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Der Glasgarten

von

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Namenlos in einer Welt ohne Gesichter

~ Namenlos in einer Welt ohne Gesichter ~
 


 

Ayas Blick kehrte zurück zu Schuldig, zur Quelle seiner Trauer. Die Emotionslosigkeit von vorher war ersetzt durch tiefe, stumme Traurigkeit. Durch Verzweiflung, wie sie stiller nicht hätte sein können.

„Wie kommst du darauf?“, fragte er, die Stimme rau und uneben. Er hatte so lange geschwiegen, so lange nichts gesagt, dass es schwer war, diese Worte hervor zu bringen und sie in einen Kontext zu setzen. Wieso sollte er Schuldig nicht mehr wollen? War es denn nicht genau anders herum? Waren es nicht die Verletztheit und Trauer in den Zügen des Deutschen gewesen, die ihm deutlich gemacht hatten, was er für einen Fehler begangen hatte?
 

Schuldig suchte Halt an der Ablage. Sieh mich nicht so traurig an, sagte er innerlich zu Ran und wie gerne hätte er jetzt den Geist des anderen besucht. Aber so musste er sprechen, musste er Worte artikulieren.

Heute fiel es ihm am Schwersten.

"Weil du dich ... abgewendet hast. Du ... du...", er atmete tief ein und zog dabei die Brauen konzentriert zusammen.

"...du bist zurückgewichen ... vor mir."
 

Aya schüttelte den Kopf. „War das verwunderlich? Du warst abgestoßen davon, dass ich ihn gefragt habe. Dass ich es weiß. Was soll ich dazu sagen? Ich habe kein Patentrezept, was dir helfen würde…ich wollte nur verstehen. Ich wollte in der Lage sein zu reagieren…doch genau das war nicht richtig. Ich weiß nicht, wie ich sonst damit umgehen soll.“

Er wandte ein weiteres Mal seinen Blick ab. Konnte dem Wissen in seinem Inneren nicht Stand halten.
 

"Ich…", setzte Schuldig an, die Worte überrollten ihn, er wandte sich ebenfalls ab, war überfordert.

"Gott", flüsterte er heiser und Tränen traten ihm in die Augen. Warum heulte er denn jetzt so viel in letzter Zeit?

Er stützte sich mit den Händen am Rand der Ablage auf, legte die Stirn an einen der Hängeschränke.

"Ich war nicht abgestoßen davon. Ich ... hatte vor Augen, dass du es plötzlich wusstest, genauso schnell wie ich hattest du es erfahren, das war im Moment so, als wärst du dabei gewesen. Eben weil ich es auch erst erfahren hatte. Ich hatte gar keine Gelegenheit, es zu verstecken, zu verbergen, vor ... deinen Augen. Ich bin ... mir so ausgeliefert vorgekommen und ich wusste, es würde dich anekeln. Wenn du es nicht gewusst hättest, dann hätte ich es dir verheimlichen können, dich damit nicht belasten müssen. Ich will nicht, dass es dir schlecht geht."
 

Violette Augen maßen die zusammengesunkene Gestalt, hörten auf die Trauer im Inneren des Telepathen und reagierten auf sie. Aya trat einen Schritt näher, schließlich noch einen. Es zog ihn magisch zu diesem Mann…diesem armen Wesen. Vorsichtig umschlang Aya mit seinen Armen Schuldigs Mitte und Bettete seine Stirn auf die ihm abgewandte Schulter. „Was hätte es für einen Sinn gehabt, wenn du es mir verschwiegen hättest? Wenn du alles in dich hineingefressen hättest, ohne eine Möglichkeit, diese Erinnerungen zu teilen? Dieser Mann…ihm galt mein Ekel und meine Wut. Nicht dir. Wie könnte es denn auch überhaupt?“, fragte er leise, in den weichen Stoff des Pullovers nuschelnd.
 

Schuldig durchfuhr es innerlich als er von der Gegenwart des Mannes eingehüllt wurde, sackte ein Stückchen weiter zusammen, wollte sich an ihm festhalten und wandte sich um, umarmte Ran fest, sein heißes Gesicht in dessen Halsbeuge bettend, den Kopf auf der Schulter ablegend.

"Ich war in diesen Erinnerungen so dermaßen gefangen, dass ich für Gefühle kaum Zeit hatte und als ich dein Gesicht gesehen habe, dachte ich, dass das genau die Gefühle sind, die ich eigentlich fühlen müsste, warum tust du es für mich? Warum kann ich es nicht?"

Schweigen schloss sich an die Worte und Schuldig wusste immer noch nicht, warum er den Schmerz in sich nicht fand, den er eigentlich fühlen müsste. Warum wirkte alles so blass…so entfernt von ihm?

"Ich hab dich verletzt nicht?", sagte er nach der kurzen stillen Unterbrechung. "Habe ich dir sehr wehgetan, Ran?"
 

„Nein…hast du nicht“, erwiderte Aya, sagte damit nur die Halbwahrheit. Doch das hatte sie im Moment nicht zu stören, keinen von ihnen. Es würde wieder gut werden. Dieser kleine Hoffnungsschimmer hatte sich in seinen Gedanken festgesetzt. Vielleicht. Ja, vielleicht würde es das.

„Du hast mir nicht wehgetan…das kannst du gar nicht.“ Er küsste den zitternden Schopf. „Du hast dir selbst wehgetan, Schuldig. Weine um das, was geschehen ist. Es wird dir gut tun. Es wird den Kloß lösen, der in deiner Brust sitzt. Versprochen. Versprochen, Schuldig.

Du darfst es nicht in dir aufstauen und es zu groß werden lassen. Ich bin da…und fange dich auf, hörst du?“ Seine Arme bargen den größeren Mann wie ein kleines Kind, drückten ihn fest an sich. Seine Augen jedoch ruhten in weiter Ferne, ruhten auf der imaginären Gestalt Kitamuras.
 

Du hast nicht gewonnen. Du hast ihn nicht gebrochen. Er ist nicht dein…er gehört mir, richtete er stumm an das tote Monster. Ich werde deine Erinnerungen aus ihm tilgen, darauf kannst du dich verlassen.
 

Ein Nicken antwortete Ran und Schuldig schloss die Augen für eine kleine Weile. Es war noch alles zu ungeordnet, als dass er diesen Kloß vollends lösen konnte, denn er brauchte dazu mehr Zeit.

Aber er weinte um die Geborgenheit, die ihn wie eine Welle überschwemmte und ihm den Atem raubte. Sein Inneres lag in diesen Stunden bloß und schutzlos und war empfänglich für Schmerz aber auch für Liebkosung, Zuneigung. Er hatte seinen Schutz eingebüßt und er wusste nicht wo er hin war. Warum konnte er diese Tränen nicht verbannen? Warum fehlte die Wut, wo war sie hin?
 

Doch Aya wusste es nur zu genau. Schuldigs Schwäche glich er durch seine eigene Stärke aus. Er war Schuldigs menschlicher Schutzschild. Er nahm den Schmerz in sich auf und schenkte Wärme und die nötige Zuneigung so wie sie hier standen. Eng umeinander geschlungen, sich näher als je zuvor. Er lauschte auf die Tränen Schuldigs, auf die Trauer, die der andere Mann abstrahlte. Lange Zeit tat er nichts anderes als sie beide hin und her wiegen und nichts sagen. Nein…hier bedurfte es keiner Worte.
 

Und doch wusste er, dass sie nicht ewig hier bleiben konnten. Es gab bessere Orte um sich schließlich zu entspannen. „Komm mit“, flüsterte er schließlich leise. „Wir setzen uns in die Kissenecke.“
 

Schuldig nickte wieder in die Halsbeuge hinein, stupste mit der Nase dagegen und hauchte ins Ohr, das ihm in den Weg kam, als er den Kopf hob.

"Ja"

Der Weg erschien Schuldig eine Meile lang, aber schlussendlich ließen sie sich in die Kissen sinken.
 

„Ich bin gleich wieder da, ich hole nur eben den Tee“, lächelte Aya sanft und strebte zurück in die Küche. Er suchte im Süßigkeitenschrank noch nach Keksen und anderen, nervenberuhigenden Dingen und legte sie mit auf das Tablett um dann zu Schuldig zurück zu kehren. Er griff sich eine Decke für sie beide und ließ sich neben dem Telepathen auf den weichen Teppich nieder.

Aya sank in die bequemen Kissen und schmiegte sich an sein Gegenüber, strich ihm währenddessen zärtlich über den Oberarm, als ein wohlbekanntes Geräusch die Stille durchbrach. Ein Handy klingelte. Nein…SEIN Handy klingelte.
 

o~
 

"Ran?" fragte Omi deutlich besorgt als die Verbindung stand. Sie waren schon längst überfällig und nun hatte er sich doch durchgerungen und hatte angerufen. Sichtlich froh drum, dass immerhin abgenommen wurde, also konnte es nicht zu schlimm sein. Aber wenn Aya schon einen Termin sausen ließ, steckte mit Sicherheit mehr dahinter. Nervös lief Omi in der Küche auf und ab.
 

„Omi…gut dass du anrufst“, seufzte Aya und wusste mit einem Male, was ihm die ganze Zeit im Hinterkopf herumgeschwirrt war. Er hatte es in Anbetracht der Umstände völlig vergessen, dass sie heute zum Kaffee verabredet waren. Bei Weiß. Himmel, wie erklärte er Omi das, ohne dass der Junge enttäuscht wäre? Ohne dass er sich zurückgesetzt fühlte?

Er ging zur Kissenecke zurück, ließ sich neben Schuldig nieder und sah diesen um Hilfe bittend an. „Omi…es tut mir leid. Ich hatte den Termin vergessen“, rückte er schließlich mit der Wahrheit heraus.
 

"Oh. Vergessen", murmelte Omi, allerdings auch erleichtert, zeigte Yohji und Ken im Hintergrund, dass alles in Ordnung war.

"Soso Vergessen, also...", hörte man das dreiste Grinsen aus Omis Worten heraus. Er konnte sich schon vorstellen wie das geschehen konnte, klang Aya am Telefon doch sehr relaxt. Und wenn er an das letzte Gespräch dachte ...

Auch wenn es Omi nicht passte, dass Aya jetzt nicht hier war, war er nicht allzu enttäuscht darüber, denn seine Fantasie hatte sich ausgemalt, dass Aya sicher den Termin ‚vergessen’ hatte, weil er sich mit Schuldig durch die Betten gejagt hatte.

"Es sei dir verziehen, Aya. Aber nur wenn ich Einzelheiten zu hören bekomme!", forderte er, grinsend. Die Sorge war von ihm abgefallen und jetzt war ihm schon leichter. Was sollte er schon groß gegen Schuldig wettern, es half nichts, scheinbar bahnte sich zwischen Schuldig und Aya etwas Ernstes an...
 

Aya glaubte nicht richtig zu hören. Einzelheiten? Details? Ja was glaubte der Junge denn, was sie gemacht hatten? Die ganze Nacht…

Da plötzlich ging es ihm auf. Genau DAS dachte Omi und unterstellte ihm, er hätte sie darüber vergessen. Wenn es doch nur so einfach wäre…

Aya sah hoch, als Schuldig ihn sanft an sich zog und ihn anlächelte. Mit einer Hand zu seinen Haarspitzen griff und mit ihnen spielte. Aya erwiderte diese Sanftheit mit einem Streichen über Schuldigs Wange.

„Denkst du nicht, dass das für dein armes, unschuldiges Wesen nicht noch etwas zu verdorben ist?“, entschloss er sich, dem Jungen zu kontern, anstelle ihm eine gehörige Standpauke zu halten.
 

Stille breitete sich in der Leitung aus ... ebenso ein breites Grinsen auf Omis Gesicht.

"Nein", sagte er prompt. "Ich bin mir sicher, dass ich noch viel zu wenig weiß für mein armes unschuldiges Wesen."

Omis Augen glitzerten frech und er freute sich, so mit Aya sprechen zu können.
 

Aya wiederum freute das weniger. Youji übte, seitdem er nicht mehr da war um die beiden zu kontrollieren, einen durchaus schlechten Einfluss auf ihren Jüngsten aus. Das ging einfach nicht an. Er lehnte an Schuldigs Schulter und seufzte unhörbar für Omi. Wenn er die Gelegenheit dazu hatte, würde er ihm schon den Kopf zurechtrücken, soviel konnte er sagen.

„Ja…deswegen nimmst du dir jetzt erst einmal dein Biologiebuch und schlägst nach, was es mit den Bienchen und den Blümchen auf sich hat.“
 

Ein Satz den Schuldig lachen ließ. "Genau. Sag ihm, ich zeig ihm, wie man Bienchen fängt", lachte er verhalten. Es tat gut über solch harmloses Zeug zu reden und zu lachen. Er wusste wie man Bienen fängt, holte sich seine Biene regelmäßig wieder an sich. Seine Hand strich sanft über Rans Rücken.
 

"Die Story kenn ich schon", sagte Omi und hörte die Worte von Schuldig. Also hatte er wirklich Recht gehabt, die beiden lagen ja noch immer zusammen, so nah wie sich Schuldig anhörte.
 

Da hörte sich doch alles auf! Jetzt fiel ihm auch noch Schuldig in den Rücken. Violette Iriden trafen auf ihre grünen Gegenspieler, als Aya Schuldig leicht in die Seite knuffte und ihm einen gespielt bösen Blick zuwarf.

„Soso…die kennst du schon. Wie wäre es dann mit der Geschichte von Rapunzel und der bösen Hexe?“, fragte er und lächelte dunkel.
 

"Die ...hört sich nicht günstig an", sagte Omi gedehnt und seufzte gequält auf.
 

Und Schuldig zog die Brauen in die Höhe. "Die finde ich auch nicht so gut ... Blumenkind", fiel ihm wieder Rans Spitzname ein, den er ihm gegeben hatte.
 

„In Ordnung ihr beiden“, schloss Aya das leidige Thema und beschloss, sich nicht über die Kommentare dieser beiden Quälgeister zu ärgern. „Das Blumenkind wird dann die Verantwortung an das Bienchen weitergeben“, lächelte er und drückte Schuldig das Handy in die Hand, wollte mal sehen, was er aus den Fragen machte. Und wie Omi auf die Antworten reagierte.
 

Und erschreckte diesen nun doch mit seiner Handlungsweise. „Ran…?“, hakte er vorsichtig nach, nicht wirklich glauben wollend, dass dieser ihn an Schuldig weitergereicht hatte.
 

Zweifelnd stierte Schuldig das kleine Kommunikationsgerät an, als würde es ihn jeden Moment angreifen wollen.

"Nein, der andere Rote", sagte Schuldig unsicher. War das jetzt eine Unterrichtsstunde in verbaler Kommunikation?, fragte er sich insgeheim, absolut unsicher in dieser Situation.

"Ich glaube den haben wir in die Flucht geschlagen", murmelte er verdrossen und blickte mit schuldbewusster Miene zu Aya.
 

Der ihm charmant ins Gesicht lächelte und sich einen der Kekse nahm. Voller Genuss hinein biss und sich die Schokoladigkeit dessen auf der Zunge zergehen ließ. Der sich nun genau Omis Reaktion vorstellen konnte, die…
 

…in einem überraschten Laut bestand. Zunächst. Omi konnte es nicht fassen, dass Ran ihn wirklich Schuldig ausgeliefert….ihn an Schuldig weitergereicht hatte. Auch er fühlte sich nicht auf sicherem Boden, wusste nicht, was er mit dem plötzlich gezähmten Telepathen anfangen sollte.

„Ja…das haben wir wohl…das arme Kerlchen“, gab er schließlich ein wenig mutiger als er sich fühlte zurück. „Wie sieht es denn jetzt aus, mit dem Kaffee?“
 

Tja und was sollte Schuldig nun dem Kleinen antworten? Sein Blick verlor sich einen Moment in der Ferne und er ließ sich ein wenig Zeit.

"Ich muss zu einem Termin, Kleiner, wie wäre es in vier Tagen? Mit Sicherheit kann sich das Blumenkind von mir loseisen und der Sex flaut etwas ab, schließlich braucht man auch eine Pause", grinste er leicht, dabei die Gedanken des Blondschopfs am anderen Ende der Leitung gelesen.
 

Omis Lächeln am anderen Ende der Leitung war etwas, das Aya zwar nicht sehen, das er sich aber hervorragend vorstellen konnte. Da hatten sich zwei Lustmolche gefunden. Die keine Gelegenheit ausließen, über das Eine und nur das Eine zu reden.

Ein freundliches Zwicken erreichte Schuldigs Oberschenkel…nicht zu leicht, nicht zu fest. Gerade richtig. Eine Warnung, doch nicht nur das.
 

Und wie wünschte sich Aya erst, dass er in Omis Reichweite war, als er dessen Worte, durch den Hörer gedämpft hörte.
 

„Na wenn du dann in vier Tagen noch sitzen kannst und Ran vor lauter Erschöpfung nicht zusammengebrochen ist, steht der Termin“, sagte Omi todernst und erntete einige ungläubige Blicke der übrigen Weiß.

Aya verengte seine Augen. Verdammt. Genau das hatte er verhindern wollen.
 

Schuldig lächelte fahrig. Leg auf, sagte ihm etwas. Aber es hatte nichts mit ihm zu tun was der Kleine hier von sich gab. Bleib realistisch, sagte er sich.

"Nimm den Mund mal lieber nicht zu voll, Kleiner ... wie beim letzten Mal", spielte er auf den Blowjob des Kleinen an, den er letzte Woche noch lebhaft in seinem Kopf herumspuken hatte. "Und wem der Hintern momentan noch weh tut, wissen wir beide doch ganz genau", sagte er ruhig, hatte er in den Gedanken des Weiß durchaus erspäht, was dort herumgeisterte.

Und auch wenn Schuldig momentan etwas derangiert war, so wusste er sich durchaus zu wehren.
 

„Ich denke, dieses Thema…“, sagte Aya energisch, laut genug für beide und nahm das Handy wieder an sich. „…können wir auch beim Kaffee in vier Tagen besprechen, habe ich nicht Recht, Omi?“ Ihm gefiel diese Richtung nicht. Ihm gefiel die minimale Anspannung in den Zügen des Deutschen nicht. Auch wenn er Omi sein loses Mundwerk nicht verdenken konnte, so war das der schlechteste Zeitpunkt um solch ein Thema auszubreiten.
 

„Also Omi, bis in vier Tagen. Ich muss mich noch einmal dafür entschuldigen, dass ich es vergessen habe. Ich verspreche dir, dass es nicht wieder vorkommen wird!“
 

Er wartete noch kurz, bis Omi sich verabschiedet hatte und legte dann auf. Er warf das Handy so weit es ging von sich und wandte sich an Schuldig.
 

Schuldig sah dem Treiben dankbar zu und zog Ran wieder näher an sich. "Gut erzogen", murmelte er und verzog die Lippen skeptisch. Aber er war Ran mehr als dankbar, dass dieses fragende Handy endlich weit weg war.

"Ich wusste schon nicht mehr, was ich sagen sollte."
 

Aya lächelte sanft und sah zu Schuldig, schüttelte leicht seinen Kopf. „Anscheinend nicht gut genug. Das war keine Absicht von ihm. Wirklich nicht…“, versuchte er sich zu entschuldigen, hatte er doch das bestimmte Gefühl, dass er für Omis Worte verantwortlich war. Dass er besser aufpassen hätte müssen. Seine Hand strich über die Züge des Telepathen, reichte ihm schließlich eine der Teeschalen. „Ich hätte sofort eingreifen sollen…es tut mir leid.“
 

Die sanften Striche genießend nahm Schuldig den Tee entgegen nippte daran.

"Ist gut, Ran. Ich habe es ihm ja doch noch heimgezahlt", lächelte er etwas matt. "Der Junge hat Phantasien ... kann ich dir sagen." Er schüttelte den Kopf nahm noch einmal einen Schluck. Stille breitete sich aus.

"Küss mich", sagte er plötzlich in sie hinein, blickte Ran über die Tasse hinweg ernst an.
 

Und Aya tat nach einem winzigen Moment genau das. Er lehnte sich zu Schuldig und hauchte auf dessen Lippen einen winzigen, zärtlichen Kuss, sich nicht sicher, ob er das Richtige tat oder ob er weitergehen sollte. Er wollte Schuldig nicht unwillkürlich an dieses Monster erinnern, das sich ihm aufgezwungen hatte. Das wollte er nicht.

Seine Lippen stupsten ein zweites Mal zu, bedeckten dieses Mal die warme Nasenspitze des Telepathen. Er lächelte.

„Habe ich. Und nun?“
 

Schuldig schnäbelte an den Lippen, lächelte gelöst als er diese Wohltat fühlte, er sich nur an Ran erinnert fühlte.

"Und nun...küss ich dich", sagte Schuldig leise und fing die Lippen ein, knabberte zärtlich an ihnen, strich mit der Zunge darüber, bat um Einlass in die warme Mundhöhle.
 

Aya gewährte ihm diesen Zutritt, kam der neugierigen Zunge von sich aus sogar noch entgegen. Seine Hände umfassten seicht das frisch rasierte Gesicht des anderen Mannes und strichen über die babyglatte Haut. Sie erinnerten Aya daran, was ihm noch bevorstand. Doch das war jetzt nicht wichtig in ihrem zärtlichen Zusammensein.

Denn was war schöner, wenn der Mann an seiner eigenen Seite nach dem Tee schmeckte, in dem man am Liebsten baden würde?
 

Schuldig genoss sichtlich diese Momente, labte sich an diesem süßen Gefühl, welches er nur bei Ran hatte.

"Weißt du ... er hat mich nie geküsst, Ran", sagte er zwischen dem Lecken über die Lippen als er verspielt an den Lippen saugte.

"Nie", sagte er bekräftigend. "Und deine Lippen ... deine Zunge ...", er machte einen genießerischen Laut lächelte wieder.
 

Alle Ruhe, die Aya gerade noch in sich beherbergte, schien anhand dieser so ehrlichen Worte von innen heraus zerbersten zu wollen. Er spiegelte das Lächeln und dennoch war das einzige, was darin zu lesen war, Traurigkeit. Er senkte seinen Blick auf die weichen Kissen. Atmete tief ein. Ein Teil in ihm war erleichtert darüber, dass Schuldig eben dieses erspart geblieben war. Dass er nicht auch noch diese Demütigung hatte hinnehmen müssen. Doch ein anderer wurde erneut in die Worte des Amerikaners gestoßen, in die grausigen Beschreibungen.
 

"Nein", sagte Schuldig bestimmt und streichelte Rans Nacken sanft, kraulte ihn. "Nein. Hörst du. Du wirst jetzt nicht daran denken, weil ich es nicht will. Ich will es nicht, Ran hörst du? Hörst du?"

Er schüttelte den Kopf und wieder krochen Tränen in ihm hoch. Er fühlte sich so wankelmütig, so unstet.
 

Aya sah hoch, sah sich direkt mit dieser personifizierten Trauer konfrontiert. Wie gerne wollte er Schuldigs Bitte…seinem Befehl oder was es auch immer war, nachkommen. Wie gerne wollte er die Worte vergessen, die Crawford ihm offenbart hatte. Wie gerne wollte er in der Lage sein, einfach hinter sich zu lassen, was Schuldig schmerzte. Er wollte Schuldig zeigen, dass auch ein liebesvolles, sanftes Leben möglich war.
 

Und genau hierbei versagte er nun, als er derjenige war, der sein Gegenüber wieder und wieder darauf stieß.

Aya zog Schuldig an sich, schlang seine Arme um die rastlose Gestalt. Er küsste ihn…küsste ihn um die salzigen Kristallperlen zu verbergen, die seine Wangen hinunter flohen. Die er für und anstelle von Schuldig weinte.
 

Schuldig erwiderte den Kuss, doch ein Schluchzen bahnte sich in seiner Kehle an und haltlos unterbrach er den Kuss umarmte Ran harsch, wischte ihm die Tränen weg. Küsste ihn wieder, leidenschaftlich, verzweifelt, als gäbe es keine Rettung.

Doch es hatte keinen Sinn, die Tränen liefen nach. Wie erstarrt blickte er den Mann an, kniff die Augen zusammen, als wäre das alles zuviel für ihn.

"Shh", machte er und umarmte ihn wieder, blieb so liegen und gab seinen Gefühlen nach, ließ die Schluchzer raus, auch wenn er eigentlich Ran trösten wollte, nicht wollte, dass er weinte.
 

Sie waren eins…Aya weinte, Schuldig schluchzte…sie kannten beide kein Halten mehr. Und doch war es für Aya eine ungeheure Erleichterung zu hören, dass Schuldig bereit war, sich den Schmerz einzugestehen. Dass sich eben dieser Schmerz bereits seine Bahnen brach und nicht im Inneren des Telepathen zu einem großen, erstickenden Klumpen wurde.

Ayas Arme umfassten die zitternde Gestalt des Deutschen, zogen ihn näher. Doch er sagte nichts, brachte nicht über die Lippen, auch nur ein Wort zu äußern. Er konnte es nicht…so sehr weinte er um die Geschehnisse. Um die Qualen.

Er wollte Trost spenden, Nähe zeigen. Tat dies auch. Er war bei Schuldig…nichts würde mehr passieren.
 

Eine Zeit lagen sie zusammen und nur hin und wieder ruckelte sich Schuldig bequemer, ließ aber Ran dabei nicht los. Es war Ruhe in ihn gekehrt und er lag entspannt halb auf Ran, den Kopf bequem auf das Kissen gebettet, die Lippen an der Ohrmuschel des anderen Mannes, hauchte er nun eine sanfte Berührung mit ihnen darauf.

"Heey", atmete er aus und legte etwas Stimme hinein. Eine Begrüßung, als würde er Ran auf der Straße treffen und ihn wieder sehen. Doch war das Wort viel zärtlicher, als jede Begrüßungsfloskel es sein konnte.
 

Aya sah langsam hoch, blinzelte leicht. Er versuchte sich an einem schwachen Lächeln, während seine Finger sanft über die bedeckte Brust des Telepathen strichen. „Hey“, erwiderte er zärtlich und atmete tief ein. Vorbei…die Zeit des Weinens war vorbei. Es brachte nichts, wenn er wieder und wieder in Tränen ausbrach. Damit war niemandem geholfen. Schon gar nicht Schuldig.

Seine Augen glitten über Schuldigs Gesicht, nahmen schweigend die sanften Züge in sich auf, so als müsste er sie sich immer und immer wieder einprägen. So als würden sie verschwinden…
 

Sie verschwanden nicht.

Schuldig neigte sich vor, küsste sanft die Wangen, suchte sich einen Weg über die salzigen Areale bis hin zu den trockenen, verweinten Lippen, die rot und salzig waren. Zart fuhr er darüber, zupfte und neckte an der Unterlippe.
 

Ayas Augen schlossen sich. Er raubte sich selbst die Sehkraft, damit er sich auf das konzentrieren konnte, was so wichtig in seinem Leben schien. Ein weiteres Mal öffnete er seine Lippen, ein weiteres Mal erwiderte er den Kuss des anderen Mannes.

Ein weiteres Mal ging er auf dieses seichte, sanfte Spiel ein. In der Hoffnung, dass es besser werden würde…mit jedem Male, an dem sie zusammenfanden.
 

Schuldigs Zungespitze umspielte Rans, tauchte in die warme Feuchte und trieb ihr Spiel weiter. Es war als könne er nicht genug von diesem Geschmack von diesem Gefühl bekommen. Zärtlich zog er an der Unterlippe, knabberte leicht daran. Seine Hände strichen über den Körper in seinen Armen.

"Hast du Hunger?", fragte er an die Lippen, blickte Ran mit etwas Abstand in die rotgeränderten Augen.

"Wir sehen sicher schrecklich aus", grinste er Schuldig zaghaft.
 

„Wie Frankenstein“, erwiderte Aya und schüttelte belustigt seinen Kopf. „Und Dracula in einem…“ Er sah an sich herunter, als könne er so feststellen, wieviel Hunger er hatte. Und tatsächlich. Sein Magen antwortete ihm zuverlässig wie er war mit einem lauten und deutlichen ‚Ja!’.

„Scheint so“, wandte sich Aya nach dieser ausführlichen Konferenz an Schuldig und strich ihm zärtlich über das Schlüsselbein. Lächelnd ließ seine Hand über den Oberarm nach unten gleiten.
 

Schuldig hatte keinen wirklichen Hunger aber er wollte, dass Ran etwas aß und so würde er wohl auch essen. Zumindest konnte er es sich denken, dass Ran nichts essen würde, wenn er selbst keinen Bissen hinunterbrachte.
 

Sich aufsetzend, zog er Ran mit sich und kam schließlich auf die Beine. "Was soll’s denn werden? Willst du kochen?", fragte er, dabei die indirekte sanfte Beleuchtung der Wohnung anmachend.
 

Aya stand für einen Moment da und war sich nicht wirklich schlüssig, ob er nicht zu faul war. Ehrlich zu faul, sich jetzt eine längere Zeit mit der Zubereitung von Essen zu beschäftigen. Doch ein Blick auf Schuldigs Gestalt nahm ihm zumindest den Teil der Entscheidung ab. Der andere Mann hatte ebenso lange wie er nichts mehr gegessen und war vermutlich nicht so versiert darin, seinen Hunger einfach zu ignorieren und Hunger sein zu lassen.
 

„Du hilfst mit!“, bestimmte er sanft, als er zu dem Schluss kam, dass das bei weitem mehr Amüsement bedeuten würde und streunte in die weitläufige Küche.
 

Schuldig war dicht hinter Ran und fing ihn in der Küche ein. "Das hört sich ja fast wie ein Befehl an?!", murmelte er schmollend und halb verdrossen an die weiche Haut im Nacken, pustete sanft darauf.

Langsam konnte er die Bilder sortieren, die in seinem Kopf ungefiltert herumspukten und sie hinunterschlucken. Er fühlte sich leichter, vielleicht auch etwas sicherer. Wie es werden würde, wenn er nach draußen musste konnte er jetzt nicht sagen, oder ob es bei einem Auftrag schlimmer wurde...

Doch daran wollte er jetzt nicht denken.
 

„Hm…vielleicht ist es auch einer“, schnurrte Aya sacht und lehnte sich in die sanfte Inbesitznahme. Seine Hände fanden automatisch zu den Unterarmen des anderen Mannes. „Auch in der modernen Zeit muss der Mann von Welt das Jagen praktizieren um sein Futter zu erlegen. Von nichts kommt nichts.“ Er nickte ernsthaft, bestätigte seine elementar wichtigen Worte. Der Urtrieb…das Jagen und Fangen.
 

"Ahh ‚jagen’ und ‚praktizieren’ und ‚erlegen’ klingt ja alles nicht schlecht", raunte Schuldig und grinste dann. "Meinst du jetzt was zu Essen ... oder mich damit?", neckte er und genoss die sanften Finger, die mit den Härchen auf seinem Unterarm spielten.

Er schnupperte an der verführerischen Haut entlang, den Moment in sich schließend, einen Kuss darauf platzierend.
 

Aya grollte spielerisch und strafte den anderen Mann mit einem leichten Tritt vor das Schienbein. „Natürlich meine ich das Essen“, lachte er leise, strafte seine Worte selbst Lügen. „Als wenn ich dich als meine Beute betrachten würde…nein, nein. So sehr schlage ich nun nicht nach Youji.“

Sein Körper schmiegte sich an Schuldigs und wiegte sie beide sanft. Er schauderte sacht, ließ sich treiben von diesen Lippen.
 

"Wieso mich?", fragte Schuldig samtig an Rans Ohr. "Ich hatte das alles eher auf dich als ... zu jagen ... mit dir zu praktizieren ... und dich zu erlegen ... bezogen", log er glatt und ließ seine Lippen zart über die Ohrmuschel streifen, aber nicht so, dass es womöglich kitzelte.

Es machte ihm unheimliches Vergnügen mit Ran zu reden, auch wenn es anstrengender war, als wenn er telepathischen Kontakt aufnehmen hätte können. Er streichelte sanft den Bauch, der leise grummelnde Proteste von sich gab.
 

Soso…ihn selbst zu jagen? Und zu erlegen? Über Ayas Lippen kroch unerkannt ein kleines, gemeines Lächeln, als er den Entschluss fasste, Schuldig genau diesen Wunsch zu erfüllen. Und das schneller, als es sich der Telepath vielleicht je erträumt hatte.

Geschickt löste er sich aus der Umarmung, wich ein paar Schritte Richtung Ausgang…Richtung weiträumigem Loft zurück. Dieses Spiel hatten sie schon einmal gespielt. Und schon einmal hatten sie es beide genossen.
 

„Der geborene Jäger also?“, lächelte Aya und krümmte in altbekannter Geste seinen Zeigefinger. „Dann offenbare mir deine Jagdkünste…“ Noch ein paar Schritte mehr und er stand mitten in dem Raum. Lächelte und posierte verführerisch.
 

Nicht, quengelte es in Schuldig, als Ran sich von ihm löste und nun so weit weg von ihm war. Sein trauriges Gesicht verlor Schuldig jedoch als er sich ohne ein Wort, ohne ein Signal, dass er auf das Spiel eingehen würde, startete, sich seine Beute erjagen wollte.

Ran war frei, er konnte laufen soweit ihn seine Füße trugen, er war nicht gefesselt und konnte sich ihm entziehen wenn er wollte, ja das war herrlich! Berauschend, für Schuldig im Moment und es machte ihm sichtlich Spaß, lockerte sein Inneres wieder mehr auf, dass sich zusammengezogen hatte, aber langsam und stetig eine Linderung erfuhr.
 

Aya sah das, sah, wie Schuldig ihm hinterher stieg. Aber…

„Immer noch zu langsam! Na komm, etwas mehr Elan, sonst entwischt dir deine Beute noch!“, lachte er und ließ sich in die Couchecke treiben. Dort, wo er noch die größten Chancen hatte, seinem Häscher zu entkommen. Der sich wirklich alle Mühe gab, das musste er ihm lassen. Wirklich.

Und so lockte er ihn verführerischer als je zuvor hinter sich her. Umgarnte seine Beute mit Fäden aus seidiger Verzauberung.
 

Und Schuldig ließ sich mit einem jungenhaften Grinsen locken. Schneller atmend blieb er stehen taxierte Ran, lotete aus wohin er ausweichen würde.

"Und da willst du mir sagen, ich wäre hier die Raubkatze? Von wegen!"
 

Aya lachte. „Bist du doch auch…von mir habe ich es nur nie bestritten…“ Er trat demonstrativ einen Schritt zur Seite. Senkte seine Lider auf Halbmast. Täuschte dann nach links aus und floh an Schuldig vorbei ins Badezimmer, positionierte sich auf der anderen Seite der Badewanne.
 

Schuldig hatte sich täuschen lassen, hetzte nun Ran hinterher und sie kamen erst wieder im Bad in Blickkontakt.

"Bin ich nicht!", behauptete Schuldig grinsend. "Ich habe ja auch keinen verdeckten Namen, der was mit Katzen zu tun hat. Kommt ja nicht von ungefähr!"

Rasch blitzte die Überlegung durch seinen Kopf ob er Ran nicht überraschen sollte und kurzerhand in die Wanne stieg, aber die Unfallgefahr war ihm zu groß. Er hatte nicht vor als Killer in seiner eigenen Badewanne zu Tode zu kommen, nur weil er einen uneleganten Abgang machte und sich so das Genick brach. Also wählte er eine Seite.
 

„Was du nicht sagst!“ Natürlich hatten sie gewisse Eigenschaften übernommen. Den Spieltrieb, die Neugier…noch einige andere Dinge. Doch das würde Schuldig noch früh genug herausfinden. Er trat einen Schritt zur Seite und legte den Kopf schief.

„Allerdings sind Katzen sehr schwer zu fangen…und wenn sie einem doch zulaufen, muss man sie sehr, sehr gut erziehen…sonst kratzen sie. Und dominieren ihre Herrchen…“

Aya löste sich von der Wanne und trat rückwärts aus dem Bad heraus…ganz langsam, aber dennoch bereit, jeden Moment wieder zu flüchten.
 

Schuldig kam langsam um die Wanne herum, fixierte den Blick des anderen, lächelte hintergründig.

"Ich wette um die ‚Blind Night’, dass ich Katzen gut erziehen kann!", grinste Schuldig herausfordernd.

Wenn Ran von seiner ‚Erziehungskunst’ nicht überzeugt war, dann würde Schuldig sich die Augen verbinden lassen, wenn er überzeugt war, dann hatte Schuldig eine Blind Night und noch einen Wunsch offen.

Mit einem plötzlicher Sprint schoss er auf Ran zu.
 

Der, noch ganz in der Überlegung, was Schuldig nun damit meinte, einen Augenblick zu spät reagierte und sich nun in arger Not sah. Der Telepath war schnell! Beinahe zu schnell, wie Aya stolpernd feststellte, als er sich in Hast geradeaus flüchtete und die Stufen zum Bettareal hoch flüchtete, an der letzten jedoch stolperte.

Er stolpert so unelegant, dass er sich nicht mehr fangen konnte und der Länge nach bäuchlings auf die weiche Matratze fiel, alle Viere von sich gestreckt.
 

Das Schicksal war anscheinend eine Frau…so launisch, wie es war.

Reglos blieb er liegen und harrte der Dinge, die da kommen mochten. Verdammt. Ungeschicktes Kätzchen aber auch.
 

Sogleich war Schuldig hinter Ran und nun kniete er über ihm, spielerisch sich über den Schopf beugend zum Ohr. "Na mein Kater, die Flucht schon zu Ende? Und dann auch noch zielsicher auf dem Bett des Herrchens gelandet?" Er berührte Ran nicht, achtete sorgsam darauf nur den Hauch des Atems die Ohrmuschel streifen zu lassen. Nur das Niederdrücken seines Gewichts auf der Matratze zeigte an, dass er über Ran thronte.
 

Schuldigs Haare kitzelten ihn…der Atem des Mannes tat es, als er langsam die Augen öffnete und schauderte. „Zielsicher? Genau…absolut zielsicher“, nuschelte Aya lächelnd und wandte seinen Kopf zur Seite, schielte hoch zu Schuldig. „Anscheinend habe ich in der Jagd kein Glück…oder deine Wohnung ist dir einfach zu wohl gesonnen.“ Genau, das war es. Es war gar nicht seine Schuld…überhaupt nicht seine.

„Und was gedenkt das Herrchen nun zu tun?“, schnurrte er schließlich sacht.
 

"Nimmst du die Wette an?"

Schuldig schnupperte durch Rans Haar, neckte mit der Nase die Ohrmuschel. "Dann bekommst du noch eine Chance zur Flucht, eine einzige. Und wenn die missglückt werde ich sehen, ob ich das freche Katerchen nicht doch wohlerzogen bekomme", grinste er.

Die Gedanken an Kitamura waren verborgen, verschlossen. Sie durften nicht hervor kriechen, aus ihrem mit Ketten umspannten Gefängnis…
 

Also eine weitere Wette…eine Wette um die Blind Night, eine Wette um Erziehung. Wenn er seine Chance nicht nutzen würde. Soso. Aya runzelte leicht seine Stirn. Eine Frage hätte er da doch…eine Unsicherheit vielmehr. Er kannte diese Laszivität in Schuldigs Stimme, die Zweideutigkeit…den Sex, den er daraus hörte. UND er hatte die Spielzeuge in diesem Tisch gesehen. Alle…wie es ihm sein Verstand unnötiger Weise vor Augen führte.

„Und worin wird diese ominöse Erziehung dann wohl bestehen?“, fragte er spielerisch nach, wusste aber, dass er in einem Punkt Gewissheit brauchte. Innerlich freute sich jedoch bereits ein Teil in ihm, dass Schuldig überhaupt noch in der Lage war, mit ihm eine solche Wette einzugehen. Ja, es freute ihn wirklich.
 

Und Schuldig wusste nicht was Ran meinte, er hatte sich zu diesem Spiel noch keine Gedanken gemacht. So unterbrach er den spielerischen Tonfall.

"Was meinst du, Ran?", fragte er sanft nach, ließ sich halb auf den Körper hinab, hüllte ihn zärtlich ein.
 

Es brauchte einen Moment, bis Aya auf diese Frage antworten konnte, auch wenn er nicht wusste, warum. Warum er sich so scheute, diese Worte auszusprechen. War es, weil sie ihn noch immer so beschäftigten? Er drehte sich etwas zur Seite, damit er Schuldig in die Augen sehen konnte. Insgeheim ließ er sich von dessen Wärme beruhigen, von den Erinnerungen ablenken.

„Ich möchte keine Fesseln“, bahnte es sich schließlich leise seinen Weg heraus, verschwand beinahe in der Lautlosigkeit der Worte. „Nichts, dass mich wehrlos macht oder an einen bestimmten Punkt bindet.“
 

"Keine Fesseln, nichts was dich wehrlos macht oder an einen bestimmten Punkt bindet", sagte Schuldig fast schon feierlich, wegen der Wiederholung des Wortlautes. "Aber ein schickes Halsband für meinen Kater, damit er wieder gebracht wird, wenn er verloren geht?", fragte Schuldig bei dieser Gelegenheit gleich einmal nach, lächelte den Blick zärtlich, küsste die nahen Lippen zart und sah Ran wieder in die Augen.
 

Aya erwiderte dieses Lächeln, erwiderte diesen Blick, der ihn verzauberte. Bedachte Schuldig mit der gleichen Aufmerksamkeit, die dieser ihm zukommen ließ. Ein Halsband also. Keine Fesseln, aber ein Halsband. Konnte Aya damit leben?

Warum nicht? Warum sich eigentlich nicht soweit vorwagen?

„Ein Halsband“, bestätigte er schließlich. „Allerdings solltest du gut auf deinen Kater aufpassen…denn wenn er wegläuft, wird er alleine schon aus Neugier so schnell nicht wiederkommen…und sich schon gar nicht von Menschen fangen lassen.“
 

"Aber vielleicht findet er ja einen rotfelligen, streunenden Straßenkater, mit dem sich zusammentun kann." Schalk blitzte in den Augen des Telepathen.
 

„Das glaube ich sogar ganz sicher. Er steht auf Straßenkater. Und wenn sie rotfellig sind, ist es ganz aus. Dann brennt er womöglich mit ihm durch und kommt nie mehr zurück. Ob man das Risiko wohl eingehen kann?“, fragte Aya, seine innere Angst wieder niedergekämpft und in die dunklen, abgelegenen Windungen verstaut.
 

"Tjaa das Risiko muss man wohl eingehen, aber wenn das teure, schicke Halsband an dem Kater dran ist ... dann werden die verruchten Straßenkater sicher hinter ihm her sein, so wie das glänzt. Mal sehen ob der rotfellige Kater ihn sich erkämpfen kann, bei so vielen Angeboten...", gab Schuldig zu bedenken, strich sanft über Rans Seite, neckte mit seiner Nase die des anderen, berührte mit seinen Lippen Rans.
 

„Wenn er stark genug ist…und ordentlich um seinen Gefährten kämpft, wird er vielleicht erwählt. Sicherlich, da bin ich zuversichtlich. Sehr zuversichtlich“, schnurrte Aya und knabberte sacht an den ihn streichelnden Lippen, an dem rasierten Kinn. Er rieb sein eigenes an dessen Haut, lächelte unwillkürlich. Wie musste sich das wohl anfühlen?

Seine Hände gruben sich frei und spielten sacht mit den langen Strähnen.
 

Schuldig knurrte kurz wohlig auf, als Ran sein stoppeliges Kinn an ihm rieb, machte ihn das im Moment an und er haschte mit den Zähnen danach, ließ es wieder los, schmiegte sich an den anderen Mann.

"Stark ist er bestimmt. Ein Prachtkerl von einem Kater, kennt sich auf der Straße aus und ist gewitzt. Er kennt die Tricks und die kann sich Respekt verschaffen. Sein Revier ist nicht klein."
 

„Aber nicht, dass er dann an einen Pascha gerät…an den Pimp Daddy seines Reviers“, merkte Aya sichtlich skeptisch an und runzelte spielerisch die Stirn. „Dann könnte es auch unter ihnen zu Dominanzkämpfen kommen, denn so leicht lässt sich der entlaufene Kater nicht unterordnen. So leicht nicht.“

Er schüttelte den Kopf und lächelte, als sein Magen ihm grollende Zustimmung leistete.
 

"Nein, nein", wiegelte Schuldig ab. "Der ist eher so was wie der verborgene Boss, der die anderen machen lässt und herumstreift, alles jedoch im Blick behält. Er hat nichts und will auch nichts besitzen. Aber er würde sich freuen, wenn er jemanden hätte der ein Stück des Weges mit ihm geht", lächelte Schuldig. Wenn das keine Unterhaltung nach seinem Geschmack war...
 

„Na wenn das Mal keine attraktive Beute für den entlaufenen Kater ist. Ein Gefährte, der ihn ein Stück des Weges begleitet“, wiederholte Aya das Gesagte und zog Schuldig noch etwas näher zu sich heran. Er umschlang ihn mit seinen Armen und lauschte stumm dem schnell schlagenden Herzen. „Das hört sich wundervoll an…wirklich wundervoll.“

Das tat es wirklich. Sich der Zuneigung eines anderen Wesens bewusst zu sein. Selbst in der Lage zu sein, Zuneigung zu empfinden…das war es, was er sich wünschte.
 

Schuldig hatte das Gefühl sie beide wollten am Liebsten ineinander hineinkriechen, so nah wollten sie sich sein. Sex spielte dabei keine Rolle momentan. Wie immer wenn sie zusammen waren, sich näher waren lag der Hauch von Erotik in der Luft, aber jetzt wollten sie beide etwas anderes. Nähe, Geborgenheit.

Ein genießendes Lächeln hatte sich auf Schuldigs Gesichtszügen ausgebreitet.

"Aber der Kater ist so schlank und hungrig", grummte Rans Magen wie aufs verlässliche Stichwort an Schuldigs, bekam aber keine Antwort.
 

„Hungrig? Nein, da musst du dich täuschen!“, behauptete Aya über seinen grollenden Mitbewohner hinweg. Gerade so laut, dass er sich gegen dieses nimmersatte Monstrum durchsetzen konnte.

Er knabberte sanft an dem allzu verführerischen Hals und begnügte sich für ein paar lange Momente mit dieser seine stillen Triebe befriedigenden Tätigkeit. Knabberte an Sehnen, an starken Muskeln, an festem, jungen Fleisch.
 

"Und wie hungrig der Kater ist ... oder ist er gar nicht aufs Essen hungrig?", raunte Schuldig samtig, genoss die zärtlichen Berührungen, kraulte Ran mit der einen Hand im Nacken und mit der anderen kroch er unter den Pullover, streichelte über den nackten Bauch, umkreiste den Bauchnabel.
 

„Vielleicht…vielleicht auch nicht“, gab Aya spielerisch zurück und zuckte instinktiv vor der ihn kitzelnden Hand zurück. Schuldig machte es aber auch Spaß, immer die Stellen zu erwischen, die ihn am Meisten kitzelten. Er knurrte leise ob der allzu kalten Finger, die ihr gemeines Spiel trieben und zwickte mit spitzen Zähnen in die Haut des ihm dargebotenen Halses. Noch einmal. Er musste sich schließlich noch einmal versichern!
 

Schuldig grinste als Ran zurückzuckte, streichelte fester, denn er wollte nicht kitzeln, sondern wohltuende Striche führen.

"Was hältst du davon, wenn wir uns eine Kleinigkeit machen und ich zur Raubtierfütterung übergehe?", lächelte er und knurrte wohlig als die Zähne ihn traktierten.

Es war herrlich hier zu liegen, diesen Mann in seinen Armen zu halten und er brauchte sich um nichts sorgen. Nicht wirklich, denn die Erinnerungen konnte er nicht aufhalten, er war ihnen gegenüber machtlos und musste sie vorüberziehen lassen. Ran bot für Schuldig Ruhe und auch Freiheit.

Bei ihm war seine Telepathie zwecklos, bei ihm brauchte er keine Beherrschung üben, brauchte er seine Macht nicht zügeln. Denn bei Ran wirkte sie nicht.

"Ich bin bei dir frei ...wirklich frei...", sagte er plötzlich leise und fing die Lippen zu einem emotionalen Kuss ein.
 

Aya konnte zwar nur erahnen, was der andere Mann damit meinte, doch er freute sich…sah er doch die Auswirkungen dessen. Schuldig schien gelöst, schien nicht so sehr gefangen in den Gedanken an Kitamura, wenn er bei ihm war. Das war gut so. Sehr gut.

Er ließ sich treiben in dem Kuss, lange noch bevor er antwortete. Bevor er die Kraft fand, sich von diesem Mann zu lösen.

Seine Augen lächelten, ebenso wie seine Lippen. „Aber nicht, dass du mir wegfliegst“, flüsterte er und hob spielerisch die Hüften. „Na komm…lass uns aufstehen.“ Ein sanftes Streichen über die Nase, ein kleines Stupsen auf die Nasenspitze.
 

"Ich bin nur bei dir frei", flüsterte Schuldig und seine Augen funkelten, als er das Violett sich mit seinem Blick verband. Er robbte an den Rand des Bettes und hangelte nach Ran.
 

Dessen Hand sich nun mit der des Telepathen verband und ihren Träger ebenso aus dem Bett zog. Schweigend, denn Aya war mit einem Male klar geworden, was dieser Satz noch bedeuten konnte. Er verstand den Sinn und es ließ ihn Schuldig sanft über die Haare streichen. Schuldig war nicht an seine Gedanken gebunden…sie zwängten sich ihm nicht auf, weil er sie nicht lesen konnte.

War das Freiheit für Schuldig? Wie es für viele Menschen Freiheit war, eben diese Gabe zu besitzen?
 

„Dann lernen wir gemeinsam das Fliegen“, lächelte er und zog Schuldig spielerisch mit sich gen Küche.
 

"Heey, ich dachte ich müsste erst einmal den Tauchschein machen?", lachte Schuldig und erinnerte sich an das Gespräch vor ein zwei Tagen.

Er band sich die Haare mit einem Haargummi nach hinten und wusch sich die Hände, bevor er an den Kühlschrank ging und ihn inspizierte.
 

„Das auch. Multitasking eben! Mit mir musst du alles können!“

Aya platzierte die Hände auf die Ablage und stemmte sich hoch, kam schließlich darauf zum Sitzen. Er spitzte zu Schuldig. Versuchte herauszufinden, was dieser denn nun zaubern würde. Oder vielmehr, was sie beide zaubern würden, denn er hatte so ein Gefühl, dass er nicht ungeschoren davon kommen würde.
 

"Ich dachte das könnten nur Frauen?" grinste Schuldig in den Kühlschrank und holte sich die Zutaten heraus, kramte in den Schränken herum, bis er zu Ran kam sich zwischen dessen Beine stellte und einen Kuss abstaubte.
 

„Nur Frauen? Wir leben in der Zeit der Metrosexualität“, lachte Aya zum guten Teil auch sich selbst aus, wurde dann jedoch von Mal zu mal ernster. Aus heiterem Himmel war ihm etwas eingefallen, das er noch nie wirklich erfragt, aber immer dankbar akzeptiert hatte.

„Gibt es eigentlich einen bestimmten Grund, warum du meine Gedanken nicht lesen kannst?“, fragte er schließlich und runzelte die Stirn.
 

"Keine Ahnung. Wenn ich es wüsste, hätte ich es wohl schon behoben", gab Schuldig zu und wandte sich zur Seite, damit er mit dem Kochen beginnen konnte.
 

Die perfekte Position für Aya, mit seinem Bein Koordinationsübungen zu machen und Schuldig einen freudigen Tritt in den Hintern zu verpassen. „Was soll das denn heißen?“, grollte er spielerisch und gab ebenso missbilligende Laute von sich.

„Bin ich dir so nicht genug? Auch noch meine Gedanken? Neugierig bist du auch überhaupt nicht!“ Ein Lächeln brach sich an seinen Lippen. Wie gut, dass Schuldig wirklich nicht jeden Gedanken, der in ihm herumstreunte, kannte.
 

"Au", spielte Schuldig pflichtschuldig den Malträtierten und rieb sich den Hintern. "Nein bin ich nicht", grinste er bis über beide Ohren und holte Kochgeschirr heraus. Er wollte jetzt nicht näher auf das Thema eingehen. Sicher hätte er das Problem behoben, schon allein um Ran regelmäßig Schmerzen zufügen zu können, um ihn auszuspionieren, damals als sie noch gegeneinander gekämpft hatten. Vielleicht hätte er ihn zwischenzeitlich sogar getötet. Sein Grinsen verblasste, doch Ran sah es nicht, da Schuldig ihm den Rücken zugewandt hatte.
 

Aya beobachtete sich die Szene für einen Moment. Ließ Sekunden verstreichen, bis er ein weiteres Mal herüberlangte und nach Schuldig griff. Dieses Mal den anderen Mann jedoch an dessen Oberarm stolpernd zu sich zog und mit seinen Armen umschloss. Sein Armvoll Deutscher ohne Worte küsste. Schuldig war…sehr anregend, wenn er hier so stand, die Haare zurückgebunden. In der Hand das Messer. Sehr attraktiv.
 

Und Schuldig barg seine sorgenvollen, aber auch traurigen Gedanken in diesem Kuss, verkroch sein Gesicht in der Halsbeuge Rans und erwiderte die Umarmung. Er wollte nicht darüber nachdenken, was hätte sein können, was noch kommen würde, oder ob er es schaffen würde mit den Erinnerungen an ... Kitamura zu leben. Er wollte so weiter machen wie bisher, er wollte einfach nur Ran für sich gewinnen, ganz für sich und nicht an Kitamura denken…
 

Zeitweise ließen ihn die Bilder der Schmach in Ruhe, aber viele Kleinigkeiten holten sie wieder herauf und zeigten ihm wie schwach und erniedrigt er gewesen war. Wie ausgeliefert.
 

Der Duft von Rans Haar vertrieb diese Bilder erneut und Schuldig legte den Kopf auf die Schulter, das Gesicht ernst, wollte er es Ran jetzt nicht zeigen, wollte warten, bis es die gewohnte Fassung wieder hatte.
 

Vielleicht sollte er wieder meditieren... eine Technik, die ihm früher oft geholfen hatte...
 

Aya schwieg zu diesem Verhalten, schwieg zu den Gesten des anderen Mannes, die er nur zu gut verstand. Er würde Schuldig nicht mit Fragen belästigen, ihn nicht versuchen, zu sich zurück zu holen, dann, wenn der Telepath Abstand brauchte.

Jetzt war einer dieser Momente, denn obwohl sie hier standen, in ihrer Umarmung, eng verbunden miteinander, so waren sie sich doch fern.
 

Eine heilsame Distanz, die Stolz bewahren sollte. Das Gesicht. So tat Aya nichts anderes, als Schuldig für viele, schweigsame Momente zu halten. Sein Blick hatte sich auf Dinge außerhalb der Realität gerichtet, fern ab von der Gegenwart. Doch immer nahe genug, damit er auf Schuldig reagieren konnte.
 

Nach einer kleinen Ewigkeit hauchte Schuldig einen Kuss auf Rans Halsbeuge und löste sich mit einem entspannten Gesichtsausdruck. "Komm bringen wir's hinter uns und schlagen uns danach den Bauch voll", versuchte er Ran zu motivieren und löste sich zwar widerwillig, aber mit der lohnenden Aussicht, Ran nachher zu füttern.
 

Der von seinem Glück noch nichts ahnte, aber dennoch lächelnd zustimmte. Sein Blick schweifte zum Essen hin, zumindest zu dem, was es mal werden sollte. Vielleicht hatte er doch ein wenig Hunger, ein wenig nur.

„Was kochst du denn leckeres?“, fragte er schließlich neugierig und sprang von der Anrichte.
 

"Von wegen ICH!", knurrte Schuldig gespielt und drückte Ran das Messer in die Hand.

"Na zeig Mal wie gut du mit dem Messerchen umgehen kannst, Chefkoch", grinste er und widmete sich wieder seiner Pfanne, die er gerade unter Hitze gesetzt hatte.
 

Na das war wohl nichts mit dem untätig und faul zusehen, während Schuldig ihn mit Raubtiernahrung versorgte. Aya lächelte stumm in sich hinein und besah sich ausgiebig das Messer in seiner Hand. Mit einem schulterzuckenden „Na ob das wohl scharf genug ist?“, ließ er es auf seine Beute niederfahren und zerkleinerte sie wie von Schuldig gefordert in kleine, zubereitungsgerechte Portionen. Merkte schon beim Schneiden, wie sehr seine Hände die größere Klinge vermissten, die sonst in ihnen lag.
 

Sein Katana, die Übungen, die er erschöpfend lange durchgehen konnte. Die scharfe Klinge, wie sie im Licht ihrer Trainingshalle glänzte. Wie sie leise durch die Luft surrte, wenn er sie schwang.

Wieso war ihm nicht bewusst gewesen, wie er seinen Gefährten vermisste? Auch wenn er in Kritikers Namen nicht mehr töten wollte.
 

"So scharf wie sein Besitzer", grinste Schuldig ob der platten Anspielung, aber es störte ihn nicht weiter, sah er Ran dabei gelegentlich zu, wie dieser das Gemüse zerteilte, zum Fleisch überging...

Es dauerte nicht mehr lange und sie hatten ein schmackhaftes Mal kreiert. Schuldig ordnete die kleinen Schälchen auf dem Tresen an.
 

Aya setzte noch die Töpfe samt Untersetzer auf den hohen Bartisch und sorgte für die Getränke, bevor er sich schließlich hinsetzte und das Essen verteilte. So, wie er es bei Weiß nur manchmal getan hatte. Wenn die Anderen zu faul schienen, sich ihr Essen selbst zu nehmen. Wenn er Lust dazu hatte, sich bis ins Detail um sein Team zu kümmern. Wenn er einen guten Tag gehabt hatte, ohne Rachegedanken, ohne Erinnerungen an ihre zahlreichen Missionen.
 

Und nun schien das alles so weit weg, auch wenn er sich bewusst war, dass er es niemals hinter sich lassen konnte. Diese Vergangenheit war ein Teil von ihm und konnte nicht abgeschüttelt werden. Mit nichts, keiner Läuterung, die es in der Welt gab. Denn er würde immer bereit sein zu töten. Auch wenn es nur dazu da war, sich und sein Umfeld zu schützen.
 

Und Rans momentanes Umfeld blickte ihm hungrig entgegen. Denn Schuldig hatte tatsächlich Hunger bekommen während des Kochens. Er setzte sich neben Ran, damit er nach draußen sehen konnte und näher an dem Rotschopf dran war. Er hangelte ungefragt nach Rans Stäbchen und fischte ein Fleischstückchen aus dessen Schale heraus. "Sag ahh", grinste er lausbubenhaft.
 

Aya sagte aber erstmal gar nichts. Starrte dem anderen Mann zweifelnd in die Augen. Soso, nun begann also die Raubtierfütterung. Sein Blick funkelte amüsiert über die Nähe des Deutschen, über dessen Gesten. War das hier Glück? Ruhe? War das hier das, was er schon immer gewollt hatte?
 

Er verschwieg sich die Antwort, versagte sie sich. Noch. Noch war dies alles zu jung, zu frisch. Zu zerbrechlich. Niemand gab ihm die Garantie, dass er hoffen durfte. Dass er nicht doch zerbrechen würde. Niemand garantierte ihm, dass nicht alles noch viel schlimmer werden würde, dass dies hier ein schöner Traum war und am Ende die Trauer wartete um ihn ins Dunkel zu stoßen.
 

Aya schob diese Gedanken von sich, sehr weit, als er sich wieder auf das Hier und Jetzt konzentrierte. Auf den Auslöser dieser Gedanken selbst. Warum nicht das genießen, was er momentan hatte? Warum musste er sich Sorgen um seine Zukunft machen, wenn sie doch kommen würde, egal, was er täte?
 

Ein stummes Lächeln huschte über seine Lippen, als er sich vorbeugte und mit seinen Zähnen das dargereichte Stück aufnahm. Dabei sah er Schuldig fest in die spielerisch aufgelegten, grünen Augen und kaute genüsslich.
 

"Sag bloß, dir schmeckt’s?", spielte Schuldig auf Rans Kritik an seiner Kochkunst an, die er in der Zeit geäußert hatte, wo Ran zwangsweise bei Schuldig Quartier beziehen hatte müssen. Ran sah aus, als esse er wahrlich mit Genuss und Schuldig ließ den nächsten Happen folgen. Es beruhigte ihn wie sie hier saßen, war fast wie eine Möglichkeit, Zeit zu gewinnen um alles zu verarbeiten. Nichts was ihn bedrängte, oder befiel, keine Erwartungshaltung, die von Ran kam.
 

„Natürlich schmeckt es mir, habe ich je etwas anderes behauptet?“, lächelte Aya scheinheilig und tat so, als hätte es die Kritik nie gegeben. Nun…dieses Essen war wirklich gut. Das konnte er nicht anders sagen.

Eine Weile aßen sie so, bis Aya eine kleine Pause einlegte. Zuviel des Guten verdarb den Appetit. Nun war Schuldig an der Reihe mit der Raubkatzenfütterung. Mit einem Lächeln schnappte er sich die noch unberührten Stäbchen des anderen Mannes und ließ sie einen Moment über der Schüssel schweben.
 

Er nahm sich Zeit, den Telepathen genauer in Betracht zu nehmen. Ihn zu beobachten, wie er zufrieden zurücklehnte und sich Essen darreichen ließ. Es erinnerte Aya ein wenig an die stilisierte Darstellung der alten Römer, wie sie auf ihren Liegen speisten, im Reinen mit sich und ihrer Welt. Wie sie in diesem unvorstellbaren Luxus schwelgten und lachten, sich bedienen ließen.

Grotesk war das, wo weder Schuldig noch dieses Ambiente Ähnlichkeit mit solch einem Festmahl besaßen. Wer wäre Schuldig denn dann gewesen? Titian? Nero? Oder doch Augustus Caesar?
 

Wohl keiner von denen, denn Schuldig hatte es nicht so mit göttlichen Vertretern auf Erden, nannten sich die damaligen Herren, doch Kaiser und geboten über die alte Welt. Nein ...Schuldig gab sich mit nicht weniger als den Gedanken der Menschen zufrieden. Er war der Herr über die Gedanken der Menschen in der ganzen Welt.

Und doch konnte er nur immer einen Menschen in seinen Gedanken erforschen. Immer nur einer ... doch die Möglichkeit jederzeit in einem beliebigen herumzustöbern. Eine Macht, die fast keinem bekannt war.

Aber Schuldig saß hier am Tresen und ließ sich füttern, genoss es mit innerer Freude und einem Gefühl der starken Zuneigung zu Ran. Bei ihm konnte er normal sein.
 

o~
 

Wenig später lümmelte Schuldig auf der Couch, die Decke bis ans Kinn gezogen und mit dem Kopf auf seinen verschränkten Armen, die auf der Rücklehne thronten blickte er nach draußen in den abendlichen Himmel. Er suchte noch immer nach dem Ekel und dem Hass, doch es wollte nicht so Recht hervor kommen.

Sein Gehirn suchte nach Bildern von Kitamura, nach ihren Spielen und er schloss die Augen weil sie ihn erregten, wenn er nur daran dachte. Wieder breitete sich die Enge in seiner Brust aus und er schloss die Augen. Um ihn herum war es still und die Lampen waren bis auf die Kissenecke gelöscht. Ran las dort und Schuldig liebte ihn dafür, dass er ihn nicht zu sehr umsorgte, das hätte ihm nur mehr gezeigt, wie schwach er war. Ran ließ ihm seinen Raum, den er brauchte und er wusste ja, dass er zu seinem Blumenkind gehen konnte wenn ihm danach war.
 

Ja…Aya wusste, dass es Schuldig wusste. Und auch wenn er hin und wieder einen versteckten Blick zur nachdenklichen Gestalt auf der Couch richtete, so blieb er doch in seinem Revier und hatte sich eines der Bücher an Land gezogen.

Mit einem Lächeln hatte er den Titel gewählt…um der guten, alten Zeiten willen war es der gleiche, den er schon einmal angefangen hatte. Er brachte nur nicht die nötige Konzentration auf, um sich wirklich vollkommen auf den Inhalt zu konzentrieren. Seine Gedanken weilten momentan bei anderen Dingen…dunkleren Dingen.
 

Aya wusste nicht, wie es von hier aus weitergehen sollte. Diese vorsichtige Ruhe, die zwischen ihnen eingetreten war, war wie dünnes Eis, das jeden Moment unter ihnen brechen konnte. Zumindest hatte er das Gefühl, dass Schuldig nicht wirklich stabil war, aber war das denn auch ein Wunder? Bei allem, was der Mann unter diesem…

Wie immer, wenn Aya daran dachte, wellte Übelkeit tief in seinem Magen auf. Widerlich, was dieser alte Sack getan hatte. Mit welcher Ignoranz und Grausamkeit er sich daran gemacht hatte, einen Jungen zu zerstören.

Doch dieser Junge…saß unweit von ihm und lebte. Und ER konnte dafür sorgen, dass es ihm besser ging. Die Frage war, ob er selbst das wollte.
 

Aya seufzte tief. Nein, diese Frage hatte sich ihm nie gestellt. Bei allem, was der andere Mann für ihn getan hatte, würde er sich revanchieren, auch wenn es nicht alleine darum ging. Vermutlich hätte er es auch so getan. Doch wenn er Schuldig eine Stütze sein konnte, dann sollte das so sein.
 

Was nicht sein sollte, war das Gefühl der sexuellen Erregtheit, welches Schuldig empfand, wenn er an einige der Bilder dachte, die nun in ihm spukten wie vergessene Geister. Warum war das so? Warum konnte er nicht alle als widerlich und pervers einstufen? Er wusste doch, dass er es damals nicht gewollt hatte was Kitamura ihm auferzwungen hatte. Niemals hatte er das gewollt. Niemals.

Schuldig veränderte seine Position leicht und verkroch sein Gesicht in der Decke.

Die Intensität der Gefühle von damals war so extrem gewesen, dass sie auch den Sex extrem werden ließen. Seine Hand übte schmerzhaften Druck auf seinen Schoß aus. Er wollte das nicht. Er wollte das alles nicht.

Warum dachte er in diese Richtung? Warum reagierte sein Körper dabei in eine andere? Stumm öffneten sich die Lippen doch der benötigte Schrei blieb aus.
 

Schon alleine, dass Schuldig sich vergraben hatte, war Aya eine Warnung, doch dass diese Gestalt nun unwillkürliche Schauer durchfuhren und er selbst auf diese Distanz vollkommen angespannt wirkte, gab nun wirklich den Anstoß dafür, dass er sich erhob und zu Schuldig ging. Er wollte nicht, dass sich Schuldig zu sehr da hereinsteigerte ohne wirklichen Beistand zu haben.

Lautlos schlich er sich zum Rücken der Couch und hockte sich hin, während seine Finger sich auf Wanderschaft begaben und zu Schuldig unter die Decke krabbelten, ihm gänzlich ohne Worte sagten, dass Aya da war.
 

Was nicht ohne ein kurzes erschrockenes Zusammenzucken quittiert wurde. Doch gleich im nächsten Moment erkannte er die schlanken, Kraft versprechenden Finger, die spielerisch emsig lockten.

„Hi“, nuschelte er und hob den Kopf in Rans Richtung. Schuldbewusst blickten seine Augen Ran im Zwielicht an. Er durfte diese Art der Gedanken nicht haben. Ran würde das nicht verstehen. Wie konnte er auch…

Wie konnte jemand verstehen, dass er zwischen dem Ekel und der Abscheu Erregung empfand? Er verstand es ja selbst nicht.
 

„Hey Tiger“, entgegnete Aya und lächelte. Jetzt, da Schuldig ihn erkannt hatte, ließ er sich auf seinen Hosenboden nieder, seine Hände lösten sich jedoch nicht von denen des Telepathen, auf denen sie immer noch lagen. Sie geboten nicht, schlugen nur vor, was Schuldig an Unterstützung bekommen konnte, wenn er wollte.

„Worüber denkst du nach?“, fragte er sanft.
 

„Über …damals. Es ist so verwirrend.“

Schuldig schloss die Augen und seine Finger strichen über die warme Haut von Rans Hand.

„Alles ist neu, aber doch verblasst. Es sind ‚nur’ Erinnerungen, blass und unvollkommen. Aber doch will ich sie ergründen und dabei habe ich das Gefühl…das Gefühl ich werde immer tiefer in die Gefühle hinein gezogen.“ Ein schleppender Monolog in die Stille um sie herum.
 

„Willst du mir über diese Gefühle erzählen, Schuldig?“, fragte Aya und legte den Kopf schief. Es schmerzte, den Telepathen so zu sehen, diese Mauer zwischen ihnen zu erkennen und sie nicht niederreißen zu können. Noch nicht. Denn Aya würde sich nicht so leicht geschlagen geben.

Seine Finger bewegten sich sacht und verwoben sich mit denen des anderen Mannes.
 

„Ich weiß nicht…“, erwiderte Schuldig mit schwerer Stimme. Sein Blick suchte wieder den nächtlichen Himmel.
 

„Ich aber“, sagte Aya entschlossen in der Stimme und seinen Handlungen. Er meinte zu wissen, was Schuldig brauchte. Distanz. Andere Dinge. Neues. Das ihn nicht an diese Wohnung erinnerte.

„Komm, steh auf und zieh dich an, wir fahren weg.“
 

Nur sah Schuldig das anders. Er bewegte sich nicht und zuckte nur mit den Schultern. „Draußen ist es ungemütlich und kalt. Außerdem ist es Nacht.“

Er suchte nach Ausreden, denn er hatte Angst davor, mit Ran über seine Gedanken zu sprechen. Draußen war alles anders, unberechenbarer. Hier kannten sie sich, hier waren sie beide vertraut. Draußen … änderte sich oft so vieles.
 

Hatte Aya erwartet, dass es einfach wurde? Nein.

„Wir sind beide noch wach, also warum sollte es uns interessieren, ob es Nacht ist, hm?“, zäumte er das Pferd von hinten auf und strich Schuldig über die abgewandte Wange. So leicht ließ er sich nicht überzeugen und in die Flucht schlagen. „Ich war da vor kurzem mit so einem frechen Typen Mäntel kaufen und Pullover. Angeblich sollen sie wärmen. Was hältst du davon, sie auszutesten, hm? Ein kleiner Spaziergang.“
 

„Das ist Psychoterror, Ra~an“, quengelte Schuldig und seufzte ergeben. Er drehte sein Gesicht dem anderen zu und lächelte gequält.

Mühselig zog er die Beine von der Couch und stützte seine Ellbogen auf die Knie. „Ich mag nicht“, der letzte aufbäumende Versuch einer Weigerung…
 

Wenn Schuldig wüsste, dass er Aya genau damit in die Falle gegangen war…

Der rothaarige Japaner erhob sich langsam und ging um die Couch herum. Er kniete sich vor sein Gegenüber und legte die Hände auf dessen eigene, bettete sein Kinn oben drauf. Seine Augen sahen groß und violett zu Schuldigs bläulich grün schimmernden empor, die ihm so nahe waren.

„Schu…“, sagte er nur.
 

„Du bist hinterhältig“, nuschelte Schuldig in seine aufgestützten Handflächen und schielte taxierend auf Ran hinunter. „Hinterhältig und durchtrieben“, erhob er sich und trottete schicksalsergeben zum Schrank um sich umzukleiden. Während dieser traurigen Zeremonie untermalte er sein Leid mit liebevollen Beschimpfungen…



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