Zum Inhalt der Seite

Zum Zuschauen verdammt

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kapitel 43 - Die Stechpalme trägt die Krone

Nichts hätte sie lieber getan, als ihre Zeit in der Winkelgasse zu genießen, doch Ollivanders Drohung, oder besser gesagt Vorahnung, sollte sich bewahrheiten. Gleich am nächsten Tag hatte sich Evelyn bei ekligem Graupelwetter aufgemacht in der Apotheke ihre mageren Vorräte aufzustocken, doch wo sie auch hinging, die Blicke der Passanten klebten an ihr. Niemand traute sich das arme Kind, wie sie von manchen genannt wurde, anzusprechen, was ihr zwar recht war, doch das änderte nichts daran, dass sie sich alle lautstark das Maul über sie zerrissen. 
 

"Ollivander hat sie von der Straße."
 

"Ich habe gehört es ist sein eigenes Kind."
 

"Die Mutter soll ihn erpressen."
 

Dass Evelyn, kaum einige Meter entfern auf der anderen Straßenseite, sie hören konnten, war ihnen nicht bewusst; oder es war ihnen egal. Als Evelyn ihnen einen Seitenblick zuwarf, verstummten sie und winkten ihr mit mitleidigem Grinsen. 
 

Widerwärtige Klatschziegen, dachte Evelyn, als sie ihnen mit der freien Hand winkte. 
 

Verglichen mit den Sommermonaten, war die Winkelgasse beinahe leer. Die Läden waren nicht über und über mit Käufern gefüllt und auch vor den Eingängen gab es keine zusätzliche Ware, die angepriesen wurde. Alles war den festlichen Girlanden gewichen, die, wie Evelyn nun bei näherer Betrachtung sah, von kleinen Kerzen ähnlich Teelichter umschlungen waren. Eine Idee formte sich in ihrem Kopf, als sie die festliche Dekoration sah. 
 

Kritisch prüfte sie den kleinen Beutel mit Münzen, den Ollivander ihr ohne auf ihre Proteste zu hören in die Hand gedrückt hatte. 
 

"Seien Sie doch so gut und kaufen Sie noch etwas für heute Abend zum Abendessen, wenn Sie fertig sind, ja?", hatte er einfach gesagt und war irgendwo zwischen seinen Regalen verschwunden. Sie hatte zwar ihre Einwände gehabt, aber insgeheim war ihr klar gewesen, dass sie sein Geld benötigte. 
 

Als die Verkäuferin in der Apotheke ihre Bestellung in einen großen Korb packte, war sie kaum mit den Gedanken hier. Sie hatte nun zwei Wochen in denen sie sich überlegen konnte, wie sie an Geld kam, auch wenn Ollivander davon nichts hören wollte. Sie wusste, ihm machte es nichts aus; aber es war sie, die ein Problem damit hatte. 
 

"Hier bitte, kleines Fräulein." Stumm bezahlte sie und schwang sich den Trageriemen des Korbes um die Schulter. Mist, das ist schwer.
 

Leider war das noch nicht alles. Sie benötigte noch ihre Geheimwaffe: Guinness.
 

Schwer atmend stapfte sie unter den stetigen Blicken der Zauberer durch den Schnee hinauf zum Tropfenden Kessel. Kurz überlegte sie, ob sie dort erneut als Kellnerin arbeiten könnte, aber nun, da sie offiziell erst elf Jahre alt war und gezwungen war diesen Schein zu wahren, würde sie sich das abschminken können. 
 

Die Päckchen und Phiolen im Korb schlugen bei jedem ihrer Schritte klirrend gegeneinander und bildeten somit einen gleichmäßigen Rhythmus, der sie von der Anstrengung das Zeug zu schleppen ablenkte. Immerhin war ihr nun auch nicht mehr kalt, obwohl der feine Regen unangenehm auf ihre Haut fiel. Vielleicht war es auch ihr Schweiß, so genau konnte sie das gar nicht sagen, bis sie oben ankam und durch den Hintereingang den Pub betrat.
 

Innen wurde sie sofort von stickig warmer Luft begrüßt, die vom Feuer unter dem riesigen, gesprungenen Kessel im Kamin her wehte. Es war noch früh und daher war noch nicht viel los. Besser gesagt war niemand hier. 
 

Sie stellte den Korb am Eingang neben der Kommode ab und ließ ihre geschundene Schulter kreisen. 
 

"Bist du nicht etwas zu jung, um hier alleine hereinzukommen, Kind?"
 

Sie erkannte sie Stimme und sofort breitete sich ein Grinsen, auf ihrem Gesicht aus. 
 

"Kann ich dir helfen, Mäuschen, bis du verloren gegangen?", meinte Margaret, die mit großen Schritten auf sie zugekommen war und sich nun ein wenig zu ihr hinab beugte. 
 

Beinahe hätte Evelyn sie begrüßt, doch gerade noch rechtzeitig erinnerte sie sich daran, dass sie nun ganz anders aussah. Allerdings wohl nicht anders genug. 
 

"Du kommst mit bekannt vor, wer sind deine Eltern?", fragte Margaret stirnrunzelnd. Ihre Augen glitten an Evelyn auf und ab, die ein wenig den Kopf senkte.
 

"Niemand, ich bin Ollivanders Enk-" Sie hatte den Satz nicht zu Ende gesprochen, da hatte Margaret sie bereits am Oberarm gepackt und sie kurzerhand wieder hinaus in den Hinterhof geschleift, wo Evelyn gerade hergekommen war. 
 

Erst als Margaret die Tür hinter sich zugeschlagen hatte, ließ sie Evelyn los und sah sie nun stumm an. 
 

Evelyn rieb sich den schmerzenden Oberarm, wo sie morgen vermutlich Abdrücke von Margarets Fingern haben würde. "Spar dir das Schauspiel, Evelyn", sagte Margaret, die sie in eine Ecke gedrängt hatte; wortwörtlich. 
 

Hinter ihr spürte sie den kalten Stein der Mauer, während sie vor sich die kalten Augen Margarets ertragen musste, die sie unnachgiebig verurteilten.
 

Seufzend ließ Evelyn die Arme fallen. Irgendwelche Lügen zu erzählen, hatte keinen Sinn, das wurde ihr klar. "Was soll ich sagen, Margaret. Was willst du hören?"
 

"Wie wäre es mit 'Hallo, Margaret, nein ich halte dich nicht für einen dummen Troll'."
 

"Ich halte dich nicht für einen dummen Troll."
 

"So komme ich mir aber vor", sagte sie aufgebracht und stampfte bekräftigend mit dem Fuß auf den Boden. "Ich habe keine Fragen gestellt, als du hier plötzlich aufgetaucht bist. Ich habe keine Fragen gestellt, als du plötzlich nach ein paar Wochen wieder verschwunden bist, ohne zu erklären, wohin. Aber, bei Merlins Eiern, ich werde fragen, wieso du plötzlich als Ollivanders Enkelin durch London läufst! Evelyn Harris, haben sie gesagt, sei nun der neuste Ollivander Zuwachs."
 

Margaret redete sich in Rage, sodass Evelyn die Hände hob, um sie zur Ruhe zu bringen. Dass sie selbst aus Angst womöglich völlig aufzufliegen mit ihren Knien zitterte, versuchte sie zu überspielen. "Pscht, nicht so laut. Bitte."
 

"Das ist keine Antwort, Evelyn."
 

Nein, das war es nicht, und da war sich Evelyn auch bewusst. Doch dieses Gespräch wurde von Sekunde zu Sekunde gefährlicher für sie, und im Grunde auch für Margaret. Es war ihr Name, der sie verraten hatte, wurde ihr klar. Ein flüchtiger Fehler, der ihr nun das Genick zu brechen drohte. Natürlich hatte sich Margaret an sie erinnert, wie konnte sie nur hoffen, man würde sie vergessen? Sie war hier der dumme Troll anzunehmen, ihr Name würde untergehen; nicht Margaret. 
 

"Es hat sich so entwickelt, okay?"
 

"Entwickelt? Du bist also einfach zufällig in eine der ältesten Familien Englands hineingerutscht."
 

Evelyn öffnete empört den Mund, ehe sie leise antwortete. "Das hat damit nichts zu tun. Mr Ollivander hat seine Hilfe angeboten."
 

"Hilfe? Hilfe bei was; unter zu tauchen, ein neues Leben anzufangen mit Prestige und Ansehen als Teil der Achtundzwanzig?" Margaret war sauer, das hörte man bei jeder Silbe. Wirklich nachvollziehen, weshalb die eigentlich gutmütige Margaret derart erbost und verärgert war, konnte Evelyn nicht. 
 

"Prestige und Ansehen sind mir egal, Margaret. Beruhige dich und bleib auf dem Teppich."
 

"Rede nicht so mit mir, junge Dame." In der Stille, die darauf folgte, versuchte Evelyn Margaret ein wenig Zeit zu Atem zu kommen, auch wenn sie zunehmend weniger ängstlich als selbst wütend angesichts Margarets Anschuldigungen wurde. 
 

Schließlich atmete Evelyn lange aus, ehe sie erneut zu sprechen ansetzte. "Ich hatte eine Chance nach Hogwarts zu gehen. Und die habe ich ergriffen. Mr Ollivander hilft mir dabei."
 

"Hogwarts?", meinte sie überrascht und kniff die Augen zusammen. "Ach, ein zweiter Schulabschluss ist also besser, als einer in deinem neuen Leben?"
 

Evelyn fuhr sich frustriert durchs Haar. "Nein, Margaret. Ich war nie auf Hogwarts. Deshalb mache ich den ganzen Zirkus ja." Es war nicht die ganze Wahrheit, aber mehr Wahrheit würde Margaret nie bekommen. Nicht freiwillig.
 

Tatsächlich hatte diese Erklärung endlich die gewünschte Wirkung. Margarets Züge wurden weicher. Auch in ihrer Stimme fehlte der schneidende Unterton. "Du warst nie auf Hogwarts? Aber du ... oh." Erschrocken nahm sie die Hand vor den Mund. "Bist du ein Squib?"
 

"Was? Nein", – zumindest nicht völlig, dachte Evelyn. "Ich konnte einfach nur nie dorthin. Wurde nie ausgebildet." Sie entschied, dass Humor erneut der beste Weg war Frieden mit Margaret zu schließen. "Hast du nie bemerkt, wie miserabel ich mit dem Zauberstab bin?"
 

Erleichtert registrierte sie ein kleines Lächeln um die Mundwinkel der älteren Frau. "Ich dachte du wärst untalentiert."
 

"Bin ich auch. Ich muss mir von McGonagall erzählen lassen wie groß meine Defizite doch sind." Die Erwähnung der Professorin brach schließlich den Damm und Margaret lachte lautstark aus. Evelyn wagte es sogar ein wenig mit einzustimmen.
 

"Komm, lass uns reingehen. Hier wird es langsam kalt."
 

Margaret war nur in ihrer, zugegeben winterlichen, Arbeitskleidung unterwegs, und sie rieb sich nun fröstelnd die Finger. 
 

Nur zu gerne kam Evelyn dieser Bitte nach, und so folgte sie der Kellnerin hinein.
 

"Warte dort drüben auf mich. Hau ja nicht ab", meinte Margaret mit warnender Geste, für die Evelyn nur ein entschuldigendes Schulterzucken übrig hatte. In einer Wandnische wartete sie auf Margaret, die nur wenige Minuten später mit zwei dampfenden Bechern zurück kam, und sich zu ihr setzte. Evelyn nahm den Becher gerne entgegen, der herrlich süß roch. Punsch, dachte sie, als sie gekostet hatte, wobei sie sofort ein wenig das Gesicht verzog.
 

"Der ist mit Schuss", sagte sie gespielt empört. "Du gibst einer Minderjährigen Alkohol? Schämen solltest du dich."
 

Margaret warf ihr einen Seitenblick zu, überging den Scherz jedoch und kam gleich zur Sache. "Ist es nicht ein wenig riskant deinen Namen zu benutzen? Keine wirklich gute Tarnung, wenn du mich fragst."
 

Es gab keinen Grund das zu bestreiten, Margaret hatte völlig recht. "Ich hab das alles nicht geplant. Es ist einfach passiert und irgendwann war es zu spät. Glaub mir, ich bin auch nicht glücklich damit."
 

"Werden die Leute dich früher oder später nicht erkennen."
 

Das konnte Evelyn glücklicherweise verneinen. "Mich kennt hier niemand. Eigentlich bist du die einzige, die mich als ältere Evelyn kennengelernt hat." Ihr Blick fiel auf den Tresen, wo Tom ein wenig döste. "Naja, und er."
 

Margaret folgte ihrem Blick, winkte aber pfeifend ab. "Da brauchst du dir keine Gedanken machen. Tom vergisst seine eigene Tageskarte." Sie nahm einen Schluck ihres Punsches. "Und die hat er seit 13 Jahren nicht geändert."
 

Es klang ein wenig, als scherzte Margaret, aber in ihrem Blick sah Evelyn, dass sie es ernst meinte. "Da bin ich ja beruhigt."
 

Wieder schwiegen die beiden gemeinsam, bis Evelyn das Wort ergriff. "Hör zu, Margaret. Es ist wirklich sehr wichtig, dass du das alles hier für dich behältst."
 

Skeptisch lehnte sich die Kellnerin gegen die Wand, von der sie in ihrer Nische umschlossen wurden. "Wieso? Du sagtest doch dich kennt keiner. Wovor läufst du davon?"
 

"Ich laufe nicht davon. Ich versuche nicht aufzufallen, das ist ein Unterschied."
 

Amüsiert schlug sich Margaret aufs Knie. "Das machst du nicht sehr gut, Schätzchen. Es steht ein Artikel in der Hexenwoche über dich."
 

Davon hörte sie zum ersten Mal. "Was?!"
 

Ihre Finger klammerten sich an den Rand des alten Holztisches, während sie innerlich jeden verfluchte, inklusive sich selbst.
 

Margaret ließ sie einige Herzschläge zappeln, bis sie abwinkte. "Ich mach nur Scherze. Könnte aber, da stehen so einige Tratsch Themen über vermeintliche uneheliche Kinder so einiger höherer Tiere in der Gesellschaft. Alle paar Jahre werden neue unveränderte Ergebnisse berichtet zu der Frage, ob Guy Fawkes eigentlich Guy Selwyn hieß. Die Leute wollen so etwas lesen, weißt du?"
 

Die Erwähnung möglicherweise einen Artikel in der Hexenwoche zu zieren, hatte Evelyns Puls schlagartig in die Höhe getrieben. Noch immer spürte sie die pochenden Venen an ihrem Hals. Sie registrierte noch nicht einmal die Erwähnung eines ihr eigentlich bekannten Namen. 
 

"Tu das nie wieder."
 

"Sieh es als kleine Heimzahlung." Sie lehnte sich nach vorne und senkte ihre Stimme. "Nun aber Mal im Ernst. Was soll die Scharade?"
 

Vor dieser Frage hatte Evelyn sich gefürchtet. Sie kaufte sich einige Sekunden Zeit, in denen sie ihren Becher in den Fingern drehte, statt zu antworten. Letztendlich musste sie jedoch etwas sagen. "Es ist, wie ich es gesagt habe. Ich durfte nie nach Hogwarts. Hier habe ich eine Chance gesehen und sie ergriffen. Wenn es bedeutet so", sie deutete an sich herunter, "herumzulaufen, dann nehme ich das in Kauf."
 

"Und nebenbei wirst du von Ollivander adoptiert."
 

Diese Denkweise stieß Evelyn sauer auf, was sie ihr auch zeigte. "Zum letzten Mal, darum ging es mir nicht. Hogwarts zählt, sonst nichts."
 

Margaret wirkte skeptisch und ließ das Thema fallen. Sie glaubt mir nicht, bemerkte Evelyn.
 

"Ich habe noch nie gehört, dass sich jemand so in die Schule eingeschlichen hat", meinte Margaret stattdessen. "Ja, Hogwarts ist eine gute Schule, aber hättest du nicht einen Privatlehrer engagieren können? Wieso macht du so einen Aufstand, zwängst dich in diesen Körper vor allem, nur um da hin zu gehen." Sie faltete die Hände vor der Brust. "So toll ist es nun auch nicht, wenn du mich fragst." 
 

In Margarets Worte schwang Verbitterung mit, so als hatte sie tatsächlich schlechte Erfahrungen in Hogwarts gemacht. 
 

"Welches Haus warst du, Margaret, wenn ich fragen darf?"
 

Das überraschte die Kellnerin. "Mh? Oh, Hufflepuff." Sie klang nicht glücklich. Trotzdem nickte Evelyn und fuhr fort.
 

"Naja, Privatlehrer war keine Option. Ich bin ein wenig knapp bei Kasse, weißt du noch?"
 

Margaret formte ein lautloses O, scheinbar erinnerte sie sich. 
 

"Apropos", sagte Evelyn, "ihr sucht nicht zufällig Küchenhilfen?"
 

"Keine unter 17 Jahren", meinte Margaret schelmisch. 
 

Evelyn seufzte. "Natürlich." Nach einem weiteren schluck ihres Punsches, der leider viel zu schnell kalt wurde, entschied sie, das Gespräch zu beenden. 
 

"Margaret, es war einfach wichtig für mich da hin zu gehen, egal wie. Du musst mir versprechen es niemandem zu sagen", wiederholte sie ihre Bitte, während sie sich zu Margaret vorlehnte. Es dauerte einige Sekunden, bis die Kellnerin schließlich nickte. 
 

"Einverstanden, du wirst wissen, was du tust."
 

Erleichtert atmete Evelyn aus und lächelte Margaret an. "Danke." Sie stand auf und versuchte sich auf den Tisch zu stützen, wenn der nicht so hoch gewesen wäre. Ihr Blick ging suchend an die Kommode, wo sie sich versicherte, dass ihr Einkaufskorb noch an Ort und Stelle stand. Sofort wurden ihre Augen groß. "Das hätte ich beinahe vergessen!" Erneut fixierte sie Margaret, die noch am Tisch saß und sie beobachtete. "Kannst du mir ein kleines Fass Guinness besorgen?"
 

Irritiert starrte Margaret zurück. "Was willst du denn mit so viel Guinness?" Jedoch noch ehe Evelyn antworten konnte, riss Margaret die Arme nach oben. "Die Tränke!"
 

Sie war so laut, dass Evelyn erschrocken aufsprang. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Tom wach geworden war und die beiden nun neugierig anstarrte. Evelyn musste hier schnell raus. 
 

"Leise, Margaret."
 

"Das war es also, was du oben in deinem Zimmer veranstaltet hast. Du machst dich mit Tränken jünger!"
 

Evelyn war ehrlich überrascht, dass Margaret da nicht schon viel früher darauf gekommen war. "Jünger, unter anderem." Dass ihr die Kleinigkeiten wie eine veränderte Augenfarbe nicht sofort auffielen, nahm Evelyn ihr nicht übel. 
 

Margaret deutete mit dem Finger Richtung Kommode. "Dann sind das deine ganzen Zutaten? Phew, ich hoffe du weißt, was du tust."
 

"Hat ja geklappt, oder? Keine Angst ich habe einen Bezoar, für alle Fälle." Zumindest hatte ich den, bis Ollivander darauf bestanden hatte ihn bei sich zu behalten. 
 

Margaret stand leicht stöhnend auf, wobei sie nach den zwei leeren Bechern griff. "Wenn du mich fragst brauchst du kein Hogwarts, wenn du das ganz alleine geschafft hast." Sie nickte in ihre Richtung und meinte offensichtlich Evelyns veränderte Erscheinung.
 

Darauf erwiderte sie nichts, sondern folgte ihr zum Tresen. Tom, der nun, da er wach war, die Gläser neu sortierte, betrachtete Evelyn ungehalten. 
 

"Du bist zu jung für den Kessel, kleines Mädchen."
 

Das habe ich heute schon gehört danke. Das waren zwar ihre Gedanken, nach außen hin versuchte sie aber unschuldig zu lächeln. 
 

"Ich weiß, Sir. Ich soll etwas für meinen Opa holen."
 

Das Wort Opa kam ihr nur schwer über die Lippen, sorgte bei Margaret aber für stummes Stirnrunzeln. 
 

"Dein Opa?", fragte Tom, nun mit etwas besserer Laune. "Was könnte das nur sein?"
 

Als Antwort stellte Margaret, etwas zu laut, ein kleines Fass Guinness auf die Theke, direkt vor Toms Augen. 
 

"Oh", war alles, was Tom dazu zu sagen hatte. 
 

"Zahlst du gleich, oder lässt du es anschreiben." 
 

Es bedurfte einiges, dass Evelyn bei ihrer Bemerkung nicht mürrisch die Augen verdrehte. Diese Anspielung auf ihre Angewohnheit während ihrer Zeit hier als Kellnerin ihre Ausgaben anschreiben zu lassen, war ihr definitiv nicht entgangen. 
 

"Ich zahle gleich, danke", sagte sie mit Nachdruck, während sie in einer ihrer Manteltaschen nach dem Beutel mit Geld suchte um für ihre letzte Zutat zu bezahlen.
 

Mit Margaret, die angeboten hatte das Fass für sie zu tragen, machte sie sich auf den Weg zurück zu Ollivanders. 
 

"Heute Abend ist ein Fest im Tropfenden Kessel. Mit Musik und Tanz. Wenn du magst, kannst du kommen."
 

Evelyn schüttelte den Kopf, so gut es ihr mit dem Gewicht des Korbes an der Schulter möglich war. "Du hast Tom gehört: keine Minderjährigen. Außerdem möchte ich Yule mit Mr Ollivander verbringen."
 

Margaret schwieg einige Schritte, ehe sie antwortete. "Du bleibst also konstant so klein. Vermutlich besser."
 

Ihr Gespräch rief Evelyn jedoch etwas ins Gedächtnis. "Du weißt nicht zufällig ein Gericht, das ich Mr Ollivander heute Abend kochen könnte, oder?", fragte sie hoffnungsvoll. Sie hatte vor Ollivander eine kleine Freude zu bereiten. Außerdem hatte er ja auch darauf bestanden, dass sie für das Abendessen einkaufte. 
 

"Natürlich, erst letztens habe ich ein schönes Rezept gefunden."
 

"Lass mich raten: Hexenwoche?"
 

Gemeinsam erreichten sie Ollivanders Laden, wo Margaret das Fass abstellte. "Gib mir einfach ein Pergament, ich schreib es dir auf."
 

Einige Stunden später stand Evelyn in Ollivanders Küche, wo sie mehrere Töpfe auf einmal beaufsichtigte. In den einen köchelte Fleisch und Kartoffeln fröhlich vor sich hin, in den anderen hatte sie angefangen den Sud für ihre Tränke aufzusetzen. Sie hatte ein altes Tränke-Set gefunden, da sie ihr eigenes in Hogwarts gelassen hatte. Zur Not hätten es auch Koch-Töpfe getan, allerdings war sie doch ganz froh in denen nun nur ihr Essen zubereiten zu müssen.
 

Ollivander bekam davon nichts mit. Er hatte sich zurück gezogen und angekündigt erst später zu ihr zu stoßen. Das gab Evelyn Zeit sich um alles zu kümmern. 
 

Ein wenig Geld hatte sie noch übrig gehabt und hat daher noch Dekoration für Ollivanders Wohnung gekauft. Nicht zu viel, da sie ihn nicht erschlagen wollte. Nur diese Girlanden mit den Teelichtern, die ihr besonders gut gefielen. Zusätzlich hatte sie sich mit ein paar Runen behangen, die sie bereits als Baumschmuck in Hogwarts gesehen hatte. 
 

Margarets Rezept stellte sich als sehr einfach heraus und war verglichen mit ihren Tränkevorbereitungen geradezu ein Kinderspiel. Obwohl es so schlicht war hoffte sie jedoch, dass Ollivander es trotzdem mögen würde. 
 

In den Minuten, in denen sie sich nicht um ihre Töpfe und Kessel kümmern musste, stand sie am Fenster, sprach mit ihrem unbekannten Setzling, und betrachtete die Gasse. Der Tag ging zu Ende und nach und nach wurden die Fenster und Dächer mit hunderten Kerzen beleuchtet, die langsam in den Himmel aufstiegen, wo sie verweilten. Ollivander hatte nicht zu viel versprochen. Der Anblick der schwebenden Kerzen über der Winkelgasse, war atemberaubend. Ein wenig erinnerte sie das Bild an die Große Halle, deren Decke das ganze Jahr über tausende Kerzen schmückten.
 

Je länger sie nach draußen schaute, desto mehr wünschte sie sich es würde schneien. Doch leider herrschte im Moment noch immer der nasse Graupel vor.
 

Als der Geruch des fast fertigen Essens aus der Küche zu ihr strömte, knurrte ihr der Magen. Bereits beim Kochen hatte sie ein wenig genascht, hier und da. Jedoch nicht genug, um satt zu werden. 
 

Es dauerte dann doch noch eine Weile, bis Ollivander auftauchte und Evelyn hatte schon Sorge, dass das Essen völlig kalt wurde. Glücklicherweise hielt sich der Auflauf lange warm.
 

Ollivander bemerkte sofort die Änderungen in seiner Wohnung, zeigte aber keine Regung, was Evelyn plötzlich beunruhigte. Sie hatte keine Freudensprünge erwartet, aber nun da sie ihn sah kam ihr der Gedanke, dass sie womöglich etwas Falsches gemacht haben konnte. 
 

"I-ich kann es auch wieder entfernen, wenn Sie wollen?"
 

Ollivander hob die Hand und hielt Evelyn davon ab, die bereits begonnen hatte eine Girlande von der Decke zu nehmen. Langsam schüttelte er den Kopf, und schnupperte dann in die Luft.
 

"Das riecht herrlich. Ich hatte nicht erwartet, dass Sie bereits gekocht haben."
 

Glücklich darüber das Thema wechseln zu können, führte sie ihn eilig an den Tisch, der fertig gedeckt war. Das Feuer im Kamin hatte sie schon vor Stunden begonnen zu schüren. 
 

Sie wollte ihm etwas Gutes tun, eine Freude machen für alles, was er auf sich nahm. Als sie gesehen hatte, wie reserviert er reagiert hatte, waren ihr Zweifel gekommen. Mit dem Essen wollte sie wenigstens einen Teilerfolg erzielen.
 

"Shepards Pie", sagte sie fröhlich, als sie das Essen vor ihn stellte, "ich hoffe es schmeckt Ihnen."
 

Ollivander ließ den gefüllten Tisch ein wenig auf sich wirken, sagte aber noch immer nichts. Evelyn setzte sich skeptisch an den Tisch und wartete.
 

"Fröhliches ... Yule", sie wusste nicht, ob das ein passender Gruß war, aber irgendwie wollte sie die unkomfortabel Stille durchbrechen. 
 

Sie sah, wie Ollivanders Lippe zuckte, ehe er mit gebrochener Stimme endlich begann zu sprechen. "Es ist Jahre her, dass ich ..." Er räusperte sich, woraufhin er seine gewohnt freundliche Haltung einnahm. "Nun, wir wollen doch nicht, dass Ihr Essen schlecht wird. Greifen Sie zu, bitte." 
 

Die ganze Zeit über, blieb er verdächtig still, was Evelyn versuchte mit Gesprächen zu ändern. 
 

"Ich war heute im Tropfenden Kessel", begann sie vorsichtig, "und da habe ich Margaret getroffen. Die Kellnerin, wissen Sie noch?"
 

"Evelyn, ich lebe hier", meinte er kurz angebunden, wobei seine Augen schelmisch funkelten. 
 

Peinlich berührt spielte sie mit einer Strähne ihres Haares. "Natürlich, Verzeihung." Sie wartete kurz, ehe sie weitersprach. "Jedenfalls, sie hat mich erkannt. Naja, nicht unbedingt erkannt, aber sie hat mich noch gekannt. Der Name hat mich verraten."
 

Ollivander hielt inne. "Sie hat sich an Sie erinnert?"
 

"Ich fürchte ja; und Sie sagten, niemand wird sich nach ein paar Wochen an meinen Namen erinnern." Natürlich machte sie ihm keine Vorwürfe. Sie wollte ihn mit etwas Humor aus der Reserve locken. 
 

"Ein alter Mann darf sich irren", erwiderte er bloß.
 

"Sie hat mir versprochen, es für sich zu behalten." Sie schmunzelte. "Wobei ich wünschte einen Obliviate zu können, wenn ich ehrlich bin." Wo war die Pfeife Lockhart, wenn man ihn mal wirklich brauchte. 
 

"Madam Margaret ist eine gute Seele."
 

Im Nachhinein hatte sie auch überlegt Margaret in einen Unbrechbaren Schwur einzubinden, letztlich war ihr aber dieser Schritt für sie selbst zu ungewiss und zu gefährlich. "Ich vertraue ihr, Mr Ollivander. Die Situation gefällt mir zwar nicht, aber ich denke, sie wird es für sich behalten." Solange ihr viel größeres Geheimnis unentdeckt blieb, konnte sie mit diesem kleinen Problem leben.
 

Daraufhin verstummte Olivander erneut, während er langsam seinen Teller leerte. 
 

"Oh, heute Abend ist wohl eine Feier im Tropfenden Kessel. Margaret hat mich eingeladen."
 

"Jedes Jahr wird dort Yule zelebriert. Man sieht den Höhepunkt von hier aus. Wenn Sie wollen, können Sie aber gerne dem Tropfenden Kessel einen Besuch abstatten." 
 

Schnell schüttelte sie den Kopf. "Es ist mein erstes Yule. Hier, in der Winkelgasse", schob sie schnell hinterher. "Verzeihen Sie, wenn ich zu forsch bin, aber das würde ich gerne mit Ihnen verbringen."
 

Ollivander legte sein Besteck klirrend beiseite. "Sie haben sich viele Gedanken gemacht, Evelyn." Aus seiner Stimme konnte sie seine Gefühle nicht herauslesen. 
 

Sie tat es ihm nach und legte ihr Besteck nieder. "Ich wollte Ihnen damit eine kleine Freude bereiten, ich bin mir nur nicht sicher, ob es die richtige Idee war." Und sie hatte vorgehabt eine ruhige Atmosphäre zu schaffen, um ihn endlich nach seiner Tochter fragen zu können. In dem Moment, als sie seine reservierte Miene gesehen hatte, hatte sie diesen Gedanken aber schnell verworfen. Gaila war ein Thema für ein anderes Mal. 
 

"Mögen Sie Musik, Evelyn?", fragte er plötzlich. Damit hatte sie nicht gerechnet und stotterte daher ein wenig perplex. 
 

"Eh, mh, ja. Ja, natürlich."
 

Sie beobachtete wie er aufstand und zu einem großen Holzschrank ging. Das Holz hätte eine neue Polierung nötig, so matt und verblichen war es. Was genau er machte sah sie erst, als er sich zu ihr herumdrehte. In Händen hielt er – so zumindest vermutete es Evelyn – ein Instrument mit Bogen. 
 

Vorsichtig pustete er in den Klangkörper und Strich die Saiten frei von Schmutz und Staub. Den Blick auf das Instrument gerichtet, das aussah wie eine bauchige Violine, wartete sie, bis Ollivander sich gesetzt hatte. 
 

"Es ist eine Weile her, dass ich die hier ausgepackt habe", meinte er schmunzelnd, während er an den kleinen Wirbeln drehte und die Saiten stimmte. 
 

Evelyn bestaunte das Instrument, das in seiner Machart schlicht war. Wie er es hielt erinnerte sie es an ein Cello, nur war es um ein vielfaches kleiner. 
 

"Verzeihen Sie mir, wenn ich ein wenig eingerostet bin, meine Finger sind nicht mehr so flink, wie sie einst waren", meinte er entschuldigend, als er das Instrument in Position setzte.
 

Vorsichtig legte er den Bogen an und prüfte den Klang, bevor er erneut an den Wirbeln drehte. In Evelyns Ohren erinnerte sie das Instrument an eine Laute, aber sie war völliger Laie auf diesem Gebiet. Trotzdem konnte sie sagen, dass es weder den tiefen Klang eines Cellos, noch den klaren Ton einer Geige hatte. 
 

Sie räumte das restliche Essen ein wenig zusammen und stützte schließlich den Kopf mit ihren Händen auf dem Tisch ab darauf wartend, was Ollivander spielen würde. 
 

"Ich möchte Ihnen danken, Evelyn", meinte Ollivander schließlich, den Bogen von sich gestreckt und bereit zu beginnen. "Ich hätte nie gedacht, dass ich Yule noch einmal feiern würde." Seine Augen waren fest auf sie gerichtet, woraufhin sie nur lächelnd nicken konnte. Ihre Idee, an der sie schon gezweifelt hatte, schien doch nicht ganz falsch gewesen zu sein. Eine Wärme strömte durch Evelyn als sie sah, wie Ollivander sich für sie bereit machte zu spielen. 
 

Er räusperte sich, als auch schon die ersten Töne durch die Wohnung klangen. Es war ein langsames Lied, vielleicht auch nur, bis Ollivander wieder ins Spiel gefunden hatte. Sie glaubte, das Tempo wurde mit der Zeit schneller; so oder so gefiel es ihr. Womit er sie dann noch ein zweites Mal überraschte war, dass er begann zu singen. 
 

"The holly and the ivy, when they're both full grown. Of all the trees in the wood, the holly bears the crown..." Sie wagte nicht einen Ton zu sagen, sondern hörte ihm zu, wie er im Lied versank. Seine Stimme war nicht perfekt, brach hier und da, und doch genoss sie jede Silbe.
 

Zusammen saßen sie da, er mit dem Instrument und dem Lied auf den Lippen, und sie mit geschlossenen Augen, schweigend, bis Ollivander das Lied ausklingen ließ. 
 

"Sie sollten aus dem Fenster schauen, Miss Harris."
 

Ein wenig wehmütig, dass das Lied schon vorbei war tat sie, was er ihr vorgeschlagen hatte. Sie hatte geglaubt die Winkelgasse könnte nicht noch schöner werden. Als sie jedoch die leuchtenden Schlieren sah, die jedes Haus und die Gasse selbst sanft umgaben, wurde sie eines besseren belehrt. 
 

"Was ist das?", fragte sie Ollivander, der neben sie getreten war. 
 

"Die Banne werden erneuert." Sie erinnerte sich darüber gelesen zu haben. "Wir wollen doch nicht, dass jeder Muggel die Winkelgasse findet." Glucksend stand er neben ihr, die Arme hinter dem Rücken gefaltet, und betrachtete das Schauspiel, das Evelyn an goldene Nordlichter erinnerte.
 

Beinahe wünschte sie sich nun doch in den Tropfenden Kessel gegangen zu sein um zu sehen, was genau dort in diesem Moment passierte. Doch als Ollivander erneut sprach wusste sie, dass es die richtige Entscheidung gewesen war hier zu bleiben. 
 

"Fröhliches Yule, Evelyn."



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück