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Konzert 2006 - Oomph! Bericht

Autor:  halfJack
Ein Pamphlet über zunehmende Kommerzialisierung?

Als Einstieg:

Beschissen, dass heutzutage nicht mehr das Können zählt, sondern nur noch der Kommerz, sodass Bands wie Thora nicht einmal ein Label finden, um ihre dritte Platte zu produzieren. Trotzdem stellt diese Band "Baby No. 666" online, damit ihre Fans sie kostenlos herunterladen können. Hier ist es legal. Wer die Musik wirklich mag, dem sollte sie auch so wichtig sein, sich das Album zu kaufen. Aber was die Plattenindustrie macht, ist den meisten Konsumenten des Mindcandy aus der Flimmerkiste sowieso egal; die neuesten Singles kann man bequem "downloaden". Sogenannte Künstler unserer dekadenten Musikbranche können kein einziges Instrument spielen, nicht texten, nicht einmal singen und halten nur ihr genormtes Gesicht in die Kamera. Musik aus der Dose, für die Massenseele.
Dabei ist "Baby No. 666" meines Erachtens eines der besten neuen Alben, die in diesem Jahr veröffentlicht wurden. Auch Scream Silence können sich mit "Aphelia" hier einordnen und ASP, der das letzte und wahrscheinlich beste Kapitel des Schwarzen Schmetterlings ans Licht gebracht hat. Aber wer hört das schon? Steht ja nicht in den Charts und Individualität sollte eh verboten werden.

Als ich mich mit meiner Freundin zum WGT 2007 mit Sven Friedrich (Zeraphine, Dreadful Shadows, Solar Fake) unterhielt, bestätigte er viele dieser Gedanken, die mir kurz zuvor durch den Kopf gegangen waren. Große wie kleine Label bekommen die Möglichkeiten des World Wide Web am eigenen Leib zu spüren, da das Herunterladen von Musik einfacher, schneller und vor allen Dingen preiswerter ist, als sich die CDs im Laden zu kaufen oder auf anderen Wegen an die Lieder heranzukommen, zum Beispiel gegen Bezahlung die MP3-Dateien herunterzuladen auf den dementsprechenden (seriösen!) Seiten. Doch letztendlich sind es die Bands, die darunter leiden, vor allen Dingen die unbekannten.

Auf der anderen Seite ist es mittlerweile in vielen Clubs verboten, gebrannte CDs zu spielen. Die meisten CDs besitzen so oder so bereits einen Brennschutz, wobei man sich fragt, weshalb? Wenn jemand für ein Album kein Geld ausgeben möchte, dann wird er auch auf anderem Wege herankommen. Aber für den privaten Gebrauch sollte es auf jeden Fall gestattet sein, die eigenen CDs zu brennen. Wer bringt schon mit gutem Gewissen seine Originale in Clubs mit, um sie dort abzuspielen? Wer schleppt schon gern die Originale von daheim mit ins Auto oder zur Arbeit, um sie dort zu hören, und später wieder zurück? Die kleinen Silberlinge halten schließlich nicht ewig.
ASP unterstützt deshalb seine - ich will es mal so nennen - Kampagne: "Ich will brennen".
Aber zurück zum eigentlichen Thema und den negativen Seiten des Brennens.

Womit kann man die Fans noch locken, wie kann man sie dazu bringen, sich das Album zu kaufen? In erster Linie denkt man hier an die Aufmachung, das Booklet, welches man zu einer gebrannten CD nicht bekommt. Aber Sven meinte selbst, ein Booklet sei teuer. Sicher, in der Schwarzen Szene ist es einfacher, die Fans zum Kauf zu bewegen, weil hier die Mentalitäten (noch) anders geprägt sind. Aber dazu muss man kleine Bands überhaupt erst einmal kennen. Und die zunehmende Kommerzialisierung macht es eher den Aufnäher- und T-Shirt-Bands leichter, deren Logos einem überall entgegenblitzen: KoRn, Marilyn Manson, SlipKnot... da muss sich selbst unsere skandinavische Front fast geschlagen geben vor einer solchen Flut berechnetem Merchandising.

Und dann fiel mir eine deutsche Band ein, die auch ihren Durchbruch geschafft hatte, wie kaum eine andere Untergrundband aus den deutschen Reihen: Oomph!

Lange Rede, kurzer Sinn.
Ich wollte endlich den Weblogeintrag über das Konzert von Oomph! 2006 verfassen, den ich nun Ewigkeiten vor mir herschob. Dieses Konzert hat mir einiges bewusst gemacht und anderes wiederum anders gezeigt, als ich es bis dato erwartet hatte.


26.05.2006
Oomph! - Glaube Liebe Tod
Konzert im Haus Auensee, Leipzig

Das neue Album von Oomph!, "Glaube Liebe Tod", ging wieder in eine Schiene, die ich besser finde. Ich mochte die entstellende Aussage im Titel, die wieder deutlich auf die Blasphemie hindeutete, welche Oomph! schon immer verkörperten. Im christlichen Glauben beweihräuchert man immer die drei höchsten Güter des Menschen: Glaube, Liebe und Hoffnung. Diese Worte zu missbrauchen und die Hoffnung mit dem Tod gleichzusetzen gefiel mir erst einmal.
Mein Lieblingsalbum von Oomph! war schon immer "Ego" gewesen. Der Übergang vom Industrial zum Gothic-Rock war hier noch nicht ganz vollzogen, aber auf jeden Fall deutlich spürbar. Aber bei Oomph! ist das so eine Sache, mit dem Lieblingsalbum...
Das neue war für meine Ohren auf jeden Fall besser als "Wahrheit oder Pflicht", auch wenn letzteres sich am besten verkauft hat. Emu meinte dazu mal, "Wahrheit oder Pflicht" ginge schnell zum Ohr herein, aber auch genauso schnell wieder heraus. Obwohl die Lieder auf diesem Album nicht viel schlechter waren als sonst. "Wenn du weinst" mag ich zum Beispiel sehr. Komischerweise hört es damit schon fast auf.
Meine Ansicht damals zum neuesten Album:
Bei Oomph! gibt es auf jedem Album Lieder, die ich mag und welche die ich... scheiße finde. Und auf "Glaube Liebe Tod" sind manche Songs... echt scheiße. Ich meine, so wirklich scheiße.
"Die Schlinge"... Das ist eine Anlehnung an "Spiel mir das Lied vom Tod", mit einer Mundharmonikauntermalung, um den Wildwesterntouch rüberzubringen.
Oder "Mein Schatz"... Hiermit ist tatsächlich die Geschichte um den Ring von Herr der Ringe gemeint.
Und "Land in Sicht" ist genauso furchtbar. Darin sind die Strophen zwar nicht schlecht, aber der Refrain zerstört alles, da er wie ein Schlager klingt, sowohl instrumental als auch vom Text her. ("Du bist mein Leuchtturmlicht..." - ja, das singt er wirklich.)
Dann wiederum gibt es Lieder, die in der gesamten Laufbahn der Band kaum besser hätten sein können, "Zu viel Liebe kann dich töten" beispielsweise.

Mit all diesen Gedanken ging ich damals mit meiner Freundin zum Konzert von Oomph!, das kurz vor dem WGT 06 stattfand. Es war schließlich nicht unser erstes Konzert von ihnen gewesen, das meine Freundin und ich besuchten.
Ich stellte mir verschiedene Fragen. Würde es kommerzieller sein und nur so von Nachsteigerfans wimmeln? Das war an sich nichts Schlechtes, solange sie mehr kannten als nur die Singleauskopplungen und sich nicht benahmen wie postpupertäre Satanisten oder kreischende Groupies. Oder hatte sich die Welle trotz Popularität gelegt? Wie würden die Leute aussehen, eher bunt, eher schwarz? Ich dachte an Normalos, Möchtegerns und Mitschwimmer - hatte sich das bestätigt?
Teils, teils, aber eigentlich ging es erstaunlicherweise doch in eine ganz andere Richtung. Natürlich hat man gemerkt, dass es durchaus kommerzieller geworden ist, aber nur, was die Besucher anbelangt.
Meine Freundin und ich standen ziemlich weit vorn, zweite Reihe, manchmal sogar erste. Dero hat sich ein paar Mal über die Menge tragen lassen, ich hatte das Vergnügen, ihm versehentlich an sein Bestes zu greifen, meine Freundin hat er getreten. Wir wurden herumgeschubst, angepokt, beim Headbanging von einigen getreten und geschlagen. Insgesamt kann man sagen, dass es doch recht lustig war. Wie ein Metalkonzert eben.
Aber dennoch war es seltsam, dass Dero beispielsweise nicht weit gekommen ist, wenn er sich von der Menge tragen ließ. Ganz einfach deshalb, weil da viel mehr Mädchen waren, die ihn anfassen wollten, anstatt ihn weiterzureichen. Und das konnte ich nicht verstehen. Es war ein komischer Nachgeschmack dabei, den ich jetzt nicht mehr erklären kann.

Es war sonst alles wunderbar blasphemisch. Selbst "Gott ist ein Popstar" hatte eine viel härtere Note.
Sicher haben die Bodyguards gedacht, sie hätten eine riesige, kranke Sekte vor sich, als wir alle einstimmig das Vater unser schrien. Dann wurden Dinge wie "Gekreuzigt" gespielt, man konnte "Feiert das Kreuz" mitbrüllen, "Ich bin der neue Gott" oder solche Dinge wie "Ave Satani et Stupor et Christi" und "Gott ist tot".
Doch tatsächlich wurden die Stimmen bei diesen Liedern schwächer. Vielleicht weil sie nicht gerade vom letzten oder vorletzten Album waren?
Oomph! haben eigentlich schon immer recht kommerzielle Lieder geschrieben, was das anbelangt. Man kann nicht sagen, dass sich das geändert hat, nur weil sie bekannt geworden sind - es war schon vorher so, das Potenzial dazu bestand.
Dennoch... mir gefällt das Gefühl nicht, zu merken, dass Oomph! für manche scheinbar erst zwei Alben rausgebracht haben und dass Ego, Plastik, Unrein, Wunschkind, Sperm, Defekt und alles davor und dazwischen vergessen wird.
Am Ende der Zugabe haben meine Freundin und ich mit einigen wenigen angefangen "Wie schmeckt dir mein Herz" zu rufen. Es tat weh, dass viele "Fans" scheinbar gar nicht verstanden, was wir riefen. "Mein Herz" war das allererste Lied von Oomph!. Wir haben es bereits auf dem letzten Konzert, was nun schon lange her ist, gerufen und Dero hat es schließlich für uns ohne Begleitung der Band gesungen. Doch dieses Mal waren es nicht halb so viele, die mitriefen. Die Zugabe, die daraufhin gespielt wurde, war "Das letzte Streichholz", wenn ich mich recht erinnere. Auch dieser Zug von Dero hatte einen unangenehmen Nachgeschmack...

Dieser Punkt, den ich schon die ganze Zeit schlicht und vielleicht unberechtigterweise auf die Kommerzialisierung schiebe, ist ein Teil des Grundes, weshalb ich nicht noch einmal auf ein Konzert von Oomph! gehen möchte.
Der zweite, viel wichtigere Punkt allerdings hat im Großen und Ganzen nichts mit dem Publikum zu tun. Das letzte Konzert von Oomph! war vom Aufbau ähnlich wie dieses hier. Nach wie vor finde ich viele Lieder toll. Beispielsweise gehören "Du willst es doch auch" vom neuen Album oder "Going down" von dem davor oder auch "Niemand" auf jeden Fall zu den besten Liedern von Oomph!.
Doch diese aufputschende Wirkung, die es früher auf mich hatte, ist mittlerweile nicht mehr da. Es liegt nicht an Oomph!, dass ich das nicht mehr fühle, sondern allein an mir. Es gibt mir nicht mehr so viel, wie es das früher getan hat.
Darum kein weiteres Mal.


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