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Der Glasgarten

von

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Wollen und Haben

~ Wollen und Haben ~
 


 

Ein Blinzeln war das einzige, äußere Anzeichen für den Schmerz, der sich so stetig durch seine Hirnwindungen fraß.

Er war schon oft bedroht worden, doch das war neu. Eigentlich interessant, wäre es nicht so gefährlich… selbst für ihn.

‚Ich habe keinerlei Beweise, dass Sie den Jungen beschützt haben und somit kann ich Ihnen auch keine Wiedergutmachung zusprechen.’ Seine Augen bohrten sich in die des anderen. Worte waren in ihrem Geschäft nichts. Was zählte, waren Tatsachen.
 

Schuldig fühlte sich in diesem Moment bleiern schwer. Weshalb war dieser Typ nur derart halsstarrig?

Er spürte einen stechenden Blick im Nacken und wähnte sich unter Rans Argusaugen… apropos Starrköpfigkeit.

„Glauben Sie Akihito? Oder ist selbst sein Wort nichtig?“ Schuldig lächelte spöttisch. ‚Sagen Sie nichts, ich fürchte, ich kenne die Antwort’, schickte Schuldig in Gedanken zu dem Yakuza Boss.

‚Brad, er rückt nichts raus, wir sollten gehen. Ich habe keinen Bock auf Stress.’ Schuldig wollte sich erheben.
 

‚Warte. Lass ihn. Er ist Geschäftsmann.’
 

‚Wir haben ihm aber nichts anzubieten, wie er sagt.’
 

‚Vielleicht sollten wir ihm unsere Hilfe anbieten, falls die Gruppierung seine Gefilde streift und ihn angreift?’
 

Nein, Akihitos Wort war meist nicht nichtig… aber dazu musste der Junge erst einmal etwas darüber äußern, was passiert war… was er bisher nicht getan hatte. Und Asami würde es von sich aus nicht ansprechen.

Stille breitete sich in dem Raum aus, war ein paar Minuten zwischen ihnen, bevor sich Asami trotz der Schmerzen hinter seiner Schädeldecke aufrichtete und sich straffte.

„Sie wären nicht hier, wenn Sie diese Aufgabe alleine bewältigen könnten oder zumindest davon überzeugt wären. Das heißt, Sie wollen Unterstützung der Unterwelt um ein Netzwerk aufzubauen, das stärker ist als die unbekannte Gruppierung.“ Asami war ruhig, jedoch angespannt.
 

Schuldig hatte die Umklammerung von Asamis Geist gelöst. Brad erhob sich nach einem kurzen Blick auf Asamis Männer und trat mit etwas Abstand an das Fenster heran, wandte dem Raum den Rücken zu.

„Wir sind Schatten in… der sogenannten Unterwelt und möchten… es bleiben. Wir legen keinen Wert auf ein Ranking um den Spitzenplatz im Untergrund. Es geht uns nur darum, zu wissen, wer dieser Mann war, der Sie um Ihre Hilfe gebeten hat. Das ist alles. Ein Name, eine Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Nicht mehr. Keine groß angelegte Informationssammlung. Das …könnten wir selbst durchführen.“
 

Schuldig blickte zu Asami auf und machte es sich ein wenig gemütlicher auf seinem Platz.

„Ich könnte mir diese Information direkt holen“, er tippte sich an die Schläfe. „…was Sie jedoch ganz und gar nicht erfreut stimmen wird und wir möchten Sie nicht zum Feind haben. Wir wollen unsere Ruhe. Und deshalb sind wir über den normalen Weg zu Ihnen gekommen. Mittels eines Termins, mittels der von ihnen vorgeschriebenen Wartezeit und persönlich. Wir haben es nicht nötig, uns auf diesem ‚normalen’ Weg mit ihnen zu treffen. Dennoch taten wir es, um Ihnen zu zeigen, wie aufrichtig und auch wie ernst wir es meinen. Und… dass diese Bedrohung in Kürze auch Sie betreffen wird und…“
 

„… eine Warnung…“, Brads Stimme klang monoton und kühl aus dem Hintergrund und stand Asamis in Nichts nach.

„Eine Warnung sollte in diesen Zeiten und in unseren Kreisen ein willkommenes Geschenk sein, meinen Sie nicht?“ Brad wandte sich um, sein Blick flüchtig auf die Tür gerichtet.
 

Schuldig sprang auf diesen Zug mit auf und las Brads Gedanken: „Diese Gruppe greift bevorzugt DAS an, was einem lieb und teuer ist. Sie werden nicht Ihr Imperium angreifen, oder das, was Sie sich aufgebaut haben. Dennoch wird es sehr wehtun. Aber… das wissen Sie bereits.“
 

Wehtun…

Asami hatte diesen Begriff vor langer Zeit aufgegeben. Schmerzen waren Schwäche, schon immer gewesen. Schwäche kannte er nicht mehr… zumindest glaubte er das und redete es sich ein, seitdem Akihito mehr für ihn geworden war als ein harmloser Zeitvertreib, den er sich in sein Bett holte, wann er wollte.

Besonders nach China hatte Asami gelernt, dass dies ohne weiteres nicht mehr möglich war, es sei denn, er wollte dem Jungen ernsthafte Schmerzen zufügen. Es war irritierend für ihn, nicht das zu bekommen, was er wollte und wann er es wollte.
 

Eine blasse Hand schob ihm ein paar Bilder über den Tisch und Asami blickte arrogant in kalte, violette Augen.

„Stellen Sie sich vor, Asami, der Mann da draußen würde so zugerichtet werden. Eine schöne Vorstellung, nicht wahr? Das Blut dürfte Ihnen doch gefallen“, drangen Worte aus dem Mund Abyssinians, die Asami laut auflachen ließen.

„Der weiße Ritter. Passen Sie auf, Fujimiya-san, dass Sie nicht irgendwann Opfer Ihres losen Mundwerkes werden und dass es Ihnen nicht eines Tages auf höchst angenehme Art und Weise gestopft wird.“

Er wandte sich zu den beiden anderen.

„Eine Warnung ist ein willkommenes Geschenk, aber die Wahrheit ist willkommener. Ich suche mir meine Geschäftspartner sehr sorgfältig aus… angenommen, ich gebe Ihnen diese Information freiwillig, was passiert dann weiter?“
 

„Passiert?“

Schuldig zog ein fragendes Gesicht.
 

Brad trat einen Schritt näher an Asami und die Bilder heran, hob eine der Fotografien auf.

„Nichts. Wir gehen der Sache nach. Denn augenscheinlich hat er Sie belogen. Schuldig kannte diesen Mann nicht. Er hat sich jedoch als dessen… Besitzer ausgegeben. Eine glatte Lüge. Welche Beweggründe ihn dazu veranlassten, möchten wir von ihm persönlich erfahren. Sie werden nicht in diese Sache mit hineingezogen, falls Sie dies wünschen.“
 

„Ich wünsche mir Ruhe in meinem Imperium, das ist alles.“ Asami erhob sich und schlenderte zu seinem Schreibtisch, legte seine Hand leger auf eine der vielen Akten auf dem Tisch.

„Er hat sich mit Familiennamen vorgestellt und andere Informationen, als dass Ihr Telepath sein Besitz sei, habe ich auch nicht.“

Asami lächelte. „Er war ähnlich aufsässig wie Abyssinian.“

Ein dunkler Blick traf ihn… Beweis für Ayas legendäre Selbstbeherrschung.
 

Ah… Schuldig schmunzelte. „Wir wünschen uns alle das Selbe. Ruhe.“

Offenbar fiel Ran in Asamis Beuteschema. Und das nicht erst seit heute. Interessant…

Warum fand er das nur befriedigend?
 

„Spricht von Ihrer Seite etwas dagegen, wenn wir diesen Familiennamen erfahren? Und…“ Brad lächelte sardonisch in die Skyline der Stadt hinaus. Ein herrlicher Ausblick. Asami spielte in der gleichen Liga wie er, das spürte er. Sie waren sich jedoch zu ähnlich, als dass sie es wagen würden, ins Revier des anderen einzufallen oder dies von dem jeweils anderen zu dulden.

„… hält dieser Name Nachforschungen stand? Oder glauben Sie eher an einen fiktiven Namen?“
 

„Der Name sollte Ihnen nicht unbekannt sein“, lächelte Asami dunkel. „Der Sakurakawa-Clan ist eine der drei Stützen der japanischen Yakuza.“

Langsam schlenderte er zum Tisch zurück und hob ein anderes der Bilder auf, besah es sich ausgiebig.

„Kawamori Satoshi hieß der junge Mann. Ein nichtssagender Japaner. Vom Verhalten arrogant und stur, jedoch opportunistisch.“ Ein amüsierter Blick traf den rothaarigen Japaner, dessen Augen Asami schier aufspießten.
 

Was hatten die beiden doch alles gemein, Crawford und Asami… dachte sich Aya in diesem Moment. Beide großkotzig, arrogant, als läge ihnen die Welt zu Füßen. Und doch waren sie anders, auch wenn Aya den Unterschied nicht genau ausmachen konnte. Die Gemeinsamkeiten stachen da mehr heraus.
 

„Sakurakawa?“

Schuldig stutzte und sein Gesicht drückte deutliches Erstaunen aus.
 

‚Es passt zur Einladung, die wir aus dem Handtäschchen der Frau gezogen haben. Die Kreise, in denen dieser Clan verkehrt, sind die gleichen’, gab ihm Crawford zu verstehen.
 

„Sie sind sehr konservativ angehaucht“, murmelte Schuldig und untertrieb damit gewaltig.
 

„Konservativ und nationalistisch. Sie würden in diesem Clan keinen Fuß fassen. Die Frage ist, warum ausgerechnet dieser Clan Interesse daran hätte, Ihren Telepathen zu befreien…“

Asamis Blick verweilte auf Schuldig. „…und ihn freizulassen.“ Wäre er selbst einer solchen Möglichkeit habhaft geworden, hätte er nicht lange gezögert.
 

Brads Kiefermuskeln arbeiteten. Er hatte sich noch nicht umgedreht, blickte immer noch über die Skyline, sein Blick verfolgte die von der Sonne halbzerfressenen Wolken, die nunmehr in Fetzen ihr Dasein fristeten und dies wohl auch nicht mehr lange.

Es würde ein heißer Tag werden.

„Sie sagten, er sei opportunistisch. Er agiert aus eigenem Interesse“, Brads Blick ging in die Weite, er hatte das Gefühl mit seiner Antwort richtig zu liegen, doch es stellte sich keine Vision dazu sein. Das Gefühl jedoch blieb.
 

Schuldigs Blick ging zu Brad hinüber aufgrund dieser endgültigen Antwort, er zog eine Braue in die Höhe. ‚Eine Vision?’
 

‚Nein.’
 

Schuldig wandte sich an Ran, legte den Kopf ganz der Hofnarr, der er war in den Nacken. „Weißt du etwas von Ihnen, außer dass sie Ausländern eher unfreundlich gesinnt sind?“ Was dafür sprach, dass Schwarz das Ziel waren.
 

„Sie sind im Gegensatz zu anderen Yakuzaspitzen eher ruhig, beteiligen sich mehr an Familienfesten und Wohltätigkeitsorganisationen. Sie sichern sich das Vertrauen und die Sympathie der einfachen Leute, besonders in kleineren Städten und Dörfern. Dort lassen sie jedoch immer wieder einfließen, dass Ausländer in Japan nicht willkommen sind.“ Ein oder zweimal hatte Weiß einen der größeren Köpfe dieser Familie als Ziel gehabt, sie waren jedoch nur ein einziges Mal erfolgreich gewesen. Der Rest war einfach zu unauffällig gewesen.

Für Aya war diese Familie eine der gefährlichsten in Japan, weil sie nach außen hin nicht gefährlich wirkten, jedoch genau die gleichen Geschäfte wie die anderen Familien trieben.
 

Schuldig seufzte unterdrückt. Das war nicht gut.

‚Sie gestatten, dass ich mir das Erscheinungsbild in Ihren Erinnerungen hervorhole. Es ist nicht wie eine Fotographie, aber ähnlich.’ Eine indirekte Frage an Asami.
 

Asami nickte und spürte, wie die fremde Kraft in seinem Kopf wieder zunahm.

Er dachte an das Gespräch, das er mit Kawamori geführt hatte, erinnerte sich an den jungen Japaner. Dieser hatte ihm den entscheidenden Hinweis zu Fei Longs Anwesen gegeben, zum Aufenthaltsort Takabas. Er hatte Asami nach China begleitet.

„Interessant, dass er Sie als sein Eigentum bezeichnet hat, Schuldig-san.“
 

„Ja, das ist durchaus interessant“, erwiderte Schuldig und konzentrierte sich darauf die frakturierten Einzelheiten zu etwas wie der Ahnung einer Person in seinem Kopf zusammen zu setzen.
 

„Hat dieser Clan Ambitionen zur Spitze aufzusteigen?“, fragte Brad Ran.
 

‚Der Letzte, der behauptete, ich sei sein Eigentum, fand den Tod durch meine Hand. Aber ich kann Ihnen versichern, dass in regelmäßigen Zeitabständen gewisse Personen auftauchen und diesen Wunsch hegen.’ Schuldig lächelte keineswegs erfreut. ‚Sagen Sie… was würden Sie mit mir tun, wenn ich Ihr Eigentum wäre?’
 

‚Muss ich Ihnen diese Frage beantworten oder kommen Sie selbst auf die Lösung?’ Spott klang in Asamis Gedanken mit. ‚Sie sind eine Waffe, dazu geschaffen, die Herrschaft über ein Imperium oder ein Land zu sichern. Ich würde das tun, was nötig ist, Sie zu meinem Instrument zu machen. Doch Sie sind eine trügerische Waffe, da Sie auch nur ein Mensch sind. Da baue ich lieber mein Imperium auf meinen Männern und meiner Verantwortung auf.’
 

„Ja, hat er, sehr große sogar“, durchbrach Abyssinians Stimme seine Gedanken. „Durch Infiltration und Zustimmung in der Bevölkerung.“
 

Schuldigs Augen leuchteten ein unwirkliches Leuchten. Etwas glomm unter der Oberfläche der grünblauen Lagune. Etwas Sardonisches.

‚Ein Mensch. Ja… wirklich, ein Mensch.’ Er lächelte interessiert und fast geschmeichelt. Die Worte wisperten durch Asamis Gedankenwelt und gaben wieder, dass derjenige, der sie ausgesandt hatte nicht wirklich überzeugt davon war, dass Schuldig ein Mensch war.
 

„Was sagen Sie dazu?“, richtete Brad das Wort an Asami. Dieser sollte wissen ob der Sakurakawa-Clan Ambitionen hatte um sich an die Spitze der Yakuza zu setzen.
 

‚Ein Mensch, der genauso gefangen und unter Drogen gesetzt werden kann wie ein harmloser Junge.’

Während dieser Worte zu Mastermind gingen, wandte sich Asami an Crawford.

„Die Worte Fujimiya-sans haben etwas Wahres, auch wenn die Absichten des Sakurakawa-Clans nicht auf den ersten Blick sichtbar sind. Sie bemühen sich im Gegenteil dazu, mit den anderen Familien Bande zu knüpfen.“
 

Schuldig schüttelte den Kopf leise lachend, setzte sich aus seiner bequemen Position auf und erhob sich. Er war wirklich amüsiert, allerdings auf eine dunkle, perverse Art und Weise.

Asami unterschätzte ihn und er spürte hassende Wut in sich. Er musste hier raus, bevor er ihn tötete.

Krallenbewährte Fingernägel zogen sich kreischend nach oben und griffen mittels eines abgrundtief bösen Blickes nach außen, sahen Asami kurz und abschätzend an. Doch das hatte Schuldig nicht gewollt… NEIN!

Er wandte sich zwanghaft ab und verließ ohne ein Wort den Raum.
 

Brad sah ihm nach. Er war irritiert.

Er verschob diese Irritation jedoch nach hinten, vermied einen Blick zu Ran. „Dann dürfen wir gespannt sein, wann sich die Familien zusammenschließen? Es ist also nur eine Frage der Zeit?“
 

DAS war der Blick eines verrückten, teuflischen Killers gewesen, nicht des pseudoharmlosen Besuchers. Asami war zufrieden über diese Demonstration, wandte sich jedoch nun an Crawford.

„Die anderen Familien sind nicht darauf bedacht, sich exakt mit dieser zusammen zu schließen. Sie bestehen auf ihre Unabhängigkeit. Wenn der Fall allerdings eintreten sollte, werden ausländische Gruppierungen, wie Sie es sind, es in Zukunft schwer haben, das sollten Sie bedenken.“
 

Takaba war in angemessener Entfernung zur Tür auf und ab getigert und fuhr nun herum, als er sie sich öffnen hörte. Schu kam heraus und er war mit wenigen Schritten bei ihm, bevor ihm bewusst wurde, dass etwas nicht stimmte.

Er runzelte die Stirn und spürte Vorsicht in sich. Schuldig schien ihm… gefährlich zu sein.

Dieser fixierte sein Augenmerk auf die großen fragenden Augen, die mit Vorsicht durchzogen waren. Er reagierte blitzschnell, griff nach dem Arm des Jungen und zog ihn mit sich, den Flur hinab. „Er hat dich nicht verdient, dieser Wichser“, murmelte er und immer noch zirkelte ein freudig, böses Lächeln um seinen Mund.
 

„Da könnten Sie Recht behalten“, nickte Brad.

„Ich denke wir sind hier fertig. Ein aufschlussreiches Gespräch. Wir sollten uns verabschieden.“ Brad blickte zu Ran und wandte sich diesem zu.

Aya erhob sich mit einem kalten Blick auf Asami und strebte mit Crawford die Tür an, natürlich ohne ein Wort des Grußes. Er öffnete die Flügeltür, in seinem Rücken den Amerikaner wissend und nun sehend, dass Asami auch mit ihnen auf den Flur kam.

Doch auf dem Flur an sich sah er etwas, das ihm noch sehr viel weniger gefiel.
 

„Was?“, fragte Takaba überrumpelt, kam jedoch nicht dazu, seine Frage gänzlich auszuformulieren, als er schier erstickt wurde, seiner Sprache und seiner Wehrhaftigkeit beraubt wurde.

‚Schu!’, verblieben ihm einzig und allein seine Gedanken. ‚Schu… was tust du?’

Er küsste. Küsste Takaba, als gelte es mit diesem Kuss den Jungen vor dem üblen Grauen zu bewahren, welches ihn gefangen hielt.

‚Ich hole dich hier weg. Dieser Typ stinkt, er ist ein Arschloch. Ich hatte unrecht. Du musst hier weg, Kleiner. Bitte. Komm mit mir. Du musst weg hier.’

Schuldigs Lippen kosten zart über Takabas, die sich nur in stummer Frage bewegten, die Augen fragend und nicht wissend. ‚Bitte… du musst hier weg. Bleib nicht bei ihm. Er macht das Gleiche mit dir wie mit mir!’ Schuldig hatte unwissentlich den Jungen völlig eingenommen. Er stand, ihn an die Wand gedrückt, im Flur viele Schritte weit von ihren Zuschauern entfernt.

‚Schu… wie meinst du das? Wie kommst du darauf?’ Takaba war völlig überrumpelt und verwirrt ob des plötzlichen Angriffs auf seine Lippen, auf seine Gedanken und seine Zweifel. ‚Ich… ich dachte, ich sollte es mit ihm versuchen, was ist passiert, das deine Meinung geändert hat?’

Wenige Meter von den beiden entfernt, war die Stimmung jedoch nicht ganz so friedfertig. Ayas Blick ruhte ungläubig und dunkel auf den beiden, sich küssenden Männern, während Wut in seinem Schädel pochte.

Da war doch die Anwesenheit des Yakuza eine willkommene Abwechslung.

„Ich habe gehört, dass der Junge sich nicht von Ihnen anfassen lässt… jetzt wissen Sie auch warum“, spottete er in Richtung Asamis, dessen dunkle, zornige Augen ihm mehr Lohn waren, als es Gewalt in diesem Moment je konnte.

Dass Asami nun eine Waffe zog, hatte er geahnt und schneller als Asami die Waffe auf Schuldig hatte richten können, lag eines seiner verborgenen Messer an der Kehle des älteren Japaners.

„Im Leben nicht, Asami“, zischte Aya boshaft. Er brauchte nur einen Vorwand, um dem Yakuza den Garaus zu machen. Nur einen einzigen Vorwand.
 

Schuldig wurde diesem Techtelmechtel der beiden Japaner gewahr, an das nervöse Handeln der zwei weiteren Bodyguards Asamis, die ebenfalls mit im Korridor standen und leckte über Takabas Lippen als er sich zu dem Störfaktor wandte, Takaba dicht an sich gezogen.

‚Er ist es nicht wert, dass du das alles durchstehst…’, wisperte Schuldig in Takabas Gedanken und leckte sich die Lippen. Sein Blick fokussierte sich jedoch erst verzögert auf die Szene.
 

Brad sah eindringlich mit starrem Blick auf Schuldig. Die Situation drohte zu eskalieren, es knisterte. Schuldig durfte jetzt nicht gereizt werden.

„Er ist immer für eine Überraschung gut“, sagte Brad zu Ran und meinte damit die Unberechenbarkeit von Schuldig, über die er mit Ran schon einmal diskutiert hatte. Jetzt erfuhr Ran am eigenen Leib was er gemeint hatte.

„Macht keine unüberlegten Handlungen, bevor er wieder hier ist.“ Brad sagte nicht, was er damit meinte.

Schuldig spürte immer noch diese immense Wut in sich, sah jedoch von Ran zu Takaba in seinem Arm und schüttelte den Kopf. ‚Ich…bin…’

Er hatte den Schalter umgelegt und jetzt… was hatte er getan? Was würde er tun?

„Das ist er… für wahr.“ Aya grollte und löste sein Messer mit einem bedauernden Blick von Asamis Hals und ging ganz langsam in Richtung Schuldig. Er hatte Schuldig schon einmal außer Kontrolle erlebt… fernab von seinem eigentlichen Wesen und was hatte den eigentlichen Telepathen wieder zurück gebracht? Ruhe.

Er bewegte sich langsam auf Schuldig zu, war schließlich mit ihm auf gleicher Höhe.

„Wir gehen.“ Ruhig, simpel, bestimmt.

Dann trat er an Schuldig vorbei gen Treppe.

‚Schu… er ändert sich… irgendwie. Zumindest versucht er es.’ Takaba seufzte. Ja, irgendwie, war er sich doch fast sicher, dass das hier ein Nachspiel haben würde. Warum also nahm er den anderen in Schutz, wenn er doch vorher Schuldig genau das gesagt hatte… dass Asami böse war.

‚Ich komme nicht von ihm los, wie du es damals schon gesagt hattest…’ Damals, vor ein paar Monaten.
 

Besagtem Japaner gefiel es jedoch ganz und gar nicht, dass der Junge, der IHM gehörte…

Wut schäumte in Asami hoch, Wut auf Takaba, dass er sich dem Schwarz so ohne Widerstand ergab. Dass er wie Butter in dessen Arm war, wenn er selbst auf der anderen Seite um jede Berührung kämpfen musste.

„Komm her, Takaba“, befahl er flach, dunkel.
 

‚Wenn er dir etwas antut, reiß ich ihm seinen Schwanz ab, eigenhändig’, unheilte Schuldig und löste sich von Takaba, gab diesen frei.

Er sah noch einmal in Takabas Gesicht, dieses Mal der Wirklichkeit näher als seiner eigenen Realität. „Machs gut, Kleiner.“

Brad kam auf Schuldig zu und blieb in einigem Abstand vor ihm stehen. Die bernsteinfarbenen Iriden in Schuldigs Gesicht gerichtet trafen unvermittelt auf unsicheres Grünblau.
 

Mit einem letzten Blick auf Schuldig und einem ‚Ich nehme dich beim Wort… vielleicht sogar früher als später.’ Takaba fühlte, wie die bleierne Schwere von Schuldigs Gedanken von ihm abfiel, die bleierne Schwere von Asamis Befehl ihm jedoch neuerliche Fesseln anlegte.

„Pass auf dich auf, Schu“, sagte er laut und kam zu Asami, sein Herz wild klopfend. Er hatte Asami in der letzten Zeit nicht so wütend erlebt wie jetzt und er kannte diese Wut. Sie brachte ihn immer gefesselt unter den Yakuza… mit Schmerzen in seiner Kehrseite.

Kurz vor dem anderen stehen bleibend, sah er zu diesem hoch, die Anspannung deutlich im Gesicht stehend.

Asamis Hand griff nach ihm, nach seinem Hinterkopf und Takaba zuckte zusammen. Doch weit mehr als die erwartete Gewalt schockte ihn die sanfte Berührung seiner Stirn durch Asamis Lippen und das kurze Wuscheln durch seine Haare.

Takaba war nicht oft sprachlos gewesen, zumindest nicht vor Hongkong… doch jetzt hatte es Asami definitiv geschafft.

‚Na, geht doch’, griente Schuldig und es war das Letzte, was er Asami in Gedanken schickte, bevor er sich umdrehte und mit einem Tippen an seine Schläfe und einem Nicken umdrehte und die Etage verließ.
 

Er fühlte sich seltsam aufgewühlt, federleicht, zu gut für die Realität.

Brad holte ihn etwas runter. „Du solltest dich besser im Griff haben.“
 

Ein hinterhältiges Grinsen zierte Schuldigs Lippen zur Antwort, er schmeckte noch Takabas Lippen nach, jedoch dachte er dabei an dessen verlorene Gedanken, an dessen Angst, an dessen Erstaunen in den Augen und er verfolgte in Gedanken immer noch Takabas Reaktion auf Asami.
 

Draußen trafen sie auf Aya, der an der Wand gelehnt, sein Messer wieder ordentlich versteckt, sie mit dunklem Blick erwartete. Besonders Schuldig.

Was hatte dieser Kuss zu bedeuten? Er kannte Schuldigs Sinn für Aktionen ohne nachzudenken, doch das war ihm doch etwas zu viel…
 

Asamis Wut steigerte sich einen Moment lang, doch dieses Mal richtete sie sich gegen den Richtigen, gegen Schuldig.

Niemand sagte ihm, wie er mit seinem Jungen umzugehen hatte. Das wusste er selbst.
 

War dabei, es selbst herauszufinden.

Das Erstaunen in den Augen des Jungen amüsierte ihn jedoch. Takaba erwartete einiges von ihm, das aber nicht… und wenn es viele solcher kleiner Schockmomente bedurfte, um ihn wieder in seine Nähe zu bringen, würde Takaba sie bekommen.
 

Schuldig murmelte vor sich hin als er bei Ran ankam und diesen nicht wirklich registrierte. „Was jetzt?“, fragte er nachdem auch Brad stehen geblieben war. Doch dieser wartete lediglich auf ihren Fahrer – Nagi.

Der Wagen ließ nicht lange auf sich warten und rollte bereits leise an den Bordstein heran.

Brad ging Richtung Wagen, während Schuldig und Ran zurückblieben.
 

„Du und deine unüberlegten Aktionen“, grollte Aya in Richtung Schuldig. „Aber eigentlich muss ich dir ja auch dankbar sein, denn so hatte ich wenigstens die MÖGLICHKEIT, ihn ohne Reue töten zu können…“

Auch er folgte Crawford und stieg ein, wütend auf… irgendwen. Asami, ganz sicherlich, Schuldig, vielleicht…
 

Schuldig stopfte sich die unruhigen Hände in die Hosentaschen und blickte Ran für einen Moment hinterher.

Da war jemand aber angepisst.

Dabei… nun ja das bisschen therapeutisches Herumgeknutsche… so schlimm war das nun auch wieder nicht. Viel wichtiger und interessanter fand er immer noch die Tatsache, dass Asami Ran richtig gut fand. Und das nicht erst seit heute wie er gelesen hatte. Nein, Ran zu vernaschen hatte schon früher kurz in Asamis Gedanken gekreist und daran hatte er sich erinnert… heute.
 

Sich dessen unbewusst, saß Aya neben Schuldig auf dem Rücksitz und brütete innerlich wütend vor sich hin. Wenigstens sah er, dass er noch in der Lage war, die Bösen töten zu können, wenn er es denn wollte… oder konnte. Nur dass er es heute nicht gekonnt hatte und das machte ihn wiederum wütend.

Schweigend rollten sie durch den smogverdichteten Innenstadtverkehr und Aya entledigte sich irgendwann seiner Lederjacke. Trotz Klimaanlage war es ihm zu warm.
 

Brad sprach mit Nagi und sie planten ihre weitere Vorgehensweise in einigen groben Zügen, während Schuldig sich ganz und gar dem Gedanken verschrieben hatte, dass ER Ran für sich hatte und nicht so jemand wie Asami Ran sich einverleibt hatte. Nein, ER Schuldig, himself hatte Ran für sich gewonnen!

Er sonnte sich in dieser ruhmreichen Tat und aalte sich im Gedanken daran, dass er Ran vor so einem wie Asami beschützte. Nicht auszudenken, wenn Asami auf die Idee kam Ran nachzustellen.
 

Es reichte Aya schon, dass er aus dem Augenwinkel das Dauergrinsen des Telepathen im Blickfeld hatte, doch dass dieser nun auch noch dementsprechende Laute von sich gab…

„Was grinst du so?“, fragte er genervt und ein dunkler Blick traf Schuldig.

Schuldig sah von der vorbeihuschenden Stadt zu dem muffig blickenden Gesicht von Ran und strahlte bis über beide Ohren. „Na…er hat dich nicht gekriegt, aber ich. Das finde ich den einen oder anderen Grinser wert.“

Ein Stirnrunzeln aus Ayas Ecke belohnte ihn. „Wer… er?“

„Asami?“ Schuldig schraubte sein Grinsen aufs für sein Gegenüber vermeintlich erträgliche Maß herab. „Das war nun wirklich nicht zu übersehen.“
 

Asami?

Nicht zu übersehen?

Eine Augenbraue schraubte sich in die Höhe, die zweite gesellte sich nach ein paar Augenblicken mit dazu, während der Blick dunkler wurde und Unwetterwolken sich hinter dem Violett zusammenbrauten.

„Natürlich hat er mich nicht gekriegt, wie du dich so schön ausdrückst. Aber darauf brauchst du dir auch gar nichts einzubilden… ich stehe nun einmal nicht auf arrogante, überhebliche Anzugsträger, die meinen, sie wären der Kaiser von Japan!“

Dass es plötzlich sehr still im Wagen geworden war, fiel Aya erst jetzt auf.

„Nicht?“, stellte sich Schuldig unwissend und zog ein – für ihn treuherziges Gesicht. „… stimmt… wer mag die schon. Du stehst ja eher auf diese extrovertierten, egozentrischen verrückten Typ im Zebralook.“ Gut… ein paar Sekunden konnte er das Gesicht noch halten, aber länger nicht bevor er einen Lachanfall bekam. Aber er war tapfer gewesen.

„Verarschen kann ich mich alleine“, grimmte es und Aya sah aus dem Fenster. Asami? Im Leben nicht… obwohl, vielleicht sollte er das ausnutzen, denn wenn er ihm nahe genug kam, konnte er ihn töten, also ein Problem weniger, das die noch nicht korrumpierte Polizei in Japan hatte.

Schuldig gefiel diese Antwort und vor allem das nachfolgende Schweigen nicht besonders. Der Spaß verging ihm und Brad und Nagi begannen eine Unterhaltung über Jei und dessen neue Interessen.

Währenddessen beobachtete Schuldig Ran und ließ ihn nicht einmal aus dem Blick. Da ging doch etwas vor in dem hübschen Kopf.

„Denk nicht einmal daran“, sagte Schuldig leise zu Ran, sein Blick sah ihn eindringlich an, bohrte sich in dessen Profil.
 

Als würde Aya das Feuer dieses Blickes spüren, wandte er seinen Kopf erneut zu Schuldig. „Was meinst du?“ Sie hatten momentan keine Gedankenverbindung… konnte Schuldig ihn schon so gut lesen?

Ah, er hatte richtig gelegen. Der Schuss ins Blaue war also ein Treffer. „Mach keinen Scheiß, Ran. Der Typ ist ein Hai, komm ihm nicht zu nahe.“

„Ich sitze gerade jetzt mit zweieinhalb Haien im Auto…“ Leise Ironie klang bei Ayas Worten mit, die ebenso wahr waren, wie Schuldigs.

Schuldig sorgte sich um ihn und seine Gesundheit, doch er konnte gut auf sich alleine aufpassen. Asami hatte schon früher die Gelegenheit gehabt, zuzuschlagen und er hatte es nicht getan… außerdem war Aya nicht dumm und auch nicht wehrlos.
 

„Merkt ihr was?“, richtete sich Schuldig an die beiden, die vorne saßen. „Er schmiert uns Honig um die Mäulchen.“

„Ich frage mich wer die halbe Portion von uns Dreien ist“, fragte Nagi in Schuldig‘schem Wortlaut.

Er würde mit Ran diese kleine Diskussion zu Hause führen müssen, überlegte sich Schuldig und harrte schon ihrer Wohnung. Vermutlich war er die halbe Portion…

Aya war kein sehr humorvoller Mensch… zumindest redete er sich das ein, als er Schuldig schier mordlustig anstarrte.

„Crawford natürlich.“
 

Autsch. Das konnte ja noch ein vergnüglicher Nachmittag werden. Dabei wollten sie doch abends Essen gehen.

Schuldig versuchte sich an einem Lausbubenlächeln, schob sich jedoch die Sonnenbrille auf den Nasenrücken.

Aber… es war immer wieder ein Vergnügen Ran in Fahrt zu sehen. Das Violett blitzte nur so und die Haltung war gespannt wie ein Flitzebogen. Schön widerspenstig.

So… hätte er sicher auch Asami gefallen… aber er… er der große Schuldig hatte sich den widerspenstigen Abyssinian geschnappt!

„Ich füge mich in die Rolle“, meldete sich dann noch Brad zu Wort um diese leidige Unterhaltung zu beenden. Er hatte einen Laptop auf dem Schoß und begann Kontakte zu beleben, die ihnen mit der Familie Sakurakawa weiterhelfen konnten.
 

Schweigen breitete sich im Wagen zwischen den Insassen aus und Aya widmete sich wieder der Betrachtung der Passanten. Asami, dass er nicht lachte. Asami war genau so widerwärtig wie jeder andere Verbrecher dieser Stadt auch… ein Mensch ohne Seele. Zumindest ohne nennenswerte Seele. Dass er vor einem Jahr Schuldig ähnliches attestiert hätte, konnte er wunderbar damit rechtfertigen, dass Schuldig durchaus auch eine menschliche Seite besaß, auch wenn ihm diese manchmal schlimmer als die unmenschliche zur Weißglut trieb.

Besonders dann, wenn sie wie jetzt schier grinste, ohne sich dessen vermutlich bewusst zu sein.
 

Die dunkle brodelnde giftsprühende Masse neben sich in Ruhe lassend dauerte es noch eine halbe Stunde bis sie von Nagi abgesetzt werden konnten und der Wagen in der Nähe ihrer Wohnung hielt. Sie stiegen aus.

Während Ran voraus ging verabschiedete sich Schuldig noch von den beiden und vereinbarte ein Treffen um alles weitere zu besprechen.

„Bis dann.“

Schuldig legte einen Zahn zu und holte Ran ein. Schweigend ging er einen halben Schritt hinter Ran her.
 

Es war nicht Ayas Art, Dinge auf der Straße zu diskutieren, wo ihnen Fremde zuhören konnten, also sagte er jetzt auch nichts, sondern wartete, bis sie in der Wohnung waren und sich die Tür sicher hinter ihnen geschlossen hatte.

„Ich glaub’s nicht, dass du das amüsant findest!“, grollte er und stemmte die Hände in die Hüften. „Erst knutschst DU seinen Freund ab und kommst dann auch noch damit, dass dieser widerwärtige Yakuza mich will, du Pascha!“
 

Schuldig schob die Sonnenbrille auf sein Haupt und die Hände danach lässig in die Hosentaschen, nur um sich noch lässiger an der nun geschlossenen Tür anzulehnen und schmunzelte schuldbewusst Ran ins Gesicht.

„Es ist so. Er wollte dich. Früher. Und um ein Haar hätte er dich auch bekommen. Wehrlos. Ich hab das bei ihm gefunden. Eine Erinnerung an einen Angriff von euch auf ihn, der gründlich schief gegangen ist. Nur durch glückliche Umstände hast du dich raus winden können. Ansonsten wärst du wohl jetzt sein Betthäschen.“ Beim letzten Satz war Schuldigs Blick schlagartig eindringlich und ernst geworden.
 

Dunkles Lachen wellte aus Ayas Kehle hervor. „Eher wäre einer von uns beiden gestorben, vorzugsweise er.“ Er schnaubte. „Er hätte es vielleicht einmal geschafft, mich in sein Bett zu zwingen… das zweite Mal hätte er nicht überlebt.“

Auch wenn Aya doch dankbar war, dass er nicht alles wusste… dankbar auch, dass er es damals nicht gewusst hatte.

„Lach nicht.“ Schuldig löste sich und kam zu Ran, zog eine Hand aus der Tasche und Ran mit dieser an sich. „…dich in sein Bett gezwungen und dich daraus nicht wieder entlassen.“ Er küsste dessen Schläfe warm und ließ ihn dann wieder los um sich Richtung Wohnraum zu begeben. Er hatte Durst.

Asami hätte Ran gebrochen, darin war sich Schuldig sicher. Todsicher. Das hatte er aus dessen Gedanken lesen können.
 

Nein, definitiv wäre einer von ihnen gestorben in dem Kampf, den es zwangsläufig gegeben hätte. Eine leichte Parallele zu Schuldigs damaligem Urlaub schoss Aya durch den Kopf. Schuldig hatte ähnlich gehandelt, ohne ihn zu vergewaltigen. Aus gutem Grund…

Aber es war noch ein Grund mehr, sich schließlich Asamis zu entledigen, die Gefahr zu bannen.

Er ging Schuldig nach.

„Besteht die Gefahr jetzt immer noch?“, fragte er und besah sich den Telepathen, wie dieser durstig eine der fünf angebrochenen Flaschen halb leer trank und sie prompt wieder irgendwo stehen ließ.
 

Und zwar auf dem Weg zur Terrasse, irgendwo im Niemandsland dazwischen.

„Nein, tut sie nicht“, sagte Schuldig und trat hinaus um sich in einen der Sessel gleiten zu lassen und die Füße hoch zu legen. Er zündete sich eine Zigarette an und genoss das schöne Wetter. Den Kopf in den Nacken gelegt schob er sich die Sonnenbrille wieder auf die Nase und besah sich Ran.

„Sein Interesse liegt jetzt bei dem Kleinen.“

Genau wie Youji auch… der gleiche Spleen mit der Sonnenbrille…

„Und ihn behandelt er gut? Das glaubst du doch wohl selbst nicht!“ Nein, garantiert nicht, sonst hätte Schuldig nicht so eine Show abgezogen. Aber insgeheim war Aya froh zu hören, dass von dieser Seite aus keine Gefahr mehr bestand.
 

Schuldig lächelte milde in Erinnerung an Takaba. „Er lernt dazu um des Jungen Willen und DAS ist doch ein gutes Zeichen. Das muss selbst du zugeben, oder?“

„Der Böse, der sich um die Liebe eines Jungen willen zum Guten wendet… ich könnte kotzen. Das ist so kitschig, das ist nicht die Realität!“ Aya schnaubte verächtlich und warf einen langen Blick auf die angebrochene Flasche zu seiner Linken.
 

„So wird’s wohl sein“, meinte Schuldig dazu nur, denn was war mit ihm und Ran? Das Gleiche in Grün. Er hatte sich verändert seit Ran bei ihm war und zwar von Anfang an. Extremer ging es nicht mehr. Doch, was sollte er um diesen Punkt mit Ran streiten?

Schuldig inhalierte den Rauch tief und legte den Kopf zur Seite ab um Ran zu beobachten.
 

Und Aya sah weiterhin beinahe schon beschwörend die Saftflasche an, ließ dann seinen Blick zu Schuldig hinüber streifen.

„Als ich das letzte Mal Kakao kochen wollte, ist mir die Milch aus der Packung entgegen gekrochen und hat mir hallo gesagt“, sagte er mit vorwurfsvoll erhobener Braue.

„Dann muss sie dich wohl sehr gern haben“, konterte Schuldig mit einer erhobenen Augenbraue, die sich über den Brillenrand hob, ein spöttisches Lächeln um die Lippen über diesen rabiaten Themenwechsel. „Sie hat sich sicher flauschig angefühlt mit ihrem kuschligen Pelz.“
 

„Kann ich nicht beurteilen… aber wer weiß, was du mit diversen Lebensmitteln anstellst, wenn du wieder einmal nicht ran darfst…“ Rache war süß und Blutwurst, auch wenn Aya alleine die Vorstellung an Schuldig, wie er es mit der flauschigen, kuscheligen Milchtüte trieb, doch recht fragwürdig fand.
 

Schuldig zog am Rest seiner Zigarette und enthielt sich einer Erwiderung. Dieser gehässige Satz hörte sich verdächtig danach an, als wäre er sexsüchtig und als dürfe er nur alle heilige Zeit an seinen Ran…ran! Und es hörte sich danach an als würde es Ran nicht wirklich oft benötigen mit ihm zu schlafen.

Er erhob sich und drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus, den er in die Wohnung mit hinein nahm. „Ich liebe dich auch, Ran“, sagte er nebenbei und ging Richtung Küche. Die Sonnenbrille fand ihren Weg auf sein Haupt.

Ran war sauer und er der Prellbock.

Schuldig seufzte und leerte den Aschenbecher in den Müll aus, spülte ihn aus.
 

Da hatte jemand aber auch schon einmal mehr Biss gehabt, dachte sich Aya, schon beinahe enttäuscht über die fehlende Reaktion des anderen. Innerlich jedoch zuckte er mit den Schultern und trug Schuldig die Saftflasche in die Küche hinterher.

„Da sind wir ja schon mal zu zweit“, gab er zurück und ging ins Bad. Er wollte sich für den Abend frisch machen, da diese verdammte Lederkluft nicht sehr atmungsaktiv war, schon gar nicht bei diesem Wetter…
 

o~
 

Schuldig war schon eine halbe Stunde vor Ort und wartete in einem kleinen Separee in Begleitung einer netten jungen Dame auf das Eintreffen von Ran. Sein Hemd hatte die Farbe von frischem Grün bei Nacht, schimmerte um die Wette mit seinen Augen in der angenehm beleuchteten Atmosphäre der Party.

Ran hatte das Hemd in einem Laden gefunden und beschlossen, dass es ihm stand. Was Schuldig bestätigen konnte.

Seinen Ring trug er an einer Kette um den Hals sodass dieser vor neugieren Blicken geschützt war.

Lydia war eine Werbemanagerin und schon einige Jahre hier in Tokyo ansässig, pendelte jedoch zwischen London und Tokyo hin und her – stets für ein paar Wochen. Sie hatte ihn angesprochen, während er an der Bar auf seinen Drink gewartet hatte. Offenbar suchte sie neue Talente für ihre Agentur. Alias Hostclub.

Irgendwie fühlte sich Schuldig geschmeichelt.

Außerdem war sie sehr nett und er in Unterhaltungslaune.

Die Party diente eher der Aufklärung als dem Amüsement, aber warum konnten sie nicht beides miteinander in Einklang bringen? Wenn er hier schon als erstes auftreten durfte. Er liebte es neue Gebiete zu erforschen und ganz neu waren ihm derart luxuriöse Partys nicht. Er fühlte sich hier in seinem Element.

„Sie würden wirklich gut zu uns passen, Mr. Freeman“, lockte sie mit einem sympathischen Lächeln.

„Meinen Sie?“
 

In dem Moment betrat ein weiterer Gast die exklusiven Hallen und zog so einige Blick auf sich mit seinen zu einem langen Pferdeschwanz gebundenen Haaren, von denen eine dicke Strähne vorne über dem royalblauen Hemd lag, das in die dunkelblaue Nadelstreifenhose gesteckt war. Den Abschluss bildete eine ebenso farbige Weste, die die Nadelstreifen der Hose widerspiegelten und durch eine goldene Taschenuhr den westlichen Eindruck komplett machten.

Seinen Ring trug er am Finger.
 

Aya ließ seinen Blick kalt und arrogant durch die Menge schweifen und verscheuchte damit so einige Interessenten, ein paar andere blieben jedoch.

Schuldig jedoch sah er noch nicht, so ließ er sich durch die Menge treiben, bis hin zur Bar, wo er einen Whisky bestellte, Suntory natürlich.

Crawford würde erst eine halbe Stunde später eintreffen.

Lässig an die Bar gelehnt, ließ Aya seinen Blick ein weiteres Mal über die Menge schweifen und stellte fest, dass er zumindest aus den Medien einige der Gäste kannte… hochkarätige Prominenz also, wie es sich für eine Party bei den oberen Zehntausend gehörte.
 

„Nun, einen Mann wie Sie haben wir noch nicht…“

„…im Sortiment?“, hakte er lachend nach.

Lydia schüttelte gespielt entrüstet den blonden Schopf. „Nun… im Team, wollte ich sagen.“

„Keine Rothaarigen? Nicht einmal Einen? Kommen Sie…“
 

Es dauerte nicht lange, schon hatte ihn eine der reichen Japanerinnen entdeckt und bemühte sich nun nach Leibeskräften, Aya zu einem Drink einzuladen oder von ihm selbst eingeladen zu werden. Wohl eher letzteres, tippte Aya und wimmelte sie höflich, jedoch bestimmt ab.

Er nippte an seinem Whisky und überlegte, wie groß wohl die Wahrscheinlichkeit war, dass sie hier auf ihre Gegner trafen - wissentlich und unwissentlich.

Aya fragte sich, was Schuldig gerade machte… vermutlich flirtete er. Daran konnte gar kein Zweifel bestehen.
 

„…sie werden doch wohl einen Rothaarigen ihr Eigen nennen können? So nahe bei den Inseln?“

Lydia seufzte gequält.

„Sie haben ja keine Ahnung. Er sollte vielleicht auch noch gut aussehen. So einfach ist das nicht…“

„Da könnten Sie Recht haben, Verehrteste.“

Schuldig ließ seinen Blick schweifen und entdeckte Ran zwischen den umstehenden Gästen an der Bar stehen. Sein Kleinod. Ein zärtlicher Ausdruck huschte durch ihn hindurch, wurde aber auf seinem Gesicht nicht sichtbar. Ganz im Gegenteil zeigte seine Mimik lediglich höfliches Interesse.

„Sehen Sie mal da!“, er neigte den Kopf Richtung Bar und schmunzelte. „Wenn das kein Fang wäre. Ein exotisches Kleinod…“ für ihre Ranch, fügte er in Gedanken hinzu. Wobei Ran nicht mehr eingeritten werden musste.

Schuldig ritt selbst gerade der Teufel und er freute sich diebisch falls Lydia anbeißen würde.

„In der Tat…“ Sie überdachte wohl die Möglichkeiten, die sie mit Ran haben würde. Und Schuldig las in ihren Gedanken allerlei geschäftliche Transaktionen, mögliche Liebhaber für Ran.

Oh Man…

Lydia erhob sich. „Ich werde mich vortasten. Männer wie dieser sind meist schwer zu beeindrucken und noch schwerer zu haben“, sie zwinkerte ihm zu und machte sich auf Richtung Bar.

„Wem sagen Sie das“, wisperte Schuldig und freute sich diebisch.
 

Und schon kam die zweite Dame auf Aya zu, ein edler Vamp, wie er oder sie im Buche stand. Ausländerin, nicht schlecht aussehend. Optisch nicht sein Typ Frau, aber anscheinend war er ihrer. Zumindest las er es kurz in ihren Augen, bis sie bei ihm angekommen war und sich neben ihm an die Bar setzte.

Aya ignorierte sie, bekam jedoch zwangsläufig mit, wie sie sich ebenso einen Whisky bestellte.

„Sie sehen einsam aus…“ Hatte er es doch gewusst. Er wandte den Kopf in ihre Richtung.

„Ihr Auge sieht nicht die Realität“, sagte er kühl, arrogant und Lydia wusste ihren Verdacht bestätigt… ein sehr schwerer, harter Brocken.

„Was würde ich denn sehen, wenn ich die Augen öffnen würde?“ Sie lächelte weich und sah, wie er seine rechte Hand mit seinem Drink zum Mund führte, dass sie den sich daran befindlichen Ring bemerkte.

„Einen vergebenen Mann, so leid es mir tut.“ Ayas Stimme machte deutlich, dass es ihm überhaupt nicht leid tat, aber er hatte eine Rolle zu spielen… Überheblichkeit gehörte dazu.

„Einen vergebenen Mann, der sich jedoch frei in diesen Kreisen bewegt… glauben Sie mir, an Ihre Seite gehört eine edle Dame, eine japanische Lady…“

Nun traf sie die volle Wirkung der dunkelvioletten Augen.

„Was meinen Sie?“
 

„Nun…“

Sie lächelte warm, doch dieses undurchdringliche Violett, welches ihr so einzigartig schien war damit nicht zu erwärmen. Hart wie Kristall.
 

Schuldig beobachtete von seinem Platz aus die Szene und auch wie Ran auf die Frau reagierte. Sie biss sich an ihm die Zähne aus. Irgendwie hatte er gehofft, dass Ran sie nett finden würde. Aber offenbar waren ihre Geschmäcker verschieden.

Er würde noch ein Weilchen zusehen wie er sich machte, wobei er mit dem Hervorzeigen des Ringes zwei Dinge auslöste: Zum Einen strahlte Schuldig innerlich wie ein Honigkuchenpferd und zum Zweiten erlahmte das Interesse der Frau an ihm als ‚Ware’.
 

„Wer sagt Ihnen, dass ich keine edle, japanische Lady an meiner Seite habe? Oder eine andere Lady? Vielleicht ist sie wie Sie eine Ausländerin, mit roten Haaren und grünen Augen, vielleicht aber ziehe ich Japanerinnen vor?“ Aya schmunzelte dunkel und toastete ihr zu.

„Wer sagt Ihnen, dass ich keine Kinder habe?“

„Sie sind nicht der Typ für Kinder.“ Sie legte den Kopf schief und ihre Augen maßen ihn stumm. „Sie sind ungezwungen, wild, ungestüm.“

„Wohl eher ein Langweiler.“

Sie lachte. „Ja, sicherlich… deswegen tragen Sie lange, rote Haare und sind angezogen wie ein Dandy aus den amerikanischen zwanziger Jahren…“ Sie erwiderte den Toaste und er ließ seinen Blick über die Menge schweifen, erkannte dabei die edle Lady mit den grünen Augen und den roten Haaren. Lady… ja klar. Alles, nur das nicht.

Ohne ein Zeichen, dass er Schuldig erkannt hatte, kam sein Blick wieder zu ihr zurück.

Dann wollte er mal etwas spielen…

Er beugte sich zu ihr, nahe genug, dass Schuldig ihn wohl spätestens jetzt von ihr weggezogen hätte.

„Sie scheinen sehr darauf zu pochen, dass ich Ihnen das Gegenteil beweise“, flüsterte er mit Verführung in der Stimme. Er würde jeden einzelnen Yen auf seinem Konto wetten, dass Schuldig spätestens jetzt in ihren Gedanken war und mithörte, was geschah.
 

Da Schuldig eindeutig schuldig an der Tatsache war, dass er die Frau auf Ran gehetzt hatte, war er natürlich bestrebt mit zu verfolgen wie die Dinge so ihren Lauf nahen. Selbstverständlich musste die Situation unter Kontrolle bleiben. Unter seiner Kontrolle.

Deshalb hätte Ran die Wette wohl gewonnen.
 

Er war ihr zu nahe…

Das war der erste Gedanke, der ihr einfiel als sich dieser Japaner ihr näherte. Der Mann war gefährlich. Sie konnte es nicht benennen, aber eine subtile dunkle Gefahr ging von ihm aus, jetzt wo er in ihr persönliches Feld eingedrungen war - auf das sie sehr viel Wert legte und es hütete. Sie mochte es nicht wenn Menschen ihr zu nahe kamen. Natürlich gab es Ausnahmen. Doch dieser Mann hier war so ruhig und handzahm wie ein Wolf.

„Ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, dass sie jemand anderem den Vorzug geben, wo sie doch schon… in festen Händen scheinen…“, sagte sie unbestimmt, zwang sich zu einem Lächeln.
 

„Keine Sorge, dafür können Sie nicht verantwortlich sein, da dieser Fall nie eintritt.“

Er kam noch etwas näher zu ihr, als er ihre Unsicherheit spürte, sodass es von weitem so aussehen musste, als würde er an ihrem Haar riechen.

„Habe ich Sie erschreckt“, lächelte er mit einem gemeinen Einschlag, ganz die Rolle, die er spielte. „Das war nicht meine Absicht…“ Und ob es das nicht wahr… sicherlich. Wem wollte er das weismachen?
 

Der gleiche Gedanke durchfuhr die Werbemanagerin gerade als er diese Worte sprach. Viel zu ruhig, viel zu offen am Ende des Satzes sodass es nicht wie das Gegenteil klang.

„War es nicht?“ Sie drehte den Kopf, sodass sie sich aus seiner unmittelbaren Nähe zurückzog und bestellte einen Drink an der Bar.

Was auch immer dieser Mann für ein Problem hatte, sie mochte ihn nicht. Sie mochte diese Art Männer nicht. Er wirkte nett und umgänglich… aus der Ferne… zumindest.

Schuldig amüsierte sich. Wenn auch auf Kosten der Werbemanagerin und Ran. Die düstere, kalte Aura, die dem Japaner früher angehaftet hatte, hatte offenbar noch eine brisante Note erhalten… vielleicht hatte sich Ran zu viel von ihm abgeschaut?!

Färbte seine unberechenbare, trügerisch sanfte Spielleidenschaft ab? Und das auch noch auf Ran? Das war nicht gut.

Schuldig grübelte über diesen Aspekt nach während er an seinem Getränk nippte und dem Geschehen ab und an einen für Außenstehende uninteressierten Blick zuwarf.
 

Aya hatte sie vergrault… was konnte er stolz auf seine Rolle in dieser Yuppie-Gesellschaft sein.

Er lehnte sich wieder zurück und ließ seinen Blick kalt über die Menge schweifen, warnte jeden, ihm zu nahe zu kommen, der seinen Augen begegnete.

Das musste er noch nicht einmal vortäuschen.

Er nippte an seinem Drink und erhaschte nun auch den Blick auf Crawford, wie er sich durch die Menge bewegte, ein unscheinbarer, ausländischer Geschäftsmann.

Sein Blick glitt kurz zurück zu Schuldig und er bemerkte, dass sich die ausländische Frau nun auf den Telepathen spezialisiert hatte.

Wunderte ihn das?

Und wunderte es ihn, dass Schuldig nach einem kleinen Flirt nun aufstand und ohne einen Blick zurück zu werfen, mit ihr in der Menge verschwand?

Nein.

Nicht wirklich.

Ayas hoch erhobene Augenbraue zeugte von seinem Missfallen aber auch Wissen, dass Schuldig ihn provozierte… wie immer. Doch die Belohnung würde er heute Abend bekommen… Schuldig.
 

Und was wäre Schuldig wenn er sich nicht diebisch darauf freuen würde. Dem Wissen, dass er Ran provozierte, mit seiner Nichtbeachtung, mit dem, dass er wegging mi… einer Frau. Dem Wissen, dass Ran wusste, dass er ihn provozierte.

Schuldig liebte es, wenn sein Macho eifersüchtig war. Allerdings nur dann – das verstand sich von selbst – wenn Ran nicht ernstlich davon überzeugt war, dass Schuldig tatsächlich anderweitig wilderte.

Wer könnte Ran jemals ersetzen…?
 

Während Schuldig sich mit der Werbemanagerin aus Rans unmittelbaren Dunstkreis machte trat Crawford unter dem Namen Wayne Bennington auf der Party auf den Plan.

Er mimte den gelangweilten übersättigten Großverdiener, der die Börse als seinen Spielplatz ansah. Sein Vorteil in dieser Stadt war schon immer sein gänzlich unspektakuläres, nichtssagendes Gesicht gewesen, zumindest so lange er sich unsichtbar machen konnte.

Was ihm meist gelang.

Er hatte die Fähigkeit in einem Raum – natürlich unter Ausländern – zwischen einem Pulk Menschen als uninteressant und belanglos abgehakt zu werden. Wenn er es wollte, konnte er mit der Masse schwimmen.

Ein Punkt, der auch ins Gegenteil umschlagen konnte. Seine Augen spielten dabei eine große Rolle. Gegen dieses kleine Problem trug er jedoch eine Brille, die den stechenden Blick aus den bernsteinfarbenen Iriden milderte.
 

Er bewegte sich zur etwas erhöhten Ebene des Partyareals um zu einer der beiden Bars zu kommen, die nicht von Ran eingenommen war. Nach der Bestellung eines Drinks, den er mehr willkürlich denn zwecks Vorliebe bestellte drehte er sich etwas seitlich, um einen flüchtigen Blick über die Personen in seiner Nähe zu werfen.
 

In der kurzen Zeit, in der er auf sein Getränk wartete spürte er eine Unruhe in sich, eine Ahnung noch bevor er daran dachte, dass es eine Vision sein könnte.
 

Gleisend hell explodierte der Kopfschmerz in seinem Schädel und Bilder zogen an seinem geistigen Auge vorüber. Er senkte den Kopf ein wenig, keuchte.
 

Die Gespräche um ihn herum verkochten zu einem Brei aus Dröhnen und Zischen als die Musik einen neuen Takt vorgab und die Bilder seiner Vorhersehung dabei fast schon obszön spöttisch untermalten.

Als die Vision verklang und er sich wieder gefangen hatte starrte er für Momente, die ihm eine Ewigkeit lang erschienen auf sein Glas, welches ihm der Barkeeper serviert hatte und versuchte die bittere Galle wieder hinunterzuschlucken, die ihm den Rachen hinaufgestiegen war.

Eine derart heftige Vision hatte er seit… seit Schuldigs Tod nicht mehr gehabt… oder besser erlitten. Das hieße, das Ereignis stand unmittelbar bevor und es betraf ihn persönlich.

Der Drink geriet ins Abseits als Brad sich nicht zu rasch umwandte und den Raum absuchte. Er musste sich einen besseren Überblick verschaffen. So ging er auf die Treppe zu um auf die Galerie zu gelangen.
 

Einen kurzen Augenblick konnte Aya einen Blick auf Crawford erhaschen, bevor dieser in der Menschenmenge verschwand und ein weiteres Mal unsichtbar wurde.

Doch irgendetwas stimmte nicht, wenngleich Aya nicht genau sagen konnte, was im Speziellen das war. Körperhaltung vielleicht oder Mimik, vielleicht ein kurzer Augenblick an Unwohlsein, der Aya die Stirn runzeln ließ.

Langsam trank er seinen Drink leer, um kein Aufsehen zu erregen und schlängelte sich dann gemächlich, jedoch mit festem Ziel, sprich Crawford, vor Augen, durch die Menge.
 

Auf der anderen Seite der Lokalität setzte sich nun jemand anderes in Bewegung, steuerte jedoch das gleiche Ziel an, wie der rothaarige Weiß, wenn auch eher unwissentlich.

Sie war weniger langsam, weniger vorsichtig, dass sie nicht auffiel, sondern eher… fest entschlossen.

Fest entschlossen den Mann, den sie gerade erblickt hatte, zu stellen und sei es nur, um ihm eine reinzuhauen.

Die alte Wut war immer noch da, wenn auch abgeschwächt nach all den Jahren. Wut auf den Mann, der ein Gottesgeschenk für Teufelswerk missbrauchte und sie damit alle enttäuscht hatte, sehr sogar. Mehr als dass sie es damals hätte abschätzen können vor zehn Jahren.

Oh ja… sie hatte ihn einmal verehrt und vielleicht tat sie das immer noch, doch ihre Loyalität war von ihm verraten und verkauft worden, mehrfach. Und irgendwann hatte sie begriffen, dass er sich nicht so einfach würde überzeugen lassen, Gutes zu tun. Nicht nachdem, was vorgefallen war.

Sie fuhr sich durch die kurzen Haare und drückte das Kreuz, das an einer kleinen Kette an ihrem Hals baumelte und stieg die Treppe hoch.

Sie fand ihn bei einer Sitzgruppe und lächelte… doch Zornesfalten durchfurchten ihre Stirn.

„Hallo Brad“, grüßte Eve den Mann, der ihr einmal näher als alle anderen gewesen war.

Der Gedanke an eine mögliche Flucht erstarb so schnell wie er in Brad aufgekommen war als er sich einem Menschen gegenüberfand, der einen großen emotionalen Teil seiner Erinnerungen ausmachte aus einer Zeit, die er längst hinter sich gelassen hatte.
 

Er starrte sie für einen Moment an, bevor er sich grußlos umwandte und die Tür mit dem Notausgangschild öffnete und in einen grell beleuchteten Korridor trat. Eine neutrale Zone ohne Zuschauer.
 

Sie würde ihm folgen, das war gewiss, aber es war besser, wenn sie zusammen nicht gesehen wurden. Es sei denn sie war nicht alleine und das war eine Falle. Aber wie konnte sie wissen, dass er hier war?
 


 


 

Fortsetzung folgt...

Wir bedanken uns für's Lesen.

Bis zum nächsten Mal!
 

Diese und auch unsere anderen Geschichten findet ihr unter:

http://gadreel-coco.livejournal.com/
 

Coco & Gadreel



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Kralle
2009-09-26T21:34:47+00:00 26.09.2009 23:34
juhu!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
ein neues kapitel^^
aber der anfang kam mir bekannt vor ... bis ich gemerkt habe, dass ihr die kapitel bei yaoi.de einfach anders eingeteilt habt^^°
aber wieder super geschrieben.
jetzt stellt sich die frage, wer ist die frau (crawfords familie?) und wann gehts weiter?

mfg

Kralle


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