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Grauzone

Was sonst noch passiert ist
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Freund oder Feind

Kapitel 15
 

Freund oder Feind?
 

Wir brachen am Abend auf. Gist hatte vorgeschlagen Monro aufzusuchen und da ich wusste, dass der sich in Albany aufhielt, war es eine gute Gelegenheit zu sehen wie gut die Crew und wie zuverlässig Gist war. Dazu kam, dass ich es kaum erwarten konnte wieder auf See unterwegs zu sein.

Es brauchte nur ein paar Tage und ich fühlte mich, als hätte es den Sturz von den Klippen nie gegeben. Noch immer träumte ich manchmal von Lissabon oder davon, wie Liam auf mich schoss, doch nun konnte ich diese Träume im Rum ertränken, wenn es nötig wurde. Es gab niemanden, der mich daran hinderte.

Während der Fahrt erzählte mir Gist etwas mehr über Monro. Es war interessant zu hören wie er über ihn und dessen Ideale dachte. Wie es aussah hatte der Colonel wirklich ehrenhafte Absichten. Gut möglich, dass ich mich dem Kampf zur Umsetzung dieser Pläne anschloss. Sichere Grenzen, fairer Handel und Freiheit waren durchaus auch in meinem Interesse.

Als wir Albany erreichten wartete der Colonel schon auf uns. Und Gist hatte schlechte Nachrichten für ihn. Er hatte erfahren, dass es ein französisches Fort in der Nähe gab und dass diese Banditen, die ihn gefangen genommen hatten, von dort ihre Waffen bekamen. Mir hatte er nichts davon erzählt, doch ich hatte ihn auch nicht gefragt.

Das alles klang nicht gut und als Monro andeutete, es könnte zu einem Angriff auf New York kommen musste ich nicht lange überlegen. Ich würde mich ihnen anschließen. Erst einmal für diese Mission. Wenn sich herausstellte, dass sie falsch lagen, gab es noch immer die Möglichkeit mich von ihnen zu trennen.

Der Colonel begleitete uns auf der Reise zu dem Fort und ich nutzte die Gelegenheit ihn ein wenig aus der Reserve zu locken. Zumindest versuchte ich es, doch es gelang mir nicht. Für jede meiner Fragen, oder Andeutungen hatte er gute Antworten und Gegenargumente. Er kam mir nicht wie ein Fanatiker vor. Eher wie ein Träumer. An seinen guten Absichten zweifelte ich am Ende der Fahrt nicht mehr.

Eine seiner Ansichten fand ich besonders interessant. Gist hoffte, dass die Franzosen sich wehren würden, doch Monro, Colonel der britischen Armee, sah das anders. Er unterstützte meine Idee, nur den Kommandanten des Fort zu eliminieren, um die übrigen Männer zu demoralisieren. Der geringst mögliche Aufwand für den größt möglichen Nutzen. Nur, dass wir vorher die Verteidigung durchbrechen mussten.

Wir fanden das Fort bei Anbruch der Dunkelheit. Das machte es für die Verteidiger schwerer uns zu sehen, doch wir hatten auch Probleme die Geschütze ausfindig zu machen. Die Morrigan war gut ausgerüstet und wir hatten genügend Munition an Bord, um es mit ihnen aufzunehmen. Zudem waren wir wendig genug, um dem Kugelhagel auszuweichen.

Der Kampf dauerte bis zum Anbruch der Nacht. Als wir auch den letzten Geschützturm in Trümmer gelegt hatten, gingen wir vor Anker und im Schutze der Dunkelheit schlichen wir uns ins Fort hinein. Ich machte mich auf die Suche nach dem Kommandanten, Gist deckte mich, doch ich verlor ihn bald aus den Augen. Ich hoffte, dass er zurecht kam.

Überall waren kleinere Feuer ausgebrochen und die Franzosen waren mehr damit beschäftigt sie zu löschen, als nach Eindringlingen Ausschau zu halten. So kam ich einigermaßen unbehelligt zum Ziel und war überrascht, als ich die Tür hinter mir schloss. Der Mann der hier auf mich wartete, war kein Unbekannter. Es war der Pirat Le Chasseur.

Kurz hatte ich den Eindruck, als wüsste er nichts von meinem Verrat an der Bruderschaft, doch als er die Waffe zog änderte sich das. Dies war mein erster Kampf gegen einen meiner ehemaligen Brüder. Auch wenn ich ihn kaum gekannt hatte war es doch ein seltsamen Gefühl. Vor allem da er mir sagte, ich müsse ihn töten, wenn ich nicht wollte, dass die Bruderschaft erfuhr, dass ich noch lebte.

Er war schnell. Schneller als ich ihm zugetraut hätte und es war beinahe unmöglich seine Verteidigung zu durchbrechen. Zudem hatten wir nicht allzu viel Platz. Überall standen Fässer und die brachten mich auf eine Idee. Mit einiger Mühe schaffte ich es, ihn in die richtige Position zu manövrieren, griff an und als er abwehrte trat ich ihn in den Unterleib und stieß ihn so mitten in die Fässer hinein.

Er stürzte, zwei der Fässer gingen zu Bruch und er ließ die Waffe fallen. Benommen, von was auch immer an Resten in den Fässern gewesen war und wohl auch vom Aufprall, brauchte er einen Moment, um zu begreifen, was passiert war. Da war es allerdings schon zu spät. Ich trat an ihn heran und schob mit dem Fuß seine Waffe zur Seite, als er danach greifen wollte.

Bevor ich ihn tötete, fragte ich ihn, was er an Land tat. Immerhin war er Pirat und eher auf dem Meer unterwegs. Ich erfuhr nur, dass es sich um spezielle Waffen handelte, Giftgas zum Einsatz gegen die Kolonialherren. Was es genau damit auf sich hatte, wollte er mir nicht verraten, doch mir reichte das als Anhaltspunkt.

Dann tat ich, was ich tun musste. Er hatte recht. Wenn er überlebte, würde er den Assassinen sagen, dass ich noch lebte. Das Risiko konnte ich nicht eingehen. So tötete ich ihn, doch leicht fiel es mir nicht.

Einen Moment blieb ich noch neben seinem toten Körper sitzen, dann gab ich mir einen Ruck. Es gab Wichtigeres zu tun. Die Franzosen mussten aufgeben oder aber bis zum letzten Mann bekämpft werden. Auch wenn es mir widerstrebte, packte ich die Leiche und zerrte sie nach draußen. Sicher würde man sonst nicht glauben, dass er wirklich tot war.

Eine halbe Stunde später hatte es sich herumgesprochen, dass Le Chasseur tot war und der letzte Widerstand brach. Dennoch empfand ich keinen Triumph. Das was ich getan hatte war... Notwendig. Wurde ich nun genau wie Liam? Nein, das hier war etwas Anderes. Hier ging es um mehr.

Wir blieben über Nacht und warteten auf britische Soldaten, die das Fort übernehmen sollten. Besser man ließ es nicht unbeobachtet, um den Franzosen keine Chance zu geben, es wieder in Besitz zu nehmen. Die Männer trafen erst am Mittag des nächsten Tages ein und ich nutzte die Zeit, um mich umzusehen und auch um dafür sorge zu tragen, dass Le Chasseur ein vernünftiges Begräbnis bekam. Das schuldete ich ihm. Auch wenn er mein Gegner gewesen war, einst hatte ich ihn Bruder genannt.

Monro brach vor Gist und mir auf, da er einiges zu erledigen hatte und ich hatte es nicht eilig nach New York zurück zu kehren. Gut, dort wartete das alte Fort Arsenal auf mich, doch wollte ich mich wirklich in ihm niederlassen? Würde es jemanden stören? Schon seit ich ein Kind gewesen war hatte es leer gestanden und natürlich war es nicht erlaubt gewesen, dort zu spielen.

Gist zerstreute meine Gedanken als er meinte, er wäre bei der Durchsuchung des französischen Forts auf Karten von Handelsrouten und einen beträchtlichen Geldbetrag gestoßen. Die Karten konnten sicher helfen die Navy zu unterstützen, wenn mir danach wäre und das Geld... Nun, gegen Geld sagte ich nichts. Zumal der Aufbau der Gebäude in New York einiges kosten würde.

Der Weg zurück war angenehm ruhig, doch ein klein wenig Ablenkung von meinen Gedanken wäre nicht schlecht gewesen. So konnte ich mich nur mit Rum ablenken. Keine wirklich gute Option und Gist war nicht sehr hilfreich. Dazu kam, dass ich mit ihm nicht über meine Sorgen reden konnte. Es war besser, wenn er nichts aus meiner Vergangenheit erfuhr, solange ich nicht wusste mit wem ich es wirklich zu tun hatte.

In mir keimte ein Verdacht auf, doch ich konnte ihn nicht beweisen. Der junge Finnegan hatte für Monro gearbeitet und unter den Sachen, die einst ihm gehört hatten war dieser Waffengurt mit dem Templerkreuz gewesen. Auch an Monros Kleidern hatte ich das Zeichen entdeckt. Es war gut möglich, dass er Templer war und wenn es so war, dann konnte Gist auch dazu gehören. Der Gedanke beunruhigte mich, denn wenn es stimmte, durfte keiner von ihnen erfahren, wer ich war.

Wieder in New York verabschiedete sich Gist und ich nahm mir noch einmal das alte Fort vor. Das letzte Mal hatte ich nur einen groben Blick auf die Räume geworfen, da es spät gewesen war. Nun war noch nicht einmal Mittag und ich hatte Zeit. Wenn ich wirklich hier einziehen wollte, musste ich wissen, ob das Gebäude noch zu retten war oder nicht.

Schnell wurde mir klar, dass ich das alleine nicht schaffen würde. Gut, ich hatte etwas Geld, doch die Reparaturen würden weit mehr kosten. Einen Teil konnte man sicher wieder bewohnbar machen, doch vor allem im oberen Stockwerk gab es ein paar Zimmer, bei denen es sich nicht lohnen würde. Wie sollte ich nur all den Schmutz entfernen?

Gerade sah ich mir unten die Küche an, als ich ein Klopfen an der Haustür hörte. Dieses Geräusch versetzte mich in Alarmbereitschaft. Außer Gist wusste niemand, dass ich hier war. Zwar hatte ich Monro gegenüber erwähnt, dass es mich reizen würde hier zu bleiben, doch ich bezweifelte, dass er diese Worte für bare Münze genommen hatte. Vielleicht waren ein paar Banditen zurück gekommen, doch die würden kaum klopfen. Da ich allein durch grübeln nicht herausfinden konnte wer da draußen war, ging ich zur Tür und öffnete.

Einen Moment glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen. Dort draußen in Kleidern, die ich persönlich als etwas freizügig beschreiben würde, stand Selena. Sie wirkte genau so überrascht wie ich mich fühlte, fing sich jedoch schneller. Ihr Blick huschte über meine Kleider und ein Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus. Ihr gefiel offensichtlich was sie sah. „Master Cormac. Ihr habt euch eine interessante neue Bleibe besorgt.“

Diese Worte rissen mich vom Anblick ihres Dekolletees los, dass etwas tiefer ausgeschnitten war als üblich. Natürlich war es warm, doch ich kannte kaum eine Frau, die solche Einblicke gewährte. Außer sie legte es darauf an. Sicher gehörte Selena nicht zu dieser Sorte Frau. „Woher wisst ihr, dass ich hier bin?“ fragte ich, noch immer etwas verwirrt. Sie war die Letzte, mit der ich gerechnet hatte.

Ihr Lächeln wurde etwas breiter als sie sagte: „Ich habe meine Quellen.“ Wieder eine dieser Aussagen, die mehr Fragen aufwarfen, als sie beantworteten. Offenbar sah sie mir das an denn sie fügte hinzu: „Colonel Monro hat mich her geschickt, mit einer Nachricht für euch. Es ist Zufall, dass ich davon erfahren habe.“

„Ihr kennt den Colonel?“ Langsam hatte ich das Gefühl als würden sich ein paar Puzzlestücke zusammen fügen. Sie hatte auf der Morrigan Unterlagen von Templern gefunden und mich darauf aufmerksam gemacht. Sie hatte den Ring behalten wollen. Sie kannte Monro. Sie hatte Liam nicht erzählt, dass ich noch lebte. Sie war oft mit Templern gesehen worden. Wusste sie womöglich doch mit wem sie da Kontakt pflegte und auch was ich bis vor kurzem noch gewesen war?

„Wir sind uns ein paar Mal begegnet in den letzten Jahren.“ Bei diesen Worte wandte sie den Blick ab. Ihr Lächeln verschwand nicht, doch sie wollte nicht, dass ich ihr in die Augen sah. Schon bei unserer ersten Begegnung hatte sie etwas verheimlichen wollen. Dieses Mal würde ich sie nicht so einfach davon kommen lassen und hakte nach.

„Dann arbeitet ihr für ihn?“ Ich zog die Tür zu, denn wenn der Colonel etwas von mir wollte, dann würde er es mir sicher selbst sagen wollen. Es sei denn sie hatte einen Brief für mich, doch sie zog nichts aus einer der Taschen, die sie am Gürtel trug.

„Hin und wieder, aber nicht oft.“ Sie zuckte mit den Schultern und als ich Anstalten machte los zu gehen folgte sie mir. „Aber woher kennt ihr ihn? Ich hatte den Eindruck, dass ihr euch von der Obrigkeit lieber fern haltet.“

„Das... war Zufall“, wich ich aus. Wenn sie nicht mit der Sprache heraus rückte, dann würde ich es auch nicht tun.

„Wie auch immer, er möchte euch sprechen.“ Nun sah sie mich wieder an. Ich fragte mich, warum er ausgerechnet sie geschickt hatte mir eine Nachricht zu überbringen. Vielleicht weil sie als Frau eher unauffällig war oder aber, weil wir uns kannten. Dann gab sie mir eine Wegbeschreibung und wandte sich ab, um in die andere Richtung weiter zu gehen.

„Ich glaube, ich muss mich bei euch entschuldigen“, sagte ich rasch, denn ich wollte nicht, dass sie schon ging. Es gab noch so viel, das ich sie fragen wollte und wenn sie nun ging konnte es sein, dass sie wieder für Wochen verschwand.

Überrascht drehte sie sich um. „Für was?“ Stimmte. Im Grunde hatte ich nichts getan, dass eine Entschuldigung wert war, doch ich hatte sie, als sie mich gepflegt hatte, mit meinen Worten verletzt.

„Ihr hattet es nicht leicht mit mir.“ Mit einer leichten Geste forderte ich sie dazu auf mich noch ein Stück zu begleiten und sie gesellte sich wieder an meine Seite. „Ich wollte mich schon eher entschuldigen, doch ihr wart nicht da.“

„Schon in Ordnung.“ Kurz sah sie zu Boden, lächelte aber. „Ihr müsst euch nicht entschuldigen. Ich bin diejenige, die um Verzeihung bitten muss.“ Als ich nicht darauf antwortete, fügte sie hinzu: „Die Ohrfeige. Das hätte ich nicht tun sollen.“

Ich lachte. Es ging nicht anders. Diesen Schlag ins Gesicht hatte ich damals wirklich verdient und wohl auch gebraucht um zu begreifen, wie viel Glück ich gehabt hatte. Ich war nur knapp dem Tode entronnen und meine Einstellung war zu dem Zeitpunkt alles andere als zuversichtlich gewesen. „Die verzeihe ich. Aber nur einmal.“ Auch wenn sie nicht kräftig zugelangt hatte, man tat es einfach nicht. Sollte sie nun noch einmal ausholen, würde ich wohl zurückschlagen.

Kurz darauf trennten sich unsere Wege. Es war besser allein zu Monro zu gehen. Ich wollte nicht, dass es zu falschen Eindrücken kam. Dennoch hielt ich sie kurz zurück, als sie sich umdrehen und gehen wollte. „Ich hoffe doch, dass ihr nicht wieder verschwindet.“

„Was meint ihr?“

„Es ist nicht leicht euch zu finden und...“ ich brach ab, da ich ihr nicht sagen wollte, dass ich sie gerne wiedersehen wollte. Zu erfahren, dass sie noch lebte und sie danach für Wochen täglich zu sehen... Es war seltsam, doch der Gedanke, dass sie wieder aus meinem Leben verschwand, vielleicht für immer, gefiel mir nicht.

„Keine Sorge.“ Ihr Blick wurde sanft. „So schnell werdet ihr mich nicht wieder los.“ Dann zwinkerte sie und ging. Wie hatte ich das jetzt zu verstehen? Es klang jedoch danach, als würde sie noch eine Weile in der Stadt bleiben, auch wenn ich nicht wusste wo. Vielleicht wussten es die Finnegans oder Monro. Nun machte ich mich erst einmal auf den Weg zu dem Treffen. Wenn es wirklich wichtig war, dann würden meine privaten Angelegenheiten noch etwas warten müssen.

Der Colonel sah beunruhigt aus, als ich bei ihm eintraf. Er erzählte, dass sich die Informationen, die ich von Le Chasseur bekommen hatte, bestätigten. Die hiesigen Gesetzesbrecher planten giftige Gase einzusetzen, jedoch gegen das Volk. Eine beunruhigende Nachricht. Noch beunruhigender war es zu hören, dass sie Benjamin Franklin für ihre Pläne missbrauchten, um neue Waffen zu konstruieren, und der Auftraggeber offenbar eine Frau war.

Sofort musste ich an Hope denken, hoffte aber inständig, mich zu irren. Wenn sie und die Assassinen gegen die Templer vorgingen konnte ich das verstehen. Naja, nicht mehr so ganz doch das hier war etwas anderes. Das Volk mit Gas anzugreifen, um eine Wirkung bei anderen zu erzielen, passte nicht zu den Grundsätzen, an die sich die Bruderschaft bislang gehalten hatte. Es hieß: Verschone das Leben aller Unschuldiger. Daran hielten sie sich offenbar nicht mehr.

Da ich schon einmal mit Franklin zu tun gehabt hatte, bot ich an, mir die Sache genauer anzusehen. Dabei konnte ich vielleicht auch erfahren, ob es sich bei der Frau wirklich um Hope handelte oder nicht. Ich hoffte inständig, dass es nicht sie war.

Um an Franklin heran zu kommen musste ich zuallererst diejenigen los werden, die ihn bewachten. Den Kleidern nach, handelte es sich auch bei diesen Männern um dieselbe Bande, mit der ich schon Bekanntschaft gemacht hatte. Wie viele gehörten denn noch dazu?

Als ich es schaffte, an den Forscher heran zu kommen, war der gerade dabei das Haus zu verlassen. Mir blieb nicht viel Zeit. In unmittelbarer Nähe hatte ich zwar alle erkennbaren Bandenmitglieder ausgeschaltet, doch ich konnte nicht wissen, wo sich noch weitere befanden. Ich wollte nicht, dass einer von ihnen uns zusammen sah.

So sprach ich ihn offen auf die Forschungsergebnisse an und er händigte mir, ohne zu zögern, einen Prototypen aus. Dann meinte er noch, er würde bald nach Europa abreisen und ob ich wohl 'Mistress Hope' darüber informieren könnte.

Damit war die Sache klar. Sie steckte dahinter und mit ihr die Bruderschaft. Es war traurig zu erfahren, was aus ihnen geworden war und zu welchen Mitteln sie zu greifen bereit waren. Vermutlich taten sie es schon, als ich noch zu ihnen gehörte nur, dass man es mir nie erzählt hatte.

Kurz darauf traf ich mich erneut mit Monro. Der Prototyp war mit dem Luftgewehr kompatibel und da er mir ansah, dass ich mit den Gedanken komplett woanders war, schlug er vor, die Waffe auf sicherem Boden zu testen.

Es stellte sich heraus, dass man mit diesem Prototypen kleine, handliche Bomben abfeuern konnte. Monros Männer hatten es geschafft, etwas von dieser Munition zu beschaffen und es gab nicht nur Gasgranaten, sondern auch welche, die eine gewisse Sprengkraft besaßen. Es war alles andere als einfach, damit zu zielen, doch mit etwas Übung konnten sie sicher sehr hilfreich sein. Vor allem das Gas, welches dazu diente Menschen einschlafen zu lassen, fand ich praktisch. Wenn es möglich war andere nur außer Gefecht zu setzen, ohne ihnen dabei zu schaden, war ich dafür es einzusetzen. Zum Wohle des Volkes.

Gerade als ich mich zum Fort zurückziehen wollte meinte Monro, dass sich in der Nähe eine alte Manufaktur befand, in welcher das Gas gelagert wurde. Zudem versuchten die Banditen es zu destillieren. Wenn ihnen das gelang, konnten sie damit ganze Teile der Stadt lahm legen. Besser, ich kümmerte mich darum. Er gab mir eine Warnung mit auf den Weg, da die Bestandteile des Gases wohl sehr gefährlich waren. Es war beruhigend, dass er um mein Wohl besorgt war.

Ich machte mich daran diese Manufaktur ausfindig zu machen und als ich dort war, vernichtete ich die Gastanks. Von diesem Zeug sollte nichts mehr übrig bleiben. Während ich arbeitete trat Gas aus und unten im Hof lagen bald ein paar der Banditen, die die Dämpfe eingeatmet hatten. Ich hatte keine Ahnung wie stark die Wirkung war und konnte daher nicht sagen, ob sie nur schliefen oder tot waren. Kurz überlegte ich, sie dort heraus zu holen, doch als einer der Gastanks explodierte, ließ ich es bleiben. Das dort unten waren keine unschuldigen Männer gewesen. Wenn sie sich mit den Assassinen einließen...

Seltsam, wie schnell man seine Ansichten änderte. Hatte ich nicht vor ein paar Monaten noch ganz anders gedacht? Ich hörte von der Straße her Schreie. Natürlich hatten die Bürger die Explosion gehört und sicher würden bald Soldaten hier auftauchen, um den Vorfall zu untersuchen. Besser ich verschwand. Das alles hier sah nach einem Unfall aus und es gab keine Hinweise darauf, dass es nicht mit rechten Dingen zugegangen war.

Ich machte mich auf die Suche nach Monro, denn sicher wollte er wissen, ob ich Erfolg gehabt hatte, und fand ihn bei seinem Stützpunkt, wo er auf dem Wehrgang stand. Bei ihm war Gist, der zu den Rauchsäulen hinüber sah. Ihn freute der Anblick und Monro gratulierte mir zu meinem Erfolg. Er meinte, New York wäre nun sicher. Ich war anderer Ansicht. Es brauchte mehr als ein paar Explosionen um dieses Problem, die Banden und ihre Hintermänner, los zu werden.

„Der Junge hat recht“, sagte jemand hinter mir und ich wandte mich um. Zwei Männer waren an uns heran getreten, von denen ich einen kannte. Vom Sehen her, doch das reichte mir. Es war William Johnson, den ich vor einem Jahr in Albany mit Franklin gesehen hatte. Er war Templer. Damit bestätigten sich nun fast alle meine Vermutungen und mir war klar, dass ich mich auf sehr dünnem Eis befand. Auch wenn ich den Assassinen den Rücken gekehrt hatte, hieß das nicht, dass die Templer auf einmal meine Freunde waren.

Der andere Mann sprach mich mit meinem Namen an, obwohl ich mich nicht vorgestellt hatte. Das konnte nur heißen, dass er schon von mir gehört hatte, von wem auch immer. Auch er gratulierte mir zu meinem Erfolg und stellte mir Johnson vor, danach sich selbst als Jack Weeks. Als er mir die Hand hin hielt mit den Worten: „Schön euch kennenzulernen.“ tat ich es ihm nach kurzem Zögern gleich, um nicht unhöflich zu sein. Dabei konnte ich nicht sagen, dass ich mich wirklich freute und Johnson sah ebenfalls nicht gerade glücklich aus.

Gist merkte offenbar gar nichts, denn er schlug vor, gemeinsam einen trinken zu gehen, wobei ich von meinen Abendteuern erzählen könnte. Sicherlich würde ich nichts derartiges erzählen, doch es wäre keine kluge Entscheidung die Runde nun zu verlassen. Das wäre zu auffällig und würde für Misstrauen sorgen. Dennoch fühlte ich mich alles andere als wohl, als sich die Gruppe in Bewegung setzte.

Noch einmal wandte ich mich den Rauchsäulen zu, die die Stelle markierten, an der die Manufaktur gestanden hatte. Aus irgend einem Grund hatte ich das Gefühl, aus dieser Richtung beobachtet zu werden und ließ den Blick über die Straßen und zu den Dächern gleiten, doch noch bevor ich mich hätte konzentrieren können, richtete Monro sein Wort an mich.

„Stimmt etwas nicht, Master Cormac?“ fragte er und in seinem Blick las ich, dass er mir mein Unbehagen ansah.

„Ich bin nur etwas verwirrt“, wich ich aus. „Ich muss Gas eingeatmet haben.“ Mit der Wahrheit konnte ich nun nicht herausrücken. 'Ich war Assassine und bin nun unter Templern. Irgendwie macht mich das nervös und zu dem habe ich gerade eine Anlage in die Luft gehen lassen und fühle mich beobachtet.' Nein, solche Dinge sollte ich besser für mich behalten.

„Ein Alé wird euch gut tun.“ Monro legte mir freundschaftlich eine Hand auf die Schulter und wir folgten den anderen, die schon ein paar Schritte voraus gegangen waren. „Kommt, hier sind nur Freunde. Man kümmert sich um euch.“

Freunde... Ich kannte weder den Colonel noch Gist wirklich und die anderen beiden... Aber vielleicht hatte er ja recht. Bislang hatte man sich um mich gekümmert oder aber dafür gesorgt, dass sich jemand um mich kümmerte.

Nur ein paar Straßen weiter betraten wir einen Pup. Bis auf eine kleine Gruppe an der Bar war er vollkommen leer. Verwunderlich war es nicht, da wir erst frühen Abend hatten. Sicherlich würde sich das bald ändern. Nun allerdings konnte man sich noch ungestört unterhalten.

Wir hatten uns gerade einen Tisch ausgesucht, so weit wie möglich von der Bar entfernt, als die Tür erneut geöffnet wurde. Erst als ich merkte, dass alle anderen dort hin sahen und Johnson jemanden heran winkte, drehte auch ich mich um.

Es war nicht zu fassen. Mit einer Selbstverständlichkeit, die ich nie erwartet hätte, kam Selena zu uns an den Tisch, doch sie behielt einen höflichen Abstand. Mir fiel der Blick auf, den der Colonel aufsetze. Ihm gefiel ihre Anwesenheit anscheinend nicht, was mir sagte, dass sie keiner Einladung gefolgt sondern aus eigenem Antrieb hier war. „Gentleman.“

„Wie kommt ihr hier her?“ fragte ich und kam somit den anderen zuvor.

Selena lächelte nur. „Intuition.“ Kurz sah ich zu den Anderen und erkannte, dass sie mit dieser Aussage genau so unzufrieden waren, wie ich und sie fügte hinzu: „Ich habe euch gesehen.“

„Dann seid ihr uns gefolgt?“ und mir dämmerte, dass sie es gewesen sein musste, die mich beobachtet hatte.

„Wenn man rund zwanzig Meter als folgen ansehen kann, dann ja.“ Noch immer sagte keiner der anderen etwas, was sie offenbar verunsicherte. „Aber ich möchte nicht stören.“ Bei diesen Worten sah sie zu Johnson, der sie immerhin an den Tisch gewunken hatte, doch es war Monro der antwortete: „Ihr stört nicht. Bitte, setzt euch zu uns.“ Der letzte noch freie Platz am Tisch war zwischen Jack und mir. Da ich Jack nicht kannte war ich in gewisser Weise froh, ihn nicht neben mir zu haben.

Es war seltsam in dieser Gesellschaft am Tisch zu sitzen. Alle kannten sich und ich saß als Neuling zwischen ihnen. Nun, ganz stimmte das nicht. Selena und Jack hatten vorher wohl noch keinen Kontakt zueinander gehabt, denn sie stellten sich einander vor. Dennoch fühlte ich mich eher wie ein Eindringling, der hier nichts zu suchen hatte.

Ich nutzte die erste halbe Stunde hauptsächlich für Beobachtungen und hielt mich aus den Gesprächen eher heraus. Gist stellte sich als jemand heraus, der die Stimmung heben konnte und nach dem ersten Alé ein Päckchen Karten heraus holte, um mit Jack zu spielen, wobei er sich weiterhin an den Gesprächen beteiligte.

Jack war offen mit seinen Kommentaren, zurückhaltend beim Trinken und neugierig, was er gut kaschierte. Er ließ Fragen in die Unterhaltung einfließen und unterbrach immer wieder das Kartenspiel mit Gist, um besser zuhören zu können.

Der Colonel unterhielt sich hauptsächlich mit Johnson oder Gist über die Aktivitäten der Gesetzesbrecher und wie man gegen sie vorgehen konnte. Dabei warf er immer wieder einen Blick zu Selena, die sich kurz an einer Kartenrunde versucht, aber rasch aufgegeben hatte. Danach war sie der Unterhaltung gefolgt und nur sehr selten steuerte sie etwas dazu bei. Sie wählte ihre Worte mit Bedacht und wiedereinmal hatte ich den Eindruck, als würde sie nicht alles verraten was sie wusste, oder vermutete. Sie klang, als hätte sie über das Thema schon längere Zeit nachgedacht.

Johnson taute nach dem ersten Alé etwas auf und verhielt sich danach nicht mehr so abweisend, mir gegenüber. Ich erfuhr, dass er Kontakte zu einigen Indianerstämmen hatte und sich mit ihrer Kultur vertraut machte, um sie besser verstehen zu können. Nach einer weiteren Stunde verließ er allerdings die Runde und der Colonel folgte bald darauf.

Ich wäre auch gerne gegangen, doch mir gefiel der Gedanke nicht Selena hier mit Gist und Jack sitzen zu lassen und sie machte nicht den Eindruck gehen zu wollen. Zwar hielt sie sich sehr lange an dem einen Alé fest, das sie bestellt hatte, und welches vom langen Stehen sicher nicht besser wurde, doch sie war dabei sich die Regeln des Spiel erklären zu lassen, das die Beiden spielten. So bestellte ich mir einen weiteren Krug und blieb sitzen.

Gegen Acht schob Selena ihren Krug von sich. Den ganzen Abend über hatte sie nur an dem Getränk genippt und ein kleiner Rest war noch immer darin enthalten. Ich erinnerte mich wage daran, dass sie nur sehr selten Alkohol trank. Erstaunlich, dass sie sich überhaupt ein Alé bestellt hatte.

Als sie meinte, es wäre langsam an der Zeit für sie nach Hause zu gehen, leerte ich meinen Krug rasch aus. „Wenn es euch recht ist, begleite ich euch ein Stück“, bot ich an. „Immerhin wird es bald dunkel und die Straßen sind nicht sicher.“ Ich wollte eh gerne wissen, wo sie wohnte und da bot es sich an sie zu begleiten. Sie lehnte nicht ab.

Eine ganze Weile ging ich schweigend neben ihr her und warf ihr immer wieder einen Blick zu. Konnte es wirklich sein, dass sie zu den Templern gehörte? Sie trug keinen Ring, zumindest sah ich keinen, und auch an ihren Kleidern fand ich nichts, dass diese Vermutung bestätigt hätte. Monro und Johnson gehörten dazu, daran hatte ich keine Zweifel mehr und selbst bei Gist war ich mir mittlerweile sicher. Doch wie passte sie in dieses Bild hinein, außer, dass sie so gut wie alle der Runde gekannt hatte.

„Worüber denkt ihr nach?“ fragte sie und blieb stehen. Auch ich hielt an und überlegte, ob ich es ihr sagen sollte oder nicht.

„Ich bin nur verwundert“, sagte ich dann. „Bis auf Jack kanntet ihr alle.“

„Auf was wollt ihr hinaus?“

Mein Blick wanderte die Straße hoch. Es war kaum jemand unterwegs und niemand in unmittelbarer Nähe. Auch auf dem Weg hinter uns war keiner. „Seit wann arbeitet ihr für...“ Nein, ich durfte nicht direkt nach dem Orden fragen und änderte den Satz, „für den Colonel?“

Leicht zog sie die Augenbrauen hoch und setzte ihren Weg fort. „Ich habe ihn ein paar Monate nach meiner Ankunft in den Kolonien kennen gelernt, falls ihr darauf hinaus wollt. Er wurde auf mich aufmerksam, nach dem ich ein paar Bürgern geholfen hatte.“

Kurz verfielen wir erneut in Schweigen und ich überlegte wie ich sie nach den anderen beiden fragen konnte ohne zu neugierig zu erscheinen, doch sie hatte meine Gedanken wohl erraten und sagte: „Und bevor ihr weiter fragt, Master Johnson ist eher eine flüchtige Bekanntschaft, ebenso wie Gist.“

Hatte ich mich doch geirrt? Dabei hatte es gerade so gut zusammen gepasst. Ich wollte weiter fragen, ließ es dann aber bleiben. Besser ich gab keinen Anlass für einen Streit, zumal ich doch etwas mehr getrunken hatte als beabsichtigt, was dazu führen konnte schneller zu reden als zu denken. So schwiegen wir erneut und ich sah mir die Gegend an, durch die wir gingen. Nicht gerade das, was ich erwartet hatte.

„Hier wohnt ihr?“ fragte ich, als sie vor einem schmalen Haus stehen blieb, das schon bessere Tage gesehen hatte.

„Derzeit ja. Es ist allerdings nicht sicher wie lange noch.“ Sie zuckte leicht mit den Schultern. „Ich musste schon ein paar Mal umziehen.“

Noch einmal sah ich an dem Haus hoch. Im Winter musste es dort drinnen kalt sein. In dieser Gegend waren die Häuser alle nicht sonderlich gut in Schuss und die Wohnungen klein. Wenn man nicht viel Geld besaß, konnte man sich nichts anderes leisten und wenn sie hier lebte, dann hatte sie wohl nicht all zu viel. Sie war nahezu mittellos in die Kolonien gekommen. Das hier war immer noch besser, als auf der Straße schlafen zu müssen.

„Danke, dass ihr mich bis hier gebracht habt. Jetzt komme ich alleine zurecht.“ Sie lächelte aufmunternd und suchte in einer ihrer Taschen nach dem Schlüssel. „Es war wirklich sehr angenehm, nicht alleine gehen zu müssen.“

„Es... war mir ein Vergnügen.“ Naja, nicht wirklich, denn ich hatte kaum etwas in Erfahrung bringen können. Zumindest wusste ich nun wo ich sie finden konnte.

Sie wandte sich halb der Tür zu, doch aus dem Augenwinkel beobachtete sie mich. „Nun, ich hoffe doch, dass auch ihr nicht so schnell wieder verschwindet. Ich würde mich gerne erneut mit euch treffen, wenn ihr nichts dagegen habt.“

Diese Worte erleichterten mich und ich musste lächeln. Etwas, dass ich schon eine ganze Weile nicht mehr getan hatte. „Vorerst bleibe ich in der Stadt. Ich habe einige Dinge zu erledigen bevor ich wieder aufbreche.“ Auch wenn ich nichts versprechen konnte.

„Dann wünsche ich euch eine gute Nacht und hoffe, dass wir uns bald wieder sehen.“ Kurz sah es so aus, als wolle sie mir zum Abschied die Hand reichen. So wie sie es bei Liam getan hatte, damals in Boston. Das war alles schon so lange her und doch erinnerte ich mich daran. Auch wie sie in meinen Armen gelandet war, als sie von Bord kletterte. Fast hoffte ich, sie würde stolpern, damit ich sie auffangen konnte, doch natürlich passierte das nicht.

„Euch auch eine gute Nacht.“ Ich wartete noch, bis sich die Tür hinter ihr schloss, bevor ich mich selbst auf den Heimweg machte. Diese Nacht würde ich allerdings auf der Morrigan verbringen. Dort war ich sicher besser aufgehoben, als in dem staubigen Himmelbett im alten Fort.



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