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Der Glasgarten

von

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Bettgeflüster

~ Bettgeflüster ~
 


 


 

Jeis Aufmerksamkeit wanderte von seiner inneren Zurückgezogenheit zum Farbenspiel des schneidenden Violetts, welches momentan zu einem weichen blaugrau gewechselt hatte.

„So, hast du das“, meinte er lediglich und blickte auf die Kleidung. Er neigte den Kopf, sah fragend und doch gleichzeitig interesselos auf die Kleidung.

„Und …“, zögerte er im Satz, ein Umstand der eher ungewöhnlich für Jei war. „…ist das angemessen für einen Besuch?“, wollte er wissen. „Angemessen für …diesen Besuch?“, nur marginal schwebte die Betonung des Wortes „diesen“ zu Ran. Sanft abgehoben von der üblichen monoton Wortwahl. „Nagis Auswahl ist anders als deine.“
 

Aya betrachtete sich Farfarello schweigend und wog die Worte des anderen Mannes hin und her.

„Bist du unzufrieden mit meiner Wahl?“, fragte er und nahm die Kleidung genauer in Augenschein. „Youji wird…Ähnliches tragen.“
 

„Unzufrieden?“ echote Jei in fast identischer Stimme und ebenso fast hätte man den Anschein gehabt als kräuselten sich die Lippen zu einem kleinen feinen Lächeln. Fast.

„Ist es wichtig, was er trägt?“
 

„Mir nicht“, erwiderte Aya und spiegelte Farfarellos - also sein eigenes - Lächeln. Er betrachtete sich für einen Moment die Sachen in seiner Hand…die unscheinbare Jeans und den langärmeligen Pullover. War das angemessene Kleidung für Youjis Besuch?

Ihm war es egal…doch alleine die Tatsache, dass Farfarello sich nach vier Tagen dazu hatte hinreißen lassen, das erste Mal seine Wahl zu kommentieren, schien ihm anderes zu sagen. War das die Art, in der Farfarello Skepsis äußerte? Protest?

Ayas Blick wanderte hoch, in das Auge des Iren und er drehte sich langsam wieder zurück. Immer noch mit dem unheimlichen Gefühl des Misstrauens und der Vorsicht im Nacken, legte er beides wieder zurück und sah sich die Kleidungsstücke genauer an.
 

Als er das nächste Mal Farfarello seine Beute präsentierte, hatte er vollkommen gegensätzliche Sachen zu vorher in der Hand. Ein weißes, leichtes Hemd und dazu eine ausladende, schwarze Leinenhose. Es passte.
 

Ohne hinzusehen drehte sich Jei weg und fing an sich auszuziehen. Es war interessant, wie sich der Rothaarige bemühte um seinen Wünschen nachzukommen. Und wie sehr er sich auf ihn fixierte.

„Ist es nicht interessant wie viele Gäste wir hier haben? Brad wird sicher erstaunt sein“, redete er wie mit sich selbst und wiegte den Kopf tadelnd hin und her. Sein Blick im Augenwinkel auf Ran gerichtet, lächelte er wissend.
 

Violette Augen beobachteten Farfarello nun doch neugierig. Aya konnte den Iren partout nicht einschätzen, konnte dessen Stimmung nicht auf einen Nenner bringen.

So leidenschaftlich und sprunghaft Schuldig in seinen Stimmungen auch war, so eine gefestigte Basis hatte Aya schon nach den ersten Tagen im Umgang mit dem Telepathen. Bei Farfarello ging das nicht.

„Das wird er sicherlich“, erwiderte er schließlich. Crawford war ihm egal. Er war hier und was er tat, war seine Sache. Nur seine. Und solange der noch verbleibende Bewohner des Hauses nichts dagegen hatte, holte er sich seinen Freund so oft er wollte hierhin.
 

„Falls er es wüsste … wäre er es wohl“, sinnierte Jei nachdenklich und ließ sich die Kleidungsstücke reichen. Er zog sich an, die Bewegungen wirkten, als wären sie einstudiert und betrachtete sich danach. Die Knöpfe des Hemdes reichten nur bis über den letzten Rippenbogen, danach konnte ein Neugieriger seine Haut erspähen, im Falle er hätte es darauf abgezielt. „Ist Yohji wie diese Kleidung? Offen und provozierend?“, fragte er mit einem feinen, harmlosen Lächeln und blickte auf.

Sein Blick war jedoch alles andere als harmlos.
 

Aya besah sich Farfarello. Das Hemd schien etwas zu groß, war aber genau passend geschnitten. Er erspähte tatsächlich die Haut, die beabsichtigt durch den Schnitt freigelegt wurde, und fand auch hier Narben, die sich wie ein feines Geflecht über die Brust zu ziehen schienen.

Nein, nicht nur die Brust. Farfarellos Körper trug überall Narben. Zu sagen, dass der rothaarige Japaner gerade nicht hingeschaut hatte, als Farfarello sich so leidenschaftslos vor ihm ausgezogen hatte, wäre gelogen gewesen. Wirklich gelogen.

Doch jetzt fragte sich Aya zum ersten Mal, woher all diese Verletzungen stammten. Er runzelte die Stirn, begegnete dem Blick des Iren, der ihm zu denken gab. Etwas stimmte nicht. Etwas Dunkles schwelte in dem Schwarz und ließ Ayas Gefahreninstinkt ausschlagen.

„Was interessiert dich das?“
 

„…interessiert?“

Jei überlegte einen Moment blickte dabei aber an Ran vorbei.

„Nein, ich denke nicht, dass es das tut“, kam er zum Schluss. „Es war nur Zufall demnach, dass du mir diese Kleidung gewählt hast? Zufälle sind interessant…“, murmelte er und sein Blick glitt in die Ferne, als auch schon die kleine Katze herein ins Zimmer kam und auf ihn zulief.

Es schien, als wollte Jei noch etwas hinzufügen, doch seine Aufmerksamkeit wurde samt und sonders von Banshee eingenommen.
 

Die gerade von Aya geschnappt und auf den Arm genommen wurde. Der Japaner hatte wohl gemerkt, dass Farfarello noch etwas sagen wollte und dass er dann plötzlich uninteressant geworden war…der Grund dafür war klar.

Wer auch sonst außer Banshee konnte das vollbringen?

„Du weißt, warum ich die Kleidung gewählt habe, du kannst in meinen Gefühlen lesen“, erwiderte er und sah dem Iren fest in das Auge, während er Banshee kraulte. „Du glaubst an Zufälle?“
 

„Glauben?“, griff Jei das Wort auf und sein Gesicht fiel fast in sich zusammen. Für einen kurzen Moment tendierte er dazu, dieses Wort zum Schweigen zu bringen. Dieses Wort nie mehr hören zu müssen. Nie mehr.

Doch dieser Augenblick verging und sein Blick verlor sich, als hätte er sich an etwas erinnert. Kurz nur huschten Gefühle vorüber, wurden sichtbar, bevor sie wie ein Traum verblassten und er an Ran vorbei trat.

Fast zeitgleich fauchte die kleine Katze und kratzte Ran, der sie kraulte.

Unbewusst hatte Jei seine Gefühle auf sie übertragen und er wandte sich noch einmal um, blickte auf die Hand, die die Krallen gespürt hatte.

Es war, als wäre die Zeit stehen geblieben, in der er darauf starrte. Auf die Katze, die nun wieder friedlich war. Auf den Mann, der sie hielt.

„Wie ist das passiert?“, fragte er erstaunt und wisperte die Worte noch als er sich entfernte.

Eine unbestimmte Trauer hatte sich in seine Stimme gelegt.
 

Aya war sich nicht sicher, dass sich die Frage auf die blutigen Kratzer auf seiner Hand bezog. Nein, ganz und gar nicht.

Er stand im Zimmer, den Blick leer in eine unbestimmte Richtung gewandt. Er starrte, noch unter Einwirkung der fremden Gefühle.

Trauer…Verlustangst…Angst davor zu leben. Das wucherte in ihm und erinnerte an dunkle Zeiten...sehr dunkle Zeiten, die er auf dem besten Weg war zurückzulassen.

Doch dieses Mal waren es nicht seine Gefühle gewesen. Farfarello. Farfarello fühlte so, hatte diese Emotionen ungefiltert auf ihn und auch auf Banshee projiziert. Ein Zittern durchlief die schlanke Gestalt des Japaners. Was in aller Welt…?
 

Wenn Aya es sich ehrlich eingestand, fühlte er sich in diesem Augenblick um Längen überfordert. Woher sollte er wissen, was richtig war? Er war nicht derjenige, der sich gut in andere Menschen einfühlen konnte. Er lebte für sich, zurückgezogen und distanziert. Er legte keinen Wert auf viele emotionale Bindungen. Wie hätte er darauf gefasst sein können, was gerade eben geschehen war?
 


 

o~
 


 

Yohji lehnte an der Lehne einer Bank und tat als könnte er kein Wässerchen trüben. Er wartete seit zehn Minuten in der Kälte, seine Tasche parkte neben ihm und seine zweite Zigarette wähnte sich bereits in den letzten Zügen.

Er hatte in den letzten Minuten Zeit gehabt, sich über diese und viele andere Neuentwicklungen Gedanken zu machen.

Farfarello.

Bei aller Komik an dieser Situation … es war dennoch nicht zum Lachen. Was … wenn jemand von ihnen etwas Dummes machte? Etwas Dummes sagte?

Seine Waffe hatte er dabei und gerade das sagte ihm, dass er sie vermutlich auch benutzen würde. Aber es war kein Job, sondern Freizeit.

Er besuchte einen Freund, der Babysitten musste. Vielleicht konnten sie das ‚Baby’ bald ins Bett stecken und sich danach auf der Couch vergnügen…
 

Es dauerte noch zwanzig Minuten, bis endlich aus der Ferne ein Motorengeräusch zu vernehmen war und schließlich Aya vor seinem Freund anhielt…auf Schuldigs Maschine, die sich fantastisch fahren ließ. Das war etwas, das er Kritiker wirklich zu Gute halten konnte: sie hatten sie alle einem speziellen Fahrtraining unterzogen, das alle Fahrzeuge einschloss. Seitdem liebte Aya es, mit der einen oder anderen geliehenen Maschine längere Touren zu machen. Alleine, für sich…nur der Rausch der Geschwindigkeit.

Er nahm den Helm ab und lächelte Youji entgegen. „Brauchst du eine Mitfahrgelegenheit?“, fragte er laut, über das Motorengeräusch hinweg.
 

Yohji grinste und nahm die Tasche auf, sicherte sie mit zwei Gurten auf seinem Rücken und stieg auf. Ihm war verdammt kalt und der Helm, den er sich aufsetzte, schützte ihn nur marginal vor der beißenden Kälte. Deshalb zog er sich seinen Schal zweimal um den Hals und dichtete die Lücken zwischen Helm und hochgeschlagenem Jackenkragen akribisch ab.

Hätte Ran ihn nicht vorwarnen können, dass er mit einem Motorrad kam? Na er würde es überleben… und hoffentlich ohne Erkältung. Er gab Ran zu verstehen, dass er fahren sollte.

Seine Kleidung war nicht gerade dazu geeignet, aber es musste jetzt gehen.

Er konnte nur hoffen, dass die Fahrt nicht zu lange dauerte.
 

Zu Youjis Leidwesen dauerte sie länger, als es bei dieser Kälte angenehm war. Sie waren gut eine halbe Stunde unterwegs gewesen, in der Aya Haken um Haken schlug und immer wieder nachkontrollierte, ob ihnen auch niemand folgte.

Da war nichts…niemand.

Schließlich durchgefroren trotz der dicken Lederkleidung fuhr Aya auf das Anwesen und stellte die Maschine in der Garage ab.

Schaudernd zog er den Helm ab und betrachtete sich Youji. Freude durchzog ihn. Youji war da.
 

Ja, der war da und fühlte keinen einzigen Knochen mehr im Leib. Alles schien taub und erfroren. Als wäre ein schneidender, eisiger Wind mit seinen Klingen durch seine Kleidung gefahren und hätte seinen Körper filetiert.

„Du siehst aus, als würdest du mir gleich um den Hals fallen“, lächelte Yohji in bester Schwerenötermanier. „Aber … macht es dir etwas aus, wenn wir es nach drinnen verschieben, ich bin gerade am Erfrieren.“
 

Aya tauchte aus seiner momentanen Euphorie auf und nickte. „Klar…komm.“ Er führte sie beide ins Haus. „Willst du ein Bad nehmen? Dich duschen um dich wieder aufzuwärmen?“, fragte er den durch und durch zitternden Mann.

Sie kamen durch einen Seiteneingang hinein in den großen Wohnraum des Anwesens, der fast das gesamte Erdgeschoss ausmachte. Den beheizten Innenraum, wie Aya es dankbar feststellte.
 

Yohjis erster Eindruck erinnerte ihn etwas an Schuldigs Wohnung. Ebenso teuer, ebenso weitläufig, ebenso exklusiv.

„Bist du sicher, dass so einer wie ich, sich in einer der teuren Badewannen aalen darf?“, fragte er und purer Spott troff aus seinen Worten.

„Komm erst mal her“, murmelte er und zog Ran zu sich, drückte ihn an sich und zerzauste das rote Haar, soweit er es schaffte.
 

Und wie bereitwillig sich Aya umarmen ließ. Auch wenn er schier von Youjis Kälte infiltriert wurde, umschlang er den anderen Mann ebenso stark mit seinen Armen und presste ihn an sich.

„Ich bin so froh, dass du hier bist, Youji“, murmelte er leise…gerade eben so laut, dass Youji es verstand, doch niemand sonst.

Laut sagte er mit einem spöttischen Lächeln auf seinen Lippen: „Wenn selbst ich…der persönliche Dorn im Auge des großen, bösen Amerikaners in diesen Gefilden baden darf, dann wird das für dich vermutlich auch gelten!“
 

Yohji versank kurz in die Betrachtung des roten Schopfes, als er lächelte und Ran bewusst etwas fester über den Rücken strich.

„So schlimm kann dieser Dorn gar nicht sein, wenn er hier das Baby sitten darf. Wo ist es eigentlich?“ Yohji ließ seinen Blick in den Raum schweifen, konnte Jei jedoch nirgends entdecken.
 

„Mit Banshee vermutlich irgendwo…er wird sich schon zeigen, wenn er Interesse hat“, erwiderte Aya und zuckte mit den Schultern. „Er hat nach dir gefragt, bevor ich losgefahren bin…ob du gewisse Dinge auch anziehst…ob du so offenherzig bist…“
 

Yohjis Mundwinkel zuckten etwas und er runzelte die Stirn, als er Ran frei gab.

„Warum finde ich das jetzt nicht sehr gut?“ Fröstelnd zog er sich die Jacke aus, den weitläufigen Wohnraum durchquerend immer Richtung Kamin und diesen in Augenschein nehmend. „Wow, du hast sogar ein Feuerchen hier!“

Er zog sich die Schuhe aus und erkor den Platz vor dem Kamin zu seinem Lieblingsplatz. Herrlich wie das Feuer prasselte und das Holz knackte.
 

Aya pflanzte sich daneben und streckte die Zehen gen Feuer, damit sie von der sengenden Hitze wenigstens etwas erwärmt wurden. Er schauderte und besah sich den blonden Mann. „Du siehst aus, als würdest du zuviel trinken und zu wenig essen, Youji“, merkte er kritisch an und schürzte die Lippen. „Wie geht es dir?“
 

Es erschien ihm eine Ewigkeit, wie er so hier saß und ins Feuer blickte, wie er spürte wie die Melancholie sich wieder in ihm ausbreitete. Er wollte nicht über diese Dinge sprechen. Nicht über die Dinge, die ihn betrafen.

„Gut“, sagte er um irgendetwas zu sagen, um diese erdrückende Antwort nicht schuldig zu bleiben. Eine direkte Frage wie diese schien er kaum zu verkraften.

„Aber lass und doch eher über dein zeitweiliges Zuhause plaudern?“, schlug er vor und lächelte zu Ran. „Hast du schon alles erkundet?“
 

Wenn es eines an Youji gab, das Aya hasste, dann war das dessen Verschwiegenheit, wenn es ihm nicht gut ging. Es schien, als hätte sich der blonde Mann doch einiges von ihm angenommen. Einiges zuviel. Aya runzelte die Stirn, verzog unwirsch die Lippen…ließ das Thema aber fallen. Zunächst. Was nicht hieß, dass er später nicht noch einmal darauf zu sprechen kommen würde.

Er rückte beherzt ein Stückchen näher zu Youji und lehnte sich an den noch kalten Mann. „Du weißt, dass ich nicht so neugierig bin wie du, Kudou. Es würde wir niemals einfallen, im Zimmer des Orakels nach kompromittierender Reizwäsche zu suchen.“ Er hob bedeutend eine Augenbraue und dachte an das Set, das ihm eigens geschenkt immer noch unschuldig in der Wäscheschublade des Deutschen thronte. Er hatte es erst letztens wieder gesehen und sich an ‚gute’, alte Zeiten erinnert.
 

„Es würde dir zwar niemals einfallen… aber du brauchst mir nicht weismachen zu wollen, dass du nicht neugierig bist“, lachte Yohji und grinste Ran an, dessen Schulter an seiner lehnte.

„Ich habe also eine gewisse Verpflichtung meinem Anführer gegenüber und muss das feindliche Gebiet erforschen und Bericht erstatten“, verschmälerten sich seine Augen und funkelten ins Feuer hinein – in bester verschwörerischer Art selbstverständlich.
 

Für einen Moment waren sie wieder Balinese und Abyssinian, auf einer geheimen Mission inmitten des Feindeslandes.

Zugegeben…sich auf diese harmlose Art und Weise an die vergangene Zeit zu erinnern, nötigte Aya ein Lächeln ab. Es war…amüsant.

„Neugierig? Ich nenne das eher Finden von Feindesschwächen. Man weiß nie, was sich einem so offenbart. Selbst die stillsten Wasser können abgrundtief sein. Deswegen…hast du gar nicht so unrecht.“ Aya schmunzelte.

„Du solltest nur auf die Raubtiere aufpassen. Du weißt nie, wo sie als nächstes zuschlagen…und wer weiß, vielleicht finden sie in dir ein gefundenes Fressen zum Spielen?“
 

„Ich schmecke nicht, viel zu dünn, viel zu zäh und absolut giftig… und verdorben“, verzog Yohji den Mund angewidert. „Wobei… willst du mir damit etwas sagen?“

Sein Blick richtete sich in die Weite des Raumes, der still und verwaist im Dunkeln lag.
 

„Ich? Nie“, lächelte Aya und verlor sich für einen Moment im Feuer des Kamins. Es war beruhigend, den anderen Mann neben sich zu haben…um sich. Wie in alten Zeiten, wenn Omi und Ken ausgeflogen waren und sie sich eine gemütliche Zeit auf der Couch gemacht hatten. Auch wenn der Kontakt nicht so eng wie jetzt gewesen war, so war es doch immer etwas gewesen, das Aya sehr gefallen hatte.

„Ich bin froh, dass du hier bist, Youji.“
 

„Ah, das sagst du nur, weil der Telepathenbällchenmann nicht da ist!“, empörte sich Yohji spielerisch und winkte ab. Allerdings war dies nur um seine Gefühle zu übertünchen, die Ran in ihm auslöste. Die Wehmut nach alten Zeiten, nach einem Stück davon. Einem Stück des Steten, des Gewohnten. Einem Halt, den er nicht mehr verspürt hatte seit Ran gegangen war. Ihm schien es, als würde er immer weiter treiben… wo auch immer dies ihn hinführte, er hatte keinen Einfluss darauf. Als zöge ihn die Schwärze seiner Gedanken immer weiter hinunter.

„Ich bin auch froh, dass du froh bist“, lächelte er warm. Es war faszinierend, wie gut er es schaffte sich in sich selbst einzusperren.
 

„So siehst du aber nicht aus!“, motzte Aya im guten alten Anführerton los und ließ sich auf die Oberschenkel des anderen Mannes fallen, missbrauchte sie als bequeme Stütze. Er sah zu Youji hoch und lächelte dunkel.

„Du siehst eher aus, als könntest du etwas anderes vertragen. Außerdem…ja, ich vermisse diesen gewissen Deutschen, der sich manchmal unmöglich benimmt und dir manchmal ähnlicher ist, als ihr beiden euch es wünscht. Aber…ich vermisse dich genauso, du Hornochse. Ich suche keinen Ersatz für Schuldig, verstanden? Ich will dich hier haben, jetzt, hier…gerade eben!“
 

„Schon klar!“

Yohji piekte Ran provozierend in die Seiten um diese allzu bequem aussehende Haltung zu zerstören. „Und… kennt er auch schon deine Schwachstellen? Bist du schon weich geworden?“, lachte er und fing an Ran zu kitzeln.
 

In gewohnt abwehrendem Schlängeln versuchte Aya dem anderen Mann etwas auf seine heimtückische Attacke entgegen zu setzen, schaffte das aber nicht wirklich…nicht, wenn es sich um Youji handelte, der jede dieser kleinen, empfindlichen Stellen punktgenau traf und ohne Gnade bearbeitete. Er lachte, fiepste, fluchte und röchelte, wand sich im Griff des blonden Mannes.

„Youji! Verdammt! H…hörst du…auf…YOUJI!“ Seine Hände fischten erfolglos nach denen des Anderen. Seine Auge versprachen seinem Freund tausend Tode, ebenso wie sie sie Schuldig versprochen hatten.

„Ich…bin…nicht….WEICH!“, empörte er sich, als er gerade ein ausreichendes Kontingent an Luft hatte. „Das…war….ich…niii~iie! Das hat auch…Schuldig…nicht erreicht…“, keuchte er. „Ihr seid euch….ja…..SO….ähnlich!“
 

„Na DAS ist jetzt aber eine üble Verleumdung“, ereiferte sich Yohji und stoppte seine Attacke, hatte sich über Ran begeben und hielt ihn unter sich fest. Einen Moment schien es, als würde sein Gesicht tatsächlich den Ernst seiner inneren Lage widerspiegeln, als suche er etwas in Rans Blick. Doch dann war es vorbei und er lächelte müde, legte sich auf Ran und blieb wie erschöpft scheinend liegen. „Ich bin so müde…so verdammt müde“, sagte er unbestimmt, den Blick ins Feuer gerichtet.
 

Aya starrte schwer atmend in diese offenen Augen, zumindest das, was er von ihnen sehen konnte. Für einen Moment hatte er in Youjis Blick die Wahrheit gesehen und es war etwas, das ihm nicht gefiel. Denn diese Müdigkeit, die der andere Mann beschrieb, war nicht rein körperlicher Natur.

„Weißt du…“, sagte er leise. „Manchmal träume ich davon, eine Bar zu eröffnen. Und wir alle arbeiten dort…wie in alten Zeiten. Wir alle und gehen uns gegenseitig auf die Nerven. Na, wie wäre das?“, fragte er und zog an einer der herabhängenden Haarsträhnen des auf ihn Liegenden.
 

„Das…wäre interessant…ja…“, wisperte Yohji und schloss die Augen. Weshalb konnte er dieses schlechte Gefühl nur nicht abstellen? Warum hörte es erst auf, wenn er sich verausgabte, wenn er nicht mehr konnte?

Als er die Augen wieder öffnete saß vor ihm eine kleine Katze und es sah aus als blicke sie ihn neugierig an, so wie sie sich hin und wieder zu ihm beugte.

Er schloss die Augen wieder, fühlte mit einem Mal, wie dieses Bild ihn wärmte, wie es ihn sogar lächeln ließ. „Banshee hat eine wirklich gute Wirkung…“, lächelte er und er fühlte sich angenehm und wohl.
 

„Das hat sie ohne Frage“, erwiderte Aya und lockte die Kleine zu sich. Wenn sie hier war, war Farfarello garantiert nicht mehr weit, die Frage war nur wo. Doch was spielte es angesichts von Youjis Lächeln noch eine Rolle? „Sie ist die beste Sonnenschein-Droge, die es gibt, Kudou, das sage ich dir. Besonders für dich…du brauchst das. Und du brauchst eine große Portion Aya. Eine sehr große.“ Er warf einen Blick auf die Couch, wollte er doch eine der Decken zu ihnen ziehen. Doch soweit kam er gar nicht, als er Farfarello sah.
 

Jeis Blick war ruhig und beinahe schon gelassen auf die beiden vor dem Kamin gerichtet. Seine Beine waren an den Körper gezogen und sein Kopf lehnte bequem an seinen Knien.

Sein Blick nahm das Farbenspiel des Feuerscheins auf Yohjis Haar wahr, das abgewandte Gesicht welches wohl ein stilles Lächeln innehatte. Ruhe war in den Mann eingekehrt, Ruhe und Zufriedenheit. Wie seltsam war es, dass gerade letzteres das höchste Bestreben eines Menschen war…
 

Mit einem Mal wusste Aya, was ihn an diesem friedlichen Bild, dieser einvernehmlichen Stille zwischen ihnen dreien so störte. Der abrupte Wandel in Youjis Gefühlswelt konnte an Banshee liegen. Konnte, musste aber nicht. Denn hier gab es noch jemanden, der in der Lage war, gute Wirkungen zu erzielen.

„Youji…“, sagte er, plötzlich ernst und wand sich unter dem anderen Mann, schob ihn etwas von sich.

Der blonde Weiß tauchte aus seiner Gefühlswelt auf und sah ihm verwirrt, jedoch mit einem Lächeln in die Augen. Anzeichen genug für Aya, dass hier etwas ganz und gar nicht richtig lief.
 

Auch wenn ein kleiner Teil in ihm sich Youji genau so wünschte, so entspannt und froh, wusste er, dass es so falsch war.

„Hör auf, seine Gefühle zu manipulieren, Farfarello“, richtete er an den Empathen und sah ihm fest in die Augen. Gleichzeitig jedoch legte er Youji beruhigend eine Hand auf den Oberschenkel, als er sah, dass dieser überrascht herumfuhr.
 

„Was sagt dir, dass ich etwas getan habe?“, schickte Jei für seine Verhältnisse erstaunt zurück, dabei zeigte er dieses Erstaunen lediglich in einer gehobenen Braue.

„Vielleicht unterschätzt du die Wirkung der kleinen Katze.“ Und schon war Banshee auf dem Weg zu ihm und er nahm sie in einer raschen Bewegung vom Boden auf.

„Und … vielleicht … urteilst du zu schnell, nach Schwarz und Weiß. Wahrheit und Realität sind Maßstäbe, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Glaubst du zu wissen, was Realität und was Wahrheit ist?“

Farfarellos Gesicht lag im feurigen Schein und das helle Braun glimmte sacht wie Bernstein. Er beachtete Yohji gar nicht, ignorierte dessen Irritation.
 

Doch der blonde Mann starrte sie beide an. Farfarello wie auch Ran, nicht in der Lage, zu begreifen, was nun eigentlich Sache war.

"Ran?", bat er sichtlich verwirrt, vielleicht auch verstört um Erklärung des Ganzen, doch der rothaarige Japaner schüttelte nur kurz angebunden den Kopf.
 

"Ich werde es dir erklären…später", richtete Aya an ihn und wandte sich dann an Farfarello. "Ich glaube es nicht zu wissen. Ich kann es mir zusammenzählen", erwiderte er dem Iren. Nein, es war nicht Banshee gewesen, das sah er immer noch im Gesicht seines Freundes, der regelrecht verstört schien.

"Stopp! Stopp stopp stopp!", fuhr Youji im nächsten Moment dazwischen und fasste Aya am Oberarm. "Was soll das hier? Was geht hier vor? Gefühle manipulieren? RAN!"

Doch Aya sah nur bedeutungsvoll zu Farfarello, den Kiefer wütend aufeinander gepresst.
 

Jei ließ Banshee auf den Boden zurück, allerdings schien sie davon wenig begeistert zu sein, vor allem als er seine Beine von der Couch gleiten ließ.

„Ich verstehe nicht… warum so viel Rot in dir vorherrscht. In diesem Haus gab es nie derart viel davon. Keiner bringt mir diese Farbe entgegen. Vor allem nicht, wenn…“

Er sprach nicht weiter, sondern hielt inne als lausche er auf etwas anderes. Danach stand er auf und verließ das Erdgeschoss, ohne einen Blick auf die Beiden am Kamin zu werfen.

Warum … spürte er Wut bei dem anderen, wenn er wollte, dass sich der große Mann besser fühlte? Das verstand er nicht.
 

In dem Moment, in dem er den Schwarz die Treppe hinaufsteigen hörte, verstand Aya, auch wenn er dieses Wissen noch etwas unsicher annahm.

Wusste Farfarello nicht, was er tat? War er sich nicht bewusst, dass er mit Hilfe seiner Gabe etwas schenkte, das in dem Moment auf natürliche Art und Weise nicht da gewesen war?

Und was hatte er getan? Er war wieder vom Schlimmsten ausgegangen, war wütend gewesen, weil er Farfarello Absicht unterstellt hatte.

Farfarello hatte es als Geschenk gedacht…

Aya seufzte, fuhr sich mit der Hand übers Gesicht.

Er sah Youji in die Augen. Sah dessen absolute Verständnislosigkeit.
 

„Du musst mir versprechen, hiervon nichts…gar nichts Kritiker weiterzugeben. Niemandem, hörst du?

Farfarello ist in der Lage, deine Gefühle zu beeinflussen“, erklärte er schließlich. „Gerade eben, in Verbindung mit Banshee, hat er es getan.“
 

Das war…kurz und gut, ein Schlag in Youjis Magengrube. „Gerade eben?“, fragte er nach und wusste einen Moment später, was Ran damit meinte. Dieses kurze Wohlgefühl, die positiven Emotionen, die ihn durchströmt hatten, als er der Katze ansichtig wurde. Es hatte sich gut angefühlt, entspannt und positiv wie schon seit langem nicht mehr. Seit sehr langem…

Trotz allem Entsetzen, dass der Schwarz zu so etwas in der Lage war, sehnte er sich danach, es noch einmal zu fühlen. Zu fühlen, wie er sich seit langem nicht mehr gefühlt hatte.

„Warum hast du mir davon nichts gesagt, Ran?“
 

Der rothaarige Mann seufzte leise und schüttelte den Kopf. „Ich hatte nicht gedacht, dass es nötig wäre, Youji. Aber anscheinend hat er wirklichen Grund dazu gehabt…“

Youji runzelte die Stirn. „Na danke auch für deine Einschätzung!“, schmollte er, nicht wirklich böse mit seinem Freund, aber auch nicht wirklich böse mit dem Schwarz.

Wie auch bei Ran schon zuvor, verwirrte ihn diese menschliche Seite an dem unmenschlich brutalen Killer und machte ihm zum guten Teil auch Angst…
 

….weil er sie nicht kannte.

Und weil es Schwarz war, mit dem er hier zu tun hatte. Schwarz, die solange Jahre das Böse für sie verkörpert hatten. Schwarz, die ihnen nun näher kamen, als es ihnen allen vermutlich lieb war. Sie näherten sich scheinbar in allen Bereichen an. In menschlichen Ängsten, in Emotionen…in ihrer Art zu leben, die sich gar nicht so drastisch von der eigenen unterscheiden ließ.
 

Ein Stockwerk höher verfolgte der Grund dieser Unterhaltung eben diese auf seine ganz spezielle Art. Das Rot war verschwunden…es war verschwunden, kaum dass er aus dem Raum war, kaum dass der Rothaarige seiner nicht mehr ansichtig war. Aber was am Erstaunlichsten war … der Blonde mit den grünen Augen, die Schuldigs ähnelten, nur grüner, weniger blau waren, dieser war überhaupt nicht vom Rot beherrscht gewesen. Er war nicht von Wut erfüllt, nicht auf ihn.

Nagi hatte diese Anwandlungen auch, doch er bezog die Wut auf sich selbst. Er war nie auf Jei wütend, auch wenn er es gegenteilig äußerte, Jei kannte die Wahrheit.

In Gedanken versunken und die Farben bestimmend, die durch die beiden Männer in weichen Schlieren zogen, bemerkte er das nach Aufmerksamkeit heischende Streichen um seine Beine kaum, erst, als die Töne dazu sein Ohr erreichten, wandte er den Kopf nach unten und sah sich mit Banshee konfrontiert.
 

Aya konfrontierten ein Stockwerk tiefer ebenso grüne Augen und er ließ die Schultern in sich zusammensacken.

Ja, er hatte einen Fehler gemacht…nicht nur einen…und hatte prompt die Quittung dafür bekommen. Wie immer eigentlich.

Er schürzte die Lippen, wollte nichts sagen, konnte es auch gar nicht. Warum war er nicht in der Lage, das, was Youji betraf, richtig zu machen?

„Hey! Bläst du etwa Trübsinn?“, fragte Youji und hatte ihn plötzlich im Schwitzkasten, wuschelte ihm gnadenlos durch die Haare, während Aya wortwörtlich überfahren unter seinem Arm hing und sich weder wehren noch rühren konnte.

Erst nachdem sich der erste Schock gelegt hatte und Youji dazu überging, seine Seiten zu malträtieren, wand er sich in dessen Griff, lachte und grollte.

„Nein! Youji! Hör auf!“, zischte er, doch der blonde Mann dachte anscheinend nicht daran, so wie er ihn wehrlos hielt und ihm gute Laune eintrichterte.
 

Er war gegangen, weil diese Farben in die Stofflichkeit gebannt werden sollten. Und das tat er hiermit. Lautlos erklomm er die Treppe zum weitläufigen ausgebauten Dachgeschoss, welches ihm gänzlich zur Verfügung stand. Er hatte sich nie gefragt, warum er den meisten Platz im Haus für sich hatte. Vielleicht hatte Brad in einer emotionalen seltenen Anwandlung beschlossen, sein Gefängnis ansprechend zu gestalten. Denn die Welt dort draußen war nicht seine.

„Was hältst du von Rot?“, fragte er in keine bestimmte Richtung, meinte jedoch die kleine Katze neben ihm, die gerade damit begann, seine Zehen zu traktieren, die in Richtung Leinwand zeigten. „Überall ist Rot, sogar hier“
 

o~
 

„Ran…“
 

„Nein.“
 

„Raan…“
 

Ayas Blick wanderte demonstrativ wieder zum großen Fernsehen, auf dem gerade ein nicht wirklich interessanter Actionfilm lief. Es war die Sorte von Film, über die Youji und er sich immer lustig gemacht hatten, wenn ihnen so etwas in die Finger gekommen war. Die Szenerie interessierte ihn nicht wirklich, doch er musste Akzente setzen…seinen Standpunkt klar machen.
 

„Raan…“, lockte die Stimme neben ihm verführerisch, um dann jedoch in ein seichtes Schnurren zu geraten. „Man könnte fast meinen, dass du Angst vor mir hättest…“
 

„Überschätz dich nicht, Kudou“, grollte Aya zurück und verschränkte die Arme. Er hatte die Beine zu sich aufs Sofa gezogen und saß nun ebenso wie Youji auch nach ihrer kleinen Rangelei auf den weichen Kissen…

Jedoch am anderen Ende der Couch. Aus Protest, dass ihn der blonde Mann so gequält und ihm nicht einmal die Chance auf Gegenwehr gelassen hatte.
 

„Früher hast du nie so niedlich geschmollt“, feixte Yohji und der Kern dessen, was er gesagt hatte, traf den Nagel wirklich auf den Kopf. Ran war weniger verbissen, weniger introvertiert seit … ja seit wann?
 

Seitdem er sich besagtes Schmollen von jenem abwesenden Deutschen abgeschaut hatte, das dieser hin und wieder gegen ihn verwendete, wenn er etwas Bestimmtes wollte.

Dennoch…

„Ich schmolle nicht niedlich! Ich bin ernstlich sauer“,…schmollte er ein weiteres Mal, dieses Mal direkt in die Augen des anderen Mannes.
 

„Soso. Und warum genau?“, lächelte Yohji mit den Brauen wackelnd. Er wusste doch ganz genau, dass Ran seine „Aufmunterungsattacken“ insgeheim genossen hatte. „Ich dachte, du hättest mich eingeladen, damit ich dich in gewohnter Weise zum Lachen bringe? Nun ja… mit etwas abgewandelter Technik, das gebe ich zu.“
 

Aya erwiderte nichts darauf, eben weil er dem nicht wirklich etwas entgegen zu setzen hatte. Ja, Youji hatte Recht. In gewohnter Weise…fast gewohnt. Und gemocht hatte er es auch…aber es ging hier ums Prinzip! Und da hatte Youji ihn gnadenlos überfallen.

Er drehte sich wieder zum Fernseher, aber nicht ohne vorher etwas von „Gemein…“ zu murmeln und sich hinter seinen hochgezogenen Beinen zu vergraben.

Wann hatte er diese Position das letzte Mal eingenommen? Es musste bei Youji gewesen sein.
 


 

Ohne sich bemerkbar zu machen kam just in diesem Moment Jei wieder herab, trat noch im Schatten in den Raum und strebte seinen Platz in der Nähe des Kamins an. Er brachte einen Hauch von Farbe mit, der in der Luft lag und auch seine Schläfe zierte ein kleiner Streifen Rot. Doch dies wurde zum größten Teil von den überlangen Strähnen verdeckt die ihm fedrig bis auf die Wange fielen. Sonst war seine Kleidung auffällig sauber. Kein anderer Farbklecks hatte sich darauf verirrt. Nur das kleine Fellbündel das ihm folgte hatte im besagten Fell einige unauffällige Farbspritzer.
 

Weder Youji noch Aya bemerkten Farfarello, was unter anderem auch daran lag, dass Youji just in dem Moment einen zweiten Angriff auf den rothaarigen Japaner startete und ihn unter Protestmotzen an sich zog, jedoch seine Finger nicht mehr dazu benutzte, Ran zu traktieren, sondern ihm durch die lange Mähne zu wuscheln.

Der Widerspenstigen Zähmung…der Titel des Romans hätte glatt von ihm stammen können, so wie er es immer und immer wieder schaffte, diese gefährliche, menschenfressende Großkatze zu beruhigen und auf seine Seite zu ziehen.
 

Und wenn er ehrlich war, tat ihm Ran genauso gut, wie andersherum. Er fühlte sich beruhigt durch Rans Nähe, durch dessen Wärme und Freundschaft, in der sie hier schweigend saßen…umgarnt von einem leicht künstlichen Geruch. Youji konnte nicht genau sagen, was es war, es erinnerte ihn an Terpentin. Er zuckte innerlich mit den Schultern und widmete seine Aufmerksamkeit wieder Ran.
 

Es war interessant aber auch erstaunlich wie sich die beiden Männer zu einander verhielten. Aber vor allem wie wandelbar die Gefühle des Blonden mit den grünen Augen waren. Vor nicht mal zwei Stunden wirkten sie, als gäbe es nichts als bodenlose Schwärze und nun tschilpten bunte Vögel durch das Schwarz und erhellten das vormals dunkle Reich. Und er hatte noch nicht einmal nachgeholfen. Faszinierend.

Jei legte den Kopf schief und linste zwischen den Strähnen hindurch, die ihm die Sicht etwas beeinträchtigten doch ihn schien das kaum zu stören.
 

Youji langte nach den Chips, die vor ihnen auf dem niedrigen Tisch lagen und knabberte für diesen Moment zufrieden an dem salzigen Knabberzeug. Wie oft hatten Ran und er am Wochenende alleine oder mit Ken und Omi vor dem Fernseher gesessen und sich gemütliche Abende gemacht? Wie oft?

Und nun war wieder einer derjenigen…einer, der seine tiefe Unzufriedenheit und Depression in den Hintergrund drückte.

„Sag…hast du Bier da?“, fragte er Ran, der von dem mäßig spannenden Film zu ihm sah und nickte.

„Im Kühlschrank, Youji. Ich hole es dir.“
 

Noch während Aya aufstand, bemerkte er, dass sie nicht alleine waren. Banshee hatte sich von Farfarello loseisen können. Im nächsten Moment jedoch sah Aya, dass dem nicht so war. Farfarello war auch hier, saß von den Flammen beleuchtet am Kamin und hatte sie anscheinend beobachtet.

Wann er diesen Raum betreten hatte, war Aya schleierhaft. Trotz all dem verspürte er jedoch keinen Groll gegen den Iren.
 

„Hast du Hunger, Farfarello?“, fragte er und erwiderte den ihm entgegengebrachten Blick ruhig.
 

Dieser riss seinen Blick von dem Blonden los und seine Mundwinkel zogen sich nach unten. Es erstaunte und überforderte ihn in gewisser Weise, gerade jetzt mit dieser Frage konfrontiert zu sein. „Jetzt?“ Er überlegte einen Moment und schüttelte den Kopf. „Nein“

Warum fragte der Langhaarige ihn das?
 

Aya nickte und ertappte sich bei einem kleinen Lächeln, das einzig und alleine der Entspanntheit der ganzen Situation zu verdanken war.

Er wandte sich um und ließ einen aufgeschreckten Youji, eine sich schnurrend am Bein des Iren reibende Katze und einen verwirrten Iren zurück, um Youji und sich Bier zu holen…für Farfarello Wasser.
 

Während er in der Küche rumorte, saß Youji angespannt auf dem Sofa, starrte erst Ran hinterher, dann wieder zu Farfarello, der anscheinend immer wie aus dem Nichts auftauchte und plötzlich da war, so als könnte ihn kein Wässerchen trüben.

Auch wenn Youji unwohl bei der Situation war, so war er neugierig auf den Iren. Wenn er Gefühle manipulieren konnte…hieße das dann, dass er ein Empath war? Und warum stand das nicht in den Kritikerakten?
 

Jener Ire nahm seine Studien wieder auf und taxierte den Blonden wieder. Die unwillkommene Störung durch eine derart banale Frage… ob er Hunger hätte … rückte wieder in den Hintergrund seines Denkens. Er hatte seine ganze Aufmerksamkeit dem Mann auf der anderen Couch gewidmet, dessen Nervosität und Unwohlsein durch ihn wirbelten.
 

„Warum starrst du mich so an?“, fragte Youji misstrauisch. Er hatte sich immer noch nicht von der Couch erhoben, blieb jedoch wachsam gegenüber dem Verhalten des Iren.
 

Jetzt wurde es wirklich interessant…

„Weil es interessant ist wie du dich verhältst“, gab Jei zur Antwort und sann noch darüber nach, ob sie ihre Richtigkeit hatte. Hatte er mit diesem Satz alles gesagt, was er zum Ausdruck bringen wollte? Wie schwierig das doch alles war, das hätte er sich vorher nicht gedacht.
 

„Warum ist das so?“, fragte Youji. Farfarello verwirrte ihn mehr und mehr. „Was sollte an mir interessant sein?“

Hatte er am Telefon noch mit Aya gespaßt, dass er sich hier gegen zwei Raubtiere behaupten müsste, war es nun tatsächlich so, dass eines von ihnen ihn ins Visier genommen hatte. Ob das gut war…
 

„Warum nicht?“

Jei wandte sich seitlich zur Couchlehne und legte seinen Kopf darauf, machte es sich bequem. Die Wärme des Feuers machte ihn müde. „Du bist unstet, ständig wirbelt etwas Neues in dir auf.“
 

„Und was bedeutet das dann für dich? Was machst du, wenn du jemanden interessant findest?“, stellte Youji die Frage, die ihm eigentlich schon von Anfang an in den Gedanken herumspukte. Wie würde der Ire sich verhalten? Inwieweit bedeutete das Gefahr für ihn?
 

Ein kleines wissendes, durchschauendes Lächeln zierte die Lippen. „Bisher fand ich noch niemanden interessant.“

Jei schmiegte sich weiter an die Lehne und zog seine Arme an sich. Sein Blick glitt über das Gesicht des Anderen, über die Lippen, das weich aussehende im Feuer schimmernde Haar.
 

Das war nicht wirklich die Antwort, die sich Youji erhofft hatte, beruhigte sie ihn doch nicht wirklich. Er war also das erste Versuchskaninchen für dieses Experiment. War das gut oder schlecht?

Auch er analysierte das Gesicht des Iren, das ihn ruhig maß. Farfarellos Haare waren länger geworden und hingen ihm fransig ins Gesicht. Die Augenklappe, die er dazu trug, verlieh ihm das Aussehen eines Piraten.

Sah man einmal davon ab, dass dieser Mann sein Gegner, früherer Feind und ein unberechenbarer Killer war, war er durchaus attraktiv. Die Art von Mann, die Youji auch in sein Bett holen…und nicht gleich nach der ersten Nacht von der Bettkante schubsen würde.

„Was hast du jetzt vor?“
 

„Hast du…Angst?“

Wieder dieses hintergründige Lächeln. Eine provozierende Frage, denn wer konnte einem Empathen schon vorenthalten, ob er Angst hatte oder nicht. Aber hier ging es eher um eine hintergründige Angst vor ihm. Die Jei jedoch erkannte, versteckt hinter den anderen Farben.
 

„Vielleicht. Vielleicht auch nicht…“, ließ sich Youji auf das nebulöse Spiel, das sie beide hier spielten, ein, doch auch er wusste, wie überflüssig diese Antwort eigentlich war.

Lieber konzentrierte er sich da auf Aya, der nun mit dem richtig guten Zeug bewaffnet, wieder zu ihnen zurückkam.

Das Bier stellte er bei ihnen ab, während er das Glas Wasser, über das Youji sich gewundert hatte, zu Farfarello brachte und es dem anderen Mann anbot.
 

Das dieser annahm. Er blickte verwundert auf und nahm das Glas mit einem fragenden Blick entgegen. Sich aufsetzend und die Beine wieder lässig auf den Boden absetzend, nahm Jei einen kleinen Schluck seines Wassers, die beiden Männer unter ständiger Beobachtung haltend.
 

Youji war gelinde gesagt erstaunt, wie Ran und Farfarello miteinander umgingen. Es schien, als würde er zum ersten Mal wirklich begreifen, was es bedeutete, dass ihr Anführer durch seine Beziehung zu Schuldig einen Einblick in das andere Team erhalten hatte. Wäre vor drei Monaten noch eine solche Begegnung, wie sie hier stattfand, möglich gewesen?

Nein.
 

Ran kam wieder zu ihm zurück und setzte sich auf die Couch, ließ sich gegen ihn fallen, auf den Lippen ein leichtes Lächeln. Youji runzelte die Stirn, warf einen letzten Blick zu Farfarello und konzentrierte sich auf den Film. Versuchte es.
 

Ja er versuchte es. Jei spürte dieses Unwohlsein, welches den Blonden zu irritieren schien. Hin und wieder trank er einen Schluck Wasser, beobachtete das Verhalten, das positive Gefühl welches von dem Langhaarigen kam. Er verstand gar nicht, wie die beiden sich mit einem Film unterhalten konnten. Viel aufregender schienen für Jei die Farben zu sein, die durch die Männer flimmerten.
 

Wirklich unterhalten wurden Aya und Youji durch den Film nicht, vielmehr ärgerten sie sich gegenseitig durch verbale und körperliche Sticheleien. Sie hatten Sehnsucht nacheinander gehabt, das wussten sowohl Youji als auch Aya, denn so wie sie hier aufeinander gluckten und all das im Schnelldurchgang nachholten, was sie bei Weiß vorsichtig und in Maßen getan hatten, ähnelte das doch dem Verhalten von Süchtigen.

Und zumindest Aya vergaß Farfarello in diesem Moment vollkommen. Youji jedoch nahm die Präsenz in seinem Rücken immer mit einem wachsamen Auge wahr.
 

Doch diese Präsenz verlor nach vielen Momenten der anstrengenden Beobachtungen langsam das brennende Interesse. Das Glas hatte seinen Weg auf den Boden gefunden, die Beine des Empathen wurden auf die Couch gezogen und selbiger lehnte erneut an der Rücklehne der Couch. Das Auge halb geschlossen, döste Jei vor sich hin. Allerdings schlief er nicht, sondern hielt eine Art Wachschlaf, der ihm gestattete, sich zu erholen und dennoch seine Fähigkeiten auszuüben, um etwaige Gefahren schneller zu erkennen. Er war sogar besser als Schuldig in dieser ‚Wachhundfunktion’.
 

„Du schläfst!“, murrte Aya nach einiger Zeit, als der tiefe, ruhige Atem Youjis seinen Nacken kitzelte. Und tatsächlich, es kam keinerlei Antwort von dem blonden Mann. Eingeschlafen…das, obwohl er sein Bier noch nicht einmal zur Hälfte ausgetrunken hatte. Aya lächelte in sich hinein und langte lautlos nach der Fernbedienung, schaltete den Fernseher ab.

Er warf einen Blick hinter sich und siehe da. Kaum zu glauben, doch wahr…Farfarello döste ebenso wie Youji auch. Aya schüttelte den Kopf und entwirrte sich aus Youjis Griff. Es schien, als würde das wirken.

Verschlafene grüne Augen richteten sich zunächst ohne Erkennen, dann mit einem Grinsen auf ihn und Youji streckte sich.

„Zeit, ins Bett zu gehen, was?“, gähnte er und kämpfte sich aus den weichen Kissen heraus, nur um einen Moment später leise zu lachen.
 

Er hatte Farfarello gesehen, wie er dort saß, an die Rückenlehne gekuschelt, das Auge geschlossen…auf seinem Schoß Banshee, die ebenso schlief.

„Irgendwie niedlich, was?“, wandte er sich an Aya, der das nur bestätigen konnte. „Man könnte die glatt mit ins Bett nehmen, so wie sie jetzt sind, die beiden Raubtiere.“
 

Aya sah Youji von der Seite an. „Soso. Willst du mich also auch verlassen, Verräter?“

Der blonde Mann riss gespielt entsetzt die Augen auf. „Aber RAN! Das würde ich NIE tun!“
 

Aya grollte. „Na das will ich auch hoffen!“
 

Youji hakte sich bei seinem Despoten ein und ließ sich von ihm ins Schlafzimmer ziehen. Es war klar, dass sie gemeinsam schliefen…das hatten sie so lange nicht mehr getan.
 

Während die beiden sich ins Bett begaben, noch etwas im Bad rumorten öffnete sich eben das Lid des schlafend geglaubten und Jei verfolgte das Geschehen auf seine eigene Art.

Als wären die beiden wie die unterschiedlichen Farben eines Wärmescanners sichtbar, nur auf eine andere Weise in seiner Wahrnehmung, so verfolgte er, wie sich Ran und Yohji zur Ruhe begaben. Erst dann nahm er seinen Wachschlaf wieder auf und sein Auge schloss sich langsam.
 

Es dauerte etwas, bis Youji und Aya sich soweit fertig gemacht hatten, dass sie zusammen unter die Bettdecke kriechen konnten. Es war trotz des nahenden Frühlings kalt.

Aya schauderte und vergrub sich tief in den weichen Federn, Youji zugewandt. Der andere Mann sah fertig aus mit seinen tiefen Augenrändern und der bleichen Gesichtsfarbe. Sehr fertig.
 

„Weißt du was wirklich pervers ist?“

Yohji drehte sich auf den Rücken, boxte sich das Kissen bequemer und ließ seine Hände über dem Kopf um das Kissen geschlungen. Seine Augen schmälerten sich und starrten nachdenklich an die Decke, als würden sie die Maserung des Holzes dort oben erforschen.
 

„Nein, aber ich bin sicher, du wirst es mir gleich sagen“, erwiderte Aya amüsiert und betrachtete sich das Profil des blonden Mannes. Youji war dünner geworden. Sehr viel dünner als vorher.

Aya ließ sich das durch den Kopf gehen und kam auf eine Idee…
 

„Ich finde es furchtbar und verteufelt, aber dieser Ort hier ist sicherer als jeder Ort den ich bisher kennen gelernt habe. Und rate Mal warum dies so ist!“ Es war tatsächlich so. Was sollte ihnen hier schon passieren?

„Weißt du… ich meine… klar können wir auf uns achten, wir sind keine Neulinge im Geschäft, aber es ist nie so, dass wir gänzlich sicher sein können, niemals. Nie.“ Nur hier… hier war die Chance groß, dass sie es waren. „Was kann man einem Empathen schon verheimlichen? Wie soll man sich anschleichen können?“

Irgendwie war das verwirrend. „Dass ausgerechnet der Ire hier geblieben ist… warum haben sie ihn nicht auf den Einsatz mitgenommen?“
 

Aya ließ sich das Gesagte noch einmal durch den Kopf gehen. Sicherer, als anderswo. Das stimmte. Allerdings nur, wenn der Rest von Schwarz nicht auch anwesend war. Zumindest der große, böse Amerikaner. Das von ihm verachtete Orakel.

Doch alleine mit Farfarello…

„Ich weiß nicht, Youji. Vielleicht, weil er nicht ins Konzept gepasst hat. Er ist auffällig in seiner Erscheinung. Wer weiß, was Schwarz für einen Auftrag haben?

Oder er ist zu unberechenbar. Du kennst ihn doch auch noch. Mordlustig, blutrünstig…das ist seine andere Seite.“
 

„Ja stimmt. Deshalb finde ich es merkwürdig, dass er so… naja anders ist. Er tut nichts. Er rastet nicht aus wie wir ihn kennen gelernt haben. Das ist doch seltsam. Und trotzdem fühle ich keine Gefahr. Du weißt schon… das ‚Ausschlagen’ der Instinkte … das Prickeln im Nacken, das dir sagt, dass dein Hintern zu nah überm Feuer hängt. Es fehlt hier. Das Haus ist groß, nicht protzig, es wirkt ruhig … naja nicht kalt, wie ich es gedacht hätte, sondern normal. Irgendwie.“ Er konnte es nicht erklären, nicht gut zumindest.
 

„Vielleicht ist das Haus Spiegelbild seiner Bewohner, wer weiß das schon? Was wissen wir denn schon von Schwarz? Rein gar nichts. Oder vielmehr das, was sie uns auf Aufträgen gezeigt haben, nicht mehr, nicht weniger. Das schließt das Privatleben aus. Und das kommt jetzt, mit der Zeit.

Farfarello ist seltsam, Youji. Aber irgendwie auch interessant in seinen Verhaltensweisen, die manchmal den eigenen so sehr ähneln.“

Ayas Blick folgte dem Youjis an der Zimmerdecke und er runzelte die Stirn. War das denn ein Wunder? Farfarello war Empath. Er spiegelte die Emotionen der Menschen, die mit ihm umgingen.
 

„Ach, was soll’s. Hast du abgesperrt?“, fragte Yohji und grinste etwas schräg, da er zuvor noch gesagt hatte, er fühle sich sicher, doch die Waffe war griffbereit in der Nähe und die Tür…?
 

„Du hast Schiss, Kudou“, bemerkte Aya mit einigem Erstaunen. Nein, er hatte nicht daran gedacht abzuschließen, auch wenn er es in den ersten Tagen durchaus getan hatte. Aber gut…wenn der blonde Mann sich dadurch besser fühlte.

Ächzend kämpfte sich Aya aus den Federn und ging zur Tür, drehte den Schlüssel einmal herum und lächelte spöttisch. „Zufrieden, Angsthase?“

Er krabbelte wieder in die Kissen und fröstelte unter der Decke. „Aber jetzt zu dir, Youji. Dir ist ja wohl klar, dass du bei Schuldig einziehen wirst, sobald er wieder da ist, damit ich ein Auge auf dich haben kann, oder?“
 

„Ja klar, dass ist ja auch der Grund dafür, dass du nicht absperren willst, schließlich bist du mit einem von denen zusammen“, schnaubte Yohji gespielt eingeschnappt und verzog den Mund abfällig. Und dann legte sich sein Kopf auf dem Kissen schief und er zog zunächst die Brauen erstaunt hoch bevor er in schallendes Gelächter ausbrach.

„Gott… der war gut, wo hast du nur diese Witze her?! Muss wohl der Einfluss des Deutschen sein, was?“
 

Aya lächelte ruhig und robbte sich ein Stück mehr zu Youji. „Witz? Youji, das war kein Witz“, sagte er bierernst. „Du siehst schlimm aus, hast so dunkle Augenringe, als wolltest du jedem Zombie Konkurrenz machen, du hast abgenommen und wirkst erschöpft. Und ganz nebenher sagst du das auch noch. Ich kann eins und eins zusammenzählen, also will ich dich unter meinen Fittichen haben. Ich werde das schon mit Schuldig regeln. In dem Bett ist auch Platz für drei. Und damit du nachts nicht abhaust, schläft Schuldig links und ich rechts von dir. Passt doch alles.“
 

Yohji wandte seinen Kopf ab, kicherte leise. Hier vermischte sich purer Ernst mit Lächerlichkeit und er wusste nicht, ob er dem schmerzhaften Ziehen in seinem Inneren nachgeben oder einfach nur lauthals lachen sollte – damit er nicht heulen musste.

„Ich wusste, dass du keinen Sinn für Humor hast, dumm von mir zu behaupten, es wäre ein Witz gewesen.“
 

Aya zog an Youjis Oberarm…zog kräftig daran und den anderen Mann zu sich. Er kannte Youji lange genug um dessen Stimmung einschätzen zu können. Deswegen stieß es ihn wie nichts anderes in ein Tief, seinen Freund so zu sehen.

„Sieh mir in die Augen, Kudou“, knurrte er leise und zog dessen Kinn zu sich. „Ich will nicht, dass es dir schlecht geht und ich werde das, was ich tun kann, tun, damit ich dich nicht so sehen muss, hörst du?“
 

Es fiel Yohji schwer diesem zwingenden Blick stand zu halten. Sanft entzog er sich den Fingern die sein Kinn dirigierten.

„Und wie genau sieht das aus?“, wollte er wissen und er konnte den schützenden Zynismus den er um sich gelegt hatte nicht vermeiden. Er brauchte ihn. Zwingend.
 

„Ich tue, was ich kann, um dich wieder herzustellen“, entgegnete Aya ernst. „Und wenn es sein muss, komme ich ins Koneko zurück.“ Sein Blick war immer noch nicht von seinem Freund gewichen, auch wenn dieser ebenso wie Schuldig auch wie ein in die Enge getriebenes Tier um sich schlug…mit Sarkasmus und beißenden Kommentaren. Doch Aya meinte es ernst. Er wollte Schuldig…doch er wollte auch Youji als Freund nicht verlieren.
 

Genau das spürte auch Yohji als er nach einem langen Blick in die violetten Iriden einlenkte und sogar ein Lächeln zustande brachte. Kein Herzensbrecherlächeln, sondern ein echtes, ein sanftes.

„Hör auf damit, Ran. Das wäre absoluter Unsinn und das weißt du. Ich weiß deine Sorge zu schätzen und auch wenn du im Koneko wärst, was würde es ändern?“

Er seufzte und strich Ran mit zwei Fingern über die Wange. „Was ist das für eine Suche… dass du ständig zwischen zwei Menschen wählen willst? Hast du das nicht eben gerade hinter dich gebracht?“ Denn genau dies würde Ran müssen, wenn er zurück ins Koneko ging, zurück zu Kritiker, zurück zum alten Leben, zurück in die Knechtschaft.
 

„Ich will einfach niemanden mehr verlieren, der mir etwas bedeutet!“, begehrte Aya auf, emotional und abrupt, Feuchtigkeit in den Augen, die eigentlich nicht dort sein sollte. Sein Blick kehrte zurück zur Decke, suchte um Ruhe in der eigenwilligen Maserung.

Er vermisste seine Schwester, auch jetzt noch, auch wenn diese klaffende Wunde in seinem Herzen nach und nach verheilte. Eine Narbe würde aber dennoch bleiben und an Tagen wie solchen schmerzte der Prozess der Vernarbung. Manchmal mehr, manchmal weniger, aber immer dumpf und drückend.

„Dir geht es nicht gut, seitdem ich nicht mehr da bin“, erklärte er der Decke über sich. „Selbst Omi sagt das. Und wenn die einzige Möglichkeit, dem zu entkommen, eine Rückkehr ins Koneko ist, dann werde ich das tun.“
 

„Red keinen Scheiß“, setzte sich Yohji nun auf, seiner Ruhe beraubt. „Weißt du überhaupt, was du mir mit deiner Rückkehr aufbürden würdest? Endlich bist du …frei und du kämst wegen mir zurück in eine Knechtschaft, die aus Blut und totem Fleisch geschmiedet ist? Es liegt nicht an dir, dass es mir nicht gut geht, wie du dich ausdrückst. Niemand ist daran schuld. Es ist einfach der Job. Er frisst mich auf und ich weiß einfach nicht mehr wie ich es kompensieren kann.“ Er zog die Beine an sich und legte seine Hände um den weißen Stoff des leinenen Betttuches. „Es ging mir früher schon schlecht. Auch als du da warst. Aber … was sollte ich das zeigen, du hattest deine eigenen Probleme, wie wir alle.“
 

Aya schwieg. Was sollte er auch darauf antworten? Ja, ihnen allen war es schlecht gegangen, sie alle waren dabei draufzugehen. Und jetzt…jetzt hatte er sich lösen können und hatte ein Stück weit miterleben können, wie sich Glück anfühlte. Nur um mitanzusehen, wie sein Team, für das er verantwortlich war, langsam auseinanderbrach, weil sie mit ihrer Bürde nicht mehr fertig wurden.

Aya presste die Unterarme auf seine Augen. Er fühlte sich schlecht, grottenschlecht.
 

Minuten der Stille vergingen in denen keine Antwort von Ran kam, wie Yohji schon befürchtet hatte. Eine solch offene Aussprache der Dinge hatte Ran noch nie sonderlich gut verkraftet, vor allem nicht wenn sie so wütend…und von ihm kam. Er schien Ran etwas zu bedeuten, sehr viel sogar, denn immer, wenn Yohji derart wütend wurde, zog sich Ran zurück, als mache es ihm tatsächlich etwas aus.

Er blickte zu Ran, dessen Augen hinter dem Schild aus seinen Armen verborgen waren.

„Ran?“, fragte er leise aber mit fester Stimme.
 

Aya schüttelte schweigend den Kopf. Lass mich, es wird gleich wieder, sollte das heißen. Er brauchte nur einen Moment, um zu seiner ursprünglichen Fassung zurückzufinden. Nur einen Moment noch um sich zu beherrschen und wieder der Alte zu sein.

Wie sehr war ihm doch bewusst geworden, dass er ohne das Glück, das Schuldig um ihn herum verbreitete, nichts weiter als ein Ball aus Sorge und Trauer war. Er hatte seine Augen vor dem Unglück seines Teams verschlossen, nur um sich selbst besser zu fühlen. Würde es ihnen also auch irgendwann so gehen wie seiner Schwester?

Würden sie wegsterben, durch seine Schuld? Wäre er dann ganz allein? Seine Nägel gruben sich in die Handballen, versuchten mit Schmerz zu kompensieren, was ihm Schmerz zufügte.
 

Wie labil der andere Mann tatsächlich war, erfuhr Yohji nun als er das sachte Beben welches durch den Leib neben ihm fuhr bemerkte.

Ein trauriges Lächeln legte sich auf seine Lippen. Es war wirklich gut gewesen, dass Ran nach dem Tod seiner Schwester fort zu dem Deutschen gegangen war. Es war besser, viel besser.

Sie hätten alle fort gehen sollen. Irgendwo hin.

Yohji lehnte sich zu der Nachttischlampe und löschte das weiche Licht welches sie verströmte.

„Hey, Großer…“, raunte er sanft, während sich sein Arm wie ein Dieb unter Rans Schulter schob genau unter die Stelle, wo das Kissen begann, sodass er leichter hindurch kam. Seinen Kopf bettete er auf die Brust und sein Bein umschlang das von Ran über der Decke.
 

Es schien, als hätte Youji genau das Richtige getan mit seinem direkten Kontakt zu Aya…mit der Dunkelheit, die sie nun umströmte.

Langsam…sehr langsam löste er seine Arme, umso schneller jedoch fanden eben diese Youjis Körper und drückten ihn in einer verzweifelten Geste an sich. Aya atmete zittrig ein, mit der gleichen Tränenschwere, die er gerade noch vor Youji hatte verbergen wollen.

Einzig seine Lippen zitterten, als er lautlos weinte, die Emotionen so plötzlich überkochten, dass er ihnen kaum folgen konnte.
 

Yohji schloss die Augen. Ran brauchte den Trost dringender als er, so verzweifelt wie die Arme sich um ihn schlossen. Er spürte Rans Kinn an seiner Stirn, die teils hastigen Atemzüge und dann das Resultat davon – die salzige Nässe unter seinen Fingern, als er Ran über die Schläfe strich, wohlwissend, was er dort finden würde. Er beließ seine Hand dort, strich sanft über den Haaransatz.
 

„Ich will doch nur das Beste für uns alle…“, flüsterte Aya. „Warum geht das nicht, Youji? Warum kann ich euch da nicht rausholen?“

Er presste die Lider eisern aufeinander, teils aus Verzweiflung, teils aus Schmerz. Er vergrub sein Gesicht in Youjis Haaren, suchte Trost in dem vertrauten Geruch.

„Und jetzt bin ich derjenige, der heult…und nicht der, der dafür sorgt, dass es besser wird…“
 

„Warum du uns da nicht rausholen kannst? Weil jeder von mit seinen eigenen Ketten an Kritiker gefesselt ist, mit dem nur für ihn passenden Schloss, Ran. Kein anderer kann dieses Schloss knacken. Auch du nicht.“ Jeder von ihnen hatte sich selbst an Kritiker gefesselt, das war die Antwort und beide wussten dies.
 

Es schien einleuchtend…und dennoch war es nur ein geringer Trost. Denn das Endergebnis blieb das Gleiche, auch wenn die Verantwortung dafür abgegeben worden war.

Aya öffnete der Dunkelheit seine Augen und starrte nichts sehend in den Raum hinein, während ihm immer noch Tränen aus den Augen flohen. Er sprach nicht, wusste, dass seine Worte nichts ausrichten konnten, so ließ er sie in seinem Inneren herumwirbeln.
 

Yohji teilte das Schweigen und erst nach einer Weile musste er an etwas denken welches ihm ein kleines gemeines Lächeln auf die Lippen legte.

„Der Telepathenbällchenmann wird ziemlich sauer werden, wenn er rausfindet wie wir hier liegen, meinst du nicht auch?“, wisperte er hinterhältig. Er wollte nicht, dass Ran noch weiter düsteren Gedanken nachhing, auch wenn es ihm mit Sicherheit gut tat, den Druck loszuwerden der sich in ihm aufgestaut hatte.
 

„Das ist mir egal“, murmelte Aya und machte keinerlei Anstalten, Youji loszulassen. „Er weiß, wie es gemeint ist und wenn er meint, deswegen eifersüchtig zu sein, werde ich ihm das schon austreiben!“

Und wie Youjis Methode des Ablenkens funktionierte. Denn Aya konnte sich nach und nach den depressiven Gedanken lösen, die ihn umgaben. Er konnte sich auf den Mann neben sich konzentrieren, auf die lang vermisste Nähe, die ihn beruhigte…mehr als das.



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