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Kartoffeln statt Döner: Vorurteile und Möglichkeiten zur Aufklärung PEGIDA, Politik

Autor:  halfJack

Das ist ein Eintrag, den ich eigentlich schon lange, lange verfassen wollte und der jetzt vermutlich zu einem Sammelsurium an Gedanken werden wird, die ich über die letzten Wochen anhäufte. Wahrscheinlich teile ich das thematisch noch auf; der erste Part befasst sich mit Falschannahmen und Vorurteilen und der zweite soll sich um die Darstellung in den Medien drehen.

Erster Auslöser hierfür war irgendeine Sendung über Foodtrucks. (Sorry für diese äußerst präzise Angabe; wer weiß, wovon die Rede ist, kann das gern ergänzen.) In dieser Sendung war unter anderem ein Mann mit türkischem Migrationshintergrund, der auf ein Schild von rechtstendierten Demonstranten reagierte, auf dem stand: „Kartoffeln statt Döner!“ Als Zeichen für mehr Zusammenhalt entwickelte er daraufhin einen Döner mit Kartoffeln, quasi unter dem Motto: Türkei ♥ Deutschland. Eigentlich eine löbliche Sache, die Idee fand ich ganz gut, aber was mich vielmehr irritierte, war dieses Klischee der Identifikation mit... Essen?
Und dann auch noch unter größtenteils falschen Annahmen. Um es mal salopp zu formulieren: „Kartoffeln statt Döner“ ist an sich schon himmelschreiend absurd und komisch, wenn man bedenkt, dass Kartoffeln aus Amerika stammen und der klassische Döner, wie er noch heute hier verkauft wird, in dieser Version aus Deutschland. Natürlich gab es schon vorher gedrehtes Fleisch am Spieß, was für die Türkei durchaus typisch ist, und zudem waren es türkische Einwanderer, die die Grundlagen nach Deutschland brachten. Ob der Döner nun zuerst in Berlin oder in Reutlingen verkauft wurde, sei mal dahingestellt, aber darin zeigt sich meines Erachtens eine starke internationale Assimilation. Wir können viel voneinander lernen und profitieren, warum sollten wir als Deutsche also nur Kartoffeln essen? Doch Moment, warum soll die Kartoffel überhaupt für Deutschland stehen?
Ja ja, die gute alte Kartoffel, mit der sich die Deutschen so gern identifizieren. Es kommt mir vor, als würden manche dieser Leute glauben, schon die alten Germanen hätten sich ihre Kartoffeln überm Feuer geröstet. Durch mein regionales Umfeld höre ich eine ganze Menge Grütze. Fakt ist jedenfalls, dass Kartoffeln erst im 17. Jahrhundert zu uns kamen und sich die Bauern sogar anfangs mit Händen und Füßen dagegen wehrten, sie anzubauen. Einer geschichtlichen Anekdote zufolge soll Friedrich der Große eine List angewandt haben, indem er Kartoffelfelder von Soldaten bewachen ließ. Was bewacht wird, muss wohl wertvoll sein, deshalb sollen die Knollen nachts von den Bauern gestohlen worden sein. Jedenfalls waren Kartoffeln alles andere als beliebt und vollkommen unpreußisch. Es brauchte schon Zeit und einen „Kartoffelbefehl“, bevor die Deutschen auf den Geschmack kamen.

Wenn man sich also etwas auf sein Deutschsein einbildet, sollte man dann nicht ein bisschen mehr über unsere Geschichte Bescheid wissen? Gerade heute in Zeiten des Internets, wo man nur mal ein paar Sekunden zum Googeln braucht, um etwas herauszufinden? Dabei sehe ich diese Sache gar nicht so eng. Wenn man mitten im Gespräch etwas raushaut, von dem man aufgrund von Klischees überzeugt ist, dann finde ich das nicht so wild. Man kann ja nicht alles wissen und Vorurteile oder falsche Vorstellungen gibt es immer. Doch spätestens wenn ich ein Schild mit irgendeinem Slogan schreiben will, um damit zu einer Demonstration zu gehen, würde ich diese paar Sekunden doch mal aufwenden, um zu überprüfen, ob das stimmt, was ich da behaupte.
Bei einer der PEGIDA-Demonstrationen lief mal jemand mit einem Schild herum, auf dem sinngemäß stand: „Rettet die deutsche Spache!“ Rechtschreibfehler inbegriffen. Klar kann sich jeder mal verschreiben, aber gerade bei solch einer Botschaft würde ich mein Schild vorher lieber zehnmal durchlesen, bevor ich es mir über den Kopf halte und mich damit lächerlich mache.

Gegen Meinungen aus rechts und links habe ich überhaupt nichts, erachte sie sogar als Opposition für notwendig und fruchtbar, solange etwas dahintersteckt. Nur leider begegnen mir immer wieder im Gespräch mit Personen, die sich selbst gar nicht als rechts sehen, die aber eindeutig derartige Meinungen vertreten, größtenteils Falschannahmen, Irrglauben, Halbwissen und ein erschreckend niedriges Bildungsniveau. Mit Argumenten kommt man da dummerweise nicht weit. Damit meine ich nicht, dass sich alle von Anfang an querstellen und nicht zuhören, zum Teil habe ich sogar Einlenken und Zustimmung erlebt, aber bei der nächsten Unterhaltung ist es, als hätte man nie etwas gesagt, als wäre das alles wieder gelöscht. Woran liegt das nur? Ich vermute, dass es dazwischen im familiären und Freundeskreis zu Diskussionen kommt, in denen man sich gegenseitig bestätigt, hochschaukelt und am Ende gestärkt durch das Kollektiv die eigene Meinung für richtig hält. Was kann man dagegen tun? Oder ist es ein Kampf gegen Windmühlen?
Vor anderthalb Jahren ließ ich mal meinen Frust über PEGIDA in einem anderen Blog-Eintrag aus und musste gerade feststellen, dass viele der Falschannahmen noch immer nicht beseitigt sind und dass ich an dieser Stelle einiges wiederholen könnte, obwohl nicht alles aktuell ist. In der Zwischenzeit hat sich in den Köpfen der Menschen jedoch kaum etwas geändert. Kann man tatsächlich nichts tun?

Ins Rollen gebracht von den Stipendiaten der TU Dresden versucht man es jetzt mit einer Bierdeckel-Aktion: Für einen Stammtisch ohne Parolen.
Kurz zusammengefasst handelt es sich dabei um ein Projekt, in dem über typische Vorurteile auf beidseitig bedruckten Bierdeckeln mit nachprüfbaren Fakten und Zahlen aufgeklärt wird. Man machte sich in der AG Asyl Gedanken darüber, wie man an die Leute herankommen könnte, da doch die Debatten meistens in den entsprechenden einstimmigen Kreisen geführt werden. Das Stichwort Stammtischparolen führte dann zu dieser Aktion von Aufklärung durch Bierdeckel, die seit Juli in Sachsen läuft.
Natürlich gibt es auch Bedenken. Bringt das überhaupt etwas? Bewirkt es vielleicht sogar das Gegenteil und führt erst recht zu Aggressionen? Werden diese Argumente wieder nur mit „Lügenpresse“ beiseitegeschoben? Außerdem könnten sich diejenigen davon angegriffen fühlen, die nicht in der Kneipe sitzen und so einen Bierdeckel in die Hand nehmen, die stattdessen über die Medien davon erfahren und das Gefühl haben, man würde sie alle in einen Topf mit alkoholisierten Kneipensitzern werfen. Bereits die negative Berichterstattung über PEGIDA kam bei vielen nicht gut an, weil sie sich nicht ernst genommen und als Rechtsradikale abgestempelt fühlen.

Was denkt ihr? Gibt es Möglichkeiten? Ist so eine Aktion mit Bierdeckeln gut oder eher der falsche Weg?

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Datum: 15.08.2016 19:07
Kurzer Einwurf zum Döner: Soweit ich weiß wurde er in Deutschland von einem Deutsch-Türken erfunden, allerdings gab und gibt es ihn so nicht in der Türkei, außer natürlich in Touristengebieten xD Aber da gibt es ja auch Schnitzel, von daher... :D
"The most beautiful thing we can experience is the mysterious. It is the source of all true art and science."
Albert Einstein 
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Datum: 15.08.2016 22:24
Ich finde Aufklärung eigentlich immer gut als Maßname gegen Vorurteile. Das Problem ist glaube ich, dass die Vorurteile sich in den Köpfen mancher Menschen so eingebrannt haben, dass aufklärende Infos kaum etwas bringen. Und dann gibt es ja noch die Presse, die dann wieder Gegeninfos streut - ich hatte es in einem Fallesogar einmal, dass ich mit jemandem geredet habe, der als Argument irgendwann angeführt hat: "Aber das stand so in der BILD!"
 
Ich find es dennoch gut es auf diese Weise zu versuchen. Es gibt immer noch Menschen die Informationen an sich heranlassen und ich persönlich finde Aufklärung immer am wirkungsvollsten.
Roads go ever ever on.

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Datum: 15.08.2016 22:25
Bei falsch geschriebenen Schildern, die sich über die deutsche Sprache lustig machen, möchte ich immer an Absicht glauben - als Parodie. Ausrufezeichen! Eyecatcher!
 
Was ich in meiner Umgebung als nachvollziehbare und wie ich finde, verständliche, Kritik mitschneide: Dass Menschen, die vor der Staatsbürgerschaft straffällig werden, mehrfach Gesetze übertreten, die Sprache etc. nicht lernen möchten, eine Belastung darstellen.
Zu einer Gesellschaft gehören die Querulanten und Verbrecher, aber warum sollte man welche von außerhalb mit Samthandschuhen anfassen?
Viele mögen die vielfach besungenen Großfamilien bereits nicht, die der Justiz auf der Nase herumtanzen und nur schwammig geahndet werden, während teils Hilfe kassiert und auf der anderen Seite Luxus gehortet wird.
 
Ich befürchte daher, dass es weniger um den Umstand geht, ob jemand kommt, sondern wer und wie mit ihm bei Verstößen verfahren wird. Die Menschen wollen in Sicherheit und Frieden leben, wenn das durch "Unbekanntes" in Gefahr gerät (und dem kein eindeutiger Riegel vorgeschoben wird, der wenigstens einen Teil der Täter abschreckt), geht es essig zu.
 
Da werden Bierdeckelaktionen nur ein kleiner Tropfen auf dem heißen Stein sein. Aber sie sind ein Anfang und für jeden, der darüber ins Grübeln kommt und sich von Unwahrheiten löst, ist es ein Gewinn. Für jeden, der einsieht, dass immerhin das Urteil falsch ist, alle Fremden seien kriminell oder würden das gutheißen.
 
Diskussionen und Debatten müssen in alle Richtungen erlaubt und unzensiert stattfinden dürfen!
Schadhaft ist es "von oben" zu erzählen, die Sorgen vor der Haustür seien unbegründet - vor allem, wenn's Kind doch schon längst in den Brunnen gefallen ist und Lärm, Schmutz, Unfreundlichkeit etc. bereits Einzug halten, Anzeigen oft geschrieben werden und im Sande verlaufen. Ob von Einzelpersonen als Täter oder allen, erst einmal ist es als Konfliktherd dann da und muss gehändelt werden.
Nicht durch leere Worte, Taten!
Der Justiz mache ich dabei weniger Vorwurf: Kaputtgespart, am Rande der Belastbarkeit, beleidigt und beschimpft, das ist der reinste Flickenteppich. Was sind z.B. schon einige tausend, neue Polizisten? Verteilt man sie auf das Land, pro Wache, ist die Entlastung und zusätzliche Hilfe vernichtend gering für das bisherige Personal.
Die Politiker damals hätten nicht rigoros streichen und kürzen sollen.
 
Dass sich Anschläge in anderen, nahen Ländern häufen und von wem diese teils ausgegangen sein sollen, schürt zusätzlich Furcht. Dagegen werden Bierdeckelaktionen nicht angehen können, weil es das natürliche Sicherheitsbedürfnis nicht erfüllt.
Solche Aktionen beseitigen auch nicht den Ärger, dass Schulen, Kitas o.ä. stets maroder werden und sich viele (informiert oder nicht) fragen, warum es für die Kleinsten nicht dieselben Summen gibt. Solche Kritik hat nicht zwingend etwas mit den Fremden zu tun, die geben nur den Anstoß, um ein Problem bloßzulegen.
Oder warum manche Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche haben und der Eindruck (teils berechtigt, teils nicht) entsteht, andere würden bevorzugt, obwohl sie bisher keine Steuern zahlten oder etwas für Betriebe und Wirtschaft leisten konnten?
 
Mehr Transparenz, glasklare Aussagen und Aufklärungsaktionen bevor etwas in der Nachbarschaft heimlich geplant wird, hätten Kritik vielerorts verhindert.
Auf alle Fälle ist es gut, dass sich die Jugend damit auseinandersetzt und Wege sucht, um im Dialog zu bleiben. Als mündiger Bürger kann man nicht nur darauf vertrauen, dass es irgendeiner regelt und vor Ort entstehen die besten Ideen ... es muss nur angefangen und mitgemacht werden.
 
Viele Grüße, Morgi
I like movies, good clothes, fast cars... and you. What else do you need to know?
Datum: 15.08.2016 23:35
Sehr, sehr schöner Beitrag. Gefällt mir außerordentlich gut.
Dieses "Kartoffeln statt Döner" habe ich tatsächlich schon öfter gelesen und mich JEDES MAL gefragt, was an einer Knolle aus Südamerika deutscher ist als an einem Fleischgericht aus der (vermeintlichen) Türkei.

Ich habe leider auch immer wieder feststellen müssen, dass man mit manchen Leuten nur schwer über politische Themen (und seien sie von noch so großer Relevanz) diskutieren kann, nicht, weil sie zu verbohrt wären (auch blöd, aber wenigstens ist die Diskussion machbar), sondern weil die Grundlage fehlt. Ich habe jetzt auch kein Politik-Studium absolviert, aber das gruselige ist, dass ich manchen Leuten in meinem Umfeld schon voraus habe, dass ich überhaupt Nachrichten schaue. Ich kann mich erinnern, dass ich mal bei einer Person auf Pegida kam und sie mich fragte, was das sei. Ich war schon ein wenig schockiert und versuchte, es zu erklären. Doch gleich nach meinem ersten Satz: "Pegida bedeutet patriotische Europäer gegen die Islamisierung..." meinte diese Person sofort, sie fände das gut, denn sie kenne ein paar Türken und die wären unfreundlich.
Ich mag sie wirklich und sie ist echt intelligent (auch, wenn's jetzt anders rüberkommt), aber politisch so ungebildet, dass es einfach unmöglich ist, über solche Sachverhalte zu diskutieren. Und bei sowas weiß ich nicht, wo ich ansetzen soll, denn das gesamte Weltgeschehen kann ich schließlich auch nicht erklären.
Und dasselbe erlebe ich öfter. Manche von den Pegida- und AfD-Anhängern haben einfach eine Meinung. Eine, die ich nicht gutheiße, aber immerhin eine einigermaßen fundierte. Und dann gibt es die, die jeden Mist unhinterfragt auf Facebook teilen und sich über Un- und Halbwahrheiten aufregen.
Informationen und Aufklärung sind also umso wichtiger, zumindest, wenn man Letztere erreichen möchte.

Das mit den Bierdeckeln halte ich allerdings für keine gute Idee, da es ein Stück weit ins Privatleben eingreift und wahrscheinlich eher als Propaganda empfunden werden würde. Ich denke, dass eher Privatpersonen diese Arbeit leisten können, bevor derartige Unterfangen erforderlich werden. Ich bin da einfach skeptisch, was die Wirkung anbetrifft. Aber ich bin mir auch nicht sicher, ob bei derartig verhärteten Fronten überhaupt noch möglich ist, wirklich fruchtbare Diskussionen zu führen.
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Datum: 16.08.2016 04:44
Was ich bei Diskussionen mit solchen Leuten immer wieder erlebe, das Ende dieser Diskussion ist immer gleich. Argumentativ hat der Andere nichts mehr auf der Pfanne, aber es kommen dann so Saetze wie
"Du hast Deine Meinung, ich hab meine" oder noch besser "Ich lasse mir meine Meinung nicht nehmen oder gleich die Keule "Meinungsfreiheit".

Noch offensichtlicher kann es nicht sein. Diese Leute wollen sich nicht bewegen, nicht nachdenken oder gar im Unrecht sein."

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Datum: 18.08.2016 00:06
Danke für die ausführlichen Reaktionen.

Pfirsichbluete
Stimmt, ich war bislang dreimal in der Türkei, aber mir ist kein einziges Mal eine Dönerbude untergekommen. Die vernachlässigen ihr kulturelles Erbe! D:

abgemeldet
Ich glaube auch, dass Aufklärung wichtig ist, selbst wenn manche Vorurteile, wie du meinst, in den Köpfen eingebrannt sind. Zu den Medien gibt es auch noch viel zu sagen, dabei geht es nicht nur um Gegeninformationen, sondern auch darum, dass die Art und Weise der Darstellung von Fakten falsche Schlussfolgerungen nach sich ziehen, nicht nur bei der BILD. Das finde ich gerade in den letzten Wochen und Monaten beunruhigend, weil Verbindungen gezogen werden, die so gar nicht vorhanden sind und die den Menschen in Deutschland ein bestimmtes Verhältnis von Ursache und Wirkung einimpfen. Und die sie zudem die Relationen zu anderen Problemen in unserem Land vergessen lassen.

abgemeldet
Kriminalität und fehlende Motivation, seinen eigenen Beitrag zu leisten, sind Probleme, die eben auch auf deutscher Seite existieren. Das heißt nicht, dass ich denke, da würden keine gewissen Korrelationen bestehen. Fälle von Diebstählen sind in den letzten Jahren enorm gestiegen. Das Haus meiner Familie wurde ausgeraubt und in mein derzeitiges Wohnhaus - wenn auch zum Glück nicht in meine Wohnung - wurde seit meinem Einzug dreimal eingebrochen. Ich vermute, dass dahinter nicht unbedingt inländische Banden stecken, doch diese Tendenz bestand bereits vor der sogenannten Flüchtlingskrise. Es ist ein Problem, dem wir irgendwie begegnen müssen, aber dass meines Erachtens nicht dadurch gelöst werden kann, indem wir die Grenzen dicht machen und keinen Flüchtling mehr reinlassen.

Solche Ängste müssen dennoch von der Politik ernst genommen werden, das auf jeden Fall. Man muss sich auf Augenhöhe begegnen, was für mich heißt, dass Politik transparenter und verständlicher für die Masse werden muss. Weil sich viele übergangen fühlen, treibt sie das dazu, so etwas wie die AfD zu wählen. Die Parolen kommen gut an und viele wählen ja leider auch aus Protest. Die wollen gar nicht, dass die AfD an die Macht kommt, sondern dass die großen Parteien mal nachdenken und etwas ändern. Der Weg ist natürlich bescheuert. Ich würde nicht bloß aus Protest eine Partei wählen, deren komplettes Programm meiner Meinung nach, sorry, hirnrissig und größenwahnsinnig ist. Weil es nicht großartig von den Versprechungen aller anderen Parteien abweicht und in den Punkten, in denen es abweicht, utopisch, unrealistisch, diskriminierend, frauendfeindlich, diktatorisch, mittelalterlich usw. ist. So etwas würde ich schlichtweg nicht wählen, egal wie unzufrieden ich mit der derzeitigen Regierung bin. Viele der Wähler haben sich das Programm nur leider nicht angeschaut.
Dem muss ich hinzufügen, dass ein Großteil meiner Familie in Sachsen-Anhalt wohnt und viele von denen tatsächlich die AfD wählten. Als ich das erfuhr, habe ich natürlich auch erst mal über das Programm aufgeklärt und einigen meiner Leute den Kopf gewaschen. Es kam nur leider zu spät. Ich habe die AfD nicht ernst genommen und deshalb nicht damit gerechnet, dass jemand mit gesundem Menschenverstand sie wählen würde. Allerdings sind das nicht alles nur Bekloppte, es ist äußerst kontraproduktiv, diese Wähler in den Nachrichten so darzustellen und alle über einen Kamm zu scheren, weil sie sich dann erst recht nicht ernst genommen fühlen. Mein Schwager ist beispielsweise Amerikaner und hat jahrelang dafür gekämpft, in Deutschland eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen, er musste etliche Schikanen aushalten und Geld investieren, um dieses Ziel zu erreichen. Er ist frustriert, weil er das Gefühl hat, ihm seien Steine in den Weg gelegt worden, wo es nun anderen leicht gemacht wird. Ob das wirklich so ist, kann er nicht wissen (zumal er ja nicht als Flüchtling gehandhabt wurde), aber es kommt ihm so vor. Darum seine Entscheidung für die AfD, und das als Ausländer. Gleiches gilt für einen Nachbarn, der sich selbst tatsächlich als rechts bezeichnet, aber nicht mit Glatze, Bomberjacke und Springerstiefeln, dafür mit einem Tattoo der Schwarzen Sonne auf dem Ellbogen. Seine Worte zu den Flüchtlingen waren in etwa: "Die leben in unserem Land wie die Made im Speck und wollen sich nicht anpassen und dann werden die mit dem Ahmed in einen Topf geworfen." Ja, Ahmed kommt aus Pakistan, er wohnt dort in Sachsen-Anhalt schon seit Jahren und kommt gut mit den anderen aus, auch mit denen, die sich als rechts bezeichnen. Und soweit ich weiß, hat auch Ahmed die AfD gewählt. Es klingt absurd, aber wenn man genauer darüber nachdenkt, kann man manches verstehen.

Unsere Flüchtlingspolitik ist alles andere als das Gelbe vom Ei. Es ginge schlimmer, es ginge aber auch besser. Grundsätzlich ist es meiner Ansicht nach richtig, Menschen auf der Flucht aufzunehmen und ihnen zu helfen. Asyl ist in Deutschland ein Grundrecht, weil viele Deutsche im Zweiten Weltkrieg auf Asyl in anderen Ländern angewiesen waren. Uns geht es gut genug (nicht spitze, aber gut genug), um das zu schultern. Soll heißen, dass wir ja auch genug Geld haben, um unseren Politikern lächerliche Gehälter zu zahlen oder Milliarden in unser Militär zu stecken oder in Berlin einen Flughafen zu bauen. Dagegen geben wir zu wenig für die Bildung aus, auch wenn wir manch anderen Ländern voraus haben, dass man bei uns zumindest im Prinzip kostenlos Zugang zu Bildung hat. Geld und das richtige Milieu spielen natürlich trotzdem noch eine Rolle, aber wenn man das mal damit vergleicht, wie viel man in Amerika oder in Japan für die Ausbildung der Kinder zahlen muss...
Wir haben etliche gesellschaftliche Probleme, aber das alles auf die Flüchtlinge zu projizieren ist eben der falsche Weg. Wir haben diese Probleme nicht erst seit gestern. Zumal ich häufig erlebe, dass diejenigen, die so über Ausländer wettern, gar keine negativen Erfahrungen gemacht haben. Sie haben keine Einschnitte erlebt, ihr Arbeitslosengeld wurde nicht gekürzt, sie hatten noch keine unangenehmen Begegnungen und trotzdem laufen sie jeden Montag mit ihren Schildern durch die Stadt. Das ist die Macht von Ritualen, soziale Magie. Dabei ist der Ausländeranteil hier in Dresden verschwindend gering, die meisten sind Touristen. Ich kenne Dortmund, ich kenne Berlin, darum kann ich das relativ gut einschätzen. Und dieser letzte Anteil an Touristen ist sogar zurückgegangen, das spürt man in unseren Einkaufszentren. Sehr viele Russen kommen nach Dresden, früher kamen auch viele aus dem arabischen Raum, kauften massenweise teure Parfums. Doch der Ruf Dresdens wird immer schlechter, darum werden wir zunehmend gemieden. Wie viel an Steuergeldern kostet zudem das Polizeiaufgebot jeden Montag? Wie viel kostet es, wenn mal wieder eine Flüchtlingsunterkunft brennt? Um es mal extrem zu formulieren, aber diese rechtsradikalen Idioten richten ihre eigene Stadt zugrunde. Und die tun das angeblich für ihr eigenes Land? Von meinem Umfeld werden die trotzdem in Schutz genommen. Ich kann darüber nicht mehr lachen und finde das einfach nur dumm.

Chandramukhi
> [...] "Pegida bedeutet patriotische Europäer gegen die Islamisierung..." [...]
Ja, gegen die Islamisierung des Abendlandes. Als ich das mal der Schwester meiner Freundin erklärte, meinte sie: "Aber ist das Abendland nicht der Osten?" Muss ich dazu noch mehr sagen? Wenn man nicht mal zwischen Morgen- und Abendland bzw. Orient und Okzident unterscheiden kann, könnte man sich tatsächlich fragen, ob es überhaupt Sinn ergibt, mit Erklärungen anzufangen.

Q
Die beste Reaktion am Ende eines Gespräches war bei mir: "Deutschland hat nicht mal eine Verfassung. Denk mal drüber nach."
Sobald es mit den Verschwörungstheorien losgeht, weiß ich, dass ich nur noch auf Granit stoße.
Die Dinge, die wir zum Leben zwangen, schlagen zurück. Haben wir sie überreden können, Wirkung auszuüben, dann können wir sie nicht überreden, auf uns selbst keinen Einfluss zu haben.

Mangaverkauf etc.
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Datum: 27.08.2016 15:06
Ich denke, dass dein Beitrag einer optimistischen Fehleinschätzung unterliegt. Du gehst davon aus, dass Menschen, die über Politik und gesellschaftliche Themen diskutieren, dies tun, weil sie sich eine Verbesserung der Gesamtsituation der Allgemeinheit erhoffen.
Genau wie diese Bierdeckel-Aktion merkt man den Glauben an das Gute: Diese Menschen verbreiten nur Hass und Angst, weil sie schlecht informiert sind. Oder? Oder??

Das glaube ich nämlich nicht. Letztendlich ist es völlig egal, auf welcher Seite sie stehen, mit solchen Diskussionen und Aktionen, wie sie von Pegida und AfD gestartet werden soll lediglich ein Zusammengehörigkeitsgefühl geschaffen werden, was nun mal viel einfacher herzustellen ist, wenn man ein schönes, eindeutiges Feindbild hat, da erzähle ich kaum was Neues. Es gibt kaum etwas Befriedigenderes, als die eigene Meinung in den Aussagen Gleichgesinnter gespiegelt zu sehen, weil es uns ein Gefühl gibt, dass wir das Richtige tun, sagen und denken.
Dabei werden Informationen nicht nur zur Nebensache, sondern systematisch ausgeblendet. Die Geschichte von dem Nachbarn, der von einem Deutsch-Türken mit einem Messer überfallen wurde wird immer ein hundertfaches Gewicht gegenüber einer drögen Statistik haben, und das ist ja auch beinahe nur natürlich, wenn man in simple, psychologische Mechanismen schaut (Stichwort: Heuristik).

Das ganze Problem ist: Es ist ein natürlicher Zustand des Menschen, fremdenfeindlich zu sein, was -entschludige den Biologismus- einfach an seiner Verdrahtung liegt. Das mag in der Vergangenheit sogar dem Überleben unserer Art zuträglich gewesen sein. In jedem Fall ist es einfach harte Arbeit, gegen diese Mechanismen anzugehen, und wer will schon hart arbeiten und seine Komfortzone verlassen?
Egal, ob man den Pegida-Anhängern die Herkunft der Kartoffel erklärt oder die AfD mit Zahlen und Fakten bezüglich ihres liebsten Hassobjektes traktiert, die deren Meinungen widersprechen, beides wird unausweichlich an ihnen vorüberziehen, weil es darum niemals ging.
Keiner von denen ist auf der Suche nach der Wahrheit, sondern nur nach einer hübschen Narrative, die einprägsam ist und bei der man selbst gut darsteht. In diesem Sinne muss für mich der aufklärerische Grundgedanke, so traurig das auch ist, scheitern.
Deep into that darkness peering, long I stood there wondering, fearing,
Doubting, dreaming dreams no mortal ever dared to dream before.
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Datum: 07.09.2016 14:38
Da gebe ich dir Recht. Je mehr Menschen zu einer Meinung beitragen, desto weniger ist sie richtig, sondern lediglich gefestigt. Aber abgesehen von dem Zusammengehörigkeitsgefühl werden Stimmen lauter, je bedrohter sich Menschen fühlen. Laut Polizeistatistik soll die Zahl der Straftaten dieses Jahr tatsächlich zum Vorgängerjahr gestiegen sein, wenn ich mich nicht täusche und obgleich nur minimal. In den Jahren davor aber war ein permanenter Rückgang zu verzeichnen, im Gegensatz zu der Meinung in Umfragen, wonach die meisten davon ausgingen, die Kriminalität würde steigen. Das Empfinden der Masse hat selten etwas mit der Wirklichkeit zu tun.
Mir fällt zudem auf, dass nicht nur Dinge behauptet werden, die nicht so sind, sondern auch Sachen gefordert werden, die bereits längst in der Praxis so gehandhabt werden oder umgesetzt wurden. Sieht man bei der Flüchtlingskrise auch wieder schön. Am Anfang war der Zustand viel katastrophaler, weil wir nicht darauf vorbereitet waren, obwohl sich die Situation schon seit Beginn des 21. Jh. ankündigte und diese "Krise" in den Randstaaten Europas bereits angekommen war. Einen solch enormen Ansturm hätte trotzdem wohl kaum ein Land ohne Probleme bewältigen können. Jetzt ist der Flüchtlingsstrom abgeklungen, die Bearbeitungszeiten sind minimiert, die Abschiebungen verschärft usw., aber dennoch wird von Merkel Umdenken gefordert? Meines Erachtens ist das Umdenken und Umlenken schon längst schleichend vonstatten gegangen. Was wäre denn die Alternative? Sollen wir wirklich so weit gehen, wie es von der AfD mal versehentlich, weil jemand mit der Maus ausgerutscht war, gefordert wurde, dass wir an den Grenzen auf Frauen und Kindern schießen?

Korrekturen von Meinungen über Flüchtlinge etc. sind vielleicht fruchtlos, aber das finde ich auch gar nicht unbedingt notwendig. Zur Flüchtlingskrise kann man ja eigentlich denken, was man will, so prickelnd lief da wirklich nicht alles, auch wenn ich insgesamt denke, dass wir das relativ gut bewältigen. Das Problem ist nur, dass die meisten zu denken scheinen, wenn sie so eine Meinung vertreten, müssen sie zwangsläufig die AfD wählen. Das ist das Hirnrissige. Man sollte weniger gegen die Vorurteile vorgehen, sondern gegen die scheinbar zwingende Konsequenz aus "Ich bin gegen Flüchtlinge" -> "Ich wähle die AfD".
Nicht nur die AfD selbst erschafft diese Korrelation, sondern auch die Medien, die eigentlich häufig eine Opposition darstellen wollen. Vor der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern habe ich in den Nachrichten gesehen, wie ein Reporter ein paar alte Leute befragte - "Sind sie gegen Flüchtlinge?" usw. und der letztlichen Erkundigung: "Also würden Sie die AfD wählen?" Die Oma an ihrem Gartenzaun überlegte, als hätte sie damit nicht gerechnet, und stimmte nach kurzer Überlegung zu. Ergo glaubt sie, mit ihrer Ansicht habe sie gar keine anderen Wahl, der Reporter glaubt das ja auch.
Die AfD wird eben nicht nur von Rechten gewählt, denn die Rechten wählen sowieso rechts, was will man denen schon erzählen? Das Problem ist, dass sich ein großer Teil aus allen Lagern dafür entschieden hat, aus Protest oder weiß der Geier. (Zumal ich es echt lustig finde, wie viele Arbeitslose, äh, Arbeitssuchende sie wählen. Wenn die AfD einige ihrer Vorschläge zu unserem Sozialsystem durchsetzen würde, sähen viele ziemlich alt aus.)
Man kann ja gern aus Protest wählen, aber warum wählt man dann nicht so etwas wie Die PARTEI? Die würden wenigstens keinen Schaden anrichten.

Aufklärung über Flüchtlinge scheint mir tendenziell also auch nichts zu bringen, aber irgendetwas muss man doch tun können, oder? Am Wochenende kam mir erneut das Phänomen bei meiner Familie unter: vor einigen Wochen schon wetterte ich lang und breit über die ganze Thematik, erhielt für einiges Zustimmung, doch dann vergeht ein wenig Zeit, man trifft sich wieder und plötzlich sind die ganzen alten Parolen wieder da. Anstatt also über Flüchtlinge aufzuklären, sollte man wohl eher über das sonstige Programm der AfD aufklären, zum Beispiel ihre Einstellung zu Homosexuellen oder zur Stellung der Frau. Oder bringt das nichts, weil man dann nur die Antwort erhält, dass es egal sei, was die wollen, man würde die AfD ja nicht wählen, damit die an die Macht kommen, sondern damit die großen Parteien mal nachdenken?
Die allgemeine Unzufriedenheit ist ja nicht unberechtigt, wird aber auf die Flüchtlinge projiziert, obwohl das nur ein winziger Aspekt ist und wir viel wichtigere Probleme haben. Ich kann mir nicht helfen, doch die Sache mit den Flüchtlingen ist so präsent und medienwirksam, obwohl das meines Erachtens nur Peanuts sind.
Die Dinge, die wir zum Leben zwangen, schlagen zurück. Haben wir sie überreden können, Wirkung auszuüben, dann können wir sie nicht überreden, auf uns selbst keinen Einfluss zu haben.

Mangaverkauf etc.
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Datum: 08.09.2016 08:51
Dornentanz:
> Keiner von denen ist auf der Suche nach der Wahrheit, sondern nur nach einer hübschen Narrative, die einprägsam ist und bei der man selbst gut darsteht. In diesem Sinne muss für mich der aufklärerische Grundgedanke, so traurig das auch ist, scheitern.


Wer bist DU? Wieso hab noch nie von Dir gelesen? Du schreibst klar und wahr.
Und leider stimmt jedes Wort.
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Datum: 08.09.2016 11:01
@Q: Auf die Frage, wer ich bin, zu antworten, wäre wohl etwas schwierig... Aber danke für das Kompliment.

@halfJack: Du plädierst also dafür, statt FÜR Flüchtlinge GEGEN die AfD zu argumentieren? Das Problem ist, dass auch auf der Gegenseite nur Narrativen gesucht werden. Erst kürzlich veröffentlichte die Band Jennifer Rostock einen Anti-AfD Song der schnell populär wurde, eine löbliche Sache, aber leider war er voller Verallgemeinerungen und teilweise falsch, was dann wieder nur der Gegenseite in die Hände spielt, die das als Propaganda der "Systemlinge" abstempelt. "Die AfD will Homosexuelle unterdrücken." - Das ist zu allgemein und damit nur eine Halbwahrheit. Was die AfD explizit sagt, ist, dass sie das Thema zukünftig wieder in der Öffentlichkeit totschweigen wollen und Rückschritte auf dem Weg zu gleichberechtigten Ehen machen wollen - das ist schlimm, aber man muss diese Dinge explizit benennen, damit sich niemand herauswinden und den anderen der Lüge bezichtigen kann.
Ich habe jetzt schon seit längerem überlegt, in meinem Weblog mal mit dem Skalpell das Parteiprogramm der AfD zu zerlegen, um wirklich zu sehen, was drinsteckt, denn dann hat man stichhaltige Argumente (allerdings bezweifle ich, dass der Weblog der richtige Ort dafür ist... am Ende wird mir noch vorgeworfen, ich würde die Seite für einseitige Wahlwerbung missbrauchen, oder so...).

Das Problem ist allein schon: Was ist denn die AfD? Deren Mitglieder reichen vom FDPler bis hin zum Reichsbürger, die Aussagen einiger sind bedenklich für Menschenrechte und Verfassung, andere sind einfach nur konservativ-liberal, aber ist das ein Kriterium für das Ganze? Worauf darf man denn die Partei festnageln?

"Ich bin gegen Flüchtlinge!" XD Schöne Aussage. Wer ist schon nicht gegen Flüchtlinge? Niemand will doch, dass andere flüchten müssen, oder? Okay, vergiss meine Albernheit.

Wir hatten uns vor einiger Zeit schonmal darüber unterhalten (oder ich habe einen Monolog geführt?), dass die Medien- und Politiklandschaft zu einheitlich geworden ist und daher Unzufriedenen das Gefühl der Alternativlosigkeit gibt. Und das bringt mich gerade auf den Gedanken, dass wir am Ende Seehofer sogar dankbar sein müssen... Er scheint diesen Missstand korrigieren zu wollen, getreu dem Motto, das vor einiger Zeit in den Medie aufkam: Rechts der CDU/CSU darf es keine Partei geben. Auch mir fällt das Wählen ungemein schwer, weil ich nirgends mehr eine klare Richtung erkenne. Meines Erachtens nach müssten alle etablierten Parteien mal eine Korrektur ihrer Linie vornehmen um ihr Profil zu schärfen. Die einzige Partei, die das bisher gemacht hat, war aus der Not heraus die FDP. Bei uns sind gerade Kommunalwahlen, und plötzlich stechen mir deren Plakate positiv ins Auge, nicht, weil ich ihrer Meinung bin, sondern, weil ich da eine klare Ideologie und aufrechtes, ehrliches Gedankengut erkenne. Es klingt falsch, das zu sagen, aber ich wünsche mir einen Rechtsruck der CDU und einen Linksruck der SPD, ich will vegane Hippies bei den Grünen und elitäre Golfsnobs bei der FDP, wenn es nur dazu führt, dass sich die Lager wieder aus dem Grau in Grau trennen und zwar in einem Aumaß, dass auch der RTL-Zuschauer es erkennen kann - denn dann hat er seine leichtverdauliche Geschichte mit Helden und Bösewichten, die er selbst wählen kann.
Ich glaube, DAS wäre die effektivste Methode, der AfD Einhalt zu gebieten.

Nun nur noch die Frage, wie ich Parteien beeinflussen soll.... Ich will nicht in die Politik gehen, in keine Partei eintreten. Aber mittlerweile frage ich mich schon, ob ich es überhaupt noch mit meinem Gewissen vereinbaren kann, es NICHT zu tun und einfach nur zuzusehen.
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Doubting, dreaming dreams no mortal ever dared to dream before.
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Datum: 09.09.2016 04:54
Dornentanz:
> Aber danke für das Kompliment.

Und ich wiederhole es gerne. Deine Antwort an halfjack fand ich sehr interessant.



>Meines Erachtens nach müssten alle etablierten Parteien mal eine Korrektur ihrer Linie vornehmen um ihr Profil zu schärfen.

Das leuchtet mir ein. Ich bin Sozi seit ich politisch denke, aber derzeit gefaellt mir Merkel besser als Gabriel. Bei Beiden wusste ich bislang ja nicht wofuer sie stehen. Es spricht nichts dagegen, dass man den Kandidaten der "Gegenseite" gut findet, aber das Programm sollte doch wieder staerker gewichtet werden.

> Es klingt falsch, das zu sagen, aber ich wünsche mir einen Rechtsruck der CDU und einen Linksruck der SPD, ich will vegane Hippies bei den Grünen und elitäre Golfsnobs bei der FDP, wenn es nur dazu führt, dass sich die Lager wieder aus dem Grau in Grau trennen und zwar in einem Aumaß, dass auch der RTL-Zuschauer es erkennen kann - denn dann hat er seine leichtverdauliche Geschichte mit Helden und Bösewichten, die er selbst wählen kann.

Nein, das ist eine legitime Position und Du legst sie nachvollziehbar dar.

> Ich glaube, DAS wäre die effektivste Methode, der AfD Einhalt zu gebieten.
Auf jeden Fall ist es eine Moeglichkeit die mir einleuchtet.

Avatar
Datum: 10.09.2016 16:05
Q
> Wer bist DU? Wieso hab noch nie von Dir gelesen? [...]

Haha, wie geil! XD Danke für die Reaktion. Und was die Frage anbelangt, so ist Dornentanz zumindest eines: auf Animexx zu wenig präsent. So ist das halt mit diesen komischen Leuten, die noch ein reales Leben haben, tz.


Dornentanz
> Ich habe jetzt schon seit längerem überlegt, in meinem Weblog mal mit dem Skalpell das
> Parteiprogramm der AfD zu zerlegen, um wirklich zu sehen, was drinsteckt, denn dann hat
> man stichhaltige Argumente (allerdings bezweifle ich, dass der Weblog der richtige Ort dafür
> ist... am Ende wird mir noch vorgeworfen, ich würde die Seite für einseitige Wahlwerbung
> missbrauchen, oder so...).

Mach das doch mal! Ich verstehe schon, wenn du keine Zeit hast und Animexx nicht die richtige Plattform dafür ist, aber ich würde es dennoch begrüßen.

Zum Thema:
Jennifer Rostock mag ich eigentlich, aber den Song kannte ich bis eben noch nicht. Die Idee ist löblich, stößt aber wahrscheinlich nur auf Zustimmung bei den Leuten, die eh schon gegen die AfD plädieren. Alle anderen fühlen sich wiederum abgestempelt und für bescheuert erklärt.
Mir gefällt die Richtung auch nicht, die die Gegenseite einnimmt. Wie schon mal gesagt, bekomme ich das in meinem Umfeld extrem mit. Ganz normale Menschen aus allen Lagern, die normalerweise keine rechtspopulistische Partei wählen würden, fühlen sich von der Politik und den Medien übergangen oder diffamiert. Viele AfD-Wähler sind nicht rechtsradikal, rassistisch, zurückgeblieben, arbeitslos und unterbelichtet. So jedenfalls empfinden die Leute, mit denen ich mich unterhalte, ihre Darstellung als AfD-Wähler in den Medien. Je extremer diese Kritik wird, desto mehr fühlen sie sich angegriffen und schalten erst recht auf stur.

Rückschrittlich gegen Homosexuelle gerichtet ist die CDU auch. Falsche Versprechungen, Lügen, Wählermanipulation etc. könnte man im Prinzip auch den meisten anderen Parteien vorwerfen. Kritik ist nicht selten zu allgemein formuliert, muss meines Erachtens aber manchmal so gemacht werden, damit es jeder verstehen kann. Diese Narrativen sind das, was die Wählerstimmen fängt, aber sie machen die Argumentationen für mich unseriös und undiplomatisch. Dennoch verstehe ich, warum man das mitunter so machen muss, dass dieser Schuss aber oftmals auch nach hinten losgeht. Wie viele Rechte sind beispielsweise gegen TTIP, ohne überhaupt du wissen, worum es sich dabei handelt, einfach nur deshalb, weil auf die "richtige" Weise dagegen Sturm gemacht wurde? Und die Gegner von der grünen und linken Seite distanzieren sich wiederum von der rechten Seite, trotz mehr oder weniger gleicher Ansicht in dieser Sache. Ich verstehe schon, warum da viele nicht mehr durchblicken und darum finde ich deine Meinung ziemlich gut. Muss ich nochmal zitieren, auch wenn Q das schon getan hat:

> Es klingt falsch, das zu sagen, aber ich wünsche mir einen Rechtsruck der CDU und einen
> Linksruck der SPD, ich will vegane Hippies bei den Grünen und elitäre Golfsnobs bei der FDP,
> wenn es nur dazu führt, dass sich die Lager wieder aus dem Grau in Grau trennen und zwar in
> einem Aumaß, dass auch der RTL-Zuschauer es erkennen kann - denn dann hat er seine
> leichtverdauliche Geschichte mit Helden und Bösewichten, die er selbst wählen kann.
> Ich glaube, DAS wäre die effektivste Methode, der AfD Einhalt zu gebieten.

Finde ich extrem treffend auf den Punkt gebracht. Die Zeiten, als Joschka Fischer mit Turnschuhen im Bundestag für Aufsehen sorgte, sind vorbei. Meine Familie nannte die Grünen, die (damals noch) PDS und die FDP immer Spaßparteien und nahm sie nicht ernst. Ich glaube aber, dass diese Parteien durchaus realpolitische Chancen haben und trotzdem notwendig oppositionell geblieben sind, und ich glaube, dass wir so etwas brauchen. In meiner Umgebung ist es nicht die FDP, sondern die Linke, die mir positiv aufgefallen ist und die sogar unabhängig von Wahlen mit Plakaten wirbt und regelmäßig zu Bürgerbesprechungen einlädt. Ich kann mich erinnern, dass Gregor Gysi mal sinngemäß meinte, die Linke sei dazu da, der Regierung den Spiegel vorzuhalten und ihr ein Bein zu stellen, wenn sie gegen die Bürger agiert. Würde es irgendwann nicht mehr nötig sein, als Opposition Einspruch zu erheben, hätte damit auch die Linke keine Daseinsbereichtigung mehr und könnte sich getrost zurückziehen. Darum geht es meines Erachtens und darum finde ich Meinungen von rechts und links notwendig und fruchtbar, meinetwegen auch von der NPD, weil sie sich klar positioniert und dann eben auch nur von eindeutig Rechten gewählt wird. Die AfD bietet dagegen einen Brei an, der allen schmeckt, und das ist es, was mir sauer aufstößt.

> Ich will nicht in die Politik gehen, in keine Partei eintreten. Aber mittlerweile frage ich mich
> schon, ob ich es überhaupt noch mit meinem Gewissen vereinbaren kann, es NICHT zu tun
> und einfach nur zuzusehen.

Ja, mach das bitte, dann muss ich nicht mehr Lara Liqueur wählen. Bietest du mir denn auch die Abschaffung der Sommerzeit bei gleichzeitiger Beibehaltung der Winterzeit? Wissenschaftlichen Berechnungen zufolge habe ich dann jedes Jahr eine Stunde mehr.
Die Dinge, die wir zum Leben zwangen, schlagen zurück. Haben wir sie überreden können, Wirkung auszuüben, dann können wir sie nicht überreden, auf uns selbst keinen Einfluss zu haben.

Mangaverkauf etc.


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