. Er rief irgendwas durch eine winzige Durchreiche und schenkte mir dann Melonensaft ein. Er war zumindest kühl. Irgendwann landete ein Teller mit Fragwürdigem vor mir. Ich nahm an es war Fisch und aß es ohne zu murren.

"Legt die Launische Minna heute noch mal nach Kalimdor ab?" Der Gastwirt nickte, ohne von dem Glas was er nun bearbeitete aufzublicken.

"Düsenzang fährt so oft wie möglich. Immer viel Ware. Ihr wisst schon." Ich nickte wissend. Die Schmugglerware stapelte sich auf der großen Fähre meist bis auf das Deck, aber das kümmerte kaum jemanden, schließlich nahm er jeden der übersetzen wollte kostenlos mit. Ich trank aus und bezahlte.

"Kein Trinkgeld?" Eine weitere Münze wanderte auf den Tresen. "Beehren Sie uns bald wieder." Ich rollte mit den Augen und ging zurück auf das windschiefe Dach. Belore gurrte glücklich als er mich sah. Sein voller Bauch und gestriegeltes Fell veranlasste mich dazu dem fleißigen Jungen noch eine Goldmünze zuzuwerfen. Ich stieg auf und schwebte quer über die Bucht hinunter zum Anleger. Dort standen bereits mehrere Kisten mit zwielichtigem Inhalt, sowie wartende Passagiere. Ich landete Belore und blieb ebenfalls wartend auf ihm sitzen. Endlich hörte man eine Schiffsglocke in der Dunkelheit läuten und nicht lange danach konnte man die riesige Fähre im Licht der Bucht einlaufen sehen. Das Verladen ging schnell, dank geübter Hände und Belore und ich hatten uns einen ruhigen Ort an Bord der Launischen Minna gesucht. Der treue Wyvern hatte sich zusammen gerollt und ich lag auf seinem breiten Rücken und schaute in den gigantischen Sternenhimmel. Wir legten ab nach Kalimdor und schlief vom sanften Geräusch der schlagenden Wellen umgeben friedlich ein.

Heftiges Schütteln weckte mich. Wie schon die Nächte davor schrak ich hoch. Zunächst konnte ich nur riesige Stoßzähne sehen.

"Yo man! Alles gut?" Ich seufzte. Nur ein Troll. Langsam richtete ich mich auf. Ich lag immer noch auf Belore, welcher mich fragend anstarrte. Die Sonne war bereits aufgegangen, doch nach den Bewegungen des Schiffes zu urteilen waren wir immer noch unterwegs. Und ein riesiger Troll beugte sich über mich.

"Ja, alles in Ordnung. Laufen wir bald ein?", fragte ich noch schlaftrunken.

"Nee man, sin bestimmt noch ne Stunde unnerwegs. Aber hast voll gebrüllt im Schlaf." Der Troll sah ehrlich besorgt aus und hockte sich nun hin. Als ich nicht mehr gezwungen war mir den Hals zu verrenken konnte ich ihn endlich betrachten. Ich entnahm seiner Kleidung, dass er ein Druide war. Und auch noch ein recht mächtiger. Ich tätschelte Belore geistesabwesend, der sich wieder bequem hingelegt hatte, nachdem offenbar keine Gefahr drohte.

"Ich hab... gebrüllt?", fragte ich schließlich und rieb mir die Augen. Der Troll nickte. "Könnt Ihr mir auch sagen was?"

"War keine Sprache die ich kann, sorry man. Aber klang...nich gut." Wieder seufzte ich. Eine Sprache die der Troll nicht kannte. Nun das konnte so ziemlich jede sein. Selbst die Dunkelspeertrolle machten sich nur die Mühe die Allgemeinsprache zu lernen. Jeder andere Trollstamm konnte nicht mal den Dialekt des Nachbarstammes verstehen.

"Und hab ich... noch irgendwas gemacht?" Es war zwar etwas peinlich nach so etwas zu fragen, aber wann hatte ich sonst die Chance so etwas zu erfahren. Der Troll schaute mich etwas scheel an.

"Na, hast dich so rum geworfen. Wärst fast von dem Wollknäuel runter gerutscht." Belore schnaubte beleidigt. "Und dacht is besser dich zu wecken." Ich nickte langsam. "Was schlechtes geträumt?"

"Keine Ahnung. Ich erinner mich nie daran", sagte ich kopfschüttelnd. Die Stirn des Trolls legte sich in Falten.

"Hast das öfters?" Ich überlegte kurz, ob ich ihn anlügen sollte, entschied mich aber dann dagegen. Möglicherweise konnte er mir ja helfen.

"Ja, seit 7 Tagen nun. Ich schrecke aus einem Traum hoch und hab ihn sofort vergessen." Der Troll setzte sich bequemer hin. "Klingt finster. Scho ma nen Doc gefragt?"

"Bin grad dabei", grinste ich ihn an. Der Troll lachte zurück.

"Bin jetzt nich der Experte, aber Träume sin wichtig. Und wenn de dich ne dran erinnerst, isses schlecht. Und Absicht."

"Absicht?" Der Troll nickte ernst.

"Da will einer ne, dass de dich erinnerst." Das beunruhigte mich mehr als alles andere. Pfuschte da wirklich jemand mit meinen Erinnerungen herum?

"Ich bin auf dem Weg nach Donnerfels. Ob mir einer der Schamanen dort helfen kann?" Der Druide wiegte nachdenklich den Kopf hin und her.

"Meine Ma warne Schamanin. Hat viel mitn Loas zu tun. Weiß ne wie die Tauren des machen, aber klar, schaden kanns ne."

Ich unterhielt mich noch bis wir in Ratschet anlegten. Er war mir sehr sympathisch und hieß Gurgulash. Er war auf dem Weg zur Echoinsel, seiner Heimat und lud mich ein ihm zu schreiben, wenn ich heraus gefunden hatte was mir fehlte. In Ratschet verabschiedeten wir uns herzlich von einander und ich flog mit Belore über das Brachland von Kalimdor davon. Nicht klüger, aber besorgter.

Die saftigen Wiesen von Mulgore erstreckten sich unter mir. Jedes Jägerherz schlug höher bei dem Gedanken, welche prachtvollen Tiere dieses wunderschöne Land angelockt hatte. Und auch ich fühlte die Erregung einer bevorstehenden Jagd. Ich hatte einfach zu viel Zeit mit einem leidenschaftlichen Jäger verbracht, um dagegen immun zu sein. Donnerfels erhob sich majestätisch über die Ebene. Die 4 Tafelberge waren theoretisch uneinnehmbar und hatten den Tauren seit langem eine sichere Heimat garantiert. Mir war es persönlich immer etwas unangenehm die wakligen Seilbrücken dazwischen zu überqueren.

Ich ließ Belore im hohen Turm des Flugmeisters landen. Er hatte sich eine lange Pause verdient und begab mich die lange Wendeltreppe hinunter auf das unterste Plateau. Es herrschte geschäftiges Treiben zwischen den vielen hier aufgestellten Zelten voller Händler und kleiner Fressstände. Das erinnerte mich an meinen knurrenden Magen. Ich gönnte mir bei einer freundlich lächelnden Taurin köstlichen Maisbrei und Süßkartoffeln, die mich mein letztes Essen schnell vergessen ließen.

"Was führt eine Blutelfin in unsere bescheidene Stadt?", fragte sie, als ich heißhungrig meine Mahlzeit verschlang.

"Das leckere Essen natürlich", sagte ich zwinkernd. Die Wirtin lachte herzlich und stellte mir noch einen Honigminztee hin.

"Geht aufs Haus, mein Herz." Ich dankte ihr glücklich.

"Könnt Ihr mir sagen, wo ich hier am schnellsten einen Schamanen finden kann?", fragte ich und spießte die letzte Süßkartoffel auf.

"Ein Paladin sucht Schamanen?", fragte sie neckisch. Ich begnügte mich mit einem Nicken.

"Ganz einfach, auf der Anhöhe der Geister. Da wimmelt es geradezu von ihnen. Gleich dort die Seilbrücke hinüber." Ich bedankte mich bei ihr und machte mich auf den Weg.

"Geht in Frieden", verabschiedete sie mich. Ich mochte das Volk der Tauren wirklich sehr.

Die Anhöhe der Geister stand ebenfalls voller Zelte, diese waren jedoch sehr viel kleiner und es standen überall teils riesige Totems herum. Es war fast unnatürlich ruhig hier. Ich sah eine Gruppe von Schmanen sanft brummend um ein blau brennendes Feuer herum stehen und beschloss diese nicht unbedingt stören zu wollen. Ich sah mich etwas verloren um und beschloss dann einfach eines der Zelte zu betreten. Eine Taurin mit schneeweißem Fell saß darin und sah mich aufmerksam an.

"Was bringt dich zu mir, mein Kind?", fragte sie mit sanfter Stimme. Ich trat näher und verbeugte mich leicht.

"Verzeiht mein Eindringen. Ich brauche Rat oder Hilfe und hoffe es hier zu finden." Die Taurin nickte langsam.

"Was für Probleme könnte ein Paladin haben, die ein Schamane lösen kann?" Sie wieß freundlich auf ein Kissen vor sich und ich setzte mich. Ich atmete kurz durch und sah in die klaren Augen der weißen Taurin. Wo sollte ich anfangen?

"Ich schrecke seit einer Woche jeden Morgen aus einem Traum hoch, welcher mich scheinbar zu Tode ängstigt. Aber ich erinner mich nie an den Traum. Vielleicht ist es auch kein Traum. Ich weiß es einfach nicht." Ich schüttelte zweifelnd den Kopf und blickte gedankenverloren zu Boden. Die Taurin runzelte ihre breite Stirn.

"Ein Traum, der sich verbirgt... In der Tat rätselhaft. Und ein Traum der einen Paladin ängstigt... Beunruhigend." Ich blickte wieder auf.

"Wir sind nicht so mutig, wie Ihr vielleicht denk", schmunzelte ich leicht. Doch sie erhob eine Hand.

"Oh aber das Licht verleit Euch Seelenstärke. Und dieser Traum...und es ist ein Traum, er..." Sie brach ab und zog vielsagend eine Augenbraue hoch.

"Und...kann man etwas...dagegen...tun?" Ich verstand immer weniger von was sie redete. Aber es bedeutete auf jeden Fall nichts Gutes. Die Taurin schloss die Augen und senkte den Kopf. Es war nun totenstill und ich traute mich kaum zu atmen. Nach einer Ewigkeit in der mir die Beine eingeschlafen waren schnaubte die Taurin plötzlich hart durch ihre Nüstern und hob den Kopf wieder. Ihre Augen fixierten mich, schienen in mich einzudringen.

"Die Geister sprachen zu mir. Und warnten mich vor Euch." Was sollte ich dazu sagen? Ich blickte verwirrt hin und her.

"Warum warnten sie vor mir?" Die Taurin zuckte mit den Schultern.

"So klar drückten sie sich nicht aus. Das tun sie nie. Aber dennoch. Es war eine Warnung. Ich weiß, dass Ihr jetzt nicht mit dem Schwert auf mich losgehen werdet, aber von Euch geht eine immense Gefahr aus."

"Könnt Ihr irgendetwas dagegen tun?" Mir wurde immer unwohler in meiner Haut.

"Ihr meint außer Euch umzubringen?" Die Taurin lachte leise, aber ich war mir nicht ganz sicher ob das wirklich nur ein Scherz gewesen war. "Es ist schwierig, wir wissen ja nicht einmal warum Ihr eine Gefahr darstellt." Sie verfiel wieder in Schweigen und schien nachzudenken. Auch ich versank in Gedanken. Wenn die Geister schon vor mir warnten, schien es wirklich etwas Ernstes zu sein. Und es hatte doch alles so harmlos mit gestörtem Schlaf angefangen. Da hob die Schamanin wieder ihren großen Kopf. "Es gibt eine Möglichkeit in Euer Innerstes zu sehen und heraus zu finden was Euch quält. Ihr müsst zu den Teichen der Visionen hinab steigen." Ich legte den Kopf schief. Von den Teichen hatte ich noch nie gehört.

"Wo befinden die sich?" Die Taurin deutete mit einem ihrer 3 Finger auf den Boden.

"Direkt unter uns im Berg. Es ist eigentlich nur Schamanen erlaubt dorthin zu gehen und selbst wir tun dies nur ungern. Aber in Eurem Fall... Folgt dem schmalen Pfad, der sich um den Berg windet und ihr werdet auf den Eingang stoßen. Er ist gut versteckt, also haltet die Augen offen." Ich nickte gehorsam. "Bei den Teichen halten sich nur Verlassene länger als nötig auf. Sagt ihnen, dass Euch Siln Himmelsjäger geschickt hat. Ihr sollt eine Sehung machen." Wieder nickte ich.

"Was soll ich tun... nun, wenn ich etwas sehe?" "Kämpfen mein Kind. Kämpfen. Um Euch selbst."

Ich verließ das Zelt und suchte den Pfad. Er war eng und so abschüssig, dass ich befürchtete jederzeit abzurutschen und ins Tal zu stürzen. Tatsächlich entdeckte ich den Eingang nur durch Zufall. Eine Blume, die aus einem Riss im Fels wuchs erregte meine Aufmerksamkeit und als ich den Riss betrachtete, sah ich plötzlich, dass er sich auf seltsame Art weiter schlengelte. Und sich plötzlich zu einem winzigen Durchgang erweiterte. Während ich mich hindurch wand, fragte ich mich wie es die Tauren schafften hier hinein zu kommen. Vermutlich gab es einen offizielleren Weg. Der Gang verbreitete sich schnell nach dem Eingang und ich konnte aufrecht laufen. Das wenige Licht, dass von außen herein fiel verging schnell, aber es umfing mich keine Dunkelheit. Ein schwach bläulicher Schimmer leitete mich. Und plötzlich öffnete sich der Tunnel in eine große Höhle. Mehrere kreisrunde Teiche strahlten dieses blaue Leuchten aus. Ich sah mich staunend um. Da hörte ich ein rasselndes Atmen hinter mir. Ich schnellte herum, denn es klang, als säße es mir direkt im Nacken. Ich sah einen Verlassenen in der Tunnelöffnung stehen. War er da schon als ich rein gekommen war? Seine unheimlich gelb leuchtenden Augen musterten mich. Der Großteil seines Gesichts lag im Schatten einer Kapuze und ich war nicht unbedingt böse darüber. Die wenigsten Verlassenen sahen gesellschaftsfähig aus und wenn sie in so einer Höhle längere Zeit lebten wurde es vermutlich nicht besser.

"Was wollt Ihr hier?" Die Stimme war mehr ein Zischen.

"Himmelsjäger hat mir den Zugang erlaubt. Ich soll eine Sehung machen." Ich war sehr stolz auf mich, dass in meiner Stimme kein Zittern zu hören war. Die Augen verschwanden kurz.

"Eine Sehung... Interessant. Nun wenn Siln es so haben will. Folgt mir." Die Augen kehrten zurück und der Verlassene trat weiter vor ins Licht. Ich folgte seiner gebeugt laufenden Gestalt, die von einer ausgefransten Robe verdeckt wurde. Er schlurfte auf einen der Teiche zu und ich erkannte im heller werdenden Leuchten, dass überall in der Höhle Verlassene herum lungerten. Ich spürte jede menge gelbe Augenpaare auf mir. Natürlich war ich schon unzählige male in Unterstadt gewesen, selbst im gruseligen Apothekerviertel, aber dort kannte ich die Regeln. Hier fühlte ich mich wie auf einem Opferaltar. Mein Führer hielt schließlich direkt am Rand des Teichs und winkte mich mit einer beunruhigend knochigen Hand näher bis ich direkt neben ihm stand.

"Nun denn. Seht hinein. Ich hoffe es ist es wert." Und er wollte sich schon wieder abwenden.

"Was meint Ihr damit?", traute ich mich zu fragen. Der Verlassene wandte sich mir zu und nun konnte ich sehen was die Kapuze vorher gnädigerweise verborgen hatte. Er grinste so unheilvoll wie nur ein Schädel es konnte.

"Wenn die Teiche eine Vision gewähren, dann zeigen sie einem alles. Wirklich alles. Auch die Dinge, die man nicht sehen will." Und er machte eine einladende Geste mit der Hand, bevor er sich erneut umwandte und mich allein stehen ließ. Nervös starrte ich abwechselnd in das unnatürlich leuchtende Wasser und auf die Verlassenen, welche sich hier mit wer weiß was beschäftigten. Nun, ich wollte wissen was mit mir los war und ich kannte doch all meine Geheimnisse, wovor sollte ich also Angst haben? Ich schloss die Augen, atmete tief durch und starrte dann in das milchige Blau. Nach einer Weile begannen mir die Augen zu tränen. Das mit den Visionen dauerte wohl länger als ich dachte. Nach etwas über 3 Stunden saß ich den Kopf gelangweilt in die Hände gestützt immer noch neben dem Teich und schaute aus halb geöffneten Augen hinein. Vor einer halben Stunde war ein Käfer hinein gefallen und zu beobachten wie er versuchte dem Wasser zu entkommen hatte mich vor dem einschlafen bewahrt. Ich seufzte. Es ergab vermutlich nicht viel Sinn noch länger hier herum zu sitzen. Es musste inzwischen schon lange Nacht sein und bestimmt erwartete mich im Sanktum schon ein Berg an neuen Aufgaben. Ich wollte meinen Blick von dem Käfer abwenden und mich erheben, aber aus irgendeinem Grund konnte ich nicht. Ich runzelte die Stirn. Hatte ich einen Krampf vom langen sitzen? Ich versuchte meine Augen zumindest zu schließen, doch die erforderlichen Muskeln reagierten einfach nicht. Nun war ich ernsthaft besorgt. Waren die herum wabernden Nebelfetzen in der Höhle vielleicht giftig? Wider besseren Wissens versuchte ich den Mund zu öffnen, was natürlich ebenfalls nicht funktionierte. Mir blieb nur den Käfer zu beobachten. Verzweifelt strampelten seine dünnen Beinchen im Wasser. Inzwischen deutlich weniger kräftig als noch am Anfang. Ich sah wie er seine grünlich schimmernden Deckflügel aufklappte und mit den durchsichtigen Flügeln schlug. Natürlich brachte es nichts. Der Tod dieses Käfers war besiegelt. Er zögerte es nur hinaus. Ich sah jetzt so deutlich als würde ich neben ihm im Wasser schwimmen wie seine Beine sich immer langsamer bewegten. Plötzlich ergriff mich Verzweiflung. Ich wollte den Käfer anschreien, dass er nicht aufgeben sollte. Ich konnte nicht. Und jetzt war die Verzweiflung reine Panik. Der Käfer würde sterben! Und da ging mir auf, ich war dieser Käfer! Ich kämpfte da verzweifelt um mein Leben, ich würde sterben. Ich öffnete den Mund und wollte um Hilfe schreien, aber ich schluckte nur unmengen von Wasser. Jetzt bekam ich auch noch keine Luft mehr. Meine Lungen brannten wie Feuer. Jetzt fiel mir auch auf, dass das Wasser kein Wasser war. Ich schwamm in Lava und es brannte mir das Fleisch von den Knochen. Die Schmerzen hörten nicht auf. Ich starb einfach nicht. Das schmerzhaft hell glühende Gestein verschluckte mich vollständig. Und endlich war die Welt nicht mehr blendend hell, sondern schwarz. Ich fiel in diese Schwärze hinein, sah nichts ausser mich selbst und fürchtete jeden Moment auf den unsichtbaren Boden oder irgendein Hindernis zu prallen. Ich wollte schreien und wäre es nur, um mein Grauen mit dem schwarzen Nichts zu teilen, aber meiner Kehle entstieg kein Laut. Tatsächlich hörte ich absolut gar nichts. Oder nein, das stimmte nicht. Ich hörte ein Rauschen, wie von weit entferntem Wind. Es klang merkwürdig und unregelmäßig. Fast als würde jemand mit verstopfter Nase atmen. Ich konzentrierte mich darauf, in dem Versuch nicht wahnsinnig zu werden. Das Geräusch wurde lauter und langsam erkannte ich was es war; Geflüster. Ich konnte mehrere Stimmen unterscheiden die im Dunklen redeten, aber ich verstand nicht um was es ging. Doch sie wurden lauter und ich strengte mich unendlich an, um endlich etwas zu verstehen. Da hörte ich meinen Namen. Flüsterten die Stimmen über mich? Da wieder, jetzt war ich mir sicher.

"Orava..." Nervös blickte ich mich um, versuchte angestrengt die Schwärze zu durchdringen. Aber ich sah nichts, hörte nur wie die Stimmen lauter wurden.

"...rdrings Entscheidung war voreilig."

"...unangemessen dafür."

"...hatte kaum Erfahrung."

"Irgendwann wird das Glück sie verlassen."

"Es ist ein Fehler Orava unser Leben anzuvertrauen."

Jetzt waren die Stimmen laut genug, dass ich sie klar und deutlich verstehen konnte und ich erschrak vor dem was ich hörte.

"Schwacher Emporkömmling, mehr nicht. Ja es ist wahr, was soll man sonst von ihr halten?"

"Natürlich bekommt Orava nur die unwichtigen Aufgaben. Mehr würde ich ihr nicht anvertrauen." Ich erkannte die Stimmen. Delas war darunter, Lady Liadrin, die Matriarchin der Blutritter, Lordregent Theron, ehemalige Weggefährten, die ich seit Jahren nicht gesehen hatte und Khadgar. Hatten sie all das wirklich über mich gesagt?

"Nein sie hat mich wirklich sehr enttäuscht."

"Ich hatte versucht es zu erklären, aber die Mühe hätte ich mir sparen können." Ich schluchzte, ohne einen Ton von mir zu geben und versuchte mir die Ohren zuzuhalten, aber das nützte nichts. Die Stimmen wurden immer lauter, schienen direkt aus meinem Kopf zu kommen. Da riss ich die Augen auf. Aus meinem Kopf! Natürlich! Alles was die Stimmen sagten waren meine eigenen Ängste und Befürchtungen. Zweifel über meine Fähigkeiten die ich gelernt hatte zu ignorieren. Keiner meiner Freunde und auch keiner von meinen Idolen hatte so etwas jemals über mich gesagt.

"Das ist nicht wahr!", hörte ich mich mit fester Stimme sagen. Mit einem Schlag hörten die Stimmen auf. Ich blickte herausfordernd in das Dunkel. Plötzlich tauchte ein heller Schlitz auf, als hätte jemand eine Decke mit einem Messer durchstochen. Der Spalt öffnete sich und grünes Licht fiel hindurch. Jetzt erkannte ich, dass es ein riesiges Auge war. Das Lid klappte komplett auf und ein feurig grün glühender Augapfel mit einem schwarzen Schlitz als Pupille starrte auf mich, als wäre ich eine Ameise. Ohrenbetäubendes Lachen schien die Welt zu erfüllen. Reflexartig hielt ich mir wieder die Ohren zu, doch natürlich brachte es nichts. So ein Lachen ließ sich nicht aussperren.

"Anakh kyree!" Brüllte eine furchterregende Stimme in meinem Kopf. "Reicht es dir noch nicht, jede Nacht gequält zu werden? Willst du freiwillig für mich schreien?" Die Stimme war nun so dröhnend, dass ich befürchtete mein Kopf würde auseinander gesprengt. Mir wurde heiß und kalt gleichzeitig, jeder Zentimeter meiner Haut schmerzte und alle Muskeln verkrampften sich gleichzeitig so heftig, dass ich meine Knochen brechen fühlte. Und ich schrie.

Ich wusste nicht wie viel Zeit vergangen war. Gefühlt waren Königreiche und ganzen Welten entstanden und hatten sich wieder zerschlagen. Ich schlug meine Augen auf. Ich sah eine mit Stalagtiten behangene Höhlendecke und versuchte mich zu erinnern warum sie da war. Vorsichtig drehte ich den Kopf. Scheinbar lag ich auf dem Boden, neben einem hübschen blau funkelnden Teich. Dann erinnerte ich mich daran auch einen Körper zu besitzen. Ich stemmte mich auf meine Ellenbogen und richtete mich auf. Wie die Decke mich schon hatte vermuten lassen war ich tatsächlich in einer Höhle. Und der Teich war nicht der einzige. Da schlurfte plötzlich aus dem überall wabernden Nebel etwas auf mich zu.

"Ihr lebt noch", hörte ich eine ungesund klingende Stimme sagen. "Habt Ihr etwas erfahren?" Ich senkte nachdenklich den Blick. Stimmt... ich war hier her gekommen. Ich war in diese Höhle gegangen und das Ding, was etwa einen Meter vor mir stehen geblieben war, war ein Verlassener. Gruselig anzusehen, aber harmlos. Meistens. Warum war ich hier rein gekommen? Mein Blick fiel auf den Teich neben mir. Um etwas zu erfahren, wie der Verlassene gesagt hatte. Die sich sanft kräuselnde Wasseroberfläche wirkte leicht hypnotisierend und meine Gedanken glitten ab. Dann trafen mich alle Erinnerungen plötzlich wie ein Vorschlaghammer. Ich keuchte auf und hielt mir meinen Kopf, der sich nun tonnenschwer anfühlte. Ich spürte wie Tränen in meine Augen traten und mir über die Wangen hinunter liefen, als alles was ich im Teich gesehen hatte noch einmal vor mir ablief. Ich hatte das doch im Teich gesehen? Ich wagte es nicht mir vorzustellen, dass all das wirklich passiert war. Ich sah auf meine zitternden Hände hinab. Sie waren gesund und es fehlten keine Finger. Auch der Rest von mir den ich sehen konnte wirkte normal. Dann war es wohl alles nur Teil dieser verstörenden Vision gewesen. Ich blickte auf und in die gelb leuchtenden Augen des geduldig wartenden Verlassenen.

"Ich habe etwas gesehen. Fühlen sich so die Visionen an?" Langsam erhob ich mich.

"Sie können. Jede Vision ist anders."

"Aber so...real?" Der Verlassene zuckte mit den knochigen Schultern.

"Durchaus. Wenn man etwas Reales mit sich herum trägt." Ich nickte vorsichtig und senkte den Kopf nachdenklich, darauf bedacht auf keinen Fall wieder zu lang in einen der Teiche zu starren. Ich trug etwas mit mir herum. Das riesige, flammende Auge kam mir wieder in den Sinn und ich spürte einen scharfen Schmerz durch meine Schläfe fahren. So sehr mir der Gedanke auch Angst einjagte, etwas abgrundtief Böses war in mich eingedrungen und schien meinen Geist jede Nacht zu quälen. Nun war die Frage, wie wurde ich es los? Ich hob den Blick wieder und sah den Verlassenen nach wie vor bei mir stehen und mich interessiert musternd.

"Ich... ich habe etwas furchtbares gesehen. Kann ich... kann ich etwas tun?" Der Verlassene wiegte seinen Kopf auf dem dürren Hals hin und her.

"Euren Kopf abhacken wäre eine Lösung." Ich war unsicher ob das ein Scherz war. Verlassene meinten sowas gern ernst. Aber ein grausiges Lächeln spaltete den Riss, welchen man nur mit Mühe als Mund bezeichnen konnte.

"Ein Exorzismus würde Euch vielleicht helfen. Allerdings müsst Ihr natürlich erst einen Priester finden, welcher das Risiko auf sich nehmen will." Ich überlegte

"Und nur ein Priester kann das tun? Warum nicht ein Paladin?" Der Verlassene schnaubte geringschätzig.

"Zu viel Blut an der Klinge. Ein Priester. Oder lernt damit zu leben." Nun drehte er sich endgültig von mir weg und verschwand im Nebel. Hier war wohl keine Hilfe mehr zu erwarten. Seufzend stand ich auf und irgnorierte das weiche Gefühl in meinen Knien. Nachdenklich verließ ich die unheimliche Höhle und war nicht überrascht als ich mich durch den schmalen Spalt quetschte und sah, dass es bereits tiefe Nacht war. Die Sterne blinzelten mir zu. Ich musste Stunden in der Vision gefangen gewesen sein. Kein Wunder, dass sich mein ganzer Körper steif anfühlte. Ich pfiff wieder 3 mal nach Belore. Und kaum 10 Sekunden später sah ich seinen schwarzen Schatten heran gleiten. Er brachte es fertig auf dem schmalen Pfad zu landen, ich stieg schnell auf und er stieß sich in den Abgrund ab. Ich ließ ihm die Zügel frei und er kreiste langsam über die weite Ebene. Jetzt als wir uns von Donnerfels und den Teichen der Visionen immer mehr entfernten wurde auch der Schrecken, welchen ich empfunden hatte immer kleiner. Mir war nichts geschehen, ausser dass ich einen schlimmen Traum hatte. Und schließlich ist es mehr nicht gewesen. Schamanen nennen es vielleicht Visionen, aber mir kam es wie reichlich fauler Zauber vor. Ich atmete die belebende Luft ein. Wer weiß was für Gifte in dieser Höhle herum waberten. Vor allem wenn dort Verlassene unbeaufsichtigt wer weiß was trieben. Ich zweifelte immer mehr an dem was ich da gesehen hatte. Und nun sollte ich einen Priester aufsuchen? Ich hätte fast laut gelacht. Nein. Diesen Zirkus würde ich jetzt nicht weiter gehen. Dann schreckte ich halt ab und an aus meinem Schlaf hoch. Das würde vergehen, wie auch schon früher schlechte Träume vergangen sind. Es wurde Zeit sich wieder um Wichtiges zu kümmern. Ich war nun bereits seit 2 Tagen ohne eine Nachricht verschwunden. Ich ließ mich tiefer in den Sattel rutschen und lenkte Belore gen Norden nach Orgrimmar.

Schon als wir die rote Ebene von Durotar erreichten konnte ich die riesige Hauptstadt der Horde riechen. Ein vertrauter Brodem aus beißendem Rauch, ranzigem Fett und weiterem Unaussprechlichem. Es war nicht mein liebster Aufenthaltsort, aber von hier aus flog ein Zeppelin nach Unterstadt. Von dort aus war es nicht weit bis in die Pestländer und zur Kapelle. Ich überflog den wuchtigen Grenzwall und weiter zu den hoch aufragenden Zeppelintürmen. Ich hatte Glück, denn gerade legte der Zeppelin aus Unterstadt an. Ich segelte mit Belore an Deck und wir legten ab. Endlich nach Hause.

Ein ganzer Tag war vergangen und die Sonne war bereits in meinem Rücken untergegangen als ich endlich die Kapelle erreichte. Ich war unendlich müde und sehnte mich nach mehreren Tagen ohne jeden Komfort unendlich nach meinem Bett. Belore landete sanft und ich tätschelte ihn liebevoll. Ein überrascht wirkender Stalljunge trat auf uns zu und ich übergab ihm die Zügel.

"Gib ihm reichlich Futter", sagte ich mit einem leichten Gähnen und betrat die Kapelle. Als ich die vielen Treppen hinunter ging und um die erste Ecke bog hörte ich plötzlich schnelle Schritte die sich näherten. Delas bog viel zu schnell in den Gang ein und wäre fast gegen eine Mauer gekracht. Sie stieß einen spitzen Schrei aus, als sie mich sah und stürzte auf mich zu und in meine Arme.

"Wo hast du gesteckt? Keine Nachricht! Kein Lebenszeichen!" Ich drückte sie kurz und schmunzelte über ihren Versuch mich auszuschimpfen.

"Ich war doch schon häufiger fort. Kein Grund zur Sorge." Langsam setzte ich meinen Weg fort, Delas im Schlepptau die sich weigerte meinen Arm wieder loszulassen.

"Aber nie ohne Nachricht. I- Wir haben uns wirklich Sorgen gemacht." Ich beließ es dabei ihre Hand zu tätscheln.

"Unkraut vergeht nicht. Also, was gibt es Neues?"

Leicht grummelig starrte ich zu dem schwarzen Turm hinauf. Alles hier gab sich Mühe ganz besonders uneinladend zu wirken. "Ich bin genausowenig erpischt darauf hierher zurück zu kehren", sagte Khadgar neben mir. Auch er musterte den Turm mürrisch. "Keine guten Erinnerungen?" Ich wusste, dass der Erzmagier wärend seiner Ausbildung viel Zeit hier verbracht hatte. "Ein paar", antwortete er wage. "Aber wir müssen die Legion von hier vertreiben. Karazhan birgt zu viele Geheimnisse und zu viel Macht um sie gewähren zu lassen." Ich nickte ergeben. Natürlich war ich nicht wirklich böse hier zu stehen. Khadgars Nachricht war mir sehr gelegen gekommen. Das ständige Aufschrecken ermüdete und zermürbte mich. Endlich hatte ich etwas anderes auf das ich mich konzentrieren konnte. "Räuchern wir das Nest allein aus?" Khadgar schüttelte den Kopf. "So sehr ich Euren Fähigkeiten vertraue, aber dies wäre wohl eine Nummer zu groß für Euch." Er lächelte warm zu mir herab. "Ich habe ein paar weitere Champions dazu gebeten. Alle haben sich schon bewiesen, deshalb gestatte ich mir ein wenig Optimismus." Seine Augen kehrten zum Turm zurück. "Na wenn das nicht der vielbeschäftigte Hochlord ist." Beim Klang der Stimme stellten sich meine Nackenhaare auf und ich drehte mich verblüfft um. Ein Jäger der Verlassenen näherte sich, umwabert von Nebelfetzen. Eine furchteinflößende Rüstung aus Drachenknochen verdeckte seine Gestalt, doch ich erkannte ihn sofort. Hätte ihn überall erkannt. "Caethingit?", fragte ich dennoch fassungslos. Als Antwort erhielt ich ein spöttisches Lachen. Natürlich, was fragte ich auch so dumm? Mein Körper entwickelte ein Eigenleben und noch bevor ich zum Nachdenken kam warf ich meine Arme um seinen Hals. "Was treibt dich hierher, alter Freund?", fragte ich und versuchte verzweifelt das breite Lächeln aus meinem Gesicht zu vertreiben. "Das Selbe wie dich schätz ich." Und er nickte zu Khadgar, der uns wohlwollend lächelnd betrachtete. Schnell lößte ich mich wieder von Caethingit, das Gesicht rot angelaufen. "Oh Ihr kennt Meisterjäger Caethingit bereits wie ich sehe. Umso besser." In dem Moment schälten sich 3 weitere Gestalten aus dem Nebel und wurden von Khadgar begrüßt. "Du spielst also immer noch sein Haustier?", hörte ich Caethingit flüstern. Ich verengte die Augen zu Schlitzen. Warum hatte ich auch etwas anderes erwartet? "Und du hängst immer noch an der Kette der Banshee Königin?", fragte ich spitz zurück. Caethingit zuckte mit den Schultern. "Zumindest kenne ich meinen Platz." Bevor ich mir eine Erwiederung einfallen lassen konnte war er an mir vorbei zum Rest der Gruppe gegangen. Ich seufzte stumm. Der Tag versprach fantastisch zu werden. Die anderen 3 waren ein Taurenkrieger, ein Blutelfen Magier und eine Pandarische Mönchin. Ich murmelte eine Begrüßung und nickte jedem zu als Khadgar uns vorstellte. "Magier aus Dalaran haben bereits magische Barrieren um den Turm errichtet. Nun kommt zumindest nicht noch mehr Abschaum hinein. Allerdings können wir nun nicht einfach durch das Haupttor hinein spazieren." Er wieß auf einen kleinen Nebenturm, von welchem eine erschreckend alte Brücke zum Hauptturm führte. "Wir nehmen den Hintereingang. In der Hoffnung eine Weile unentdeckt zu bleiben." Wir erstiegen den baufälligen Nebenturm. Auf den zersplitterten Treppenstufen begegneten uns mehrere Dämonenleichen. Ganz oben standen mehrere hochrangige Magier der Kirin Tor, welche einen blass lila schimmernden Abwehrzauber überwachten. Ihre Gestalt straffte sich leicht als Khadgar mit uns im Schlepptau herauf kam.

"Keine ungewöhnlichen Aktivitäten, Erzmagier", meldete ein Blutelf unaufgefordert. Khadgar nickte und ging schweigend an ihnen vorbei auf die schmale Brücke zu. Kleine Steine lösten sich als wir sie überquerten und vielen nach einer Ewigkeit in den schmalen Bach sehr tief unter uns.

"Früher war das der Eingang für Bedienstete und Waren." Ein halb verrostetes Gatter versperrte uns den Weg. Khadgar schaffte es mit einem Fingerschnippen aus dem Weg. "Nun denn." Wir betraten Karazhan. Der leicht ansteigende Gang in den wir gelangten war durchzogen von Spinnweben. Khadgar sah sich aufmerksam um.

"Ich werde vorraus gehen, es versteht sich wohl, dass Ihr wachsam bleiben müsst. Ich spüre etwas... eine Präsenz, wie ich sie seit..." Seine Worte wurden immer leiser und waren scheinbar schon lange nicht mehr für uns bestimmt. Plötzlich verwandelte er sich in einen Raben und flog davon. Leicht enttäuscht starrte ich ihm hinterher. Ich hatte angenommen er würde mit uns nach Karazhans Dämonen suchen. Unhörbar seufzte ich und drehte mich zu den anderen um.

"Nun wir wollen ihn nicht warten lassen", sagte ich leise, aber bestimmt und zog Schwert und Schild. Alle nickten. Wir folgten dem Gang in die Richtung in der Khadgar verschwunden war. Jeder Schritt verursachte einen furchtbaren Missklang in der Stille des Turms. Da weitete sich der Gang zu einer art Eingangshalle, doch bevor ich mich umsehen konnte zerriss ein Schrei mir fast die Trommelfelle. Hektisch sah ich zu den Anderen. Der Schrei kam von keinem von ihnen. Alle hielten sich die Ohren zu, außer Caethingit. Er hatte keine Sekunde gezögert und bereits einen Pfeil auf der Sehne. Er fing meinen Blick auf, zwinkerte mir zu und schoss den Pfeil ab. Ich folgte ihm mit den Augen, als er an meiner Schulter vorbei auf etwas hinter mir zuflog. Ich blickte direkt in eine grauenerregend verzerrte Fratze und brachte es nicht fertig einen Muskel zu bewegen. Hätte der Pfeil die Kreatur nicht mitten in die Brust getroffen und zurück geschleudert hätten mir deren messerscharfe Klauen ohne Zweifel das Gesicht zerfetzt. Einmal mehr hatte mir Caethingits Geistesgegenwart den Hals gerettet. Leider hatte der Pfeil das vor uns schwebende Ding, dass ich mangels eines besseren Wortes Geist nannte nur kurz irritiert und nicht außer Gefecht gesetzt. Ich schleuderte ihm einen Hammer aus Licht entgegen und wütend kreischend stürzte sich das Ding erneut auf mich. Doch auch meine Verbündeten hatten sich von ihrem Schock erholt und warfen dem Geist entgegen was sie hatten. Ich rammte eine Seite meines Schildes in den widerwärtigen Schlund und sah wie sich zeitgleich ein glühender Pfeil in seine Stirn bohrte. Ein letzter, japsender Schrei verklang und das Wesen lößte sich in Nichts auf. Eine kaum wahrnehmbare Stimme flüsterte: "Endlich frei" in meine Ohren. Nervös sah ich mich um. Der Kampflärm schien nichts anderes angelockt zu haben.

"Wo lang jetzt?", fragte die Pandarin. Ich musterte unsicher den großen Torbogen auf dessen anderer Seite Licht glomm.

"Ich würde sagen nach oben", hörte ich Caethingits Stimme hinter mir. Versteckt im Halbdunkel hatte er eine zum Teil zerfallene Holztreppe entdeckt. Ich ging zu ihm und versuchte das Ende zu sehen, aber es war einfach zu dunkel.

"Angst in der Dunkelheit, Leuchtkäfer?", flüsterte der Verlassene so leise, dass nur ich es hören konnte und begann die knarrenden Stufen hinauf zu steigen. Ich winkte die anderen herbei und folgte dem Jäger, den Wahrheitshüter vor mich haltend, um zumindest ein wenig Licht zu haben. Die Treppe führte auf einen herunter gekommenen Balkon. Ich blickte hinab und hätte schwören können, dass wir bereits höher waren als wir es eigentlich sein sollten. Eine Holztür führte uns wieder nach innen. Früher mochte es ein Treppenhaus gewesen sein, doch die Zeit oder etwas noch mächtigeres hatte die Mauern und einen Großteil der Stufen zerschlagen. Halb durchsichtige Schemen schwebten zwischen den Trümmern herum. Glücklicherweise schienen sie von uns keine Notiz zu nehmen. Mich aufmerksam umschauend um nicht noch einmal überrascht zu werden ging ich voran dicht gefolgt von Caethingit und den anderen meiner Gruppe. Ich rechnete jederzeit damit, dass eine Stufe unter mir nachgeben und ich äußerst tief stürzen würde, aber nichts geschah. Dennoch konnte ich mir ein erleichtertes Seufzen nicht verkneifen, als das Treppenhaus in einem erstaunlich gut erhaltenen und riesigen Korridor endete.

"Hatte der Hochlord etwas Angst zu fallen?", raunte mir Caethingit zu und sah sich ebenfalls um. Ich warf ihm einen Seitenblick zu der er überraschend erwiederte.

"Keine Sorge. Ich hätte dich gehalten, Kleines." Und er zwinkerte mir zu. Hitze breitete sich in meinem Magen aus und stieg viel zu schnell in mein Gesicht. Bevor ich weg sehen konnte zuckte ein triumphierendes Grinsen über das Gesicht des Verlassenen. Diesen Kampf würde ich immer verlieren.

"Ich befürchte die vielen arkanen Würmer bedeuten nichts gutes." Die Stimme des Magiers riss mich aus meinen Gedanken. Er hatte recht. Überall im Gang schwebten die schwach bläulich leuchtenden Wesen herum. In und um Silbermond waren sie ein normaler Anblick. Starke Magie lockte sie an. Während ich noch hinter einem der sich langsam fort schlengelnden Würmer nachsah erzitterte plötzlich leicht der Boden. Und kurz darauf erneut. Staub rieselte von den Balken herunter. Ich packte mein Schwert fester und nickte den anderen grimmig zu. Entschlossen trat ich in die Mitte des Ganges und sah dem im dunklen liegenden Ende entgegen. Die anderen versammelten sich hinter mir. Langsam glitten die arkanen Würmer an uns vorbei und strebten fort zur Quelle der lauter werdenden Beben. Im sanften Licht das ihre Körper ausstrahlten erschienen die Umrisse eines Kolosses. Sein Körper glänzte als wäre er aus Kristallen geformt worden. Scheinbar hatter er eine Möglichkeit seine Umgebung wahr zu nehmen, Augen konnte ich nicht erkennen, denn er hielt plötzlich inne und stieß dann in einem metallischen Ton hervor: "Die Menagerie ist nur für Gäste." Dann beschleunigte er seine Schritte.

"Offenbar sind wir keine Gäste", grunzte der Taure. Ich nickte und warf mein Schild nach der Maschine. Mit einem befriedigenden Klonk traf er sie an die Brust und sprenkte Splitter heraus. Bevor er mein Schild greifen konnte flog es sicher zurück in meine Hand. Mit ausgestreckten Armen stapfte der Wächter auf mich zu. Zauber, Pfeile, Äxte und meine vom Licht entfesselte Macht prasselten auf ihn ein, doch obwohl mit jedem Schlag teile aus seinem Körper heraus brachen griff er unermüdlich weiter an. Mein Schildarm erzitterte immer härter. Ich biss die Zähne zusammen und rammte mein Schwert in eines seiner Beine. Tatsächlich drang ich tiefer ein als erwartet und das Bein zerfiel in unförmige Brocken. Der Wächter knickte zur Seite weg, mein Schild rutschte von seinem Arm und eine Kristallfaust traf meine Schulter so hart, dass ich zu Boden fiel. Glücklicherweise überstand ich den Aufprall deutlich besser als der Kristallkoloss. Sein Kopf zerbrach und eine deutlich leisere metallische Stimme murmelte: "Kurator ist nicht länger in Betr-ie-b." Dann bewegte er sich nicht mehr. Ächzend setzte ich mich auf. Sofort beugte sich die Pandarin besorgt über mich.

"Alles gut?" Sie bewegte ihre Hände durch die Luft als würde sie etwas heraus ziehen wollen und tatsächlich erschienen plötzlich blassgrüne Schlieren die sich wie kleine Nebelschwaden um ihre Finger legten.

"Nur meine Schulter", meinte ich. Sie nickte und lenkte den Nebel genau zu der vor Schmerz pochenden Stelle. Der Nebel drang durch meine Haut und sofort fühlte ich mich besser. Ich bewegte das Gelenk vorsichtig und nickte der Mönchin dankbar zu, bevor ich aufstand.

"Weiter", sagte ich bloß und folgte dem Licht der Würmer. Als wir uns dem Ende des Ganges näherten war mir als würde ich eine Stimme hören. Ich drehte mich zu Caethingit um und runzelte fragend die Stirn. Er nickte, also bildete ich es mir nicht ein. Vorsichtig kamen wir näher und ich erkannte etwas wie die durchsichtigen Schemen in dem Treppenhaus doch viel deutlicher. Ein Mann stand vor genau dem Ding was wir so eben zerstört hatten und betrachtete es stolz.

"Nun bist du bereit, den Turm ohne mich zu verteidigen." Seine Stimme klang nun ganz klar zu mir. Dann verblassten die Schemen bis nichts mehr zu sehen war. Ich blieb verblüfft stehen und wandte mich zu dem Magier um.

"Ist das normal?" Er wiegte unsicher den Kopf hin und her.

"Bei Magie und vorallem in dieser Masse kann man kaum von normal oder unnormal sprechen. Ich würde sagen für Karazhan ist das ziemlich normal." Ich nickte verstehend. Die Schemen waren zwar fort doch schien mir als würde vor uns etwas wie ein sehr feiner Schleier wabern. Es erinnerte mich an ein Portal. Unschlüssig eine Augenbraue hochgezogen ging ich näher heran. Ich streckte vorsichtig eine Hand nach dem kaum sichtbaren Wabern aus. Als meine Fingerspitzen sie berührte verschwamm plötzlich alles um mich herum. Ich verspürte keine Angst. Halb hatte ich damit gerechnet, dass es sich tatsächlich um ein Portal handelte. Die Welt wurde fast augenblicklich wieder klar, hatte sich aber komplett verändert. Der Gang war verschwunden und ich brauchte lange um zu verstehen wo ich mich befand. Die Welt stand Kopf. Wortwörtlich. Über mir sah ich einen gekachelten Boden während ich auf mit Spinnweben überzogenen Rundbögen stand. Während ich mich noch verblüfft umsah tauchten neben mir meine Verbündeten auf. Ihnen erging es wie mir.

"Wo sind wir?", fragte die Pandarin und klammerte sich halt suchend an den Tauren neben sich.

"Immer noch Karazhan", antwortete Caethingit und lief zu einer der Öffnungen. "Hier kommt man raus in eine Halle." Ich nickte und folgte ihm, die anderen hinter uns her. Auf einem gemauerten Rundbogen balancierend versucht ich nur nach vorn zu schauen. Die Architectur um mich herum bereitete mir Kopfschmerzen. Plötzlich wurde ich unsanft nach vorn gestoßen. Mir gelang es gerade noch das Gleichgewicht zu halten, als hinter mir ein Feuerball einschlug. Die Wucht hätte mich unweigerlich umgeworfen, wenn Caethingit mich nicht aufgefangen hätte.

"Danke", keuchte ich atemlos und schaute mich besorgt zu den anderen um. Der Blutelf, welcher den Feuerball kommen sehen und mich aus dem Weg gestoßen hatte war zum Glück noch selbst in der Lage gewesen auszuweichen. Da durchdrang eine grausame Stimme alles um uns herum.

"So bin ich. Ich war besudelt von Geburt an, beschmutzt vor meiner Empfängnis, ein schlechter Samen für bittere Früchte." Ich sah zu Caethingit auf, welcher immer noch meinen Arm hielt.

"Die selbe Stimme wie vorhin." Er nickte. "Schnell! Wir müssen weiter!", trieb ich die anderen an und wir rannten verfolgt von aus dem Nichts erscheinenden Feuerbällen über die Decke zu einer anderen Fensteröffnung. Kurz verschnauften wir.

"Das war knapp. Ich danke Euch", wandte ich mich an den Magier und schüttelte seine Hand. Er neigte den Kopf leicht und lächelte. Wir standen in einem ähnlichen Raum wie dem in welches das Portal uns gebracht hatte, ein Korridor führte von ihm weiter. Allein in ihn hinein zu schauen drehte mir den Magen um. Wie eine Spirale war er um sich selbst gedreht. Ich schluckte und betrat ihn dann.

"Das ganze wird immer wahnsinniger", schnaubte Caethingit neben mir. Ich stimmte ihm aus ganzem Herzen zu. Ich versuchte nur auf das Ende des Korridors zu starren und die gewundenen Wände zu ignorieren. Es gab kein oben und unten mehr, nur noch hier. Endlich betraten wir ein Arbeitszimmer, zumindest nahm ich das an. Uns gegenüber stand jemand. Ich sah nur seinen Rücken, verhüllt von einem schweren Mantel, doch er schien erstaunlicherweise ein Mensch zu sein. Ich trat einen weiteren Schritt in den Raum hinein, da wandte sich die Gestalt um. Es war erneut der Mann, welcher die Maschine erschaffen hatte, nun jedoch absolut real. Seine Augen ließen mich zurück weichen. So viel Hass hatte ich noch nie gesehen.

"Ihr werdet für Euer Eindringen bezahlen!", brüllte er. Ein Pfeil flog bereits als er noch mitten im Satz war an mir vorbei. Doch eine simple Handbewegung ließ ihn in der Luft erstarren und in Flammen aufgehen.

"Wir brauchen mehr Pfeile!", rief ich und stürzte das Schwert voraus auf ihn zu. Ein lilaner Bannkreis flammte unter ihm auf. Als ich ihn übertrat brannte meine Haut plötzlich wie Feuer, doch ich wurde nicht langsamer und stieß ihm mein Schild vor die Brust. Pfeile prasselten auf den alten Magier ein und auch der Taure trat in den Bannkreis an meine Seite, wütend aufschnaubend als er den Schmerz auf dem Pelz spürte und haute sofort umso wuchtiger mit seiner Axt zu. Leider zeigten unsere Angriffe kaum Wirkung. Wie eine Hülle umgab den Mann seine machtvolle Magie und schützte ihn vor all unseren Bemühungen. Selbst die Angriffszaubers unseres Magiers konnten kein Loch in seine Abwehr reissen. Stattdessen nahm die versengende Wirkung seines Bannkreises zu. Hätte unsere Mönchin uns nicht permanent geheilt wäre meine Haut vermutlich schon in Flammen aufgegangen. Ich begann mir langsam sorgen zu machen, als ein neues Geräusch meine Ohren füllte. Ich dachte zu erst alle Bücher wären gleichzeitig aus den Regalen im Raum gefallen und rauschten Lautstark mit ihren Seiten, dann zischte ein schwarzer kleiner Schatten an mir vorbei und noch einer. Erst auf den dritten Blick erkannte ich einen riesigen Schwarm Raben, welcher sich auf unseren Gegner stürzte. Und tatsächlich zeigte es Wirkung. Der mächtige Magier wich irritiert zurück und krümmte sich unter den Einschlägen der Vögel. Diese zersplitterten in violetten Dunst sobald sie ihn berührten.

"Jetzt mit aller Kraft!", schrie ich und drang umso entschlossener auf den Mann ein. Auch die anderen fassten frischen Mut und endlich konnten ihm unsere Waffen schaden. Ein erstickter Ruf, den ich nicht verstand drang aus seinem Mund bevor er sich wie schon die Raben in Dunst auflößte. Schwer atmend sah ich zu wie sich der Nebel langsam auflößte und blickte mich dann aufmerksam in dem Raum um. Woher war die gefiederte Unterstützung plötzlich gekommen? Ich hatte einen Verdacht, aber von Khadgar fehlte jede Spur. Knarrend öffnete sich da eine Geheimtür hinter einem der Bücherregale. Ein nicht sehr vertrauenserweckender Raum wartete dahinter. Mich vorsichtig umsehend ging ich hinein. Bücher, Kerzen und andere Dinge schwebten, befreit von der Schwerkraft herum. In der Mitte des Raumes gähnte ein riesiges Loch, als ich versuchte hinein zu sehen verschwamm mein Blickfeld irgendwie. Es war unmöglich zu sehen wohin es führte.

"Was nun?", fragte ich die Luft.

"Wir springen", antwortete es ruhig neben mir. Ich spürte wie Caethingit meine Hand ergriff und sanft drückte. Ich lächelte. Dann sprangen wir. Wir fielen nicht wie wir fallen sollten. Es war als würden wir durch Sirup gleiten. Ich sah mich staunend um, als erst unendlich viele Räume und dann das komplette Weltall an uns vorbei glitten. Keine Sekunde dachte ich daran Caethingits Hand loszulassen. Plötzlich beschleunigte sich unser Fall und um uns erschien eine Bibliothek. Ihre vielen Etagen rauschten an uns vorbei und ich konnte mir ein erschrecktes Aufkreischen nicht verkneifen als eines der Bücherregale unter uns besorgniserregnd schnell näher kam. Schützend legte Caethingit seine Arme um mich bevor wir auf einem ledernen Buch aufschlugen. Zu unserem Glück stand es schräg an ein anderes gelehnt, so dass wir an ihm herunter rutschten und zwar unsanft, aber zum Großteil unverletzt liegen blieben. Ich sah nach oben und wir konnten gerade noch rechtzeitig zur Seite rollen bevor die anderen auf uns landeten. Der Taure rieb sich mit zusammen gekniffenen Augen den Hintern, der Rest hatte sich schneller von dem Sturz erholt und sah sich verwirrt um.

"Sind wir... geschrumpft?"

"Oder ist der Raum gewachsen?" Es war tatsächlich keine Einbildung gewesen, wir waren auf riesigen Büchern gelandet und standen ganz oben auf einem noch riesigeren Bücherregal. Um uns herum erstreckte sich die Bibliothek in gigantischen Ausmaßen. Ich sah fragend zu unserem Magier.

"Ich denke wir sind geschrumpft... vielleicht ist es aber auch eine Illusion..." Er wirkte etwas überfordert.

"Kann man das irgendwie umkehren?" Angestrengt dachte er nach.

"Ich denke schon... wenn es ein Zauber ist... muss er an etwas gebunden sein. Vermutlich."

"Aha." Nun, er versuchte sein Bestes. Ich trat an den Rand des Regals. "Sind wir noch in Karazhan?" Caethingit neben mir nickte kurz.

"Wir waren wahrscheinlich niemals woanders."

"Wir sollten hier runter... irgendwie." Ich sah mich nach einem Weg um. Caethingit hob eine knochige Hand und zeigte auf einen Stapel Bücher.

"Dahinten führt eine Büchertreppe herunter. Sollte kein Problem sein." Seine stehtig suchenden Jägeraugen hatten es gleich bemerkt. Ich nickte ihm anerkennend zu, doch er wannte nur den Blick ab. Das frustrierte Seufzen unterdrückte ich genervt. Untote konnte man einfach nicht verstehen und diesen erst recht nicht. Wir machten uns an den Abstieg. Auf dem gefließten Boden angekommen wurde mir erst bewusst wie winzig wir waren.

"Da...da ist... Spinne!", stotterte die Pandarin und wieß mit einem zitternden Finger auf eine kleine Hausspinne. Allerdings war sie nun so groß wie ein Pferd. Und mit ihren 8 Beinen kam sie erschreckend schnell auf uns zu. Glücklicherweise hatte das Schrumpfen unsere Kräfte nicht beeinflusst und ein paar widerliche Augenblicke später lag das Tier mit zuckenden Beinen auf dem Rücken.

"Das kann nicht ewig gut gehen. Wir müssen wieder groß werden!", sagte ich nun eindringlicher zu dem Blutelf. Er schloss die grünen Augen und konzentrierte sich. Der Stab in seinen Händen wanderte wie eine Wünschelrute herum. Und blieb stehen.

"Da! Von da kommt eine enorme magische Energie." Ich sah vorbei an Bücherstapeln und Staubmäusen zu einem sich unschuldig herum schlängelnden Manawurm. Er hatte ungefähr die Größe eines Großdrachen.

"Oh ganz toll...", murmelte ich. "Na gut. Ich hoffe das klappt. Auf gehts!" Umso näher wir dem Wurm kamen desto furchteinflößender wurde er. Als er uns bemerkte trat ein hungriges Glitzern in seine runden Augen. Wir würden ihm seinen Appetit auf uns raus prügeln müssen. Kurz darauf erfuhr ich, dass Arkane Würmer Zähne hatten. Sie ähnelten eher Glassplittern und waren ebenso scharf, als sie sich in meinen Arm bohrten. Ich schrie vor Schmerz auf und versuchte seine Kiefer mit meinem Schild aufzuzwingen. Auch der Taure hebelte nun mit seiner Axt das Maul auf bis ich endlich meinen Arm heraus ziehen konnte ohne ihn ganz zu verlieren. Ich stolperte zurück, meine Hand krampfhaft um den Schwertgriff gekrallt. Er war rutschig von meinem Blut und selbst ohne die Schmerzen kaum noch zu halten. Das Monster spuckte die Axt aus und warf den Tauren auf den Rücken, bevor es direkt auf mich zu hielt. Es hatte Blut geleckt. Als ich das Schild hob wurde mir leicht schwummrig vor den Augen. Ich biss die Zähne zusammen und sandte einen hellen Lichtblitz aus, der den Wurm blendete. Er schwenzelte verwirrt an mir vorbei und ich ging schwer keuchend in die Knie.

"Orava!" Plötzlich war Caethingit an meiner Seite und begutachtete die Wunde. "Sieht übel aus." Er hatte recht. Die Wunde ging bis zum Knochen und auch wenn die Pandarin bereits begonnen hatte ihre Heilzauber zu weben und ich spürte wie die Schmerzen weniger wurden, schloss sie sich einfach nicht. Mein Blick wanderte von der Wunde zu Caethingits Gesicht. Er wirkte ehrlich besorgt und hielt meinen Arm unendlich vorsichtig. Hinter seinem Rücken kam der Wurm wieder zu bewusstsein. Er schüttelte seinen hässlichen Muränenkopf und klappte sein Maul erneut auf.

"Pass auf!", rief ich und stieß Caethingit aus dem Weg. Das Schild schien aus Blei zu bestehen, ich bekam es einfach nicht hoch und die Kiefer immer näher. Erschöpft schloss ich meine Augen.

"Orava. Komm schon Kleines." Verwirrt schlug ich die Augen auf. Ich lag auf dem Boden und blickte zu Caethingit auf, der sich über mich beugte und nun erleichtert lächelte.

"Sie ist wieder wach!", hörte ich die Pandarin irgendwo hinter mir. Neugierig und etwas ängstlich blickte ich zur Seite auf meinen Arm. Er war wieder heil. Ich setzte mich und sah mich zu allen um, erst da fiel mir auf, dass wir und alles andere wieder normal groß war.

"Was ist passiert?"

"Der Wurm wollte Euch den Kopf abreissen!", sagte die Pandarin und ihr Fell stellte sich leicht auf bei der Erinnerung. "Du hast den Meisterjäger zur Seite gestoßen und bist dann wohl ohnmächtig geworden." Prüfend schaute sie sich die ehemalige Wunde an. "Und dann war da plötzlich eine gelbe Blase um Euch rum und das Vieh prallte mit voller Wucht dagegen."

"Und ich hab ihm den Rest gegeben!", rief der Taure und warf sich stolz in die massige Brust. Caethingit half mir beim aufstehen und ich bedankte mich bei allen. Mir war noch etwas schwindlig, doch ich fühlte mich nicht als wäre ich fast verblutet. Ich schob es auf die Heilkünste der Mönchin. Wir durchquerten die Bibliothek. Als der Taure und die Pandarin damit beschäftigt waren den Blutelf davon abzuhalten jedes Buch was in seiner Reichweite lag mitzunehmen wandte sich Caethingit an mich.

"Geht es dir wirklich wieder gut?" Ich nickte.

"Ja natürlich." Caethingit runzelte die Stirn. Er zögerte und schien sich dann doch zu entschließen etwas zu sagen.

"Diese Blase vorhin, bestand aus purem Licht. Ich habe das schon einmal gesehen..." Ich nickte wieder. Diese Blase, wie er sie nannte, war der letzte Schutzwall eines jeden Paladins. Und sie hatte mich und Caethingit vor einer Ewigkeit wie es schien, bereits vor dem Tod bewahrt. Der Jäger zögerte wieder, während hinter uns eine wilde Diskussion über Eigentum und wissenschaftliche Interessen entbrannte. "Irgendwie sah sie diesmal anders aus. Unrein."

"Unrein?" Ich schaute ihn zweifelnd an. Er wirkte jedoch vollkommen ernst.

"Ja. Als wäre es nicht nur Licht." Ich hob eine Augenbraue.

"Mach dich mit deiner Grabesstimme nicht lächerlich. Es war das Licht. Und nichts sonst." Ich warf meine Haare zurück und ließ ihn stehen. Was dachte er sich nur? Ich spürte wie das Licht alles um und in mir erfüllte. Nichts daran war unrein.

"Ihr könnt Euch später mit Erzmagier Khadgar um die Bücher streiten. Wir sollten endlich weiter!", trieb ich die anderen an und ging zu dem nächsten übelkeiterregend gewundenen Gang. Bei der Erwähnung von Khadgars Namen war das Geräusch von herunter fallenden Büchern zu hören. Als wir am Ende des Ganges den nächsten Raum betraten konnte ich nicht anders als mir kurz die Augen zu reiben. So verwirrend die riesige Bibliothek auf gewesen sein mochte, zumindest war der Raum ganz. Dieser jedoch schien mitten in der Auflösung zu sein. Nicht, dass die Mauern auseinander brachen, sie lösten sich einfach langsam auf in... nichts. Und dahinter war noch mehr... nichts. Der Fussboden war gekachelt wie ein riesiges Schachbrett und ebenfalls schon halb in aufgelöst. Manche Fließen standen einzeln in der Luft.

"Hochlord Orava!" Ein Rabe flog plötzlich in die Mitte des Raumes, ohne das ich hätte sagen können woher er gekommen war. Er landete und plötzlich stand Khadgar dort und winkte uns zu sich. Ein erleichtertes Lächeln trat nicht nur in mein Gesicht, sondern schien meinen ganzen Körper zu erfüllen. Ich eilte zu ihm.

"Khadgar! Ich dachte schon Euch wäre etwas zugestoßen." Der Erzmagier lächelte entschuldigend.

"Verzeiht, dass ich Euch Sorgen bereitet habe. Ich war auf der Suche nach dem Ursprung der Verderbtheit." Er blickte sich aufmerksam um. "Und ich denke wir sind ihr sehr nah."

"Ich habe so viel von mir selbst in diesem Turm zurückgelassen..." Erklang da plötzlich eine traurig klingende Stimme. Ich erkannte sie gleich.

"Medivh?" Auch Khadgar schien es so zu gehen. Mit einem fast schon bestürzten Gesichtsausdruck wandte er sich um und blickte auf den schattenhaften Mann, der auf uns zutrat und gegen den wir vor nicht allzu langer Zeit in seinem Arbeitszimmer noch gekämpft hatten. Er betrachtete uns aus melancholischen Augen.

"Ihr seid ganz nah. Folgt mir." Er glitt davon. Natürlich wieder in einen der verhassten Gänge. Ich blickte zu Khadgar auf, doch er hatte nur noch Augen für diesen Medivh und folgte ihm. Ich sah mich zu den anderen um, die genauso ratlos waren wie ich und zuckte mit den Schultern. Für alles bereit folgte ich den Männern. Der Gang endete vor einer Holztür. Medivh legte eine durchscheinende Hand darauf.

"Ich werde den Pfad öffnen. Während Ihr gegen die Legion kämpft, werde ich die Bande des Turms zu den Legionswelten trennen. Wir sollten aber schnell handeln!" Khadgar nickte ihm mit grimmigem Blick zu. Offenbar gab es nicht mehr zwischen beiden zu sagen, denn ein Lichtblitz blendete uns kurz und die Tür sprang auf. Medivh war verschwunden. Wir eilten durch das Tor auf einen wie es schien weiteren Balkon von Karazhan, allerdings war der Himmel übersäht von Sternen und Welten. Jede einzelne sah krank und befallen aus. Am Ende des weitläufigen Plateus schwebte eine fürchterliche Monstrosität. Es schien nur aus einem riesigen blutunterlaufenen Auge zu bestehen. Tentakel baumelten auf die Erde und unförmige Hörner brachen überall aus seinem grünen Körper heraus. Das Auge fixierte uns und die Tentakel fingen an die Luft zu schlagen. Ein klaffendes Maul öffnete sich direkt unter dem Augenlid und entblößte gelbe, spitze Zähne. Gurgelndes Lachen ertönte.

"Karazhans Präsenz strahlt durch den Nether... ein Leuchtfeuer für die Macht der Legion", stieß das Monstrum hervor. "Unser Brennender Kreuzzug hat zahllose Welten verschlungen. Dieser Turm wird sie alle verbinden." Er schwebte uns langsam entgegen, immer noch erregt mit seinen Tentakeln schlagend. Die fette Zunge leckte aus dem Lippenlosen Maul. "Ein Kampf verbleibt. Eine letzte Eroberung für die Vollendung des großen Plans!"

"Champions! Vernichtet den Dämon! Ich werde Medivh helfen sie um jeden Preis auszusperren." Khadgar eilte fort und ich nickte meinen Kameraden zu.

"Machen wir das Mistvieh kalt!" Der Taure und ich stürmten ihm entgegen während über unsere Köpfe Pfeile und Feuerkugeln auf es zuflogen. Wir hackten auf die Tentakel ein, doch immer wenn eine der gefährlichen Waffen auf dem Boden landete wuchs der unförmigen Kugel sofort ein neuer nach. Ich wich einem Klumpen Säure aus den das Vieh auf mich spuckte.

"Zielt auf das Auge!", rief ich und stach selbst den Eidsucher in die grünliche Kugel. Er brüllte auf und wedelte in meine Richtung. Zum Glück schlug in dem Moment eine Salve von Pfeilen in ihn ein und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Ich zog mein Schwert wieder aus heraus und stach es erneut hinein. Aus dem Augenwinkel sah ich wie die schwarze Pupille sich leuchtend rot verfärbte.

"Passt auf!", schrie ich, doch in dem Moment schoss schon ein laut brummender roter Strahl aus dem verletzten Auge direkt auf die weiter hinten stehenden. Ich verlor keine Zeit, um mich nach den anderen umzusehen, rammte mein Schild in die untere Lidfalte und zog mich an ihm und meinem Schwert nach oben. Jede Unebenheit des Körpers ausnutzend kletterte ich weiter, bis ich zwischen den Hörnern auf seiner Schädelplatte stand.

"Die Vorbereitungen sind abgeschlossen", dröhnte es unter mir. "Das Ende möge beginnen!" Ich spürte wie der deformierte Ball anfing zu vibrieren. Der Strahl wurde breiter und was auch immer es war glühte nun so heiß, dass mir Schweiß auf die Stirn trat. Ich ließ den Wahrheitshüter stecken wo er war und erhob nur das Schwert, den Griff fest mit beiden Händen umklammert und die Spitze nach unten auf dieses Wesen was meine ganze Welt bedrohte gerichtet. Ich spürte wie mehr als Wut, mehr als Hass, mehr als Verachtung in meiner Brust aufwallte. Alles in mir brüllte danach diesen Dämon nicht nur zu töten, sondern ihn komplett zu vernichten. Die Klinge des Eidsuchers begann zu leuchten genährt von allem was ich fühlte und was mir fast die Brust zerriss. Mit einem Schrei der mir die Kehle versengte stieß ich das Schwert hinunter. Ohne spürbaren Widerstand drang es durch die Haut und was auch immer für Schrecken darunter lauerten bis zum Schaft ein. Das Monstrum bockte auf und der Strahl erlosch fast sofort. Was auch immer es hatte schweben lassen versagte und wie ein nasser Sack klatschte es auf den Stein unter uns. Ich wurde dabei abgeworfen, nutzte den Schwung, um das Schwert heraus zu ziehen und landete neben dem sterbenden und zuckenden Haufen auf den Beinen. Ich sah voller Verachtung auf es hinab. Da bewegte sich das Auge in seiner Höhle bis es auf mich gerichtet war. Ein pfeifendes Geräusch drang aus dem Maul. Ich brauchte eine Weile bis ich es als Lachen erkannte.

"Eine unendliche Armee trifft ein aus zahllosen Welten!", würgte er kaum hörbar hervor. "Und unsere größten Krieger sind bereits mitten unter euch." Ein letztes Röcheln erklang, dann erschlaffte der Körper und das Auge rollte nach hinten. In dem Moment wurde mir wieder bewusst, dass ich nicht allein hier war. Ich wirbelte herum.

"Geht es allen gut?", fragte ich nervös und eilte zu den anderen. Auf den ersten Blick schien keinem ein Körperteil zu fehlen.

"Alles in Ordnung. Wir konnten zum Glück noch ausweichen", beruhigte mich die Pandarin und lächelte mir entgegen. Auch der Blutelf und der Taure kamen zufrieden lächelnd zu mir und beglückwünschten mich zu meinem vernichtenden Schlag. Als ich zu Caethingit sah verflog mein Hochgefühl rasch. Sein starrer Blick spießte mich geradezu auf und sein Gesicht war eine undurchschaubare Maske. Ich öffnete den Mund, doch bevor ich etwas sagen konnte, legte sich eine Hand auf meine Schulter. Ich schaute den Arm entlang zu Khadgar auf.

"Ihr habt meine hohen Erwartungen an Euch noch übertroffen, Hochlord. Ich wünschte ich hätte Euren Kampf sehen können. Aber Medivh und mir ist es gelungen die Legion von diesem Ort auszusperren." Er sah zurück zu dem schwachen Schemen. Dieser wandte sich in dem Moment ab und ging zurück in den Turm. "Medivh!", rief Khadgar und wollte ihm hinterher laufen. Doch der schon lange verstorbene Magier wandte nur halb den Kopf um und schüttelte ihn kaum merklich.

"Das ist nicht mein Pfad. Außerdem hat Azeroth einen Wächter gefunden... in Euch, mein Freund." Khadgar hielt inne und richtete den Blick zu Boden.

"Ich sagte es schon einmal... Ich will solche Macht nicht!" Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Auf dem nur halb sichtbaren Gesicht des Schattens zeigte sich ein Lächeln.

"Ihr habte alle Macht, die Ihr je brauchen werdet, Khadgar. Euer Herz und Euer Mut machen Euch zu einem besseren Wächter dieser Welt , als ich es jemals war." Die Fäuste öffneten sich wieder und Khadgars Blick wanderte unschlüssig umher.

"Ich... Ich weiß nicht, was ich sagen soll." Medivh drehte den Kopf weg und setzte langsam seinen Weg fort.

"Genug der Rührseligkeit! Hört diese Worte, bevor ich gehe." Khadgars Gestalt straffte sich und es war offensichtlich, dass er mit jeder Phase seines Körpers den Worten lauschte. "Eine Tür ist einfacher geschlossen als durchschritten. Aber manchmal ist es der Schritt ins Ungewisse, der die Bande des Schicksals durchbricht." Ich runzelte die Stirn. Was genau wollte er damit sagen? Der Schemen war nun bei dem Tor angelangt, er wandte sich noch einmal leicht zu uns um. "Vor uns allen liegen große Herausforderungen. Lebt wohl." Und die Tür schloss sich. Ich hörte Khadgar seufzen. Kein sehr vertrautes Geräusch. Nachdenklich drehte er sich zu uns um.

"Champions. Ich danke Euch allen. Ohne Euch wäre die Legion nun fast nicht mehr aufzuhalten." Er schnippte mit einer Hand und ein Portal öffnete sich zwischen uns. "Kehrt nun zurück und kämpft weiter mutig." Er wandte sich halb ab. "Bände des Schicksals... Ich muss diese Worte überdenken. Bis zum nächsten Mal." Und erneut verwandelte er sich in einen großen Raben und flog davon in das sich auflößende Gebilde des Nethers. Ich schaute ihm lange nach. Die anderen Helden verabschiedeten sich herzlich voneinander und gingen nacheinander durch das Portal. Ich war nur halb bei der Sache, versuchte zu verstehen was Medivh gesagt und wie Khadgar reagiert hatte. Schließlich standen nur noch ich und Caethingit vor dem Portal.

"Nun... es war schön dich wiedergesehen zu haben", murmelte ich und streckte bereits eine Hand zum Abschied aus.

"Triff mich in Nagrand. Du weißt wo", sagte er ohne mich noch einmal anzusehen, lief in das Portal und verschwand. Ich blieb allein zurück und fühlte mich absolut nicht als hätte ich heute einen Sieg errungen.



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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Von:  Cheker89
2018-07-28T18:59:56+00:00 28.07.2018 20:59
Huhu, jetzt wo du mich mit deiner Geschichte so angefixt hast kann ich dass nächste Kapitel kaum noch erwarten;-)
LG Stephan
Von:  Cheker89
2018-07-27T11:01:58+00:00 27.07.2018 13:01
Huhu, bin ja mal gespannt wie es sich mit der Dämonenenergie in unsere Paladin entwickelt und ob wir die Dämonenjägerin noch öfter zu sehen bekommen.
Danke für das schöne Kapitel.
LG Stephan
Antwort von:  Pureya
27.07.2018 15:29
Gott, ich danke dir ganz sehr für die lieben Kommentare! Ich freu mich ganz sehr, dass es dir gefallen hat! Und hoffe du bleibst mir die Geschichte hindurch als Leser treu ;D
LG
Von:  Cheker89
2018-07-27T09:32:09+00:00 27.07.2018 11:32
Huhu nochmal, nur ein kurzes Lob über die dezente Art wie Du den Charakteren tiefe verleihst. Es ist immer gut in die Erzählung eingewoben ( auch schon in Kapitel 1).
LG Stephan
Von:  Cheker89
2018-07-27T08:43:20+00:00 27.07.2018 10:43
Hallo Pureya, habe soeben deine FF gefunden und muss sagen das sich dass erst Kapitel gut runter lesen lässt. Dein Schreibstil passt ;-)
LG Stephan


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