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Kirchengang

Autor:  hekari


Nach wochenlanger Schmollpause, weil ich sauer auf mein Leben bin, mal wieder was Neues.

Heute ist der Erster Advent. Das ist für mich ein besonderer Tag. Denn, ja, ich bin kirchlich. Ich glaube an Gott und an seinen eingeborenen Sohn, Das tue ich aus ganzen Herzen. Der erste Advent symbolisiert für mich den Beginn einer Zeit der Hofffnung, der Anfang des Kirchenjahres, der Start einer schönen, besinnlichen Periode.

Ich wurde christlich erzogen. Mit Taufe als kleiner Wurm, mit Christenlehre, mit Vorkofirmanden- und Konfirmandenunterricht. Mit Kirchgängen und kirchlichen Aktivitäten und Freizeiten.

Als meine Mutter vor zwölf Jahren die Gaststätte in einem kleinem Dorf kaufte(damals 350 Kühe, 200 Einwohner), gab es in diesem Kirchenleben einen Knick. Dieses Dorf ist Rot. Politisch, versteht sich. So Rot, dass man sich schon unwohl fühlt, wenn man einen grauen Pullover anzieht. Diese Gesinnung hat zur Folge, dass die kleine 400 Jahre alte Kirche an Sonntagen so gut wie leer bleibt.

Wir haben als kleines Dorf mit sechs aktiven Christen kein Anrecht auf einen eigenen Pfarrer, uns wird einer geliehen. Dieses traurige Bild ergibt, dass wir ein recht hohen Verschleiß an Seelsorgern haben, denn länger als ein Jahr blieb keiner. Unsere letzte Pastorin hat leider im August abgedankt, gerade als sie einen guten Kontakt zur Gemeinde aufgebaut hatte.

Seitdem ist Ebbe mit Nahrung für Gotteskinder am Sonntag. Einen kleinen Erntedank-Sonntag gab es, den der neueingesetzte Superintendant abhielt. Das hat mir gefallen, doch hat dieser Mann nicht annähernd genug Zeit, sonntags auf ein kleine Dorfklitschchen zu karren, um vier bis sechs hungernde Christen zu nähren.

Unser Kirchenrat ist jedoch verbissen, und nervt solange in der Stadt, bis wir wenigstens einen Laienprediger bekommen, der uns am Adventssonntag mit Gottes Wort versorgen kann.

Nun, wie läuft so ein Gottesdienst auf dem kleinen roten Dorf(inzwischen 400 Einwohner, 20 Kühe)ab.



Natürlich gibt es da eine Art Schablone.

Diese Kirchgänge laufen sehr liturgisch durch. Ich mag Liturgie nicht, zumindest nicht die Form, wo über die Hälfte des Zusammenkommens damit erfüllt ist, Floskeln und Sprüche runterzuleiern. Das hat mit Glaube nichts zu tun. Aus diesem Grund wird auch der traditionelle Gottesdienst vielerorts schon aufgelockert, die Litanei wird auf Glaubensbekenntnis und Vater Unser zurückgeschraubt, da die anderen Sprüche eh kaum noch einer aus dem Kopf kennt.

Wenn schon liturgische Elemente, dann aber bitte die klassische gesungene Variante, ich liebe ein gesungenes Kyrie Eleison und verehre Pfarrer die den altchristliche Segen singen können mit so gutturalen Stimmen, dass man meint, man ist im Mönchskloster. Doch die wenigsten heute können und tun das noch, können sie es nicht, bin ich natürlich dankbar, dass sie es nicht tun.



Da bei uns jedoch vier von sechs Kirchgängern um die achtzig Jahre alt sind, werden vor allem diese bedient und Menschen diesem Alters mögen alte Muster und gewohnte Abläufe.

Zur ewigen Litanei und den mehr schlechten als rechten Gesängen, ständigen Fehltönen der Organisten, wenn sie überhaupt da ist, kommt hinzu, dass diese Kirche eiskalt ist, ob Sommer ob Winter, geheizt oder nicht ich frier mir dort den A... ab. Ehrlich! Sonst frier ich kaum.

Das, was bei uns dazugehört, ist Frau B.

Sie kommt immer, und sie kommt immer zu spät. Die Glocken läuten und der Prediger leitet den Gottesdienst ein, die Tür öffnet sich und Frau B. kommt rein und setzt sich umständlichst in die erste Bank. Das ist Ritual. Jeder weiß, Frau B. kommt zu spät. Immer!

Heute, war es cool. Stunk in der Familie und Regen führten, dazu dass wir für den fünf Minuten Fußweg das Auto nahmen. Frau B. ist unsere Nachbarin und zwangsweise begegnet man ihr in der Sundgasse. Wir sind eine höflich Familie und nahmen sie selbstverständlich mit. Als wir im Kirchenvorraum saßen(zu kalt für das Kirchenschiff), die Gesangsbücher verteilt waren, kam A. rein, die immer alles mit vorbereitet und den Schalter für die Glocken betätigt. Verwirrt schaute sie auf ihre Uhr und setzte sich. Auch H. schaute als erstes perplex auf ihren Chronometer, so wie sie Frau B. in der ersten Reihe erblickte.

A. sprang darauf hin immer noch total zerstreut auf, sie musste ja noch die Glocken zu läuten. Um zwei Minuten vor neun, saßen dann alle erwartungsvoll in den Bänken. Aufgrund der eintretenden Stille, fragte die Organisten ganz verdattert: „Wie spät ist es denn nun wirklich.“

Doch ihre Uhr ging richtig. So ist das, wenn zwanzig Jahre lang, jemand immer zu spät kommt. Die frühe Anwesenheit bringt das ganze Kirchenhaus durcheinander.

Ich erinnere mich, einmal war sie noch pünktlich, da hatte ihr aber niemand gesagt, dass der Gottesdienst eine halbe Stunde später stattfindet.



Der Prediger heute war gut. Er gab sich Mühe, war gut gelaunt, auch wenn er beim zweiten Lied, fast aus der Bank fiel, als Frau B. erklang, oder vielleicht gerade deshalb.

Er benutzte einen Liedtext von Karat um seine Predigt zu unterstreichen und das Befolgen von Richtlinien verbildlichte er mit fünzig fahren in der Ortschaft und dem Licht, das man findet, wenn man sich nicht dran hält, beim Christen natürlich andersrum.

War niedlich.







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