Prequels, Fortsetzungen, Adaptionen... Kreativität ist was für Loser!
Wenn man sich so die Filme der letzten Jahre ansieht, kann man ziemlich deutlich einen Trend erkennen, nach dem originelle Filme, die nicht in etwas anderem wurzeln, immer weniger werden. Spontan könnte ich einige Adaptionen der letzten zwei Jahre nennen, aber nur wenige originelle Werke.
Dabei habe ich aber bisher immer eins übersehen: Disney ist der Großmeister der Adaption, und das von Anfang an! Noch vor dem ersten spielfilmlangen Zeichentrickfilm Disneys gab es Cartoon-Adaptionen mit Micky von "Alice hinter den Spiegeln" und "Robin Hood", sogar einer von den ersten Disney-Cartoons überhaupt ist eine Adaption, nämlich von "Rotkäppchen".
Sehen wir uns mal die Filme an, die heute als "Meisterwerke" verkauft werden.
Jahr | Meisterwerk | Adaption von... |
---|---|---|
1937 | Schneewittchen | "Kinder- und Hausmärchen", Brüder Grimm |
1940 | Pinocchio | "Die wundersamen Abenteuer Pinocchios", Carlo Collodi |
1940 | Fantasia | weitgehend originell u.a. "Der Zauberlehrling", Johann Wolfgang von Goethe |
1941 | Dumbo | "Dumbo, the Flying Elephant", Helen Aberson & Harold Pearl |
1942 | Bambi | "Bambi. Eine Lebensgeschichte aus dem Walde", Felix Salten |
1943 | Saludos Amigos | weitgehend originell |
1944 | Drei Caballeros | weitgehend originell Fortsetzung von "Saludos Amigos" u.a. biblische Weihnachtsgeschichte |
1946 | Make Mine Music | weitgehend originell Segmentefilm wie u.a. "Saludos Amigos" "Peter und der Wolf", Sergei Prokofjew |
1947 | Fröhlich, frei, Spaß dabei | Semgmentfilm wie u.a. "Saludos Amigos" Bongo, Sinclair Lewis Hans und die Bohnenranke, Benjamin Tabart |
1948 | Musik, Tanz und Rhythmus | weitgehend originell Johnny Appleseed = John Chapman Little Toot, Hardie Gramatky Trees, Joyce Kilmer Fortsetzung zu "Drei Caballeros" Pecos Bill, Edward O'Reilly |
1949 | Die Abenteuer von Ichabod und Taddäus Kröte | Der Wind in den Weiden, Kenneth Grahame Die Sage von der schläfrigen Schlucht, Washington Irving |
1950 | Cinderella | Märchen nach Gebrüder Grimm |
1951 | Alice im Wunderland | Alice im Wunderland, Lewis Carroll |
1953 | Peter Pan | Peter Pan, James M. Barrie |
1955 | Susi und Strolch | weitgehend originell u.a. Dan, the Whistling Dog, Ward Greene |
1959 | Dornröschen | La Belle au Bois dormant, Charles Perrault |
1961 | 101 Dalmatiner | Hundertundein Dalmatiner, Dodie Smith |
1963 | Die Hexe und der Zauberer | Der König auf Camelot, Terence Hanbury White |
1967 | Das Dschungelbuch | Dschungelbuch, Rudyard Kipling |
1970 | Aristocats | originell |
1973 | Robin Hood | Robin Hood |
1977 | Die vielen Abenteuer von Winnie Pooh | Winnie Puuh, Alan Alexander Milne |
1977 | Bernhard und Bianca, die Mäusepolizei | Bianca und ihre Freunde, Margery Sharp |
1981 | Cap und Capper | Fuchsspur-Geschichte einer Feindschaft, Daniel P. Mannix |
1985 | Taran und der Zauberkessel | Chroniken von Prydain, Lloyd Alexander |
1986 | Basil, der große Mäusedetektiv | Basil der Mäusedetektiv. Die verschwundenen Zwillinge, Eve Titus |
1988 | Oliver & Co. | Oliver Twist, Charles Dickens |
1989 | Arielle, die Meerjungfrau | Die kleine Meerjungfrau, Hans Christian Andersen |
1990 | Bernhard und Bianca im Känguruhland | weitgehend originell Figuren von Margery Sharp Fortsetzung von "Bernhard und Bianca, die große Mäusepolizei" |
1991 | Die Schöne und das Biest | La belle et la bête, Gabrielle-Suzanne de Villeneuve |
1992 | Aladdin | Märchen aus 1001 Nacht |
1994 | Der König der Löwen | Hamlet, William Shakespeare |
1995 | Pocahontas | Pocahontas |
1996 | Der Glückner von Notre Dame | Notre-Dame de Paris, Victor Hugo |
1997 | Hercules | Herakles/Herkules der griechischen Mythologie |
1998 | Mulan | Hua Mulan = chines. Volksgedicht |
1999 | Tarzan | Tarzan of the Apes, Edgar Rice Burroughs |
1999 | Fantasia 2000 | weitgehend originell Fortsetzung von "Fantasia" u.a. Der standhafte Zinnsoldat, Hans Christian Andersen "Der Zauberlehrling", Johann Wolfgang von Goethe Motive aus der Bibel, genauer Genesis |
2000 | Dinosaurier | originell |
2000 | Ein Königreich für ein Lama | originell |
2001 | Atlantis, das Geheimnis um die verlorene Stadt | originell |
2002 | Lilo & Stitch | originell |
2002 | Der Schatzplanet | Die Schatzinsel, Robert Louis Stevenson |
2003 | Bärenbrüder | originell |
2004 | Die Kühe sind los | Der Rattenfänger von Hameln |
2005 | Himmel und Huhn | The Sky Is Falling (Fabel) |
2007 | Triff die Robinsons | A day with Wilbur Robinson, William Joyce |
2008 | Bolt, ein Hund für alle Fälle | Last Action Hero |
2009 | Küss den Frosch | Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich, Gebrüder Grimm |
2010 | Rapunzel, neu verföhnt | Rapunzel, Brüder Grimm |
2011 | Winnie Puuh | Winnie Puuh, Alan Alexander Milne |
Falls ich mich nicht verzählte oder zwischendurch irrte, gibt es von bisher 51 Meisterwerken nur 15 originelle Werke. Interessant ist dabei, dass etwa seit dem Millenium eine Reihe origineller Werke entstand, die jedoch bald darauf wieder zu Adaptionen wurden.
Was lernen wir daraus? Sind Adaptionen nun so unkreativ wie abpausen oder helfen Vorlagen einem dabei, etwas völlig Neues zu erschaffen? Werden so Lesetipps gegeben? Ist Disney hier Vorbild oder Mahnung für die Entwicklung einer eigenen Geschichte?
Also, man unterscheidet zwischen Adaption und Aneignung. Adaption zieht sich durch die gesamte Literatur- und Kunstgeschichte, der Anspruch der Originalität hat sich in Deutschland erst mit dem Geniegedanken entwickelt, der mit Goethe aufkam. Vorher gab es nichts, was nicht irgendwann irgendwo schon mal dagewesen wäre, und das war auch nicht und niemals verwerflich. Sämtliche Geschichten waren vorher mal mündlich tradierte Legenden. Warum es trotzdem Kunst gab und als solche gilt? Weil mit jeder Adaption kleine Veränderungen einflossen.
Man kann einen literarischen Stoff durchaus unter den Gesichtspunkten der Evolution betrachten: Ist der Stoff stark und durchsetzungsfähig, gibt es ihn auch noch in hundert Jahren, er stirbt nicht aus. Was nicht heißt, dass der Stoff noch in seiner Urform lebt - es läuft ja auch kein 500.000 Jahre alter Dinosaurier mehr rum. Aber Schildkröten und Krokodile. Die Gene haben überlebt. Und so überlebt der Stoff. Beispiel: Shakespeares "Romeo und Julia". Lasst euch nicht hinreißen zu glauben, der Stoff sein von Shakespeare. Den hat er geklaut von jemandem, der ihn in Italien geklaut hat, von einem Gedicht, das geklaut ist. Und "geklaut" ist in keiner Weise wertend gemeint. Und heute? Wer von euch kann behaupten, Shakespeares "Original" gelesen zu haben - und zwar auf englisch, Herrschaften, Übersetzungen sind Adaptionen! Aber vielleicht habt ihr den Film mit Leo und Claire Danes gesehen? Oder "West Side Story"? Und so überlebt die tragische Geschichte von zwei Liebenden aus verfeindeten Gruppierungen.
Ein Stoff überlebt, wenn er a) vielen Menschen bekannt ist, b) in vielen Medien (i.e. Film, Theater, Roman, Gedicht, ...) und b) in verschiedenen Kulturen und Zeiten adaptiert wird. "Romeo und Julia" ist immer noch ansprechend, aber das mit den verfeindeten Familien nicht mehr zeitgemäß. Die Story mit den verschiedenen Gangs ist aber in unserer heutigen Zeit und Kultur nachvollziehbarer.
Bekommt ein Stoff von einem Künstler neue Aspekte, die sich im kollektiven Gedächtnis festsetzen und ihrerseits adaptierbar sind, wird aus der Adaption eine Aneignung. Nehmen wir, hust, zum Beispiel, husthust, Goethes "Faust". Musterbeispiel einer Adaption, denn die Figur wurde nicht nur in Büchern, Legenden, Theaterstücken und Puppenspielen behandelt, sondern hat sogar eine reale Vorlage mit dem gleichen Namen. Aber Goethes Stück ist das populärste, denn seine Geschichte brachte Szenen und Aspekte, die vorher noch nie da waren, die die Zuschauer berührten und mit denen sie sich identifizieren konnten. Die Gretchentragödie basiert auf dem Dilemma des Kindsmords, ein zu Goethes Lebzeiten absolut aktuelles Problem (Unverheiratete Frau bekommt Kind von einem Mann, der ihr das Blaue vom Himmel gelogen hat. Der Mann ist auf und davon oder leugnet alles, und die Frau, die die Beine nicht zusammenhalten konnte, wird geächtet, ebenso der Bastard. Was tun? Beweise vernichten!). Damit konnten sich die Zuschauer identifizieren. Nach der Aufklärung hingegen war ein bösartiger Teufel, der den Menschen in die Hölle führt, weil dieser es wagt, lernen zu wollen, nicht mehr zeitgemäß, und so ist Mephistopheles bei Goethe ein "Teil des Ganzen", ironisch und zynisch, und Faust fährt auch nicht in die Hölle, weil Streben als etwas Gutes gilt - ebenfalls neu. Deswegen ist Goethes "Faust" eine Aneignung, so stark, dass sie selbst adaptiert wird. Heute hingegen ist Kindsmord kein Dilemma mehr, und so wird dieses Thema in den Hintergrund gerückt bei heutigen Adaptionen...
Und so weiter. Zu Disney.
Disney hatte soooooo viel Neues zu bieten in Stil, Farbe, Musik und nicht zu vergessen Animation, dass er es mal voll nicht nötig hatte, auch noch eine originelle Geschichte zu erfinden. Im Gegenteil verließ er sich lieber auf Geschichten, die sich seit Jahren bewährt haben. Das tat er übrigens auch oft bei der Musik. Tschaikowsky kenn ich vor allem durch Disney. Das ist allerdings nichts Schlechtes, auch im Gegenteil: Dadurch lerne ich andere Künstler und Geschichten kennen, das bildet mich und gibt mir Gelegenheit, mich anderweitig weiterzubilden. Gleichzeitig bietet mir Disney eine originelle Interpretation eines Stoffes, den ich möglicherweise schon kenne. Rapunzel kenn ich schon, aber Maximus kannte ich noch nicht. Und das der Prinz kein Prinz ist, liegt mir auch näher in einer Zeit, in der die Hoheiten andauernd bürgerlich heiraten.
Deswegen bin ich auch absolut nicht enttäuscht, wenn mir "Batman"-Verfilmungen keinen Joker bringen, der nicht so aussieht wie in den Comics, die ich gelesen habe. Bringen sie hingegen eine Catwoman, die nicht mal entfernt an eine Katze erinnert, darf sie sich meiner Meinung nach auch nicht Catwoman schimpfen. Eine Gratwanderung...
Ein kleiner Schreibkurs
Was will man machen?
So schlimm find ichs eigentlich nicht :) Ich bin froh, dass es Disney und Ghibli gibt,
auch wenn sie sich ihre Grundidee borgen...
„Be the change you want to see in the world.“
> Naja, Atlantis ist jetzt auch nicht wirklich Original. ich wusste es nicht, bis ich es Side by side gesehen hab, aber es ist letzten Endes nahezu komplett ein Abklatsch des Star Gate films. Ob jetzt offen adaptiert oder nicht ^^"
Oder die Macher haben sich von Secret of Blue Water inspirieren lassen ;)
Daß Disney gerne von Originalen zurückgriff ist mir schon aufgefallen. Ob nun gut oder schlecht ist jeden selbst überlassen;)und nicht jede Disney Verfilmung kommt auch gut an. Soweit ich weiß ist Taran und der Zauberkessel eher unbeliebt, weswegen hab ich nicht mehr richtig im Kopf; Entweder wurde vieles weggeschnitten weil es Katzenberg(?) nicht in sein Konzept passte, oder weil es zu gruselig war.
Kennt jemand die Hintergründe genauer?
Interessanterweise gab es im der Mickey Maus eine Art interaktives Comic Rollenspiel, wo man mehr oder weniger (eher weniger^^) den Film nachspielen konnte.
Mögt ihr (un)konventionelle Pics und hab keine Angst vor Augenkrebs^^?
Dann schaut mal hier rein:D
http://animexx.onlinewelten.com/fanart/zeichner/388739/
> Oder die Macher haben sich von Secret of Blue Water inspirieren lassen ;)
Nope, eindeutig Star Gate. Du kannst die Filme mehr oder weniger parallel laufen lassen. Die haben ganze Szenen eiskalt abgezeichnet!
> Daß Disney gerne von Originalen zurückgriff ist mir schon aufgefallen. Ob nun gut oder schlecht ist jeden selbst überlassen;)und nicht jede Disney Verfilmung kommt auch gut an. Soweit ich weiß ist Taran und der Zauberkessel eher unbeliebt, weswegen hab ich nicht mehr richtig im Kopf; Entweder wurde vieles weggeschnitten weil es Katzenberg(?) nicht in sein Konzept passte, oder weil es zu gruselig war.
>
> Kennt jemand die Hintergründe genauer?
Ja, Katzenberg hat bei den Film 3 Minuten aus mir unbekannten Gründen (oder auch weil er damals selbst noch diese "Kinder sind empfindlich" Meinung vertrat, der er mittlerweile ja entschlossen gegenübersteht) rausgenommen und Rob Miller, der Produzent war, hat auch noch lustig Executive Meddling gespielt. Der Film hatte da ein wenig Pech gehabt gesamt. Wobei ich nicht weiß, ob es genau deshalb so unbeliebt war.
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