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Ich Severus Snape

Young Severus - ein bisschen Depri - Erster Band meiner Saga
von

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Das vierte Jahr

Kapitel 5

Das vierte Jahr

Streifzüge
 

D

er alte Bastard (ja, so werde ich in Zukunft von ihm denken – es tut mir einfach zu gut) bringt mich nicht zum Zug und ich muss selbst zusehen, wie ich hinkomme. Kein Problem, schließlich weis ich, wie man Flohpuder herstellt und so tue ich das auch.

Ich bin dürrer als je zuvor und die Robe flattert nur so um meine inzwischen doch recht hohe Gestalt (ich wirke noch größer, eben weil ich so dürr bin und mich extrem gerade halte). Mein Blick ist finster und brennend geworden, meine Gedanken düster - gallenbitter. Nein, ich bin wirklich kein Junge mehr. Dieser Sommer hat den letzten Rest von Kindheit aus meiner Seele gebrannt, aus diesem Grund konnte ich nach dieser langen Zeit im finsteren Keller, meinem Vater auch so entschlossen gegenübertreten. Es war zu viel, einfach zu viel…

Ich hätte die Zeit im Keller wohl kaum überstanden, hätte ich nicht die Narbe in meiner linken Hand und den Zettel gehabt, die mich immer daran erinnert haben, dass irgendwo ein Freund von mir lebt und darauf wartet, von mir zu hören. Er weis natürlich, dass ich ihm erst schreiben kann, wenn ich wieder in Hogwarts bin, schließlich habe ich keine eigene Eule und deswegen hat er mir im Sommer auch nicht geschrieben - er wollte auch nicht, dass jemand außer mir seine Briefe in die Hand bekommt.

Ich bin ungepflegter als je zuvor, denn ich kann mich erst wieder ordentlich waschen, wenn ich zurück in Hogwarts bin. Mein Haar ist fettiger als denn je, hängt mir in schmierigen, zottigen Strähnen ins Gesicht. Es ist mir egal, wie ich aussehe, spielt keine Rolle, wenigstens stinke ich nicht mehr. Meine Schritte sind jetzt vollkommen spinnenartig und es wird erst wieder besser werden, wenn alles völlig verheilt ist. In mir brennt Hass, finsterer, schwarzer Hass, eine unglaubliche, grausame Wut hat sich in mir zusammengeballt. Zuviel Einsamkeit und zu viel Leid, denke ich manchmal – Bitterkeit.

Ich hieve meinen Koffer in den Hogwarts Express und suche mir einen Platz. Es gibt keinen, der sich von mir verabschiedet, keinen, der mich begrüßt. Einsam.

Die Herumtreiber platzen herein - lautstark, fröhlich - belegen die freien Plätze, sie haben mich wohl gar nicht gesehen. Sie gehen noch mal nach draußen, um sich von ihren Leuten zu verabschieden. Ich lehne in der Ecke am Fenster und starre hinaus. Ich komme mir hart vor. Kalt und leer. Keinerlei Freude ist in mir, nur Bitterkeit. Einsam.

Potters Rudel strolcht wieder herein, als der Zug sich in Bewegung setzt.

„Snivelly, alter Schmierlappen“, platzt es aus Black heraus, als er meine Anwesenheit bemerkt. „Auch wieder da.“ Dann verstummt er plötzlich und starrt mich regelrecht entsetzt an, dann versucht er seine Verblüffung zu überspielen, indem er mich weiter beleidigt. „Sag mal, Snivelly, ist jetzt in Yorkshire die große Trockenheit ausgebrochen, oder warum hast du dich die ganzen Sommerferien über nicht gewaschen?“

„Yeah, Snivellus“, fügt Potter an. „Deine Haare könnten dringend einen Ölwechsel vertragen.“

Ich starre die Gruppe einfach nur aus meinen brennenden Augen an und sage nichts - ich will nicht sprechen. Lupin zuckt teils entschuldigend, teils gleichgültig (das erste würde ich zu gerne glauben, das zweite halte ich bei einem Jungen wie ihm für unwahrscheinlich) die Schultern und holt ein Paket Karten heraus.

„Habt ihr Lust auf ein paar Spiele?“ fragt er geschäftsmäßig.

Sie sind einverstanden und spielen miteinander - Exploding Snap. Witzig und spannend – für kleine Kinder. Pettigrew ist nicht dabei und später erfahre ich, dass er sich im Sommer eine Grippe eingefangen hat und nachkommt – Seine Mami wollte das so.

Ich stelle mich schlafend, bin auch wirklich müde. Höre, wie sie miteinander flüstern, da sie glauben, dass ich sie nicht höre.

„Habt ihr gesehen, wie Snape aussieht?“ fragt Lupin mit leiser, entsetzter Stimme.

„Schrecklich“, erwidert Black schockiert. „Ich weis ja, dass seine Familie arm ist, aber dass sie jetzt nichts mehr zu Essen haben?“

„Ich glaube nicht, dass es alleine Nahrungsmangel ist“, sagt Potter betroffen. „Habt ihr seine Augen gesehen? Wie glühende Kohlen – Brr! - das kann nicht allein von zu wenig Nahrung kommen, da muss wesentlich mehr dahinter stecken.“

„Vielleicht hat er ja schröcklichen Liebeskummer“, spottet Black, wohl um die triste Stimmung zu brechen. „Nach deiner kleinen Ansprache, letzte Ostern, meine ich.“

Potter und Lupin lachen.

„Nee“, meint Lupin. „Das muss was anderes sein. Er sieht wirklich entsetzlich aus.“

„Vielleicht fehlt ihm auch sein kleiner Freund“, bemerkt Black etwas hinterhältig. „Ich habe gehört, dass Morchie für zwei Jahre nach Dumstrang ist.“

Was soll das? Natürlich fehlt mir Hieratus, aber was soll dieser süffisante Unterton? Ich verstehe das nicht – vielleicht will ich es auch nicht verstehen – immerhin kenne ich meine Empfindungen in Bezug auf Black – nicht, dass ich das irgendwie mit Hieratus in Verbindung bringen würde – aber ein Außenstehender könnte dennoch denken ... na ja, was auch immer er denken mag,

„Kann sein“, meint Potter, „aber eigentlich ist es mir auch egal. Snivellus ist und bleibt einfach ein alter, schmieriger Schleimbeutel.“

„Lasst uns weiterspielen“, meint Lupin achselzuckend und wechselt nun vollkommen das Thema.

Soll mir Recht sein, dann muss ich wirklich nichts dazu sagen. Was geschehen ist, ist geschehen und die drei sind sicher die letzten mit denen ich diese Tatsachen diskutieren würde, nicht dass ich mit sonst wem darüber sprechen werde...

Die Zugräder rattern wieder ihr endloses Lied von der Einsamkeit und lassen mich tatsächlich einschlafen.

Ich werde wieder wach, als die Hexe den Karren mit den Snacks vorbei schiebt. Ich kaufe mir etwas Kesselkuchen und Kürbissaft. Jetzt kann ich es mir leisten – zum ersten Mal. Ich esse vorsichtig in kleinen Bissen, denn mein Magen ist die gehaltvolle Nahrung nicht mehr gewohnt. Nach der ersten Scheibe muss ich eine Pause machen, damit er keinen Aufstand macht und alles wieder von sich gibt. Langsam trinke ich von dem Kürbissaft. Er schmeckt köstlich und fließt wie flüssige Butter meine Kehle hinunter.

Potter und Black feixen und lachen - wahrscheinlich immer noch oder auch schon wieder über mich. Ich achte kaum darauf. Die haben ja keine Ahnung. Überhaupt keine Ahnung. Und ich bin sicher nicht der, der ihnen eine geben wird.

Ich starre aus dem Fenster, denke nach, esse weitere winzige Bissen von meinem Kuchen und trinke den Saft in kleinen Schlucken dazu. Ich werde Potter und seinen Freunden weiter nachspionieren. Was sollte ich auch sonst tun, wenn mir langweilig wird? Diesen Sommer habe ich Langeweile zur Genüge kennengelernt. Tage, die ewig zu dauern schienen. Nahezu undurchdringliche Dunkelheit, abgesehen von dem kleinen magischen Flämmchen und drückende Hitze. Nächte, in der Länge von Jahrhunderten. Quälender Hunger und Durst – brennender, grausamer Durst, bis sich mein Vater endlich bequemt hat, meine Kanne wieder zu füllen, mir ein Stück trockenes Brot herein zu werfen. Nichts mehr zu tun, nachdem ich meine Hausaufgaben gemacht hatte - meine Bücher kenne ich jetzt so gut wie auswendig - und dann Langweile – nur Langweile.

Mein Körper zu schwach und leer, um Lust zu empfinden. Ich habe es nicht einmal probiert, mich in Tagträume zu fliehen. Bis sie von selbst kamen: Meine Lichtung. Die Tage mit Sonic. Hieratus, der mit mir lacht. Endlose Gespräche mit ihm. Auch über Dinge, die ich dem echten Hieratus nie erzählt hätte. Dann wieder bittere Einsamkeit und Leere, weil ja in Wirklichkeit doch keiner da war. Keine Bilder von Lily, keine Bilder von Black. Nur manchmal, wenn die pure Erschöpfung mich ein paar Stunden schlafen ließ, seine Hände auf mir, ohne dass mein übel geschwächter Körper darauf reagiert hätte. Gedankenverloren starre ich aus dem Fenster, bis wir in Hogwarts ankommen.

Der Schlafsaal kommt mir unvollständig und leer vor, ohne Hieratus. Die beiden Anderen haben noch nie viel mit mir geredet. Einsam.

Ich kann kaum schlafen, aber das Essen macht mich wieder stärker, lässt mich wieder etwas Fleisch ansetzen und auch mein misshandelter Hintern verheilt wieder. Schließlich kann ich mich wieder fast normal bewegen – allerdings habe ich mir lange, schnelle Schritte und eine sehr gerade Haltung angewöhnt, was meine Robe dazu bringt, hinter mir her zu wehen. Beeindruckt zumindest die Jüngeren und sie gehen mir aus dem Weg, lassen mich in Ruhe - Und das will ich - einfach nur in Ruhe gelassen werden. Pettigrew ist auch wieder da. Er belustigt die Anderen indem es meinen Spinnengang nachahmt. Ein echter Lachschlager! Aber was soll´s, das hat keinerlei Bedeutung.

Ich habe Hieratus einen Brief geschrieben:
 

Lieber Hieratus,

es ist hier sehr einsam ohne dich. Ich vermisse dich sehr. Der Sommer war grauenvoll, aber ich möchte in einem Brief nicht davon schreiben. Potter und Konsorten sind wie immer, aber so richtig aneinander geraten sind wir dieses Jahr noch nicht. Sollte es dazu kommen, werde ich dir davon umgehend schreiben.

Lass bald von dir hören.

Dein Freund

Severus
 

Ich habe ihm den Brief mit einer Schuleule geschickt. Jetzt warte ich auf seine Antwort. Lang war er nicht, aber wenigstens ein Lebenszeichen – aber ich weis auch nicht, wie man einem Freund einen Brief schreibt, schließlich habe ich das noch nie zuvor getan.

Ich liege wieder mal schlaflos im Bett und es wird mir zum Feind, also entschließe ich mich, wieder einmal in meinen speziellen Raum zu gehen und auf den Verbotenen Wald zu schauen. Es ist Vollmond und die Sterne rufen mich. Ich werfe mir meinen Umhang über mein verschlissenes Nachthemd. Es ist mir mehr als nur zu klein, aber ich habe kein Anderes. Vielleicht kaufe ich mir das nächste Mal in Hogsmeade ein Neues. Das Geld dazu habe ich jetzt ja.

Ich schleiche aus dem Schlafsaal und durch den Gemeinschaftsraum, die Marmortreppe hoch und die dunklen Gänge entlang. Endlich habe ich das Zimmer erreicht. Die Tür öffnet sich mit leisem Quietschen und der Raum ist wie immer, verlassen und leer. Ich gleite zum Fenstersims, setze mich darauf und schaue in das Gelände hinunter. Eigenartig: Da läuft ein Hirsch mit einem riesigen schwarzen Hund übers taufeuchte Gras. Wo kommen die blos her und was machen die dort? Egal. Schon bald sind sie im Verbotenen Wald und aus meinem Bewusstsein verschwunden. Ich schaue den Schatten am Rasen zu. Sie ziehen mit dem Wind. Die schwarzen Bäume wiegen sich im Sternenschein. Unheimlich? Verlockend? Ich weis es nicht. Ich bin einsam – das ist das Einzige, was ich wirklich weis. Nachts bin ich nicht mehr hart und kalt, da bin ich einsam und traurig. Verlassen. Verloren. Bitter … Tagsüber kann ich stark sein, kann den Anfeindungen widerstehen. Aber nachts? Da bringt die Müdigkeit Gefühle hoch, vor denen ich völlig ungeschützt bin.

Ich schaue weiter aus dem Fenster, versuche zu träumen, aber ich bin so leer. Stundenlang starre ich nach unten, mein Blick schweift. Plötzlich fällt er auf drei dunkle Gestalten, die sich dem Schlosstor nähern. Black, Potter, Pettigrew. Waren sie nachts draußen? Offensichtlich. Aber warum tragen sie dann nicht Potters fabelhaften Umhang? Potter bückt sich und plötzlich sind sie verschwunden, wie von Erdboden verschluckt. Hat der Umhang am Rasen gelegen und haben sie ihn jetzt umgelegt? Gut möglich.

Black…

Sein halbnackter Körper, den ich letztes Jahr in der Krankenstation gesehen habe, schießt mir in den Sinn. Die glatte, silbrig schimmernde Haut im Mondlicht, seine eleganten, schmalen, langfingrigen Hände, sein großer, steifer Penis. Alles steht vor meinem geistigen Auge, als wäre er direkt neben mir und mein kalter Körper beginnt zu kribbeln. Die Haare auf meinen Armen stehen zu Berge, meine Hände gleiten in die Ärmel zurück und verschwinden im Umhang, unter dem Nachthemd. Ich bin immer noch dünn, wenn auch nicht mehr ganz so dürr, wie noch vor einem Monat, als ich wieder hier her gekommen bin. Meine Haut fühlt sich so kalt und hart wie Marmor an, aber eigentlich friere ich nicht.

Meine Hände streichen über meine Brust, auch dort zeigt sich erster Flaum, ganz dünn, ganz fein, kaum zu spüren. Sie streichen über meine Seiten, sie sind so knochig, gleiten hinunter zu meinen Schenkeln, auch die sind viel zu dünn.

„Hässlich“, denke ich, „dürr und hässlich.“

Meine Finger finden das Fell zwischen meinen Beinen und es ist viel dichter geworden, beinahe rau. Meine Hand greift nach meinem Penis und beginnt langsam auf und ab zu gleiten. Ein lange nicht empfundenes Gefühl brandet in mir auf. Ich habe es den ganzen Sommer nicht gehabt. Es ist schön. Tut gut. Macht ruhig - und - etwas weniger einsam.

Heute will ich mir Zeit lassen, das Gefühl genießen. Es ist eigenartig, früher habe ich es immer gehasst, wenn mein Körper das von mir verlangt hat, heute verlange ich es von ihm und er ist sehr willig.

Ich sitze am Fenster, habe meine Beine auf die eine Seite des Rahmens gestemmt, mein Rücken lehnt an der anderen Seite, mein Kopf liegt im Nacken und ich starre blicklos zur Decke. Mein langes, schwarzes Haar fällt über meine Schultern auf meinen Rücken und irgendwie bin ich weit, weit weg. Gleichzeitig spüre ich jede meiner Berührungen auf meinem Körper. Ich habe es noch nie so genossen, mich zu befriedigen, wie heute.

„Langsam, ganz langsam, Severus, lass dir Zeit“, flüstere ich mir zu.

Blacks Körper, der im Mondlicht schimmert. Lily, die

über meine Lichtung tanzt. Blacks Hände, die meinen Körper berühren, als er mich mit Schnee einreibt, als er mir die Robe hochschiebt und mir den Froschlaich in die Unterhose stopft. Lilys Lachen, ihr kupferrotes, schimmerndes Haar, ihre grünen Mandelaugen. Blacks funkelnde, schwarze Augen, wenn er sein Haar schüttelt, tollkühn lacht. Lily, die in flirrendem Staub steht, der leuchtet, als sei er aus Gold. Black und Potter, die sich auf die Schultern klopfen und sich vor Lachen biegen. Freunde...

Black und Lily - Lily und Black.

Mein Körper zuckt, erleichtert sich seiner Last und ich bin ruhig, zufrieden. Stehe auf und gehe leise und wachsam in meinen Schlafsaal zurück.
 

Ein Brief von Hieratus!
 

Lieber Severus,

es ist sehr eigenartig hier. Gar nicht wie in Hogwarts. Es ist verboten zu sagen, wo genau die Schule liegt. Aber eins darf ich dir sagen: Es ist sehr kalt hier, sogar im Sommer. Habe mich gefreut, als dein Brief kam. Was war nur diesen Sommer bei dir los? Wenn du es mir nicht schreiben magst, muss es wirklich schrecklich gewesen sein, Aber du bist stark, Alter, du wirst schon fertig damit. Du erinnerst dich an unsere Gespräche über den Dunklen Lord in unserem zweiten Jahr? Hier wird dauernd von ihm gesprochen. Denk dir, hier lernen wir nicht nur Verteidigung gegen die Dunklen Künste, hier lernen wir die Dunklen Künste. Die Sprüche sind einerseits einfacher, als die, die wir gelernt haben, andererseits, muss man viel stärker das wollen, was sie bewirken sollen. Ich vermisse dich…

Dein Freund

Hieratus
 

Ein seltsamer Brief, klingt so gar nicht nach meinem Freund. Schwarze Künste … darf nicht sagen, wo ich genau bin… der Dunkle Lord … Na ja, wenigstens habe ich was von ihm gehört und weis, dass es ihm gut geht.
 

Ich hab mir überlegt, wenn die Herumtreiber in der Nacht im Gelände rumstreifen können, kann ich das auch, auch wenn ich keinen Unsichtbarkeits Umhang besitze.

Nacht. Neumond. Dunkelheit. Ich schleiche durch die leeren und nahezu totenstillen Gänge der Verliese. Leise, sehr leise. Ich will zur Eingangstür. Mein Blick streift durch die Eingangshalle. Keiner da. Ich gleite zum Hauptportal, öffne die Tür – und bin draußen, draußen im Gelände, mitten in der Nacht. Eine eigenartige Erregung läuft durch meinen Körper und ich husche übers taufeuchte Gras. Dunkelheit. Es ist sehr dunkel, nur die Sterne spenden ein wenig Licht, aber eigentlich kann ich trotzdem alles ganz genau sehen.

Ich halte mich an die Schatten am Rasen, werde selbst zum Schatten. Keiner draußen. Keine Spuren im taufeuchten Gras, nur meine eigenen. Ich husche hinüber zum Wald. Er zieht mich schon seit Jahren an. Ich weis, er ist uns Schülern verboten, aber er ruft mich mit einer eigenartigen, zwingenden Stimme. Da drüben liegt Hag-rids Hütte. Dunkel, still. Kein Rauch steigt aus dem Kamin auf, kein Licht dringt durch die Fenster. Es ist weit nach Mitternacht.

Ich will daran vorbei gleiten, trete versehentlich auf einen dürren Zweig und er kracht wie ein explodierender Kessel. Ein Hund beginnt laut zu kläffen. Seiner Stimme nach muss er riesig sein. Ich stehe da wie erstarrt, wage nicht mich zu bewegen. Ein lautes Rumoren in der Hütte, dann ein heller Lichtkegel, der im Fenster schimmert, eine grollende Stimme ist zu hören.

„Bist staad, bleeda Hund.“

Hagrid -Ich kann mich immer noch nicht rühren, aber meine Augen suchen flehendlich die Dunkelheit ab. Nowhere to hide – nowhere to run. Die Tür öffnet sich, das Licht fällt auf den Rasen vor mir und der Riese streckt seinen Kopf aus der Hütte.

„Is do wea?“ ruft er in die Dunkelheit.

Ich stehe einfach da, rühre mich nicht, gebe keinen Laut von mir und wünschte, ich wäre unsichtbar. Plötzlich schießt der Hund, der vorher gebellt hat, durch den Türstock - er ist wirklich riesig - und springt auf mich zu. Ich zucke erschrocken zusammen. Himmel, ist das Vieh gewaltig! Er stellt sich auf die Hinterbeine und legt mir seine Pfoten auf die Schultern, hechelt und sabbert. Der Geruch seines Atems macht meinem Vater problemlos Konkurrenz. Dann ... leckt er mir schwanzwedelnd das Gesicht ab. Hagrid trottet heran und seine schweren Schritte erschüttern regelrecht den Boden. In der Hand hält er eine Laterne, die einen hellen Ring um ihn wirft. Der strahlende Lichtkegel fällt auf meine viel kleinere Gestalt.

„Bua“, sagt der riesige Wildhüter mit einem Grollen in der Stimme, „was tuast´n du do, mitt´n in da Nacht?“

Ich starre ihn an. Fürchte ich mich? Nein, ich glaube nicht. Ich weis, dass Hagrid zwar wild aussieht, aber ein sehr netter und sanfter Mann ist, trotzdem weis ich nicht, was ich sagen soll.

„Geh weida Bua, kimm eini in mei Hütt´n.“

Er packt mich an der Schulter, dass ich unter dem Gewicht seiner Hand in die Knie gehe und führt mich zur Hütte. Es ist dunkel drinnen, aber kurz darauf brennt ein Feuer im Kamin. Er stellt eine Tasse (einen Eimer) dampfenden Tees vor mich hin.

„Jetzad sog, Bua, was woitads do draußd´n, mitten in da Nacht. In an Woid schleich´n? Soitads ned. Is g´fährlich do drinnad.“

Seine Stimme grollt noch immer, klingt aber freundlich.

„Yeah“, sage ich leise und verträumt, „Der Verbotene Wald…“

„Bua, du host do drinnad nix valorn. Do san schlimme Viecha drinnad. De kennan di umbringa.“

„Yeah, ich weis, aber…“

„Nix aba, Bua. Lass des sei, des is echt zu g´fährlich.“

Ich schaue in seine glitzernden Käferaugen. Er scheint belustigt zu sein, aber mit dem vielen Haaren, die er im Gesicht hat, kann ich es nicht genau sagen.

„Trink dein Tee aus, Bua. Dann bring i di wieda zum Schloss aufi. Geh schlafa, Bua. Es is mittn in da Nacht.“

Ich trinke vom Tee des Riesen. Er ist heiß und wärmt mir den Magen.

„Was werden sie mit mir tun, Sir?“

Seine Augen funkeln noch stärker.

„Nix, Sir“, sagt er. „I bin Hagrid, nua Hagrid, für olle. Nix werd i mit dia macha, aba wenn i de no amoi mitten in da Nacht do herausd´n dawisch dann…“

Er braucht nicht zu sagen, was dann, ich kann es mir lebhaft vorstellen. Nachsitzen - Strafarbeit – ein blauer Brief nach Hause – etwas in der Art. Ich nicke.

„Aber warum, Hagrid?“

„Warum, was, Bua?“

„Warum hängst du mich nicht jetzt schon hin?“

„Da Dumbledore sagt oiwei, dass a jeda a zwoate Schanz´n vadient. A grossa Mo, da Dumbledore.“

„Danke, Hagrid”, sage ich leise und nicke.

„Jetzad geh weida, Bua, i bring di zum Schloss aufi“, meint er, als ich meine Teetasse ausgetrunken habe.

Im Schatten des Riesen gehe ich wieder zum Schlosstor zurück und verschwinde in den Verliesen, nachdem er sich freundlich von mir verabschiedet hat.

Lange liege ich noch in meinem Himmelbett wach und denke über meine seltsame Begegnung mit dem riesigen Wildhüter nach. Er hat mich so behandelt, wie er alle behandelt: Anständig.
 

Ich habe Hieratus von meinem nächtlichen Ausflug geschrieben - mal sehen, was er dazu meint - auch er kennt Hagrid, wie wir alle von Hagrid wissen. Er soll vor vielen Jahren von der Schule geflogen sein, dann aber, Dank Dumbledores Fürbitte, als Wildhüter eingestellt worden sein. Nun, man hört viele Gerüchte, wenn man in Hogwarts ist, aber man soll nicht alles glauben, was man so hört. Ich finde auf jeden Fall, dass Hagrid schwer OK ist.
 

Halloween kommt näher und damit das erste Hogsmeade Wochenende in diesem Schuljahr. Aber auch das erste Wochenende im Dorf ohne Hieratus. Alleine schlurfe ich aus der Tür hinaus, über den Rasen und durch die schmiedeeisernen Tore der Schule. Meine Gedanken sind weit weg, ich achte nicht auf meine Schritte, kenne den Weg wie im Schlaf und erreiche das Dorf.

Wie ich beschlossen habe, gehe ich in den Kleiderladen und kaufe mir ein neues Nachthemd - nein besser zwei - ich brauche ja eins zum Wechseln.

Mit der Tüte unterm Arm verlasse ich den Laden und will in den Honigtopf, Süßigkeiten kaufen und sie an unserem Platz an der Sonne essen. Plötzlich rempelt mich jemand an, ich stolpere, meine Tüte fällt zu Boden und platzt auf. Als ich herum wirble, sehe ich, wer mich geschubst hat – Pettigrew – ist ja mal wieder typisch. Potter und Black stehen daneben, Lupin glänzt mal wieder durch Abwesenheit. Black bückt sich und will meine Tüte aufheben. Ich hechte danach, will sie ihm nicht lassen. Kurze Zeit ziehen wir Beide daran, bis das bereits aufgeplatzt Papier reißt und meine neuen Nachthemden in den Straßendreck segeln. Pettigrew taucht flink danach, schnappt eins der Hemden und hält es hoch - es flattert beinahe spöttisch im Wind.

„Himmel, Snivellus“, feixt Potter, „was soll denn das darstellen? So was trägt meine Großmutter und auch nur dann, wenn es kein Anderer sehen kann.“

„Du hast was vergessen“, lacht Black. „Du brauchst noch ne Nachtmütze, dann passt die Sache.“

Ich funkle sie an, knurre, bin stinksauer.

„Gib das her, Rattenschwanz“, fauche ich Pettigrew grimmig an.

„Falscher Name“, meint Potter knapp. „Er heißt Wurmschwanz.“

Er lacht in sich hinein und Pettigrew wird knallrot, kichert aber ebenfalls. Plötzlich machen die beiden größeren Jungen einen Schritt auf mich zu und halten mich an den Armen fest, reißen meinen Umhang herunter, werfen ihn in den Dreck. Sie sind so schnell, dass ich gar nicht weis, wie mir geschieht.

„Macht schon“, johlt Black. „ziehen wir ihm das komische Ding an.“

Ich wehre mich, will die Beiden abschütteln, aber gemeinsam sind sie wesentlich stärker als ich und ringen mich zu Boden. Potter hält mich an den Schultern fest, Black kniet auf meinen Beinen. Ich bocke, will sie abwerfen, aber sie sind wirklich verdammt kräftig. Black packt den Saum meiner Robe, zieht sie hoch, seine Finger streifen meine Beine, meine Hüften, meinen Oberkörper und ich erschaudere – wenn wohl auch aus anderen Grüden, als die Black im Kopf haben mag. Dann greift Potter nach dem Stoff und zieht ihn mir über den Kopf.

Wir sind in einer einsamen Nebenstraße und keiner kommt vorbei, keiner hält die drei Jungs von ihrem hinterhältigen Tun ab. Pettigrew springt dazu und zwingt mir das Nachhemd über den Kopf.

„Zieh´s ihm wieder über die Beine, Padfoot“, sagt Potter mit einem unangenehmen Grinsen. „Die Unterhose ist echt das Letzte. Wir wollen doch nicht, dass Mädels, die zufällig vorbeikommen, einen Schock fürs Leben bekommen.“

Als Black mir das Nachthemd nach unten ziehen will, kommen meine Beine frei und ich strample, trete um mich, treffe Pettigrew zwischen den Beinen und der krümmt sich, jault auf. Ich kicke Black gegen die Kniescheibe, er stöhnt laut und weicht etwas zurück, treffe Potter am Kopf und seine Brille segelt in hohem Bogen davon. Er schüttelt sich die Haare aus den Augen und sein Griff wird eisenhart. Black fängt meine Beine wieder ein und hält sie unbarmherzig fest.

„Helft mir, ihn auf den Bauch zu drehen“, sagt er.

Potter reibt sich seine blutende Nase an seiner Schulter und schnieft, dann nickt er. Pettigrew hält sich noch immer seine Eier. Mit vereinten Kräften gelingt es jedoch auch den beiden ohne seine Hilfe, mich umzudrehen, auch wenn ich mich mit aller Kraft wehre, winde, bocke. Was haben die nur vor? Gleich darauf weis ich es.

„Was jetzt, Padfoot?“ fragt Potter.

„Für die Tritte hat er eine Strafe verdient“, meint Black hämisch. „Schau dir nur den armen Wurmschwanz an, der kommt ja gar nicht mehr auf die Beine und bei dir wird das ein sattes Veilchen werden.“

„Und?“

„Ich will ihm den Hintern verhauen, wie einem unartigen Kind.“

Potter lacht, Black lacht, Pettigrew kichert - Es klingt immer noch ziemlich schmerzerfüllt. Black fingert an meinem Nachthemd herum, meiner Unterhose. Zieht das eine hoch, die andere runter, dann klatscht seine Hand auf meine nackte Haut. Fest - es hallt direkt. Ich kann mich nicht mehr wehren, mich fast nicht bewegen. Sie haben mich geradezu am Boden festgenagelt. Immer wieder schlägt er mit der flachen Hand zu. Mein Hintern wird heiß, muss schon knallrot sein und ich muss zu meinem Leidwesen gestehen, dass etwas anderes knüppelhart wird – ich kann nur beten, dass es keiner der anderen Jungs bemerkt. Trotzdem gebe ich keinen Laut von mir – dazu bin ich zu stolz. Nur das leise Ächzen meiner fruchtlosen Bemühungen frei zu kommen, ist zu hören. Es dauert eine ganze Weile, bis sie genug haben.

Der Druck auf meinen Schultern und Beinen lässt nach und ich höre das Lachen der drei Jungs, wälze mich auf den Rücken und ziehe meine Beine an um meine Erregung zu verbergen, doch ich sehe nur noch, wie sie sich entfernen – zum Glück würdigen sie mich keines weiteren Blickes mehr.

Meine Robe flattert wie ein Banner hinter Potter her. Er rückt seine Brille auf seiner Nasenspitze zurecht, Black hält sich an seiner Schulter fest und humpelt und Pettigrew läuft wie auf Eiern.

Ich sitze im Straßendreck, wie ein begossener Pudel und hoffe, dass das harte Pochen zwischen meinen Beinen von alleine aufhört. Das zweite Nachthemd haben sie in eine Pfütze getreten. Muss Pettigrew gewesen sein. Die beiden Anderen waren zu sehr mit mir beschäftigt. Das Nachthemd, das sie mir übergezogen haben, steht ebenfalls vor Dreck und meine Robe ist weg. Ziellos irren meine Gedanken über die ganze Situation – ich muss mich erstmal wieder fassen.

Wie soll ich so nur ins Schloss kommen, ohne dass mich jemand so sieht? Das alles ist mehr als nur peinlich. Ich raffe den schlammtriefenden Lumpen zusammen. Die Tüte ist nur noch Fetzen, aber daneben liegt mein Umhang, dreckig wie nur was - Wenigstens er ist noch da - dem Himmel sei Dank, da drinnen ist nämlich meine ganze Barschaft. Ich werfe ihn mir über die Schultern, raffe ihn vorne zusammen und lasse das Nachthemd in einer Tasche verschwinden. Mein Hintern brennt von der Demütigung, mein Körper ist starr vor Dreck und ich muss ziemlich breitbeinig gehen, weil mein immer noch harter Penis sich quälend in meine Unterhose presst.

Der Gedanke: Nur ein bisschen höher und sie hätten die Narben gesehen, schießt mir auch noch durch den Sinn. Dabei vergesse ich fast, dass auch auf meinem Hintern und Oberschenkeln Narben sein müssen. Aber vielleicht denken sie, ich wäre als Kind in einen Rosenbusch gefallen oder so. Wenigstens haben sie mein anderes Problem nicht bemerkt, auch wenn es immer noch besteht und sich wohl nicht so einfach bei Seite schieben lässt – noch nicht mal dieses alles durchdringende Schamgefühl in mir schafft das – verdammte Hormone...

Mit gesenkten Schultern trotte ich zum Schloss zurück - den Tag haben sie mir gehörig verdorben - das schreit geradezu nach Rache.

Die Hauselfen von Hogwarts haben meine Sachen wieder sauber bekommen, aber die Freude an etwas Neuem hat mir die Bande gründlich verdorben. Ich habe Hieratus in einem Brief darüber geschrieben (nun nicht alles, gewisse Peinlichkeiten habe ich natürlich strengstens für mich behalten), habe gefragt, was er als Revanche vorschlägt. Jetzt warte ich auf Antwort. Mir würde sicher auch alleine etwas Geeignetes einfallen, aber mir fehlt mein Freund und ich möchte mit ihm in Verbindung bleiben, ihn in meine Pläne mit einbeziehen, soweit das mit Briefen möglich ist.
 

Ich habe erfahren, dass meine Robe jetzt wie eine Siegestrophäe im Gemeinschaftsraum von Gryffindor hängt. Gut, dass ich noch zwei andere habe, an die komme ich jedenfalls nie mehr dran.

Jedes Mal, wenn ich Potter und seine Freunde wieder sehe, brennt mein Hintern erneut von der Demütigung. Eins jedoch stellt mich etwas zufrieden: Potter hat ein Veilchen, das in allen Farben des Regenbogens schillert, Black hinkt immer noch recht stark und Pettigrew bewegt sich wie eine Spinne, auch ohne mich nachzuahmen. Der Tritt muss wirklich gewaltig gesessen haben.
 

Endlich habe ich eine Antwort von Hieratus bekommen. Er schreibt, dass er mit einem Jungen namens Igor Karkaroff abhängt, mit ihm aber bei weitem nicht soviel Spaß hat, wie mit mir. Na ja … Zu Potter ist ihm noch nichts eingefallen, aber denkt weiter darüber nach. Er schreibt, dass er mich vermisst … Und ich ihn - Kann gar nicht sagen, wie sehr.
 

Erneut liege ich schlaflos im Bett, höre die Atemzüge und das leise Schnarchen der beiden anderen Jungen im Raum. Einsam.

Mir geht die Sache in Hogsmeade einfach nicht aus dem Kopf. Potter und die anderen scheinen sie längst vergessen zu haben. Oder wollen sie nicht, dass Lupin die ganze Wahrheit erfährt? Wie ich ihn einschätze, hätte er ein Wörtchen dazu zu sagen. Er mag es nicht, wenn Potter und Black zu sehr über die Stränge schlagen, glaube ich wenigstes in seinen ach so gutmütigen Blicken zu lesen.

Ich wälze mich unruhig hin und her, aber der Schlaf will einfach nicht kommen. Seufzend verlasse ich das Bett und schleiche in den Gemeinschaftsraum hinaus. Auch hier passt es mir heute nicht. Er ist so öde ohne Hieratus. Weiter durch die leeren, finsteren Gänge. Ich könnte mal wieder duschen gehen, aber das kalte Wasser stellt keine große Verlockung für mich dar. Ein warmes Bad wäre schön … Moment mal, was habe ich die Vertrauensschüler flüstern hören? In den oberen Stockwerken haben sie ihr eigenes Bad und das Passwort lautet Pinienfrisch…

Um diese Zeit ist das Schloss wie ausgestorben. Nur ein paar Geister, Filch und seine Katze, aber die haben mich noch nie gestört. Die Treppen hinauf und durch geheime Gänge. Die Herumtreiber kennen sie bestimmt, aber es ist Vollmond und mir ist aufgefallen, dass sie bei Vollmond immer draußen im Gelände sind. Ich wage es nicht, ihnen zu folgen - noch nicht - wegen Hagrids gut gemeinter Warnung.

„Pinienfrisch“, flüstere ich und die Tür schwingt bereit-willig auf. Es ist ein wunderbarer Raum mit einem riesigen Becken und ungefähr einem dutzend Wasserhähnen.

Ich werfe meinen Umhang ab, ziehe mir das Nachthemd über den Kopf, meine Unterhose rutscht meine Beine hinunter und ich steige aus der grauen Stoffmasse. In einem Regal liegen riesige, flauschige, weiße Handtücher und ich hole mir zwei davon. Dann steige ich in das Becken, drehe die Wasserhähne auf und stark riechendes, seifiges Wasser quillt heraus. Ich probiere verschiedene aus und suche einen Strahl, der nicht ganz so sehr parfümiert ist, schließlich finde ich auch einen, der sehr schnell das riesige Becken füllt. Das Wasser ist so herrlich warm und umschmeichelt meinen dünnen Körper regelrecht – ich habe noch nie etwas so Angenehmes empfunden. Auf einem Bild über den Becken schnarcht leise eine Meerjungfrau auf einem Felsen. Gut, ich bin also alleine hier – kein Grund mich zu schämen oder zu befürchten, dass ich mich mal wieder bis auf die Knochen blamieren könnte.

Ich habe nie Schwimmen gelernt, aber das Becken ist nicht sehr tief und das seifige Wasser trägt mich. Ich plätschere ein wenig herum und es macht Spaß. Meine verkrampften Muskeln lockern sich, ich werde ruhig und fühle mich irgendwie frei.

Ich versuche durch das Becken zu schwimmen, aber ich stelle mich recht ungeschickt dabei an - Viel Rumgespritze, wenig Erfolg - macht nichts, dann setze ich mich eben an den Rand, dort ist das Wasser nicht so tief. Ich lehne mit dem Rücken am Beckenrand und halte mich mit dem Nacken daran fest.

Meine Gedanken treiben.

„Black“ schießt es mir wieder durch den Kopf und wieder fühle ich seine Hand, die mir auf den Hintern klatscht, die Härte in meiner Hose (War dann doch vorbei, als ich endlich das Schloss erreicht hatte). Doch dieses Mal ist die Erinnerung nicht nur demütigend, sie ist auch auf eine verdrehte Weise wieder erregend. Zwischen meinen Beinen regt sich was und wie von selbst, gleitet meine Hand dorthin (jetzt kann ich ja was dagegen unternehmen, ohne mich um eventuelle Zuschauer sorgen zu müssen), meine andere streicht über meinen schmalen Körper. Das warme Wasser entspannt mich so sehr, fühlt sich so gut an - meine Haut fühlt sich so glatt und warm und angenehm an. Zum ersten Mal in meinem Leben ist es mir wirklich warm - keine Kälte mehr in mir. Ich bin träge, faul und meine Gedanken machen sich selbständig.

Lily tanzt im Mondlicht, eine Elfe in einem goldenen Schimmer, ihr Haar leuchtet wie Kupfer und ihre Augen funkeln wie Smaragde. Nicht länger habe ich das Gefühl, sie mit meinen schmutzigen Gedanken zu beflecken. Ja, ich halte meine Gedanken nicht mehr länger so unbedingt für schmutzig.

„Mit deiner Sexualität musst du alleine fertig werden“, hat Hieratus damals zu mir gesagt - Recht hat er.

Allein? Ja. Einsam? Nee, im Moment fühle ich mich nicht einsam. Alleine ja, aber nicht einsam.

Ich träume vor mich hin, stelle mir vor, Lily würde in irgendeine schreckliche Gefahr geraten und ich käme daher, als strahlender Ritter, würde sie retten und sie würde sich bei mir bedanken, mich loben, mich beachten, mich vielleicht sogar mit einem Kuss belohnen … Träumereien, Phantasien.

Nein, den Kuss kann ich mir nicht vorstellen, denn ich bin noch nie geküsst worden … Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, Lily zu berühren oder dass sie mich berührt. Nur fern von mir, tanzt sie unantastbar im Mondlicht auf meiner Lichtung. Ätherisch - Wunderschön, aber für immer unantastbar.

Meine Hände spielen an mir herum, als wären sie fremde, eigenständige Wesen. Meine Hände? Black Hände? An meinen Beinen, meinen Schenkeln, meinen Seiten, meinem Oberkörper, streichen sie auf und ab.

Es ist viel einfacher an Black zu denken, wenn ich das mache. Wieder spüre ich seine Berührungen von damals, als sie mich im Dorf so gedemütigt haben. Und wieder sind sie erregend, so erregend. Es ist, als wäre er jetzt hier neben mir, würde mich wieder berühren.

„Du bist abartig, Severus“, kommt es mir in den Sinn. „Einfach abartig!“

„Aber du bist, wie du bist“, sagt eine neue Stimme in meinem Kopf, irgendwie klingt sie nach Hieratus.

Nein, ich glaube nicht, dass ich ein netter Kerl bin. Nein, ich bin auch nicht beliebt. Potter und Black sind es, aber ich bin nicht wie sie, ich bin wie ich. Die ganze Härte und Kälte in mir sind nicht ganz echt, noch nicht. Sie sind eine Art Spiel, ein Spiel, das ich mit mir selbst spiele, ein Kostüm, eine Verkleidung, eine Maske – und jeder nimmt mir das ab.

Ich bin, wie ich bin. Ich habe nie versucht, mich den anderen anzupassen, nur hart und kalt wollte ich immer werden, damit mich keiner mehr verletzen kann. Ich bin, wie ich bin. Ich forme mich selbst zu dem, was ich sein will. Eigenartige Gedanken - Erwachsene Gedanken.

Meine Hände streichen noch immer über meinen Kör-per und meine Gedanken sind am Wandern.

Black und Lily - Lily und Black.

Warum ausgerechnet diese Beiden? Lily hat noch nie auch nur ein Wort mit mir gewechselt. Und Black? Black verachtet mich. Er demütigt und verspottet mich nur. Aber seine Hände, seine Hände - Diese wundervollen, langfingrigen, schmalen, edlen Hände … seine Hände … sie sind so … saaanft…!

Mein Körper beginnt zu zucken und mein Unterleib krampft sich in einem gewaltigen Orgasmus zusammen, ich keuche heftig und das warme Wasser spült meinen heißen Erguss davon. Irgendwie körperlich und geistig erschöpft, krabble ich aus dem Becken und lasse das Wasser ablaufen, es nimmt meine Gedanken mit sich.

Ich nehme mir eins von den Handtüchern, trockne diesen viel zu dünnen, viel zu hässlichen Köper ab - zu schnell gewachsen, in zu kurzer Zeit und bei zu wenig Nahrung - Ich rubble mir die Haare trocken und sie knistern - das haben sie noch nie getan – sie bleiben am Handtuch haften, fliegen wie Spinnenweben - Seltsam.

Mein Nachthemd liegt am Boden wie ein Leichentuch, meine Unterhose, wie die abgestreifte Haut einer Schlange. Irgendwie eklig. Aber ich bin, wie ich bin. Ich streife die graue Unterhose über - viel zu klein, viel zu eng - ich sollte mir eine Neue besorgen. Aber wie? In Hogsmeade? Nee, blos nicht. Das letzte Mal hat gereicht ... Aber man kann mit der Eulenpost Sachen bestellen.

Das Nachthemd gleitet an meinem Körper hinunter, fällt mir bis auf die Füße, ist mir etwas zu weit - Macht nichts, ich werde schon noch hineinwachsen - und besser zu groß als zu klein. Ich greife nach meinem Umhang und werfe ihn mir über die Schultern. Meine Haare fallen mir über die Augen, kitzeln an meinen Wangen. Eigenartiges Gefühl.

Ich bin träge, müde, ruhig, zufrieden … und gehe in den Schlafsaal zurück, leise, damit mich nur ja keiner bemerkt und dumme Fragen stellt - den Rest der Nacht schlafe ich wie ein Stein.
 

„Snivelly“, tönt Black am nächsten Morgen, als wir vor Leechs Verliesen warten, bis er die Tür öffnet. „Na so was, du hast dir doch nicht mal die Haare gewaschen?“

Ich funkle ihn an und meine Haare fallen mir immer noch wie Spinnenweben über die Augen. Es stört mich, wenn sie fettig sind, bleiben sie mir wenigstens aus dem Gesicht, das ist besser.

„Lass mich in Ruhe, Black“, knurre ich.

„Ich hab dich gewarnt, Snivellus“ faucht Potter leise, sehr leise und gefährlich. „Lass deine Drecksfinger von Lily…“

Die erwähnte Lily steht ganz in der Nähe und scheint keinen von uns zu beachten. Das erklärt, warum er so leise spricht, wahrscheinlich hat sie sich mal wieder mit ihm gestritten.

„Saure Trauben, Potter, saure Trauben“, gebe ich höhnisch zurück.

Seine Augen blitzen giftig, aber er kann im Moment nichts weiter tun, denn die Verliestür öffnet sich und Leech winkt uns nach drinnen. Black geht hinter mir und gibt mir einen Stoß in den Rücken, ich stolpere, kann aber verhindern, dass ich hinfalle. Ich wirble herum und funkle ihn an.

„Warts ab, Black, warts ab“, fauche ich leise, „irgend-wann krieg ich dich, dann zahl ich´s dir heim…“


 

Naga und Butterbier

E

s wird Weihnachten und ich bleibe in Hogwarts. Kein Brief von meinem Vater, gut so. Am Weihnachtsmorgen kommt eine Posteule für mich und sie trägt einen Brief von Hieratus. Immer nur das Übliche, aber wenigstens bleiben wir in Verbindung. Der Brief enthält auch ein Weihnachtsgeschenk für mich, das erste, das ich je bekommen habe: Einen Gutschein für ein Haustier, einzulösen in Hogsmeade.
 

Seitdem habe ich nie wieder ein Weihnachtsgeschenk bekommen und ich hasse dieses Fest mehr als alles andere (nun, wenigstens von den gewöhnlichen Dingen) – vielleicht eben aus diesem Grund...
 

Mit dem Gutschein in der Tasche mache ich mich am Nachmittag auf den Weg ins Dorf und freue mich wirklich über das Geschenk. Vielleicht sollte ich Hieratus auch was schicken, aber ich finde es nicht angebracht, das Geld, das er mir hier gelassen hat, dafür zu verwenden. Ihm von seinem eigenen Geld ein Geschenk kaufen? Nee, das finde ich echt nicht gut. Aber Moment! Er hat geschrieben, dass er unter schlimmer Akne leidet und ich weis, wie man einen Heiltrank dafür herstellt. Das wäre ein geeignetes Geschenk. Etwas, das ich extra für ihn gemacht habe. Die Idee gefällt mir.

Ich bin in meinen Gedanken versunken, aber nicht so tief, dass ich nicht das Lachen von Potter und seinen Freunden gehört hätte. Inzwischen halte ich immer ein Ohr und ein Auge auf meine Umgebung gerichtet, das ist sicherer. Ich verschwinde hinter einem Busch und wie der Zufall es will, bleiben sie ganz in der Nähe stehen und ich kann hören, was sie sagen.

„Bald ist wieder Vollmond“, meint Potter beiläufig,

„Yeah, Prongs, schon irgendwelche besonderen Pläne?“ fragt Black.

„Nun, ich denke erst mal das Übliche.“

„Das Gelände, der Wald, Hogsmeade…“ sagt Lupin versonnen.

„Yeah“, meint Potter und grinst träumerisch.

Pettigrew scheint so aufgeregt zu sein, dass er sich beinahe in die Hose pisst. Er hüpft wie ein kleines Hündchen um die drei Anderen herum.

„Wo wohl der alte Snivellus steckt?“ fragt Black, wirft einen argwöhnischen Blick um sich und seine Hände zucken, als wolle er mich wieder auf den Hintern schlagen oder mir einen Fluch nachjagen.

„Was hast du mit ihm vor, Padfoot?“ fragt Lupin misstrauisch.

„Du warst das letzte Mal nicht dabei, Moony“, sagt Potter. „Der alte Schleimbeutel hat sich an Halloween hier in Hogsmeade Nachthemden gekauft.“

„So was Altmodisches hast du noch nicht gesehen“, fügt Black an.

„Nun, unser lieber Wurmschwanz hier, hat ihm die Tüte aus der Hand geschlagen und die Dinger sind durch die Gegend geflattert, als Padfoot danach gegriffen hat“, meint Potter.

„War urkomisch!“ piepst Pettigrew.

„Yeah“, meint Black etwas hämisch. „Sag mal, Wurmschwanz, wie lange haben dir eigentlich danach noch die Eier wehgetan?“

„Fast eine ganze Woche“, murmelt der, wird ziegelrot und windet sich.

Lupin zieht eine Braue hoch und fragt:

„Er hat nach euch geschlagen? Sieht ihm gar nicht ähnlich - Sonst jagt er uns immer Flüche hinterher.“

„Na ja“, meint Black und feixt. „Er hatte wohl gerade keine Hand frei…“

„Und ganz unschuldig waren wir daran wohl auch nicht“, ergänzt Potter und grinst schief.

„Ich will den Rest erst gar nicht wissen“, unterbricht Lupin sie kopfschüttelnd. „Gehen wir zu Zonkos?“

Allgemeines Nicken und sie trollen sich.

Nächtliche Ausflüge ins Hogwarts Gelände, den Verbotenen Wald, sogar nach Hogsmeade? Nun ja, irgendwann habe ich mir bestimmt genug Selbstvertrauen eingeredet, um ihnen zu folgen, aber ich möchte nicht mit Hagrid aneinander geraten. Man kann nie wissen, ob ich seine Hilfe nicht nochmal brauche.

Meine Schritte führen mich in die Tierhandlung, aber ich habe nicht die geringste Ahnung, was für ein Tier ich möchte - keine Fledermaus, das steht allerdings fest - Sonic kann nichts ersetzen. Ich gehe an den Käfigen entlang und die Schlangen ziehen mich irgendwie an. So schlank, so glatt, so schimmernd, so wunderschön. Ich entscheide mich für eine Äskulapnatter, die wie ein schwarzer Diamant schillert und entschließe mich, sie Naga zu nennen, dann stecke ich sie vorsichtig in meine Robentasche und verlasse den Laden.

Draußen auf der Straße überlege ich. Wohin jetzt? Zonkos? – Auf keinen Fall, dort sind sicher Potter und seine Freunde. Der Honigtopf? – Nee, mir ist nicht nach was Süßem. Die Drei Besen? – Yeah, ein Butterbier wäre jetzt genau das Richtige. Also gehe ich dort hin und lasse mir von Madame Rosmerta einen schäumenden Krug voll mit diesem herrlichen Zeug geben. Unser alter Platz in der Ecke ist frei und ich setze mich mit dem Rücken zur Wand hin, denn ich mag es nicht, wenn sich hinter mir jemand unbemerkt anschleichen kann – Erfahrung macht klug und schlechte Erfahrungen, wie ich sie meistens habe, machen misstrauisch.

Das Butterbier schmeckt nicht so gut wie sonst, aber es wärmt mich von innen. Hieratus fehlt mir und ich starre eine zeitlang trübsinnig in den Schaum, dann hole ich gedankenverloren Naga aus meiner Tasche. Sie ist wirklich hübsch und völlig ungiftig. Der Verkäufer hat mir genau erklärt, wie ich sie pflegen soll. Interessantes Geschöpf. Ihre Haut kann man für viele Zaubertränke verwenden und sie häutet sich alle sechs Monate.

Ihre gespaltene Zunge flitzt vor und zurück und sie testet den Geschmack der Luft. Ich fahre vorsichtig mit einem Finger über ihren schmalen, keilförmigen Kopf und es scheint ihr zu gefallen. Trotzdem sind Schlangen keine Streicheltiere, hat der Verkäufer gemeint. Vorsichtig nehme ich sie hoch und stecke sie wieder in meine Tasche zurück. Mein Krug ist schon wieder leer, ich habe gar nicht bemerkt, dass ich ihn schon ausgetrunken habe und beschließe, mir noch einen zu holen.

„Cheers, Hieratus“, denke ich. „Du fehlst mir, Alter“ und nehme einen großen Schluck.

Ich bin halb in den Schatten verborgen und kann un-gesehen beobachten. Lily kommt herein, gefolgt von Potter und seinen Freunden. Ich drücke mich noch weiter in den Schatten, denn ich habe keine Lust, mir auch diesen Tag wieder verderben zu lassen, aber ich will die Gruppe trotzdem beobachten.

Langsam trinke ich an meinem Krug weiter. Bald ist auch der leer und irgendwie schmeckt es nach mehr. Da steht auch schon Madame Rosmerta vor mir und fragt, ob ich noch etwas trinken möchte. Ich will. Schluck um Schluck leere ich auch diesen Krug, das Bier schwappt in meinem Magen hin und her, mir ist komisch zu Mute und ich muss dringend pissen.

„Geht endlich“, flüstere ich in Richtung Potter und seinen Freunden.

Ich denke gar nicht dran, das Klo in einem öffentlichen Gebäude aufzusuchen, man kann nie wissen, wer drinnen ist und kucken kann oder auch mehr. Da fällt mein Blick auf Lily. Sie sitzt mit zwei Freundinnen bei Potter am Tisch, plaudert, lacht, wirft ihr leuchtendes Haar hin und her. Lilyelfe, so einzigartig…

Meine Augen spielen mir einen Streich, die Konturen der Jugendlichen verschwimmen, genau wie die des Pubs. Was ist nur mit mir los? Das Butterbier stößt mir sauer auf und blubbert scheußlich in meinem Magen. Meine Blase ist voll, wie noch nie und mir wird schlecht.

„Mist!“ denke ich. „Zuviel Alkohol. Du solltest eigentlich besser wissen, Severus, was dabei rauskommt.“

Ich krümme mich in meinem Eck zusammen, ich will nicht kotzen, nur verdammt dringend pissen. Wollen die Herumtreiber denn heute gar nicht gehen? Es scheint ewig zu dauern, bis sie endlich aufbrechen. Kaum haben sie die Drei Besen verlassen folge ich ihnen. Meine Schritte sind schwankend und unsicher und ich knalle gegen den Türstock, aber niemand scheint meinen unbeholfenen Gang zu bemerken. Ich erreiche die Straße, dann den Weg nach Hogwarts. Bei dem Busch, hinter dem ich mich vor ein paar Stunden versteckt habe, muss ich anhalten. Meine Blase ist kurz davor zu platzen und das Butterbier schwappt unangenehm in meinem Magen hin und her, will wieder heraus.

Mit tapsigen Schritten verschwinde ich hinter dem Strauch, fummle an meiner Robe und an meiner Unterhose herum, schaffe es, alles bei Seite zu ziehen und dann pisse ich … pisse … Meine Blase scheint ein Hundertliterfass zu sein, ich kann gar nicht wieder damit aufhören. Mein Magen rumort, der Gestank meines

Urins steigt mir in die Nase, würgt mich und ich kotze in einem riesigen Schwall über den Busch, verliere mein unsicheres Gleichgewicht und hänge hilflos in seinen Ästen. Die stinkende Pampe schmiert sich in meine Robe und der Gestank bringt mich dazu, immer weiter zu Würgen und zu Würgen. Mein Magen ist inzwischen leer, es kommt nur noch Säure. Himmel, ist mir schlecht. Auf meiner Stirn steht kalter, schmieriger Schweiß. Das Weihnachtsessen fällt mir ein und ich muss erneut würgen.

„Nie wieder, Severus, nie wieder“, murmle ich vor mich hin, „wirst du so viel trinken, dass es dir so elendiglich schlecht wird. Lass einfach die Finger von dem Zeug.“

Es ist höchste Zeit, ins Schloss zurück zukehren, denn es wird schon dunkel. Ich bleibe zum Glück unentdeckt, als die letzten Schüler auf ihrem Heimweg an mir vorbeikommen und zwinge mich schließlich, ihnen zu folgen. Ich stinke wie ein öffentliches Klo, eins von der Sorte, die nie jemand zu reinigen scheint.

Das Weihnachtsessen verbringe ich in unseren Baderäumen und versuche, mir den widerlichen Gestank vom Körper zu schrubben und es geht mir dreckig, so dreckig. Will denn der Raum gar nicht still stehen?

Den nächsten Tag verbringe ich im Bett. Es flirrt bunt vor meinen Augen und mein Kopf scheint zu platzen, hat die Größe einer Melone. Keiner hat gestern meine Abwesenheit bemerkt, keiner bemerkt sie heute. Mir ist immer noch so schlecht, so schrecklich schlecht und der Gedanke an Essen macht alles nur noch schlimmer. Das Blut pocht in meinen Schläfen und alles dreht sich um mich, hat sich die ganze Nacht um mich gedreht. Wenn Alkohol solche Auswirkungen hat, dann verstehe ich, warum mein Vater immer so mies drauf war. Ich weis gar nicht, wie ich es gestern überhaupt geschafft habe, mich zu waschen und mich ins Bett zu schleppen.

Mein Magen knurrt und ich bekomme Hunger, aber allein der Gedanke ans Essen … Whä! - Ich beschließe, mir ein Gegenmittel zu brauen. Als ich versuche, mich aufzurichten, dreht sich alles nur noch schneller um mich. Ich falle wieder zurück und liege wie ein Häuflein Elend auf meiner Matratze. Keiner hier im Schlafsaal, keiner, den ich um Hilfe bitten könnte (und wenn jemand da wäre, würde ich auch nichts sagen, wenn ich ehrlich bin – zu stolz und ich bekäme nur hämisches Gelächter und sicher keine Hilfe). Ich bin allein, ganz allein.

Nach einigen Minuten versuche ich es erneut und es dreht sich immer noch alles, aber ich kann mich aufsetzen. Langsam schwinge ich die Beine aus dem Bett, langsam stehe ich auf. Mein Koffer, mein Kessel, meine Trankzutaten und ich muss Naga füttern. Sie hat es sich in meiner Nachttischschublade bequem gemacht. Ich streue ihr etwas von dem Futter hinein, das ich für sie bekommen habe. Gut…

Ich ziehe mir die saubere Robe über mein Nachthemd, die Vollgekotzte haben die Hauselfen mitgenommen und schleppe mich aus dem Raum. Der Kessel schlägt dumpf gegen meine Schienbeine.

Die geheime Zelle. Ein kränkliches Feuer. Wasser und Kräuter. Der Trank köchelt und brodelt vor sich hin, hat einen angenehmen Geruch. Sieht auch richtig aus. Etwas davon in einen Becher, lange Schlucke, die wie Balsam in meinen Magen fließen und Zeit, die vorbeitickt. Der Trank wirkt recht schnell und ich kann wieder geradeaus schauen. Der Raum hat auch aufgehört, sich zu drehen und mein Kopf fühlt sich auch wieder normal an, nicht mehr länger wie ein geplatzter Halloween Kürbis. Ich entschließe mich, hier aufzuräumen und dann zum Abendessen in die große Halle zu gehen. Es muss schon beinahe Zeit dafür sein.


 

„Zeit zum Baden, Schleimbeutel!“

I

ch habe das Aknemittel für Hieratus hergestellt und es ihm mit einem Brief geschickt. Ich habe ihm von meiner Erfahrung mit zuviel Butterbier geschrieben und warte auf eine Antwort. Ich lerne noch mehr als je zuvor und habe Dumbledore um weitere Bücher gebeten.

„Geht es dir gut, Severus?“ hat er bei dieser Gelegenheit gefragt. „Du siehst aus, wie das, was Eulen gewöhnlich auswürgen.“

„Doch, Sir“, habe ich geantwortet. „Ich weis jetzt nur, dass ich nicht mehr als ein Butterbier vertrage.“

Er lachte. Freundlich. Bestätigend. Anteilnehmend.

„Ja“, meinte er fröhlich. „Diese Erfahrung kenne ich, das wird schon wieder, mein Junge.“

Hagrid hat Recht: „Grossa Mo, da Dumbledore.“
 

Es wird wieder Frühling und die Sonne ruft mich nach draußen. Meine Haut wird kaum braun, sie hat immer diese kränkliche, gelbe Tönung. Egal, es ist trotzdem schön, in der Sonne zu sein. Ich sitze unter meiner Birke am See, mache Hausaufgaben, lerne. Das Wasser glitzert in der Sonne und das Funkeln macht mich müde. Ich habe in den letzten Nächten kaum geschlafen, habe mich hin und her gewälzt und keine Ruhe gefunden, hatte aber auch keine Lust den Schlafsaal zu verlassen, mein Bett wurde zum Feind. Das Wasser flirrt sinnverwirrend vor meinen Augen, meine Lider werden schwer, mein Kopf sinkt auf das Buch, das auf meinen Knien liegt und ich nicke ein.

„Mobilicorpus!“ weckt mich der Ruf einer nur zu bekannten Stimme.

Sofort hänge ich hilflos in der Luft und Black hat seinen Stab auf mich gerichtet. Er hat wohl meine Drohung von damals nicht vergessen und will mir zuvorkommen - Er ist alleine, wie ungewöhnlich.

„Lass mich runter, Black!“ rufe ich hektisch (wenn ich ehrlich bin fast schon panisch) und zapple wild hin und her, finde aber nichts, woran ich mich festhalten kann.

„Yeah, Snivelly, yeah. Gleich!“ gibt er lässig zurück.

Dann schwingt er elegant seinen Stab und ich sause wie ein Klatscher über den See hinaus, als ich mitten über dem Wasser schwebe, hebt Black den Zauber auf und ich klatsche hinunter.

„Zeit zum Baden, Schleimbeutel“, höre ich ihn noch hämisch rufen, dann schließen sich die eisigen Fluten über meinem Kopf.

Ich will Atem holen, aber da ist nur Wasser, keine Luft. Es dringt mir in Augen, Nase, Mund und ich schlage hilflos und nun wirklich panisch um mich. Ich kann doch nicht schwimmen! Etwas zupft an meinem Knöchel und ich schaue nach unten – ein Grindelow, ein Wasserdämon. Ich weis, wie ich mit ihm fertig werde, haben wir letztes Jahr bei Professor Asmodeo in Verteidigung gegen die Dunklen Künste gelernt, aber mir ist so schwindlig und meine Lungen so schreien verzweifelt nach Sauerstoff, dass ich weder einen klaren Gedanken fassen noch handeln kann. Ich schlage weiter unbeherrscht um mich, will meinen Zauberstab aus der Tasche ziehen (es ist nur ein Reflex, keine bewusste Entscheidung), bin schon seit langem nicht mehr ohne ihn unterwegs, aber mein Blick trübt sich und mir schwinden die Sinne. Plötzlich spüre ich einen riesigen Körper neben mir, jemand packt heftig meine Robe und zieht mich schwungvoll nach oben. Die Finger des Grindelow lösen sich. Luft, köstliche Luft in meinen Lungen. Ich ringe nach Atem, huste, spucke.

Jemand hat mich am Kragen gepackt, wie einen Welpen, hält meinen Kopf sicher über die glitzernde Wasserfläche. Ich blinzle meine Augen frei und erkenne, dass es Hagrid ist, der mich gerettet hat.

„Bua“, meint er grollend. „Jetzad aba schell ausi aus am See, du hoist da no an Dod.“

Irgendwie zieht er mich aus dem Gewässer. Black steht am Ufer und grinst hämisch.

„Sirius, du bleeda Hund“, wettert der Riese aufgebracht, „Foit dia nix bessas ei, als an andan Buam in an See zum schmeiß´n?“

„Der alte Snivelly hat dringend n Bad gebraucht“, meint Black lakonisch.

Er scheint sich keiner Schuld bewusst zu sein und außerdem ist er ein Freund von Hagrid – er kann sich da sicher so Einiges erlauben, denn der Riese ist wirklich verdammt gutmütig.

„Schleich de, schaug blos, dass´d weida kimmst, du Depp“, brüllt der Wildhüter ihn trotzdem an – Scheinbar gibt es auch für Hagrid Grenzen, die man nicht übertreten darf – noch nicht mal als Freund.

Blacks Haar scheint von Hagrids Atem regelrecht nach hinten geweht zu werden. Trotzdem grinst er weiter, zuckt beiläufig die Schultern, dann trollt er sich triumphierend. Der Riese schaut zu mir hinunter, denn ich liege immer noch wie eine nasse Katze am Boden, huste und schnappe keuchend nach Luft. Er zieht mich auf die Beine, klopft mir so fest auf den Rücken, dass ich fast wieder in die Knie gehe, dann sagt er:

„Kimm, i mach da an hoaßn Tee. Woast, de Buam san a paar Deppn, aba se san aa meine Freind. Wuist an – i moan – wuist, dass da Sirius a Straaf krieagt?“

Er klingt, als wolle er das vermeiden und später selbst die Sache mit Black regeln. Ich überlege schwer, dann schüttle ich aber den Kopf.

„Nee, Hagrid, darum kümmere ich mich schon selbst. Damit werde ich schon alleine fertig.“

Er sieht erleichtert aus und sagt:

„Guad, Bua, i hab mit eam aa no a Wörtal zum red´n, vastehst? Jetzad kimm, gemma zua meina Hüttn.“

Ich folge dem Riesen, nehme mir nur kurz die Zeit, um meine Sachen zusammen zu packen (hier liegen lassen, kann ich sie ja schlecht – wer kann schon wissen, wer es vielleicht lustig findet, etwas damit anzustellen) und Hagrid steht wartend daneben und brummt unbestimmt. Dann gehe ich mit ihm zu seiner Hütte. Ich muss drei Schritte machen, für einen von ihm. Als wir ankommen, bin ich ziemlich außer Atem. Er weist mir einen Stuhl neben seinem Tisch zu und hängt einen Kessel, der groß genug ist, einen ausgewachsenen Eber darin zu kochen, über das flackernde Feuer.

„Ziag des nasse Zeig aus, Bua“, sagt er. „Du hoist da no an Dod.“

Nur ungern ziehe ich die triefende Robe aus, aber sie ist kalt und klamm und klebt unangenehm an meiner Haut. Doch ich muss mir keine Sorgen machen, denn der Riese dreht mir den Rücken zu. Er nimmt mir das Ding ab mit einem Griff hinter sich ab und hängt es ans Feuer, dann gibt er mir auf dieselbe Weise eine riesige Decke.

„Wicklt de eini, Bua, dann werds da wieda gscheid warm“, grummelt er freundlich.

Die Decke ist wirklich warm und sehr weich und ich bin beruhigt, denn Hagrid hat nichts von meinen Narben gesehen, wird also auch keine unangenehmen Fragen stellen, die ich nicht beantworten kann oder will. Er stellt einen seiner Riesenbecher mit Tee vor mich hin.

„Warum, Bua? Warum hat da Sirius des to? I woas, dass de ned meg´n. Aba des war…“

„Yeah“, gebe ich zur Antwort. „Wir können uns nicht ausstehen und bei unserer letzten Auseinandersetzung hab ich ihm gedroht, schätze, er wollte mir zuvorkommen.“

„Was hast eam denn droht, Bua?“

„Nichts Besonderes, nur dass ich es ihm heimzahlen werde.“

„Ehrlich?“

„Ganz ehrlich!“

„Na, dem wer i was vazähln, wenn i eam in de Finga krieag.“

„Hagrid, ich werde schon alleine mit denen fertig. Übrigens, danke, dass du mir das Leben gerettet hast.“

„Scho guad Bua. Da Sirius is mei Freind, des hoast aba desweg´n no lang ned, dass ea an Freibrief hod, andare Leit zum schind´n. Vastehst? Dem vazäl i scho, wo da Bartl an Most hoit, des koost ma ruhig glab´n.“

Ich wage es, den Riesen anzulächeln und er lächelt zurück. Es sieht einfach barbarisch aus, aber mir ist klar, dass er es nur gut mit mir meint. Ich trinke weiter an dem heißen Tee und mir wird wieder richtig warm, aber ich werde unruhig, möchte gehen, weis nicht, worüber ich mich mit Hagrid unterhalten soll. Ich hatte schon immer so meine Probleme damit, mich einfach so mit anderen Leuten zu unterhalten – ich wüsste ja noch nicht mal worüber. Er bemerkt meine Unruhe, zwinkert mir zu und geht zu meiner Robe hinüber.

„De is trocka“, sagt er und wirft sie mir zu.

Schnell habe ich sie mir über den Kopf gezogen. Sie fühlt sich wirklich herrlich warm und trocken an.

„Danke, Hagrid“, sage ich noch mal.

„Scho guad, Bua. Geh aufi zum Schloss, es is scho boid Zeit zum Ess´n.“

Ich verabschiede mich und gehe. Nein, ich werde Black nicht verpfeifen, aber für den lasse ich mir noch was ganz Besonderes einfallen.

Hagrid muss wirklich mit Black „a Wörtal“ geredet haben, denn er geht mir aus dem Weg und Potter scheint nicht die leiseste Ahnung von unserem Zusammenstoß zu haben. Ich habe darüber nachgedacht und mir etwas zusammen gereimt. Wahrscheinlich war es so: Black hat gesehen, wie ich da unter dem Baum geschlafen habe und konnte der Versuchung nicht widerstehen, mir einen Streich zu spielen. Wahrscheinlich hat er auch nicht gedacht, dass das Ganze wirklich gefährlich werden könnte und hat es einfach für einen Riesenspaß gehalten - er weis ja schließlich nicht, dass ich nicht schwimmen kann - und den Anderen hat er nichts davon erzählt, weil Hagrid ihm klar gemacht hat, wie groß der Mist war, den er gebaut hat und er wollte sich vor seinen Freunden nicht so blos stellen, auch noch von dem Anpfiff zu erzählen.

„Severus, Severus“, sagt die kleine Stimme vorwurfsvoll zu mir, „jetzt findest du schon Ausreden für deine Widersacher – sag mal, spinnst du langsam?“

„Nein“, verteidige ich mich, „ich versuche nur heraus zu finden, was sie ticken macht.“

„Wie du meinst, aber denk immer dran: Wer liebt, leidet und es ist besser kalt wie Eis zu sein.“

Wer würde den meine wahren Beweggründe besser kennen, als ich selbst? Und so bringe ich sie unwillig zum Schweigen.


 

Sirius, geliebter Feind

O

stern kommt und ich bleibe wieder in Hogwarts. Die Anderen fahren heim, außer Black. Er verbringt die Ferien sonst immer bei den Potters, doch die fahren über Ostern nach Neapel. Also bleibt er auch hier, denn nach Hause will er genauso wenig, wie ich. Das Schloss ist fast völlig verlassen. Es sind keine fünf Schüler mehr da - Langweilig.

Es ist mitten in der Nacht, ich bin hellwach und denke nach. Hagrid ist auch nicht da, denn er hat was in London zu erledigen, habe ich gehört (und ich höre viele Dinge, weil mich die meisten einfach übersehen und ich ausgezeichnete Ohren habe). Plötzlich grinse ich. Wenn Hagrid nicht da ist, heißt das doch, dass der Weg in den Verbotenen Wald frei ist!

Ich springe geradezu enthusiastisch aus dem Bett und werfe mir meine Robe über, schlüpfe in meine Schuhe. Schnell habe ich unsere Räume verlassen und gleite lautlos zur Eingangstür hinaus. Ich laufe euphorisch über das dunkle Gelände. Fühle mich glücklich, fühle mich frei.

„Lumos!“ murmle ich, als ich den Wald erreiche und meine Zauberstabspitze wirft ein kleines Licht in sein Dunkel. Mit vorsichtigen Schritten schleiche ich den gewundenen Pfad entlang. Dunkel, geheimnisvoll, lockend. Auch ein wenig unheimlich, aber so anziehend. Schon seit vielen Jahren wollte ich hier her kommen und nun hängen meine Augen an den schwarzen, sich wiegenden Bäumen. Ein wohliger, erregender Schauder läuft mir über den Rücken, doch plötzlich höre ich flüsternde Schritte hinter mir und gleite lautlos hinter eine dicke Blutbuche.

„Nox!“ hauche ich und meine Fackel erlischt.

Ich bin nicht allein. Mit sicheren Schritten, als sei er hier zu Hause, geht Black an mir vorbei. Wo will er hin? Sofort entschließe ich mich, ihm zu folgen.

„Leise, ganz leise jetzt, Severus“, denke ich. „Tritt jetzt blos nicht wieder auf einen trockenen Ast.“

Ich sehe Blacks schlanke, hochgewachsene Gestalt vor mir den Pfad entlang schlendern. Es ist furchtbar dunkel, ohne das Licht meines Zauberstabs, aber wenn Black kein Licht braucht, brauche ich das auch nicht. Weiter, weiter, immer hinterher. Er kommt auf einer Lichtung an, eine klare Quelle sprudelt aus dem Boden, bildet einen kleinen Teich. Was will er hier? Plötzlich zieht er sich aus, legt Robe, ‚Räuberzivil’ und Unterwäsche auf den Boden, dann steigt er in die Quelle und ich verstecke mich hinter einem Strauch. Er wendet mir sein Gesicht zu, kann mich aber nicht sehen, denn es ist zu dunkel, da wo ich bin. Er steht in ganzer Größe im Schein des nahezu vollen Mondes.

Tränen, silbrige Tränen strömen über sein unverschämt hübsches Gesicht. Warum weint er, dieser tollkühne, wilde Bursche, mit dem herrlichen Zum-Teufel-Lachen? Er hebt die Arme in einer flehendlichen Geste, dann beginnt er gequält zu sprechen:

„Verdammt sei das edle und uralte Haus der Black. Nie wieder will ich mit ihnen etwas zu tun haben. ich bin kein schwarzer Magier.

Verdammt sei der Brief, mit dem sie mich enterbt haben, ich brauche ihr Gold nicht.

Verdammt seien meine Mutter, mein Vater und Regulus, mein dummer Bruder, der soviel besser sein soll, als ich, ich brauche ihre Zustimmung nicht.

Verdammt sei das Blut, das in meinen Adern fließt, ich will es nicht!“

Bei diesen Worten sinkt er in sich zusammen, geht in der Quelle in die Knie und das Wasser reicht ihm bis zum Oberkörper. Seine Fingernägel gleiten wie Krallen über seine Brust und reißen seine glatte Haut auf. Blut fließt in leuchtenden Schlieren an seinem feucht schimmernden Körper hinunter und vermischt sich mit dem klaren Quellwasser. Es ist schwarz im Mondlicht.

Ich kann seine Wut, seine Verzweiflung, seine Qual bis zu meinem Versteck herüber spüren. Black verzweifelt? Unmöglich! Ist das alles nur für mich inszeniert? Nein, das kann nicht sein, er kann einfach nicht wissen, dass ich da bin. Es fühlt sich alles auch viel zu echt an.

Immer wieder krallt er seine Fingernägel ungestüm in seine Brust und hinterlässt lange, tiefe, klaffende, blutende Risse und Tränen rinnen weiter über seine Wangen. Hin und wieder schreit er gequält und herzzerreißend auf - eine schier unglaubliche seelische Pein spricht aus seinen ganzen Handlungen.

Schließlich hat er sich ausgetobt. Sein nasses Haar klebt an seinem tränenüberströmten Gesicht und er scheint völlig erschöpft zu sein, regelrecht ausgewrungen. Mit müden Bewegungen geht er zu seinen Sachen hinüber und lässt sich, nackt wie er ist, einfach darauf fallen. Sein Körper zuckt leicht unter einem letzten, gepeinigten Schluchzen. Es ist so still im Wald. Ich weis, dass hier viele eigenartige und magische Geschöpfe leben, Einhörner, Zentauren, Thestrals … Sie müssen wissen, dass wir hier sind, aber vielleicht akzeptieren sie Blacks Kummer, vielleicht kennen sie ihn. Vielleicht…

Der Junge am anderen Ende der Lichtung richtet sich halb auf. Erst jetzt sehe ich, wie tief die Wunden wirklich sind, die er sich zugefügt hat, wie stark sie bluten und ich kenne mich mit Verletzungen aus. Er muss bald etwas dagegen unternehmen, denn er verliert sehr viel Blut - er schwankt - schon jetzt hat er eine Menge Blut verloren. Zu viel Blut?

Es sieht aus, als könne er jeden Moment das Bewusstsein verlieren. Verdammt - meine Wunden haben nie so stark geblutet. Nicht einmal damals, als ich mir beinahe das ganze Fleisch vom Rücken gefetzt habe. Wie eine gefällte Birke bricht er auf seiner Robe zusammen und rührt sich nicht mehr. Ich kann sehen, dass sich sein Körper beim Atmen fast nicht mehr bewegt.

Klar - ich habe noch eine Rechnung mit ihm offen. Aber ihn hier verrecken lassen? Nein, bestimmt nicht! Ich bin zwar kein besonders netter Kerl, aber so ein Scheißkerl bin ich dann doch nicht … und ich bin sicher kein Mörder – und es wäre so gut wie Mord, wenn ich ihm jetzt nicht helfe. Mit leisen, hastigen Schritten laufe ich zu ihm hinüber.

„Er muss nie erfahren, dass du ihn so gesehen hast“, denke ich bei mir. „Er muss nie erfahren, dass du ihm geholfen hast. Lass ihn einfach glauben, dass es die Zentauren waren oder sonst wer.“

Vorsichtig fasse ich den schlaffen Körper an und drehe ihn sacht auf den Rücken. Dabei wird mir bewusst, dass ich seine Haut noch nie unter meinen Fingern gespürt habe, dass ich es aber schon lange wollte. So glatt, so hell, so edel.

Grundgütiger, Severus, du bist komplett durchgeknallt!

Er muss irgendwelche größeren Blutgefäße verletzt haben, denn er blutet immer noch wie verrückt. Ich wühle in meinen Taschen herum. Habe ich ihn dabei? Nein, er liegt in meinem Nachttisch. Ich ziehe meinen Stab heraus und murmle „Accio Trank!“

Ich weis, dass der Aufrufzauber auf diese Entfernung schwierig ist, aber ich muss es versuchen. Beim kleinen Professor Flitwick in Zauberkunst hat es jedenfalls immer funktioniert - Ich warte - Das Schloss ist eine ganze Strecke entfernt und es braucht seine Zeit, bis der Flakon hier ankommt … Gerade will ich den Zauber nochmals aussprechen, da kommt das Fläschchen durch die Luft geflogen.

„Geglückt!“ schießt es mir durch den Sinn.

Ich habe kein Taschentuch oder so bei mir, so was besitze ich nicht, aber Black, Black mit Sicherheit. Ich mühe mich die Robe unter dem schlaffen Körper hervor zu ziehen - ganz schön schwer der Bursche – und es gelingt, dann durchsuche ich seine Taschen: Stinkbomben, Süßigkeiten, Knallkörper, allerlei mehr oder weniger sinnloses Zeug, da, endlich auch ein Taschentuch und ich schütte den Trank darauf. Er wirkt auch äußerlich, innerlich besser, aber ich wage es nicht, Black die Flüssigkeit einfach in den Hals zu schütten. Er könnte daran ersticken. Ich möchte zwar Heiler werden, bin aber noch keiner, habe meine Erfahrungen nur gesammelt, weil ich gezwungen war, mich selbst zu behandeln und eine ganze Menge Bücher darüber gelesen habe. Allerdings wage ich es nicht, einen Heilzauber zu benutzen, meinen Tränken vertraue ich eher, die sind schließlich an mir selbst erprobt.

Ich schaffe es nie, ihn rechtzeitig zum Schloss hinauf zu Pomfrey zu bringen, er blutet viel zu stark, außerdem will ich nicht, dass er weis, dass ich ihn in einem solchen Zustand gesehen habe. Tausend wirre Gedankenfetzen huschen durch meinen Kopf.

Vorsichtig wische ich ihm das Blut von der Brust. Mein Trank wirkt, die Kratzer hören auf zu bluten und beginnen sogar, sich zu schließen. Erst jetzt sehe ich, warum er so stark geblutet hat. Er hat die Halsschlagader angeritzt, nur wenig, aber trotzdem – wird sicher ne Narbe geben - wahrscheinlich hat das kalte Quellwasser verhindert, dass er noch stärker blutet.

Sein Atem wird kräftiger, aber er kommt nicht zu sich - gut - ich werde erst verschwinden, wenn er wieder wach wird, so dass er nicht sieht, wer da war, aber alleine lasse ich ihn jetzt sicher nicht, ich könnte es einfach nicht, auch wenn er mein Feind ist.

„Geliebter Feind“, schießt es mir durch den Kopf und ich muss mir eingestehen, dass es stimmt, dass er genau das ist: Mein geliebter Feind…

Ich starre auf die bewusstlose Gestalt, lange, sehr lange - bis meine Augen brennen. Schließlich hebt sich meine Hand wie von selbst und streicht ungeschickt über seine Brust, seine üblen Kratzer und er zuckt zusammen. Ich reiße meine bebenden Finger zurück, als hätte ich mich verbrannt, doch er liegt gleich wieder still und sein Atem geht ruhig und regelmäßig.

„Sirius“, flüstere ich und es ist das erste Mal, dass ich seinen Vornamen ausspreche, für mich war er bisher immer nur Black. „Sirius“, murmle ich nochmal und der Name klingt wie ein sehnsüchtiges Gebet.

Er liegt jetzt fast bewegungslos da, nur seine Finger zucken ein wenig. Wieder bewegen sich meine Hände, als wären sie eigenständige Wesen und streichen über seine glatten Schenkel, seine schmalen Hüften, wagen es sogar, zärtlich sein hübsches Gesicht zu berühren. Vorhin sah es so gequält aus, aber jetzt ist es ruhig. Er sieht nicht mehr wie ein Junge aus, wird mir klar, auch Sirius ist inzwischen zu einem jungen Mann geworden.

„Muss es denn immer so sein“, fährt es mir durch den Sinn, „dass man nur durch Leid erwachsen wird?

Denn auch Sirius hat gelitten, vielleicht anders als ich, aber deswegen nicht weniger. Die Qual, die von der Gestalt in der Quelle ausgegangen ist, war zu eindringlich, zu wirklich, als dass sie hätte unecht sein können. Meine Hand streicht über seine Wange, sein weiches, glattes Haar. Das Ganze hat etwas unglaublich Intimes, obwohl er gar nicht weis, nicht wissen kann, dass ich überhaupt da bin. Er schläft tief und fest, ist nahezu bewusstlos.

„Einsam!“ denke ich. „So allein. Verdammt, Sirius, warum können wir denn nur keine Freunde sein? Du bist doch ganz anders, als du dich gibst.“

Doch dann wird mir klar, dass auch ich ganz anders bin, als ich mich gebe, dass etwas in mir verzweifelt nach Freundschaft, nach Gesellschaft, nach Zugehörigkeit schreit, auch wenn ich immer so tue, als würde ich keinen brauchen.

„Dunkle Zwillinge!“ überlege ich. „So ähnlich und doch so anders.“

Meine Augen verschlingen geradezu den nackten Körper - Makellos, edel, schlank und doch fest - kein bisschen dürr. Ich will den Anblick in meine Erinnerung einbrennen, denn ich weis, so eine Gelegenheit kommt wahrscheinlich nie wieder. Klar, habe ich schon öfter halbnackte Jungen gesehen - im Schlafsaal, als sie sich umzogen, am See, beim Baden, bei vielen Gelegenheiten - aber nichts hat mich in meinem Innersten so getroffen, wie das hier, keiner der Körper hat auch nur das geringste Interesse in mir wach gerufen. Warum dann dieser Bursche? Warum ausgerechnet Black? Was ist das blos mit ihm? Vielleicht, weil er der Einzige war, dessen Berührung mir nicht unangenehm war? Mich nicht an meinen Vater erinnerte? Ich weis es einfach nicht. Und irgendwie ist es auch egal.

Ich bin, wie ich bin – und das hier ist, wie es ist.

Es ist mitten in der Nacht, vielleicht zwei, drei Uhr morgens. Wir sollten in unseren Betten liegen und tief schlafen. Gegen sechs wird es hell werden und dann ist mein fünfzehnter Geburtstag, vielleicht noch zwei oder drei kostbare Stunden, wenn er nicht vorher aufwacht.

„Himmel, lass ihn nicht zu früh aufwachen“, denke ich fast verzweifelt.

Ich möchte ihn anfassen, dort zwischen seinen Beinen, wo sein Penis auf seinem dunklen Fell liegt, möchte wissen, ob er sich genauso anfühlt, wie mein eigener. So eigenartige Gedanken und Empfindungen. Bei Hieratus wäre ich nie auf so eine Idee gekommen. Ich muss mich jedes Mal zusammenreißen, dass ich nicht zusammenzucke, wenn er mich auch nur zufällig streift. Seine Berührungen sind mir meistens unangenehm und ich würde Hieratus nur anfassen, wenn es um Leben und Tod ginge, obwohl er mir wirklich sehr viel bedeutet und mein Blutsbruder ist.

Aber Sirius? Fast liebevoll forme ich den Namen im Geist. Soll ich? Soll ich nicht? Etwas in mir schreit in einer tiefen Verzweiflung nach ihm auf. Nach Nähe ... nach Berührungen ... nach Sirius!

Ich schaue ihn genau an, um zu sehen, ob er noch fest schläft. Ja, das tut er. Seine verschorfte Brust hebt und senkt sich leicht und regelmäßig und sein feuchtes Haar ist an seinem Gesicht festgeklebt. Vorsichtig streiche ich es ihm aus den Augen. Geliebter Feind - meine Augen streifen über seinen Körper, saugen jede Einzelheit auf. Verrückt! Was mache ich hier nur? Warum bin ich nur so fixiert auf diesen Burschen?

„Sirius“, entschlüpft es mir sehnsüchtig.

Ich rutsche noch näher an ihn heran und wie von selbst zupft meine Hand an meiner Robe. Die Nacht ist ungewöhnlich warm, ich bin alleine, keiner kann mich sehen, kann meine Naben sehen, meinen nackten Körper – nur Sirius ist da und der ist sicher nicht bei sich. Ich ziehe mir die Robe über den Kopf, schlüpfe aus meiner Unterhose. Als würde mich jemand steuern, lege ich mich neben Sirius, stütze mich auf einem Ellbogen ab.

Meine Hand gleitet auf den schlafenden Jungen zu, schwebt nur Zentimeter über seinem Körper. Er bewegt sich leicht, seufzt, scheint zu träumen. Mein Blick fällt auf meine Hand und ich sehe worüber sie schwebt - sein Penis ist steif, so steif wie mein eigener. Mein Atem wird keuchend, es fällt mir schwer, Luft zu holen und ich bin erregt, wie noch nie in meinem Leben. Ich seufze leise und meine Hand greift nach dem Ersehnten, berührt das steil aufgerichtete Glied des anderen Jungen. Es ist, als würde ein Blitz in meine Nerven fahren. Weiche, glatte, zarte Haut unter meinen Fingern, ein hartes, heißes Stück Fleisch. Vorsichtig gleitet meine Hand auf und ab.

„Wach jetzt blos nicht auf, Sirius“, denke ich atemlos und beinahe verzweifelt.

Ich würde es nicht ertragen, wenn ich jetzt nicht weiter machen könnte – würde einfach verrückt werden, komplett durchdrehen ... aber ich habe Glück, er schläft weiter - Gesegneter, wunderbarer Schlaf. Ich verdrehe meinen Körper in einem unmöglichen Winkel, um mein eigenes Glied mit meiner freien Hand zu erwischen. Ich spüre ihn und ich spüre mich selbst und ich bin größer gebaut als er, etwas, aber nicht viel.

Himmel, ist das schön!

Er murmelt etwas Unverständliches im Schlaf, wacht aber nicht auf, seine Hand wischt ziellos durch die Luft und ich erstarre, doch er bewegt sich nur im Traum. Er dreht sich zur Seite, wendet sich mir zu, seine Hand gleitet fahrig über meinen Körper - nur ein Hauch einer Berührung, aber ich erbebe, schlucke schwer, mir ist eigenartiger Weise nicht kalt, aber ich zittere - seine Hand auf meinem Körper – und der schreit lautlos auf, will mehr davon, doch Sirius schläft, träumt, weis nicht, was er da tut. Mein Unterleib zieht sich nahezu unerträglich zusammen und ich komme … komme … komme. Mein Blut rauscht in meinen Ohren und ich stöhne, fast schreie ich auf. Ich beiße mir die Lippen blutig, damit nur ja kein Laut über sie dringt, damit ich Sirius nur ja nicht zu früh aufwecke. Dann beginnt er neben mir zu zucken, sein heißes Sperma rinnt über meine Hand, macht alles glitschig.

Er bewegt sich stärker und ich weis, jetzt wird er wirklich bald aufwachen und ich muss hier weg, so schnell wie möglich. Also springe ich auf die Beine, greife nach meiner Robe, meiner Unterhose und verschwinde hinter einem Busch. Schnell habe ich die Sachen wieder angezogen - grade noch rechtzeitig, denn Black kommt wieder ganz zu sich.

Es immer noch recht dunkel, aber der Morgen ist nicht mehr fern. Er setzt sich auf und starrt durch die undurchdringliche Dunkelheit, kann aber nichts erkennen, dann schaut er an seinem Bauch hinunter und zwischen seine Beine, lacht sein Zum-Teufel-Lachen und steht auf. Er geht zur Quelle hinüber und wäscht sich ab.

Ich habe Nachtaugen, kann in der Dunkelheit alles sehen, seit ich so lange im finsteren Keller eingesperrt war – seitdem mag ich auch helles Sonnenlicht nicht mehr besonders - es blendet mich und tut mir in den Augen weh und ich hatte zuvor meinen Zauberstab nur entzündet, weil mir der Wald etwas unheimlich war, wird mir jetzt schlagartig klar.

Black zieht sich wieder seine Kleidung über. Immer noch schaut er sich neugierig um und seine Finger fahren

über die verschorften Kratzer auf seiner Brust. Schließlich zuckt er gleichgültig die Schultern und bricht auf. Es scheint ihm nicht klar zu sein, wie schwer er sich verletzt hat. Auch gut. Dann bleibt diese Nacht umso sicherer mein Geheimnis.
 

Der nächste Morgen - mein Geburtstag.

Hieratus hat mir geschrieben, hat sich für die Akne Tinktur bedankt. Sie wirkt glänzend, schreibt er und er hat mir ein Päckchen mit meinen Lieblingssüßigkeiten mit geschickt.

„Alles Gute“, schreibt er. „Dein Freund Hieratus.“

Ich kann ihm nicht schreiben, was letzte Nacht geschehen ist – unmöglich - was sollte er blos von mir denken? Außerdem brennt es zu heiß in mir, ist mein größtes Geheimnis, mein köstlichster Schatz…
 

Ich bin mir nicht sicher, wie er wirklich darauf reagiert hätte und heute frage ich mich, ob ich es ihn nicht schon damals hätte wissen lassen sollen.
 

Black kommt vorbei geschlendert und seine Augen blitzen, als er mich sieht - meine auch - seine gemein, meine freudig, obwohl er es sicher auch bei mir für ein gemeines Blitzen hält – was sollte er auch sonst von mir kennen...?

„Na Snivelly, ein Päckchen bekommen? Wer sollte dir schon was schicken?“ lacht er geringschätzig.

„Das geht dich gar nichts an, Black“, fauche ich zurück, aber in mit flüstert etwas: „Sirius, Sirius, geliebter Feind.“ Und die leise Stimme in mit antwortet: “Wer liebt, leidet!“ - „Egal“, fauche ich im Geist zurück. „Es ist die Sache wert.“

Black greift nach dem Paket, zieht eine Schachtel mit Bertie Botts Bohnen jeder Geschmacksrichtung heraus, reißt sie auf und schüttet sich alle Bohnen auf einmal in den Mund. Plötzlich zuckt er zusammen und spuckt alles wieder auf seine Hand, schleudert es wütend vor mich auf den Tisch.

„Whä!“ ruft er. „Ohrenschmalz!“

Ich kann nicht anders und fange an, laut schallend zu lachen.

„Von der eigenen Bosheit gefangen, Black!“ keuche ich. „Komisch, echt zu komisch.“

Mit einem tödlich beleidigten Gesichtsausdruck trollt er sich, aber ich lache immer noch in mich hinein, als ich mich in die Bibliothek aufmache.


 

Flohpuder

D

ie Prüfungen rücken näher. Macht nichts, ich habe schon das ganze Jahr wie verrückt gelernt. Ich gehe zu Dumbledore, denn ich muss mit ihm reden. Mein Vater wird mich sicher nicht am Hogwarts Express abholen und ich weis nicht, wie ich ohne Dumbledores Zustimmung zu meinem Vorhaben nach Hause kommen soll.

„Professor Dumbledore, Sir“, sage ich. „Besteht die Möglichkeit, dass ich von hier aus mit Flohpuder gleich nach Hause reisen kann? Mein Vater hat zurzeit soviel zu tun und keine Zeit, mich abzuholen.“

Ich will nicht, dass der Alte etwas von meiner gestörten Beziehung zu meinem Vater erfährt.

„Und was ist mit deiner Mutter, Severus?“

„Die ist schon vor über einem Jahr gestorben.“

„Gestorben“, sagt er traurig und es ist keine Frage sondern eine Bestätigung.

Seine Augen nehmen einen seltsamen Ausdruck an, den ich nicht zu deuten weis.

„Ja Sir, gestorben“, gebe ich nüchtern zurück.

„Gut, Severus, dann sehe ich keinen Grund, warum du nicht mit Flohpuder heimreisen solltest. Das mit dem Zug ist ohnehin nur eine Art Tradition und kein Zwang.“

„Danke, Sir“ erwidere ich einfach.

Sein Blick ist sehr traurig, als ich sein Büro verlasse. Er scheint fast immer traurig zu sein, wenn er mich sieht, obwohl er sonst wirklich ein komischer, schräger Vogel ist – schon seltsam...

Die Prüfungen sind geschrieben und bestanden. Meine Rache an Potter und Konsorten verschiebe ich aufs nächste Jahr - genau genommen hatte ich ja meine Rache an Black bereits und sie war süß, süßer als er es auch nur ahnt. Die Waldlichtung an der Quelle … und Bertie Botts Bohnen. Von dem durchschlagenden Erfolg der Bohnen habe ich Hieratus allerdings schon geschrieben. War ja sein Verdienst, wenn auch unbeabsichtigt. Die Dinger können echt hinterhältig sein.


 

So einsam und allein

D

as Flohpuder bringt mich von Dumbledores Büro aus direkt in unsere baufällige Hütte, mit Sack und Pack. Sie ist leer, scheint völlig verlassen zu sein und es riecht, als sei auch schon ewig keiner mehr hier gewesen. Staubig, muffig, menschenleer. Ich will meinen Koffer in mein Zimmer bringen, aber kaum habe ich das obere Stockwerk erreicht, trifft ein entsetzlicher, grauenhafter Gestank meine Nase.

Ich schubse den Koffer in mein Zimmer und gehe dem Pesthauch nach. Er kommt aus dem Schlafzimmer meines Vaters. Vorsichtig öffne ich die Tür. Etwas Verkrümmtes liegt auf dem Bett. Ich gehe näher ran. Was ist das? Ich kann es im Halbdunkel des Raumes nicht genau erkennen. Noch näher ran. Auf dem Bett liegt die Leiche meines Vater und stinkt schlimmer, als er es als Lebender je getan hat. Um das Bett herum liegen dutzende leere, zum Teil zertrümmerte Whiskeyflaschen. Er muss sich mit dem Zeug schlichtweg zu Tode gesoffen haben und er liegt wohl schon seit Wochen hier, anders lässt sich der grauenhafte Zustand seines Körpers nicht erklären.

Er ist halb verwest und aufgedunsen, Fliegen summen um die Leiche und Maden krabbeln auf ihr herum. Sie hat eine ekelerregende schwarz-grau-gelb-violette Farbe angenommen. Die Augen sind tief in die Höhlen eingesunken, aber Gott sei Dank sind die Lider geschlossen. Seine schwarzen Haare kleben am Kissen wie Moder, seine Zähne sind wie zu einem Knurren gefletscht, die Lippen in einer Grimasse zurückgezogen und die Hitze dieses Sommers hat ein Übriges getan.

„Du musst ihn hier raus bringen“, fährt es mir durch den Kopf. „Du kannst unmöglich weiterhin hier bleiben, während er langsam in seinem Zimmer verfault.“

Mir ist entsetzlich schlecht, mein Magen dreht sich um und ich kotze auf den Boden. Der Gestank ist wirklich unerträglich und so gehe ich zum Fenster hinüber und schiebe es auf. Ein leichter Windhauch faucht herein und nimmt etwas von dem Mief mit sich. Mehr Licht fällt in das Schlafzimmer und macht das entsetzliche Horrorszenario noch grauenvoller.

Was soll ich nur tun? Ihn begraben? Ja sicher, aber wo, wie? Nun, hinter unserem Haus liegt ein kleiner Garten - er hat mich nie interessiert - dort kann ich ein Loch ausheben, ein Grab und irgendwo im Keller steht auch ein Spaten. Ich stolpere aus dem Zimmer, bin gar nicht ich selbst und meine Gedanken sind wirr. Mein Vater, der alte Bastard, ist tot, aber ich kann nicht um ihn trauern. Freude empfinde ich allerdings auch nicht, nur ein drängendes, alles andere überdeckendes „Handle!“

Ich tapse mit einem tauben Gefühl im ganzen Körper die Treppen hinunter und in den Keller. Ja, da steht der Spaten. Wie in Trance gehe ich durch die Hintertür in den Garten. Er ist verwildert, verwahrlost.

Eine Stelle, so weit wie möglich vom Haus entfernt - ich will nicht, dass das Grab zu nahe bei der Hütte ist, seine Leiche zu nahe bei mir. Ich trete auf das Schaufelblatt und der Spaten dringt knirschend in die vertrocknete, harte Erde ein. Ich heble eine Ladung heraus, werfe sie zur Seite, immer wieder und wieder. Unzählige Male … meine Hände, Arme und Schultern fangen an, übel zu schmerzen, denn ich bin keine körperliche Arbeit gewohnt.

„Weiter“, denke ich wirr, „heb einfach nur das Grab aus, bring den alten Bastard unter die Erde.“

Meine Hände werden dick, laufen an, platzen auf und mein Blut tropft zu Boden, mitten in das Loch, das ich grabe, macht den Spatenstiel rutschig. Ich kann ihn nicht mehr richtig halten. Also stolpere ich zurück ins Haus, die Treppe hinauf und in mein Zimmer zu meinem Koffer, hole meine Drachenlederhandschuhe heraus und ziehe sie an. Damit muss es besser gehen. Wieder im Garten, schaufle ich weiter. Mein Rücken beginnt ein grausames Lied zu singen und die Sonne brennt auf mich herab, heiß wie das Feuer der Hölle.

Spaten auf die Erde, drauf treten, die Last heben und zur Seite, auf und ab. Endlos, wieder und wieder.

Auf einmal schwebe ich über meinem Körper und sehe mich schuften: Ein recht großer dünner Bursche, beugt sich, steckt sich, Schweiß färbt seine schwarze Robe noch dunkler, schwarzes Haar fällt ihm verklebt ins Gesicht, fällt ihm vor die Augen, er pustet die fettigen Strähnen davon.

„Er sollte wirklich die Robe ausziehen“, denke ich. „Es ist viel zu heiß in dem schwarzen, dicken Ding.“

Dann bin ich wieder in meinem Körper und werfe die Robe ab. Halbnackt? Egal. Es kommt nie jemand zu unserer Hütte rauf, keiner wird mich sehen. Ich grabe weiter – stundenlang – und die Sonne brennt auf mich herab. Der Schweiß läuft mir den Rücken hinunter, in meine Unterhose, die Schenkel hinunter, bis in die Socken. Meine Haut spannt, ziept, fühlt sich heiß an. Ein Blick auf meine Arme lässt mich eisig in der Hitze erschaudern, sie sind feuerrot unter dem feinen, schwarzen Haar. Egal. Weiter.

Mein Kopf surrt und pocht, in meinen Ohren pfeift es, mein Blick ist unklar und flirrt, meine Knie zittern, meine Beine tragen mich nur noch äußerst unwillig und meine Arme singen Arien des Schmerzes. Egal. Weiter.

Endlich ist das Loch für mein Gefühl tief genug und ich taumle hinauf in das muffige Schlafzimmer des alten Bastards, stehe kurz darauf wie versteinert vor dem Bett. Wie soll ich ihn da blos raus kriegen? Ich mag ihn nicht anfassen, er ist einfach widerwärtig, übler, als er es zu Lebzeiten je war und so versuche ich den halbverwesten Körper in das Laken zu wickeln. Er fühlt sich weich, matschig und schwabbelig an und das Laken ist mit schauderlicher Verwesungsflüssigkeit durchtränkt. Mir wird wieder übel und ich würge, aber es kommt nur noch Magensaft hoch und brennt in meiner trockenen Kehle. Egal. Weiter.

Er ist viel zu schwer, um ihn zu tragen und ich wage es nicht, Magie zu verwenden. Früher hätte es die Magie meines Vaters sein können, die das Ministerium hier wahrnimmt. Das hat mich bisher geschützt. Jetzt geht das nicht mehr. Erst später wird mir klar, dass zu diesem Zeitpunkt außer mir keiner vom Tod meines Vaters weis und der Intimo Ferrendum hätte mich ohnehin geschützt, aber ich kann jetzt nicht klar denken und ich handle einfach nur.

Irgendwie schaffe ich es, den stinkenden Kadaver einzuwickeln und das Leintuch zusammenzuknoten, dann ziehe ich die Leiche am Knoten an den Füßen vom Bett - es rumst - ein ekelhaftes, irgendwie saftiges, schmatzendes Geräusch, das auf den Holzdielen nachhallt. Weiter ziehe ich am Laken und schleife es durch den oberen Korridor, dann die Treppe hinunter. Rums-flatsch, rums-flatsch, rums-flatsch. Bei jeder einzelnen Stufe. Schauderhaft! Entsetzlich! Abscheulich! Egal. Weiter.

Ich ziehe das schwere Teil durch den unteren Korridor und zur Hintertür hinaus. Meine Arme ächzen, sie fühlen sich an, als würden sie bis zum Boden reichen, mein Rücken brüllt, meine Augen brennen und mein Kopf beginnt noch stärker zu schmerzen und zu pochen. Egal. Weiter.

Ich schleife den improvisierten Leichensack zum Loch hinüber, wälze ihn hinein. Mit einem dumpfen Aufschlag landet er verkrümmt am Boden der Grube. Lässt sich jetzt auch nicht ändern, ich will nicht dort hinunter und das Ganze richtig hineinlegen - ich kann einfach nicht. Egal. Weiter.

Ich taumle, greife aber dennoch zum Spaten und beginne das Loch wieder zu füllen - Erdladung für Erdladung - mein Körper bewegt sich wie eine Marionette und ich will das hier einfach nur noch zu Ende bringen. Spaten in den Erdhaufen - Ladung aufnehmen - zur Grube hinüber und hinein. Wieder und wieder – schier endlos. Das knirschende Prasseln von Erde, Sand und Steinen auf der Leiche werde ich mein Leben lang nicht vergessen und sollte ich so alt werden wie Methusalem. Es klingt nach Endgültigkeit, nach Verdammnis, nach Höllenfeuer und dem Ende aller Dinge. Keinerlei Hoffnung auf Erlösung. Einfach grässlich, doch der alte Bastard ist tot – tot und begraben – begraben mit meinen eigenen Händen.

Mein ganzer Körper besteht nur noch aus Schmerzen, als die Grube endlich wieder zu ist. Ein Satz, den ich irgendwo gelesen habe, zuckt mir durch den Sinn: Warum nur, ist immer zu wenig Erde da, um ein Grab wieder ganz zu schließen. Egal - mit der Zeit wird Gras auf der Stelle wachsen, vielleicht kann ich dann den alten Bastard vergessen, begraben habe ich ihn ja schließlich schon.

Ich schleppe mich wieder in die Hütte zurück und will mich waschen, mir die Erde, den Dreck, den Schweiß, den Leichengeruch von meinem gequälten Leib waschen, aber im Bad gibt es nur kaltes Wasser. Egal – das muss eben reichen.

Ich fülle das Wasser in die Waschschüssel und tauche ein altes Handtuch hinein. Meine Hände brüllen, sind dick und blutig. Ich reibe mit dem nassen Tuch über meine Arme, meine Brust, meine Beine. Mit einigen schmerzhaften Verrenkungen schaffe ich es auch, mir den Rücken zu schrubben. Als ich das Handtuch ansehe, kleben große Hautfetzen darin. Ich habe mir einen gnadenlosen Sonnenbrand geholt und mein Rücken brennt, als habe jemand Säure darüber gekippt und das Gemeinste ist, er juckt auch noch bestialisch und ich komme nicht richtig dran.

Und ich habe Durst, brennenden Durst, aber wenn ich jetzt trinke, würde mir das sehr schlecht bekommen, mein Körper ist völlig überhitzt, also befeuchte ich mir nur leicht die Lippen, hilft auch ein bisschen.

Es war früh am Morgen, als ich hier ankam, jetzt ist die Sonne kurz davor unterzugehen. Meine Arme sind wie Blei, meine Knie zittern und ich kann mich nicht mehr gerade halten. Wie eine uralte Mumie schleppe ich mich in mein Zimmer und breche auf meinem Bett zusammen, dann schlafe ich wie ein Toter…

Ein nagendes Hungergefühl und brennender Durst wecken mich. Ich weis nicht, wieviel Zeit vergangen ist, denn es ist sehr dunkel und ein Sommergewitter rüttelt an meinen Fensterläden. Ich will aufstehen und in der Speisekammer nachschauen, ob noch was zu Essen da ist, aber meine Muskeln gehorchen mir nicht, sie zucken nur ziellos und schmerzen, brennen, jaulen. Unkontrollierte Krämpfe rasen durch meinen Körper, werfen mich auf und ab. Ich hüpfe hilflos auf meinem Bett hin und her wie eine mexikanische Springbohne.
 

Als ich Jahre später die Auswirkungen des Cruciatus sehe (und am eigenen Leib erfahre), fällt mir diese Szene wieder ein und ich könnte kaum sagen, was schlimmer ist – der Unverzeihliche Fluch oder das, was ich damals empfunden habe. Vielleicht nur eine Frage des Blickwinkels.
 

Durst! - meine Lippen sind so trocken und in meinem Mund ist kein Speichel mehr, meine Kehle ist wie verdorrt - Durst! Langsam lassen die Krämpfe nach und es gelingt mir, mich vom Bett zu rollen. Wie eine Schlange, wie Naga, winde ich mich aus meinem Zimmer und in den Gang hinaus. An der Treppe kann ich meinen gepeinigten Körper nicht mehr beherrschen und stürze haltlos die ausgetretenen Stufen hinunter. In einem zusammen gekrümmten Haufen bleibe ich unten liegen, keuche, stöhne, ächze.

Die Wasserpumpe! Ich muss zur Wasserpumpe hinüber und so winde ich mich über den abgetretenen Holzboden, komme bis zur Spüle. So nah! So fern! Meine Arme wedeln hilflos über mir in der Luft herum, schlagen gegen den Spülenschrank, entdecken nichts, woran sie Halt finden können. Endlich ereichen meine Finger, meine verkrampften, schmerzenden, blutverkrusteten, kraftlosen Finger, den Rand des Spülbeckens und ich will mich daran hochziehen - versuche es – doch in meinen Armen ist kaum noch Kraft. Ich rutsche ab und falle wieder auf den Boden zurück. Ich könnte vor lauter Verzweiflung weinen, heulen wie ein Kind, aber ich bin zu ausgetrocknet für Tränen, also liege ich einfach nur ruhig da und sammle Kraft, dann versuche ich es erneut.

Dieses Mal finden meine Finger schneller Halt. Es gelingt mir, mich hoch zu ziehen und ich hänge über der Spüle, habe meine Ellenbogen an ihrem Rand festgehakt, greife nach dem Schwengel und pumpe, pumpe. Es fällt mir so schwer, es kostet so unendlich viel Kraft. Eiskaltes, frisches Wasser läuft heraus und ich bin nur Zentimeter davon entfernt, aber ich kann es nicht erreichen. Wenn ich aufhöre zu pumpen, versiegt der Strahl. Weiter ziehe ich mich ächzend über den Rand des Spülbeckens, bis meine Lippen endlich unter dem fließenden Wasser sind. Das kühle Nass läuft in meinen ausgetrockneten Mund, meine verdorrte Kehle hinunter.

Ich trinke, verschlucke mich, huste, spucke. Eine Menge der Flüssigkeit rinnt mir übers Kinn. Egal - das was ich schlucken kann, schmeckt köstlich. Ewig hänge ich über der Spüle und trinke … trinke, sauge mich voll, wie ein Schwamm. Ich brauche unbedingt heißes Wasser, damit sich meine Muskeln wieder entspannen, wird mir plötzlich klar und ich brauche etwas zu Essen - dringend. Ein Stück trockenes Brot würde vorerst schon reichen, denn mein Magen knurrt schlimmer als ein wütender Drache, zieht sich schmerzhaft zusammen, ist so schrecklich leer – schließlich habe ich seit gestern morgen nichts mehr gegessen.

Ich richte mich quälend langsam auf. Meine Knochen knacken, meine Muskeln brüllen. Ich stütze mich auf jedes Stück der Einrichtung, das ich erreichen kann,

aber mein Körper gehorcht mir nur sehr unwillig. Ich ziehe mich humpelnd zur Speisekammer hinüber. Sie ist recht leer, aber wenigstens ein Stück Brot liegt drinnen, es ist trocken, steinhart und halb verschimmelt. Egal. Ich breche die verschimmelten Stücke einfach ab und lasse sie auf den Boden fallen, den Rest verschlinge ich heißhungrig.

Ich habe mich auf einen alten Küchenstuhl sinken lassen und denke angestrengt nach. Ich brauche unbedingt einen Heiltrank und ein heißes Bad. Aber wie, ohne Magie? Plötzlich wird mir klar, dass keiner weis, dass mein Vater tot ist und ich ungestraft Magie benutzen kann. Wäre mir das schon gestern eingefallen, hätte ich mir eine Menge erspart. Egal. Dann eben jetzt.

Ich will mich wieder in mein Zimmer schleppen, da fällt mir ein, dass meine Robe und damit auch mein Zauberstab und Naga noch im Garten sein müssen, also ändere ich meinen Kurs. Es regnet wie verrückt. Ich bleibe einige lange Minuten im warmen Regenguss stehen und das Wasser prasselt auf meinen überanstrengten Körper hinab. Nicht ganz so gut, wie eine heiße Dusche, aber auch nicht schlecht. Die harten Regentropfen massieren meine gequälten Muskeln und verschaffen mir etwas Erleichterung. Das lauwarme Wasser ist die reinste Wohltat auf meiner brennenden Haut, denn der Sonnenbrand ist echt schlimm. Ich bin klatschnass, alles ist völlig durchweicht, sicherlich auch meine Robe.

Schließlich wanke ich hinüber, hebe das triefende Ding auf und suche nach Naga, doch sie ist weg, wahrscheinlich hat sie die Freiheit vorgezogen. Egal, lässt sich nicht ändern, aber wenigstens mein Stab ist dort, wo ich ihn vermutet habe.

Die Treppen hinauf? Ich kann nicht mehr!

„Accio“ fällt mir ein, damit kann ich mir alles in die Küche holen. Gut, dann mache ich das so.

Der Trank kocht in meinem Zinnkessel. Riecht gut, sieht auch richtig aus, es qualmt und dampft, müsste so weit sein. Ich schöpfe einen ganzen Becher voll heraus, dann trinke ich. Sofort lassen die Schmerzen nach. Sie sind schon so sehr zu einem Teil von mir geworden, dass ich sie fast nicht mehr bemerkt habe, trotzdem ist jetzt die Erleichterung unvorstellbar.

Ich schaue an meinem fast nackten Leib hinunter. Er ist feuerrot und meine Haut hängt in großen Fetzen daran herunter. So einen üblen Sonnenbrand habe ich noch nie gesehen. Ich zupfe an den Lappen und sie lösen sich in langen Streifen vom meinem Körper, das Fleisch darunter glänzt, suppt klare Flüssigkeit aus, aber mein Trank ist wirklich gut, denn Ich habe keine Schmerzen mehr, aber ich verspüre immer noch brennenden, quälenden Hunger.

Es ist nichts zu Essen da und ich habe kein Muggelgeld, aber vielleicht hat mein Vater irgendwo welches versteckt, also beschließe ich das Haus zu durchsuchen. Ich finde einige Flaschen Feuerwhiskey und ihr Inhalt verschwindet gluckernd im Ausguss - ich hasse starken Alkohol und will nichts mehr von dem Zeug hier haben.

Im hintersten Winkel der Speisekammer findet sich noch etwas Dauerwurst und ich kaue darauf herum, während ich weiter das Haus durchsuche. Der Zutatenkoffer meines Vaters ist die reinste Fundgrube, aber essen kann man das Zeug nicht. Kein Geld, kein Gold, keine Wertgegenstände, nur zerfledderte Bücher und ein Schlüssel für ein Schließfach bei Gringotts der Zaubererbank.

Na ja, mal sehen - Flohpuder ist auch noch da – und ich habe ohnehin keine andere Wahl, ich muss in der Winkelgasse einkaufen. Ich war noch nie dort, habe aber natürlich schon davon gehört. Ich habe noch eine ganze Menge Gold von Hieratus, habe gerade Mal fünf Galleonen ausgegeben. Meine Gedanken kreisen und ich plane. Ich werde diesen Sommer über hier alleine leben, dann vielleicht nächstes Jahr zu Hieratus, der muss dann wieder da sein. In den anderen Ferien kann ich in Hogwarts bleiben. Gut.

Jetzt erst mal was anziehen und in die Winkelgasse flohen, in den Tropfenden Kessel, den kenne ich schon. In den schwarzen Hogwarts Roben? Nee, zu auffällig. Mein Vater muss auch noch Roben haben, die könnten mir passen. Letzten Sommer war ich schon größer, als er und ich bin noch gewachsen. Ich finde die Roben in der Wäschekammer, aber sie stinken unsäglich - macht nichts - die bekomme ich schon wieder sauber. Dann also doch erstmal in meiner schwarzen Robe.

Mein Gold, mein Zauberstab, das Flohpuder, der Tresorschlüssel - alles klar. Ich trete in den Kamin und sage laut und deutlich: „Winkelgasse.“ Das vertraute Herumwirbeln setzt ein und als ich die Augen wieder aufmache, bin ich im Tropfenden Kessel angekommen. Mein Magen knurrt immer noch und ich beschließe hier etwa zu essen, bevor ich einkaufen gehe. Ich setzte mich an einen Tisch in die Ecke. Tom, der glatzköpfige Wirt kommt herüber.

„Was möchten sie?“ fragt er.

„Kürbissaft und Stew“, brumme ich im Basston, um älter zu klingen.

„Kommt sofort.“

Keine Fragen, keine Probleme. Er bringt mir das Bestellte und ich schlinge es in mich hinein wie ein halbverhungerter Wolf. Mir ist klar, dass ich mich etwas außerhalb unserer Gesetze bewege, zumindest hart an der Grenze des Erlaubten, schließlich bin ich noch minderjährig - Aber egal. Ich muss tun, was ich tun muss, ich habe keine andere Wahl.

Es ist schrecklich einsam in der Hütte. Ich habe eingekauft, aber mein Geld hat nicht sehr weit gereicht. Ich hätte mir verdammt gern neue Roben gekauft, Unterwäsche, Schuhe. Es ist mir alles schon wieder ein bisschen klein und eng, selbst die alten Sachen von meinem Vater, aber dann hätte ich mir nie genug Lebensmittel für den Sommer kaufen können und die waren wichtiger.

Ich habe mir noch drei Galleonen aufgehoben, damit ich noch etwas Gold für Hogsmeade im nächsten Jahr habe – keiner muss merken. dass ich darüber hinaus völlig mittellos bin. Es war verflixt schwierig für mich, einzukaufen, denn ich wusste nicht, was ich alles brauchen werde und habe wahrscheinlich auch unnötige Sachen mitgenommen. Die Kochbücher meiner Mutter helfen mir sehr und ich zwinge mich, mir jeden Tag eine warme Mahlzeit zu kochen. Ich will nicht wieder als lebende Leiche nach Hogwarts zurückkehren.

Ich schlafe schlecht und das Haus scheint mir regelrecht verflucht. Jeder einzelne Balken scheint das unselige Miasma meines Vaters auszuatmen und sein Gestank hängt in jedem Winkel der Hütte fest. Jedes nächtliche Geräusch klingt wie das Weinen meiner längst toten Mutter, jedes Knarren der Treppe, wie die Spinnenschrittes des alten Bastards, der sich wieder mal in mein Zimmer schleichen will – Egal, lässt sich nicht ändern. Wo sollte ich denn sonst auch hin? Eigentlich bin ich es ohnehin gewohnt, schlecht und wenig zu schlafen, schon seit viel zu vielen Jahren.

Ich habe in dem Verlies bei Gringotts nur weitere zerfledderte Zauberbücher gefunden und die Besitzurkunde für unsere Hütte, sie gehört jetzt also mir, aber ich weis nicht, ob ich sie überhaupt haben will. Auf Dauer hier leben? Nee, echt nicht! Zu viele düstere Erinnerungen, zu schlechtes Karma und ich könnte hier niemals Frieden finden.

Es ist so einsam hier, aber ich kann nicht ins Dorf gehen, sie könnten mich nach meinem Vater fragen und ich habe keine Antwort für sie - keine Antwort, die ich bereit bin zu geben.

Tagsüber streife ich durch meine geliebten Wälder und Hügel. Jetzt kann es mir keiner mehr verbieten oder mich deswegen verprügeln. Meine Lichtung habe ich frei geräumt, aber sie hat ihre Bedeutung für mich verloren. Ihr Zauber ist für immer zerstört.

Ich lese viel in den geheimen Zauberbüchern meines Vaters, wenn ich nicht schlafen kann. Üble Tränke, üble Sprüche, aber interessant, so interessant. Ihr Inhalt trägt allerdings auch nicht gerade dazu bei, dass ich besser schlafen kann.

Ich werde alles, was brauchbar ist, mit nach Hogwarts nehmen. Hier werde ich möglichst nicht mehr herkommen, wenn dieser Sommer endlich zu Ende ist.

Ich liege mit brennenden Augen auf meinem Bett und es ist heiß, nahezu unerträglich heiß. In den dunkelsten Stunden der Nacht habe ich wieder in den uralten Schwarten meines Vaters gelesen. Viele würde ich gar nicht verstehen, hätte ich nicht Leechs Rat angenommen und Latein und Griechisch gelernt, auch so verstehe ich nicht jedes Wort, aber doch sehr viel - vielleicht zu viel für meinen Seelenfrieden.

Die Hitze, die sich den ganzen Tag über in meinem Zimmer unterm Dach gestaut hat, bringt meinen Kopf zum Summen. Ich konnte mich nicht mehr auf die Bücher konzentrieren, darum habe ich mich resignierend aufs Bett gelegt. Es ist so heiß, so wahnsinnig heiß, der Schweiß rinnt mir an meinem fast nackten Körper hinunter und Haut klebt an Haut. Der Sonnenbrand ist noch nicht ganz abgeheilt, brennt, juckt. Meine Robe habe ich schon vor Stunden ausgezogen und ins Eck geworfen - hier sieht mich wirklich keiner.

Meine Gedanken treiben träge dahin, ich kann keinen festhalten. Ich greife nach meinem Nachttisch. Darin liegt etwas, das mir sehr viel bedeutet: Das blutige Taschentuch, mit dem ich Sirius die Kratzer ausgewaschen habe. Ich hatte es damals geistesabwesend in meine Tasche gesteckt, ohne es zu bemerken.

Ich bin so allein, so einsam, so leer. Keine Geräusche im Haus außer meinem eigenen Atem und dem leisen Kratzen von Rattenkrallen im Keller, dem Knacken und Seufzen des alten Holzes. Einsam. Allein.

Ich knülle das Taschentuch in meiner Hand zusammen, spüre das lange getrocknete Blut in dem Stoff, drücke es an meine Brust. Sirius, geliebter Feind … Aber … Allein. Einsam. Leer. Kein Zugang zu meinen Traumbildern.

Draußen dämmert es schon. Heiß, immer noch heiß. Ich rolle mich vom Bett, will ins Bad, mir meinen schweißgebadeten Körper kalt abwaschen, vielleicht hilft es. Das Taschentuch stopfe ich wieder in meine Schublade zurück.

Das Wasser ist nicht richtig kalt, eher lauwarm, tut aber trotzdem gut. Ich reibe mir das nasse Handtuch über mein verschwitztes Gesicht und es kühlt meine Augen. Weiter schrubbe ich mit dem nassen Tuch über meinen Körper. Es fühlt sich so wahnsinnig gut an. Erleichterung…

Ich gehe wieder in mein Zimmer zurück, werfe mich aufs Bett, versuche zu schlafen, aber es geht einfach nicht. Allein. Einsam. Leer. Hohl.

Die Ferien dauern noch zwei Wochen und ich bin dem Allen jetzt schon so überdrüssig - ich will hier nicht länger alleine rumhängen, aber was kann ich schon tun? Unruhig wälze ich mich auf dem feuchten Laken hin und her. Ich bin so ausgebrannt, so leer, habe noch nicht einmal Lust, es mir zu besorgen. Es ist viel zu heiß…
 

Dumbledore hat mir eine Eule geschickt, fragt, ob ich noch Flohpuder habe, um nach Hogwarts zu kommen, oder ob ich den Zug nehmen will. Dabei liegt die Bücherliste fürs nächste Jahr. Muss ich nicht besorgen, sind alle vorhanden, war schon immer so. Die alten Bücher meines Vaters. Ich schreibe ihm zurück. Ja, ich habe noch Flohpuder (wenn dem nicht so wäre, würde ich welches herstellen, aber das sage ich ihm natürlich nicht) und werde rechtzeitig am 1. September wieder da sein. Danke der Nachfrage - Bla ... bla … bla…

Ich bin so leer, so alleine, so einsam, so ausgebrannt und irgendwie auch traurig und bitter.
 

Wenn ich heute so darüber nachdenke, muss der alte Mann schon damals etwas vom Tod meines Vaters geahnt haben, denn der Brief war an mich gerichtet, nicht an ihn. Jedenfalls hat Dumbledore mir gegenüber nie ein Wort darüber verloren. Dennoch bin ich mir sicher, dass er mir irgendwie geholfen hätte, wenn ich ihn darum gebeten hätte, aber mein Stolz und meine Unfähigkeit, über meine Probleme zu reden. hätten mich damals ohnehin daran gehindert, selbst wenn ich auf die Idee gekommen wäre, mich dem Alten anzuvertrauen.

In diesem Sommer schlug wieder eine weitere Tür in meinem Inneren zu – trennte mich noch weiter von den sogenannten normalen Menschen – ich war allein, hatte keine Hilfe und auch keine Familie mehr – nicht, dass ich der Meinung gewesen wäre, das eine oder andere auch nur zu brauchen. Viel zu lange war ich es schon gewohnt, auf mich allein gestellt zu sein und so redete ich mir ein, es auch so zu wollen.

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Kanoe
2010-05-25T08:46:33+00:00 25.05.2010 10:46
gut mir hats zwar so ein klein wenig den magen umgedreht aber ein sehr interessantes kapitel


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