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Die Tage danach

von

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Teil 2

Teil 2
 

Oscar versuchte dem Verlauf ihres täglichen Lebens so gut es ging wieder nachzugehen, ohne Andrè. Doch immer wenn sie Rat brauchte fehlte jemand an ihrer Seite der sie zu Recht wies. Den einen Morgen verbrachte sie alleine im Garten und verbesserte ihre Fechtkünste. Erinnerungen an Andrè fingen an sie zu quälen, sie glaubte ihn überall anzutreffen wo er auch sonst immer war, doch es war alles nur eine Illusion ihrer selbst.
 

An diesem Abend ging sie sehr nachdenklich von der Arbeit nach Hause und schlief in dieser Nacht sehr unruhig. Sie erwachte aus dem Schlaf und sah sich um. Seit Tagen konnte sie nichts ablenken, von diesen Gedanken die in ihrem Kopf hin und her sprangen und sie beinahe wahnsinnig machten. Diese Gedanken, die sie auch Heute Nacht wach hielten. Langsam stand sie auf und ging zum Fenster. Dank des hellen Mondlichts konnte sie genau alle Umrisse der Häuser und Gärten ihrer Nachbarschaft erkennen. Ihr Blick fiel auf ein Haus, das etwas weiter weg war, als die anderen und vor dem eine Strassenlampe stand. Sie erinnerte sich, wie sie dieses Haus im letzten Winter regelmäßig beobachtet hatte, zusammen mit Andrè. Sie war von den Schneeflocken fasziniert gewesen, die durch das Licht der Strassenlampe so schön aussahen. Sie seufzte. Sie ging etwas im Zimmer umher, bis sie wieder vor ihrem Bett stand und sich darauf nieder ließ. In einer Ecke des Bettes kauernd, starrte sie vor sich hin. Gleich würde es wieder kommen, dieses Gefühl. Diese Lehre. Sie spürte es schon länger. Aber wollte sie schon wieder darüber nachdenken? Nein.. sie würde sich weigern. Sie musste doch bloß etwas von ähnlich großer Bedeutung finden, worüber sie hätte nachdenken können. Gab es denn so was überhaupt? Eigentlich kannte sie die Antwort. Nein, es gab nichts Vergleichbares. Nichts, was diesem Gefühl in irgendeiner Weise an Schmerz, an Sehnsucht, nahe kam. Sie wollte aufstehen, zum Fenster rennen, es aufreißen und nach ihm rufen. So laut sie konnte, rufen. Doch würde er sie hören? Warum.. warum nur hörte er sie nicht? So lange wartete sie doch schon. Sollte sie vielleicht noch einmal so lange warten, bis er endlich zu ihr kam? Sie bildete sich schon regelmäßig ein, seine Anwesenheit zu spüren, seinen Geruch wahrzunehmen, oder zu fühlen, wie sein sanftes, braunes Haar zufällig ihre Wange streifte. Sie sehnte sich nach ihm, wie sie sich zuvor noch nie nach jemandem gesehnt hatte. Kraftlos sank sie plötzlich auf ihrem Bett zusammen. Ihr langes blondes Haar verteilte sich auf der Decke und tränen liefen über ihr Gesicht. Sie begann zu zittern, jeder Versuch langsam und regelmäßig zu Atmen scheiterte. Sie zog ihre Beine an und schlang die Arme um ihre zitternden Knie. Eingerollt lag sie auf dem Bett bis in die frühen Morgenstunden, sie fühlte sich furchtbar erbärmlich und hilflos.
 

Als Oscar aufwachte, fühlte sie sich sehr unwohl. Sie konnte sich nicht einmal genau daran erinnern ob sie überhaupt etwas geschlafen hatte. Doch eines wusste sie genau, es musste bereits morgen sein. Durch ihre Nachtvorhänge konnte sie das Morgenrot der Sonne erkennen. Sie musste aufstehen und sich fertigmachen, sie hatte an diesem Tag noch einiges als Kommandant der Königlichengarde zu tun. Sie zog die Decke über ihren Kopf und hätte das Bett am liebsten nicht verlassen. Es nützte jedoch alles nichts, sie musste aufstehen.

Also warf sie schwungvoll die Decke zurück und blinzelte in die Sonnenstrahlen, die sich zwischen den zugezogenen Vorhängen hindurchdrängten.

Es würde bestimmt ein schöner, sonniger Tag werden. Während sie sich reckte und streckte, viel ihr Blick auf die eine Rose die am vorigen Abend noch nicht verdorrt war. Das letzte Blatt war auch von der letzten Rose abgefallen. Nur noch ein kahler Stiel ohne Blüte stand da. Bereits fünf Tage war Andrè nun fort! Wieso wusste sie das nur so genau? Sie hatte die Tage gezählt und in einem war sie sich sicher, sie würde weiter zählen, bis er wieder da war. Wie in Zeitlupe ging sie nun auf den Tisch zu auf dem die letzte verdorrte Rose stand. Sie streckte ihre Hand langsam nach der Vase aus und hob diese sanft auf. Warum nur? Warum...? Fragte sie sich innerlich.... Sie konnte sich nicht mehr beherrschen und ließ ihrem Schmerz freien lauf. Sie warf die Vase gegen die Wand neben der Zimmertür. Schwer atmete sie auf als wäre ihr mit diesem Wurf eine Last abgenommen worden.
 

General de Jarjayes wartete inzwischen draußen vor der Haustür ungeduldig auf seine Tochter. Er hatte sich für heute vorgenommen seine Tochter in den Palast zubegleiten, da er dort sowieso noch einiges zu erledigen hatte. Die Tür öffnete sich, Oscar stand nun vor ihm, ohne ein Wort mit ihm zureden stieg sie auf das bereits gesattelte Pferd. "Guten Morgen, mein Kind." Oscar dachte nicht daran ihrem Vater einen guten Morgen zu wünschen, sie war noch immer sauer auf ihn und das zu Recht. Andererseits hatte sie die Ohrfeige für ihr Benehmen bei Tisch verdient. Doch seit Andrè fort war, waren für sie die Regeln des Hauses unbedeutend geworden. Es interessierte sie nicht mehr im Geringsten. "Kann es sein das du heute mit dem falschen Bein aufgestanden bist?" Der General setzte sich auf sein Pferd und wartete auf die Antwort seiner Tochter. Oscar sah ihn nur mit einem stechenden Blick an. "Bist du sauer auf mich Oscar? Weil du drei Tage lang im Zimmer bleiben musstest?" "Keines Wegs Vater, ich danke euch sogar dafür... so hatte ich Zeit über einiges nachzudenken..." Ihr Vater nahm zufrieden die Zügel in die Hand und trieb das Pferd zum traben an. "Dann bin ich ja beruhigt." Er macht es sich immer so verdammt leicht... dachte Oscar bei sich. In diesem Augenblick fasste Oscar einen eigenmächtigen Entschluss. Sie senkte ihren Blick und rief ihren Vater zurück, dieser blieb auf der Stelle stehen. "Was gibt es denn noch Oscar?" "Vater! Ich werde nicht mit in den Palast kommen." "Willst du dich mir schon wieder widersetzen Oscar? Wenn du nicht mit in den Palast kommst, dann darfst du eine Woche in deinem Zimmer verbringen!!" drohte der General ihr. "NEIN! Weil ich nicht da sein werde...ich bin keine Marionette..." Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen trat sie dem Pferd ruckartig in die Seiten. In Windeseile galoppierte sie an ihrem Vater vorbei und sprang über eine der Hecken hinweg, hinaus auf die Strassen. "OSCAAAAR! Bleib auf der Stelle stehen!!!" General de Jarjayes kam das alles so vor als durchlebte er gerade einen bösartigen Traum. Was war bloß mit seiner Tochter los? Oscar lachte draußen auf der Strasse laut auf, es kam ihr so vor als sei sie aus einem Gefängnis geflohen und fühlte sich auf einmal so frei wie noch nie. So einfach ließ der General sie nicht davon kommen, nein er ritt ihr sogar hinterher und versuchte sie einzuholen. Immer näher kam er ihr. Oscar trieb ihr Pferd nun noch schneller an, sie wollte weg, weit weg von diesem Ort. Sie konnte diese Pflichten die sie ihrem Vater gegenüber hatte nicht mehr ertragen. Niemand sollte sie mehr zu Dingen zwingen die sie nicht wollte, sie wollte frei sein, selbst entscheiden wann sie was tat und wie sie es tat. Sie wusste das sie nach dieser Sache nicht mehr so einfach zurück nach Hause konnte, doch das war ihr in dem Moment egal, es kümmerte sie nicht ein bisschen. Oscar drehte ihren Kopf nach hinten um zusehen wie weit sich ihr Vater entfernt hatte, es war nur noch ein kleiner schwarzer Punkt am Horizont zusehen, er schien aufzugeben. Sie war ihm ja doch zu schnell gewesen. Ein Lachen huschte ihr übers Gesicht.
 

Als erstes besuchte Oscar in Paris eine Schneiderei und kaufte sich ein weißes Hemd und Hosen dazu. Sie konnte unmöglich eine Reise antreten mit einer Königlichengarde Uniform. Danach beschloss sie Rosalie aufzusuchen und ihr einen Besuch abzustatten. Sie brauchte nur einige Minuten bis sie vor Rosalies Tür stand. Damals hatte sie Bernard zu ihr geschickt, nachdem er als schwarzer Ritter enttarnt wurde. Was sie wohl gerade tat? Und wie mag es ihr gehen? Fragte sich Oscar im Stillen. Sie klopfte mit ihrer rechten Hand an die Tür, aber nichts geschah. Sie klopfte noch einmal, diesmal etwas lauter, jedoch erhielt sie wiederum keine Antwort. Sie versuchte, durch ein Fenster neben der Tür in die Wohnung hinein zu schauen, aber die Gardinen waren zugezogen. Sie klopfte ein drittes Mal, bevor sie um Die Wohnung herum ging, um festzustellen, ob es eine Hintertür gab.
 

Sie kam in einen verwilderten Obstgarten. Die Apfelbäume waren gewiss zehn, zwanzig Jahre nicht mehr geschnitten worden. Unter einem Birnbaum standen ein paar halb verrottete Gartenmöbel. Eine Elster flatterte auf. Sie fand keine Tür und kehrte zur Frontseite der Wohnung zurück. Einmal klopfe ich noch, dachte sie. Sie hörte nicht, sie ahnte nur, dass jemand den Weg hinter ihr betreten hatte. Hastig drehte sie sich um. Der Mann war ungefähr fünf Meter von ihr entfernt. Er stand regungslos und beobachtete sie. "Bernard?" "Oscar, was treibt euch in diese Gegend?" Oscar antwortete nicht auf seine Frage, sondern ließ traurig ihren Kopf senken. "Ihr seht nicht besonders glücklich aus, kommt doch erst einmal auf eine Tasse Tee herein." Langsam richtete Oscar ihren Kopf wieder auf und nickte nur knapp. Bernard setzte Tee auf während Oscar es sich am Küchentisch bequem machte. Nachdem Oscar einige Zeit lang mit neugierigen Blicken die Ausstattung des Wohnzimmers betrachtet hatte, kam Bernard mit zwei Tassen Tee zurück. Er servierte den Tee auf einem Tablett. Vorsichtig setzte er die Tassen auf dem Tisch ab und verschwand mit dem Tablett wieder in der Küche. Oscar rückte näher zum Tisch und betrachtete, was er ihr gebracht hatte. Die Tassen waren aus normalem Glas und waren mit blauen Blümchen verschnörkelt. Sie standen auf einem Unterteller, der im gleichen Stil gehalten war. Auf diesem lag ein ebenso verschnörkelter Löffel, der auf Hochglanz poliert war. Sie tauchte ihre Finger in das Zuckertöpfchen und fischte sich zwei Stücke Zucker heraus, die sie danach sanft in den Tee herabsinken ließ und peinlich genau darauf achtete, keine Spritzer auf dem Tisch zu verursachen.
 

Kurze Zeit später setzte sich Bernard zu ihr. "Nun, weshalb seit ihr nun hier Oscar?" Sie stützte den Kopf auf ihren Händen auf und schloss einen Moment die Augen. "Mein Vater..." sie hörte ein leises knarren und schwieg für einen kurzen Moment "...er bestimmt mein ganzes Leben und das bin ich leid.... Ich bin von zu Hause weggegangen, ich habe es da nicht mehr ausgehalten." "Ich verstehe Oscar." Nein... er versteht gar nichts, dachte sie. Sie kniff die Augen zusammen und war den Tränen nahe. Nur sie alleine wusste in dem Moment was in ihr vorging. Jeder schien so zu tun als wüsste er was in ihr vorging, doch in Wirklichkeit wusste es keiner. Wieder schien der Boden unter ihnen zu knarren. "Nein... du verstehst gar nichts...." Sie senkte den Kopf. Niemand konnte sie verstehen, niemand... außer Andrè. Er war der einzige der sie immer verstanden hatte, er, der sein ganzes Leben an ihrer Seite verbracht hatte. Nur dieser Mann wusste was sie fühlte, er wusste wann sie traurig war und er wusste wann sie glücklich war. Bernard sah sie nur hilflos an und wusste nicht wie er ihr zureden sollte. "Wo willst du denn jetzt hin?" fragte Bernard nun besorgt. Oscar drehte sich ihm nicht zu und hatte den Kopf noch immer gesenkt. Statt ihm eine Antwort auf seine Frage zugeben erkundigte sich Oscar nach Rosalie. Kurz darauf verabschiedete sie sich von Bernard, sie hatte von ihm erfahren das Rosalie nicht weit von hier in einer Bäckerei arbeitete. Wieder draußen an der frischen Luft färbten sich Oscars Wangen rot und der Wind spielte mit ihrem blonden Haar. Ihre Augen schienen leer und glanzlos. Bernard wusste nichts von ihren Ängsten, ihren Launen und ihrem Schmerz. Er betrachtete sie nur stumm während sie ging. Er stand noch lange draußen vor der Tür und beobachtete sie bis sie um die nächste Ecke bog.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2006-04-09T10:52:28+00:00 09.04.2006 12:52
also mal ehrlich, ich bin wirklich neugierig, wie die story weitergeht! ich finds schon mal cool, dass oscar aus ihrem zu hause ausgebrochen ist, um andré jetzt zu suchen... sie macht sich doch auf den weg um ihn zu suchen, oder? ^^ ich wills mal hoffen... du hast da ne menge spielraum gelassen, wie die story weitergehen könnte und dadurch bleiben die leser am ball^^ also ich auf jeden fall! dein ausdruck wird auch besser, aber da gibt es sicher noch eine steigerungsform bei dir! schreib schnell weiter!
liebe grüße,
krisi
Von: abgemeldet
2006-04-08T22:49:36+00:00 09.04.2006 00:49
oooh... na hoffentlich kommt André wieder zurück! ;) schön geschrieben...


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