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Ich Severus Snape

Young Severus - ein bisschen Depri - Erster Band meiner Saga
von

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Das dritte Jahr

Kapitel 3

Das dritte Jahr

Hieratus und Hogsmeade
 

D

iese Ferien scheinen Jahrhunderte gedauert zu haben, aber endlich sitze ich wieder im Zug, dem Zug, der mich in die relative Freiheit von Hogwarts trägt. Hieratus quatscht, quasselt und plaudert. Er erzählt mir von seinem Urlaub in Indien und es klingt sehr interessant – Sonne, Sand und Meer – jede Menge Kultur und Kunst – wie er meint.

Mit der Zeit habe ich natürlich mitbekommen, dass seine Familie echt steinreich ist, aber er lässt sich das nie anmerken. Er gehört eher zu den bescheidenen, zurückhaltenden Typen, ist jedoch immer äußerst gepflegt und adrett gekleidet. Etwas so Ordentliches wie ihn, habe ich noch nie erlebt. Hieratus hat etwa meine Größe, er ist nur fester gebaut. Er hat seelenvolle, braune Bassettaugen und mausbraunes, sorgfältig geschnittenes Haar. Eigentlich ist er ein recht attraktiver, gut aussehender Junge.

Nebenan höre ich das brüllende Gelächter von Potter und seinen Freunden und sogar darüber bin ich irgendwie froh. Meine Ferien waren so schrecklich einsam. Ich habe in den ganzen acht Wochen keine drei Sätze geredet. Nicht einmal die kleine Stimme in mir hat sich gerührt. Vielleicht glaubt sie ja, dass ich langsam wirklich kalt wie Eis bin.

Ich bin innerlich so leer, so schrecklich leer. Selbst die Beleidigungen und das Triezen von Potter und seinen Freunden würden diese Leere etwas füllen. Das freundliche Plaudern von Hieratus, beginnt mein Inneres bereits etwas zu wärmen. Trotzdem schweifen meine Gedanken ab, wie sie es gerne tun. Auch bin ich es vom Sommer her zu sehr gewohnt, mich in Tagträumen und Gedanken zu verlieren. Mein wandernder Blick fällt auf meine Robe. Sie ist mir jetzt wirklich viel zu kurz - ich bin im den letzten Monaten ganz schön gewachsen - und meine bleichen Knöchel mit den runter gerutschten Socken schauen unten raus, an den Ärmeln meine dürren Handgelenke. Es sieht schlampig aus, ungepflegt und schäbig.

Hieratus sieht den abschätzenden Blick, der von meinen Füssen zu meinen Händen streift und seine Augen folgen den meinen. Plötzlich holt er seinen Koffer aus dem Gepäcknetz, stellt ihn auf einen freien Sitz (wir sind allein im Abteil, wie fast immer) und macht ihn auf. Mindestens ein halbes Duzend Roben türmen sich darin. Er nimmt drei davon heraus und wirft sie mir in den Schoß. Ich glotze ihn groß an.

„Sei nicht beleidigt, Kumpel“, sagt er, „aber die müssten dir besser passen, als deine alten Fetzen. Vielleicht sind sie dir ein bisschen weit, aber du bist wirklich verdammt dünn.“

So ernsthaft und freundlich hat er noch nie mit mir gesprochen - kein bisschen überheblich oder gönnerhaft - aus diesem Grund nehme ich auch sein Geschenk an, obwohl es mir furchtbar peinlich ist. Ich weis genau, er meint es einfach nur gut und will mir helfen und meine alten Dinger kann ich ohnehin nicht mehr viel länger anziehen.

„Danke“, sage ich knapp.

Ich weis nicht, was ich sonst noch sagen soll, aber Hieratus versteht auch so und nimmt meinen Dank hin, so wie er gemeint ist – ehrlich. Ich packe das Geschenk weg und Hieratus zieht das Schachbrett heraus.

„Lust auf ein paar Partien?“ fragt er und grinst mich unsicher an. Ich nicke lebhaft und erfreut. „Hast du Lust mit mir nach Hogsmeade zu kommen, wenn es soweit ist?“ fragt er weiter.

Ich nicke unbestimmt. Mein Vater hat den Wisch kommentarlos unterschrieben, als ihn die Eule mit dem Brief aus Hogwarts gebracht hat (und wenn er es nicht getan hätte, bin ich mir sicher, dass ich die Unterschrift gefälscht hätte), aber mir ist klar, dass ich ohne Hieratus absolut nichts in Hogsmeade unternehmen kann. Ich habe keinerlei eigenes Geld, aber ich möchte ihm auch nicht auf der Tasche liegen. Trotzdem: Hogsmeade mit Hieratus, das wäre schon was.

„Gerne“, sage ich daher etwas unsicher, „Ich freu mich drauf.“

Hieratus grinst mich glücklich an. Warum hängt er nur so an mir? So nett bin ich doch gar nicht zu ihm. Da erkenne ich plötzlich, dass alle Anderen genau wissen müssen, aus welchem Stall er stammt und ihn für reich, arrogant und versnobt halten, weil er immer so adrett und gepflegt aussieht, weil er so leise und ruhig ist und so wenig spricht. Nur in meiner Gegenwart taut er auf. Aber sie könnten sich gar nicht mehr irren. Hieratus ist nichts von alledem, aber er muss wohl sehr einsam sein, wenn er sich so gerne mit mir abgibt, denn ich bin sicherlich kein so netter Kerl. Ich beschließe, von nun an freundlicher zu ihm zu sein.

Der Zug rollt in Hogsmeade ein. Ich folge mit Hieratus der Menge und steige aus. Gemeinsam gehen wir zu den Kutschen. Vor uns schlendern Potter und Konsorten. Ganz automatisch werden meine Schritte schleichend und leise und Hieratus passt sich mir an. Er weis von meinem Dauertrouble mit diesen Jungs, hat sich aber nie eingemischt. Er ist ein schrecklich jämmerlicher Zauberer und ein sehr sanftmütiger Mensch, das erklärt wohl einiges.

Sie quatschen sehr angeregt miteinander. Potter und Black erzählen den beiden Anderen von ihren gemeinsamen Erlebnissen in den Ferien. Black hat sie wohl wieder bei den Potters verbracht. Pettigrews Rattenaugen flitzen hin und her und fallen auf mich. Er stößt Potter an und flüstert etwas. Potter und Black wirbeln wie ein Mann herum.

„Snivellus, alter Schleimbeutel, auch wieder da?“ zischt Black mit spöttisch funkelnden Augen.

„Und immer noch in den selben alten Roben. Himmel, du bist wirklich das Letzte. Gibt es in Yorkshire keine Bäder oder Läden?“ fügt Potter grienend an.

„Wohl kaum, dort tragen sie gewöhnlich noch Tierfelle“, piepst Pettigrew hämisch. „Sogar seine Haare sind so schmierig, wie immer!“

Lupin schaut ernst drein, sagt aber wie üblich nichts. Pettigrew springt wieselflink auf mich zu und rupft an meiner Robe, ich weiche aus einem Reflex heraus zurück. Der Stoff ist so alt und mürbe, dass er sofort reißt, die Nähte an den Schultern geben einfach nach und ich stehe im Freien. Die Robe bauscht sich um meine Knöchel und meine alte Unterhose flattert im Wind.

„Grundgütiger“, ruft Potter und zeigt auf das flatternde Ding. „Wechselst du die denn nie, Snivellus?“

„Du großer Gott“, stöhnt Black theatralisch und fasst sich an die Brust „Was für ein elender, schmieriger Schleimbeutel du doch bist, Snivelly!“

Die halbe Schule steht um unsere Gruppe herum und lacht und lacht. Ich könnte nicht nur im Boden versinken, ich könnte mich glatt in Luft auflösen, so peinlich ist mir das Ganze - und ich werde wütend, meine Finger sehnen sich nach meinem Zauberstab, doch der ist in meinem Koffer – auf meinen Lippen formt sich ein wütender Fluch, meine Fäuste ballen sich in Ermanglung einer anderen Waffe.

Plötzlich spüre ich neben mir eine Bewegung. Hieratus hat seinen Umhang abgenommen und legt ihn mir schützend um die Schultern.

„Komm“, sagt er und stottert fast dabei. „Lass die Idioten einfach!“ und führt mich wie ein kleines Kind zu einer freien Kutsche.

Am liebsten würde ich trotzdem einen Fluch hinter mich schicken (wie denn ohne Stab? – so gut bin ich nicht ohne, auch wenn ich ein paar Dinge beherrsche, doch die reichen in dieser Situation einfach nicht aus) - aber Hieratus ruhiges Benehmen, hält mich davon ab. Ich will ihn nicht in Schwierigkeiten bringen – das hat er sicher nicht verdient. Die zerrissene Robe bleibt vergessen und bedeutungslos hinter uns zurück.

„Mach dir über diese Trottel keine Gedanken!“ sagt er, als wir in der Kutsche sitzen. „Die sind doch nur…“

„…die besten und beliebtesten Schüler, die Hogwarts seit Jahren gesehen hat“, beende ich seufzend den Satz.

„Stimmt leider“, meint er und seufzt ebenfalls. „Aber das ist noch lange kein Freibrief, alle anderen, die nicht so gut sind, fertig zu machen.“

Wir schauen uns an und nicken. Wir sind uns einig und schweigen, bis wir die Schule erreicht haben.
 

Es ist sehr spät und das Festmahl ist vorbei, Ich habe kaum einen Bissen hinunter bekommen, denn die eine Hälfte der Schule, die die Szene bei der Kutsche beobachtet hat, hat sie tuschelnd der Anderen erzählt. Sie kicherten und flüsterten, lachten hämisch über mich, sogar meine eigenen Hauskameraden. Nur Hieratus stand zu mir und murmelte mir leise, beruhigende Worte zu.

Wir beide sind alleine im Gemeinschaftsraum zurückgeblieben und alle anderen liegen bereits in ihren Betten und schlafen.

„Warum hast du mir nie gesagt, dass du keine anständigen Klamotten hast? Ich dachte immer du magst die Dinger einfach, die du an hast. Ne Art Markenzeichen oder so“, fragt er mich leise und bedrückt.

Ich schaue ihn an. Da ist nicht das leiseste Zeichen von Spott in seinen Augen, aber auch kein Mitleid - Gott sei Dank - sein Mitleid könnte ich jetzt echt nicht ertragen. Nur Ernst und Freundlichkeit steht in seinen braunen Augen.

„Weil mir die Armut meiner Familie peinlich ist“, antworte ich wahrheitsgemäß.

Er nickt.

„Ich würde dir ja was von meiner Unterwäsche abgeben, aber ich glaube nicht, dass du das jetzt noch willst.“

Ich nicke ebenfalls. Er versteht, er ist nicht so beschränkt, wie alle meinen. Er murmelt etwas, so leise, dass ich ihn nicht verstehen kann. Ich schaue ihn fragend an und er wiederholt es etwas lauter:

„Woher hast du nur diese grausamen Narben am Rücken?“ Ich zucke zusammen und mein Blick muss das reinste Entsetzen zum Ausdruck bringen, denn er sagt rasch: „Außer mir hat sie niemand gesehen. Ich habe genau hinter dir gestanden und deinen Rücken verdeckt.“

„Ich will nicht darüber reden“, murmle ich.

Ich kann nicht, obwohl er so freundlich zu mir ist. Doch ich erkenne seine Frage als das, was sie wirklich ist: Ein Angebot echter Freundschaft, ein Angebot mir alles von der Seele zu reden – aber ich kann einfach nicht. Hieratus schaut mich nur schweigend an - Minutenlang - dann nickt er wieder.

„Ich möchte, dass du eines weist, Severus“, sagt er leise und sanft, aber sehr bestimmt. „Wann immer … wenn immer… du reden willst: Ich werde dir zuhören und ich werde dich gewiss nicht auslachen.“

Ich habe auf meine Füße gestarrt, mein langes, schwarzes Haar hat mein Gesicht verdeckt – man kann sich wirklich gut hinter diesem dichten Vorhang verbergen - jetzt blicke ich rasch auf.

„Danke“, murmle ich und meine es genau so.

Er nickt erneut und akzeptiert.

„Bitte, tu mir den Gefallen“, redet er leise weiter. „Zieh die Roben an, die ich dir gegeben habe. Mir ist klar, wie beschämend das alles für dich sein muss und dass du aus Trotz deine alten Roben weiterhin anziehen möchtest, aber sie sind dir wirklich schon zu klein und der Stoff ist auch schon ganz mürbe.“

„Hast Recht“, murmle ich. „Mit allem.“

Hieratus hat immer viel mit mir geredet, aber so unterhalten wie heute Abend, haben wir uns noch nie – wir standen uns nie wirklich nahe genug, aber heute hat sich das irgendwie geändert – plötzlich sind wir zu echten Freunden geworden.

„Severus, du weist nur sehr wenig über mich“, sagt er schließlich.

Ich schaue ihn an. Es stimmt. Ich habe ihn immer irgendwie wie ein Anhängsel behandelt, eine Verlängerung meiner selbst und mich nur wenig für seine eigentliche Persönlichkeit interessiert. Wenn ich seine Gesellschaft haben wollte, war ich mit ihm zusammen, wollte ich alleine sein, habe ich mir nicht den geringsten Gedanken über seine Wünsche gemacht. Ich bin wirklich kein netter Kerl.

„Ich stamme, wie du, aus einer alten Familie“, fährt er fort. „Aber ich war immer so was wie ein weißer Rabe unter Krähen. Ein unerwünschter Nachkömmling, mit nur geringer magischer Begabung. Meine Geschwister sind alle mindestens zehn Jahre älter als ich und meine Eltern interessieren sich kaum für mich. Sie statten mich nur mit Geld und so aus. Die Süßigkeiten, die jede Woche mit der Eulenpost kommen, schickt unsere alte Hauselfe. Meine Eltern haben ihr dazu den Auftrag gegeben und dann vergessen sie einfach, dass ich überhaupt existiere, solange ich hier bin. Schau, Kumpel, ich teile gerne alles mit dir. Du bist der Erste, der mich nicht so behandelt, als wäre ich der größte Idiot, der rum läuft. Ich hatte nie Freunde und war immer einsam und du schienst genauso einsam zu sein, als wir hier angekommen sind.“

„Ich war nie besonders nett zu dir“, unterbreche ich ihn.

„Du hast mit mir geredet, mich für voll genommen, mich als menschliches Wesen behandelt. Keiner hat das je getan.“

„Aber…“

„Nichts aber, du hast mich als Freund behandelt, so gut du es eben kannst. Ich glaube, du hast auch nie Freunde gehabt und verhältst dich einfach so, wie du es für richtig hältst – du weist es eben nicht besser.“ Ich starre ihn groß an und mein Kopf nickt ohne mein Zutun. „Schau, Kumpel, ich weis zum Beispiel schon seit Jahren, wie schlecht du schläfst, dass du oft ganze Nächte durchs Schloss wanderst. Ich habe mich nie getraut, dir zu folgen. Du scheinst bei Filch aus irgendeinem Grund einen Stein im Brett zu haben, aber du bist sicher der Einzige. Würde er mich mitten in der Nacht erwischen, wie ich im Schloss rumstreune, wäre die Kacke gewaltig am dampfen. Ich weis viele Dinge vom Blutigen Baron. Er ist irgendwie weitläufig mit meiner Familie verwandt und hat Gefallen an mir gefunden. Wir unterhalten uns öfter.“

„Wenn du willst, kannst du mal mitkommen“, setze ich an, aber Hieratus schüttelt den Kopf.

„Nee, lass mal. Ich habe den Eindruck, dass du bei deinen Wanderungen lieber alleine bist.“

„Stimmt, aber du bist ein Freund…“

„Nee, nee, muss nicht sein. Es genügt mir schon, wenn du so zu mir bist, wie immer.“

Wir sitzen noch eine ganze Weile schweigend am Feuer und starren in die ersterbenden Flammen, bis Hieratus die Augen zufallen. Ich räuspere mich und er schreckt hoch.

„Lass uns zu Bett gehen“, sage ich. „Du siehst müde aus.“

„Ja“, antwortet er. „Hast Recht. Wirst du schlafen können?“

Ich zucke beiläufig mit den Schultern. Er nickt und wir gehen zusammen in den Schlafsaal hinauf.
 

Es ist, als hätte unser Gespräch alles verändert und Hieratus ist jetzt noch häufiger in meiner Nähe. Ich weis, dass sein freundschaftliches Angebot mich auszuquatschen immer noch steht. Sein Blick sagt mir das, aber ich will nicht reden - noch nicht - vielleicht nie. Noch mangelt es mir an echtem Vertrauen zu Hieratus, noch habe ich sein Lachen mit den Anderen, die sich über mich lustig gemacht haben, nicht vergessen.

Es läuft alles wie immer. Unterricht, Lernen, nächtliche Wanderungen.

Halloween kommt und damit das erste Hogsmeade Wochenende. Hieratus ist ganz aufgeregt und zappelig und wenn ich ehrlich bin, ich auch – ich habe mich noch nie auf irgendetwas so sehr gefreut.

Filch kontrolliert genau unsere Berechtigungen, bevor er uns zum Tor hinaus lässt (wäre wohl echt in die Hose gegangen – so eine gefälschte Unterschrift). Wir gehen Seite an Seite ins Dorf hinunter.

„Wohin wollen wir zuerst?“ fragt mich Hieratus.

„Keine Ahnung, was meinst du?“

Das ist keine Höflichkeit. Ich weis es wirklich nicht, habe keine Ahnung, was man hier alles unternehmen kann – woher sollte ich sowas auch wissen? Ich war noch nie mit einem Freund irgendwo – ich kenne ja noch nicht mal die Winkelgasse, weis nur, dass es diesen Ort gibt.

„Zonkos, der Honigtopf, die Drei Besen, die Heulende Hütte. Du, die ist interessant, es heißt, dass es dort seit einigen Jahren gewaltig spukt.“

Er ist so aufgeregt und aufgedreht, dass ich ihm gerne den Gefallen tue und ihm zur Heulenden Hütte folge. Es handelt sich um ein schäbiges altes Holzhaus, das nach nichts Besonderem aussieht. Es ist rundum mit schweren Brettern vernagelt und hat durchaus eine irgendwie unheimliche Aura. Hieratus schaut sich das Ding aufgeregt von allen Seiten an, aber auch er kann nichts Auffälliges feststellen und es ist unmöglich sie zu betreten. Unsere Neugierde bleibt also unbefriedigt. Etwas enttäuscht meint er:

„Wohin jetzt?“

„Weis nicht. Was sind die Drei Besen?“

„Ein Pub. Dort gibt es das beste Butterbier weit und breit.“

„Und Zonkos?“

„Ein Laden für magische Scherzartikel.“

„Der Honigtopf?“

„Die besten Süßigkeiten von ganz England.“

Seine Augen strahlen. Klingt alles recht gut – mehr als das, wenn ich ehrlich bin - aber ich habe kein Geld. Ich stehe einfach in der letzten Herbstsonne und tue so, als würde ich die Angelegenheit ernsthaft überdenken, aber ich versuche im Grunde genommen nur Zeit zu schinden – wofür weis ich eigentlich selbst nicht, denn wie lange ich auch hier stehe und abwarte, wird nichts an meiner finanziellen Lage ändern.

„Hör mal, Severus“, sagt er so leise, dass ich ihn fast nicht hören kann, „ich habe dir doch gesagt, dass ich alles, was ich habe, gerne mit dir teile und das meine ich vollkommen ernst. Du bist natürlich eingeladen.“ Ich werde rot, denn er hat mein Schweigen sofort durchschaut. „Du, das muss dir nicht peinlich sein. Ich mach das wirklich gerne.“

„Danke“, sage ich leise und meine es auch so, aber es ist mir trotzdem peinlich. Es hat mir noch nie viel ausgemacht, kein eigenes Geld zu haben - Bis jetzt. „Dann erst mal der Honigtopf, was meinst du?“ bringe ich heraus.

Er grinst mich an, seine Augen leuchten, als wäre dieses Jahr Weihnachten früher gekommen und er trabt freudig los. Der Honigtopf ist riesig und Hieratus kauft alles in Reichweite. Dann schlendern wir wieder nach draußen, suchen uns eine schöne Stelle und setzen uns auf einen niedrigen Erdhügel ins hohe Gras.

Ich habe noch nie Süßigkeiten gegessen, habe die von Hieratus immer für Mr Atoz gebraucht und Zuhause gab es sowas natürlich nie. Das Zeug schmeckt himmlisch, verklebt mir zwar Zähne und Magen, aber ich esse trotzdem weiter, auch weil mir Hieratus immer wieder die Tüte unter die Nase hält und sich zu freuen scheint, wenn ich eifrig zugreife.

Ich habe sowas noch nie erlebt. Neben einem Freund im weichen Gras in der Sonne zu sitzen, etwas zu teilen, einfach nur irgendwie Spaß zu haben, mich wohl zu fühlen. Jemanden zu haben, der mir Gesellschaft leistet – und das offensichtlich gerne. Es tut gut, so unglaublich gut.

Hieratus lächelt mich an.

„Was meinst du? Ins Zonkos?“

„Nicht so gerne“, antworte ich rasch.

Er schaut mich neugierig an.

„Potter und Konsorten – die Herumtreiber (so nennt man die Bande seit einiger Zeit an der Schule)“, beantworte ich seine ungestellte Frage. „Ich möchte ihnen nicht begegnen und mir den Tag versauen lassen.“

„Ach so, verstehe! Dann in die Drei Besen? Auf ein Butterbier?“

„Können wir machen.“

Er springt wie von der Feder geschnellt auf, packt meinen Arm und zieht mich hoch. Augenblicklich wird mir klar, dass ich mich nicht gerne anfassen lasse (und auch so weit wie möglich zufällige Berührungen vermeide), nicht von Hieratus, eigentlich von keinem, Black stellt da wohl eine Ausnahme dar. Komisch.

Da ich meinen Freund nicht beleidigen will, folge ich seinem Zug und stehe auf. Er scheint wieder etwas gemerkt zu haben, denn er lässt mich sofort los, als ich sicher auf meinen Beinen stehe. Er scheint nicht gekränkt zu sein. Gut. Beleidigen will ich ihn nämlich wirklich nicht.

Wir schlendern zu den Drei Besen. Ich habe Recht gehabt, denn als wir an Zonkos vorbei kommen, sehe ich drinnen die Herumtreiber, die einkaufen, als würde es morgen gesetzlich verboten werden – doch das soll mir egal sein, solange ich ihnen hier im Dorf aus dem Weg gehen kann und damit Ärger vermeide.

Die Drei Besen sind ein recht ansprechendes Pub. Hieratus geht zu einem leeren Tisch in der Ecke hinüber, dann zu einer recht hübschen Frau, die hier zu bedienen scheint. Er kommt mit zwei rauchenden Krügen zurück.

„Heißes Butterbier“, meint er strahlend und stellt die Krüge vor uns auf den Tisch.

Ich rieche an dem Gebräu und ein bekannter Geruch dringt in meine Nase.

„Du, sag mal“, frage ich ihn unsicher, „ist da Alkohol drin?“

„Ja“, sagt er und nickt. „Aber nur sehr wenig. Sonst würden sie es nie an uns Kids ausschenken. Sie wollen sicher keine Betrunkenen in der Schule haben.“

Seine Antwort stellt mich zufrieden und ich probiere das heiße Gesöff. Es läuft meine Kehle hinunter, wie flüssiges Feuer, aber ohne zu brennen. Es wärmt mir Magen und Seele und schmeckt einfach großartig.

Eigentlich habe ich nicht viel für Alkohol übrig, wegen meines saufenden Vaters, aber das Zeug ist echt gut und auch wirklich nicht sehr stark. Außerdem will ich Hieratus den Spaß nicht verderben, denn den, scheint er wirklich zu haben. Er lächelt mich immer noch an und sieht irgendwie unsäglich glücklich aus.

„Na, schmeckts?“ will er wissen.

„Und wie“, grinse ich gut gelaunt zurück.

Es fühlt sich seltsam an, zu grinsen. Fröhlich zu grinsen und nicht gequält, aber es tut verdammt gut. In geselligem Schweigen sitzen wir am Tisch und trinken aus unseren Krügen. Auch etwas Neues für mich. Ein Schweigen, das nicht einsam macht, sondern ruhig und zufrieden. Glücklich…

Wir sitzen hinter einer Säule im Raum und man kann uns vom Eingang aus nicht sehen, aber wir können sehr gut beobachten, wer herein kommt und das hat ein Gutes. Wir sind vorgewarnt, als Potter mit seinen Freunden eintrudelt, beladen mit den Scherzartikeln aus dem Zonkos. Hieratus reagiert sofort und lehnt sich weiter in das Halbdunkel zurück. Rasch folge ich seinem Beispiel, denn ich will hier wirklich keinen Ärger. Die Bande hat zwar noch etwas bei mir gut, wegen der Sache bei den Kutschen, aber ich will mir heute wirklich nicht die gute Laune verderben lassen. Meine Rache hat Zeit. Wieder scheint Hieratus meine Gedanken gelesen zu haben.

„Du kannst es ihnen schon noch heimzahlen“, flüstert er vertraulich. „Aber besser nicht hier, in Hogsmeade. Du darfst nicht mehr ins Dorf, wenn du hier Trouble anfängst.“

„Hast Recht“, murmle ich zur Antwort. „Sowas habe ich mir auch schon gedacht und das muss ich echt nicht haben.“

Mit scharfen Augen beobachte ich die Herumtreiber, sie haben die Köpfe zusammengesteckt und tuscheln über ihren Butterbierkrügen. Zu gerne würde ich hören, was sie sagen. Wieder bin ich fasziniert von Black, seinem wilden Lachen, dem lebhaften Funkeln seiner Augen. Eigenartig. Ich hasse ihn doch und er mich auch. Er hasst und verachtet mich. Wir können kaum im selben Raum sein, ohne dass es Stress gibt – aber trotzdem kann ich meine Augen nicht von ihm lassen bis die Tür wieder aufgeht und Lily mit einigen Freundinnen hereinkommt. Da bleiben meine Augen natürlich an ihr kleben – so interessant es auch ist, Black unbemerkt zu beobachten – Lilys Anblick verdrängt ihn völlig aus meinen Gedanken.

Das Sonnenlicht spielt mit dem Staub im Pub und sie scheint in einem feinen Regen aus reinem Gold zu stehen. Ätherisch. Überirdisch. Wunderschön.

„Sie ist wirklich sehr hübsch“, flüstert Hieratus heiser.

Ich schrecke auf.

„Ja“, muss ich genauso heiser zugeben. „Aber sie ist nichts für Unseresgleichen.“

„Ich weis, hast Recht“, meint er und es klingt irgendwie traurig. „Aber sie ist schon was ganz Besonderes.“

Wir verhalten uns solange ruhig in unserer Ecke, bis Potter und Lily mit ihren Freunden gegangen sind. Erst dann gehen wir auch zum Schloss zurück.
 

Ich trage schon die ganze Zeit die Roben, die mir Hieratus gegeben hat. Ihm zuliebe. Jedes Mal, wenn Pettigrew mich sieht, spottet er darüber, um bei seinen Freunden gut da zustehen. Klappt wohl nicht so ganz, denn Potter und Black scheint dieses Spiel inzwischen einfach nur entsetzlich zu langweilen. Im Augenblick zumindest.

Meine Träume werden immer wirrer. Black und Lily wirbeln wild durcheinander. Immer wieder schrecke ich aus dem Schlaf hoch und mein Saft klebt zwischen meinen Beinen. Inzwischen hat sich dort ein weicher, schwarzer Flaum gebildet, der in einem dünnen Streifen meinen Bauch hinauf wächst. Auch unter meinen Armen sind die kurzen Härchen viel dichter geworden. Ich werde wohl langsam zu einem Jugendlichen, doch darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht, denn ich sehe mich schon ewig nicht mehr als Kind, auch nicht als Mann, nein, sicher nicht, aber als Junge - ich habe mich immer als Junge gesehen.

Es ist also wieder passiert, das was ich verhindern wollte. Mein Sperma in Verbindung mit Lily. Bei Black hat es mich noch nie gestört. Aber bei Lily? Nein, die ist für solche schmutzige Gedanken zu edel, viel zu rein, viel zu unerreichbar. Ich seufze schwer. Es ist wohl wieder mal Zeit für meine Peitsche und den Stacheldraht. Die Ausflüge durch das nächtliche Schloss, sind immer gefährlicher geworden, denn die Herumtreiber können schlichtweg überall sein und von denen möchte ich mich sicher nicht bei dem erwischen lassen, was ich vorhabe. Nun, die Verliese sind relativ sicher, besonders unsere Baderäume hier unten sind bestens abgeschirmt. Ich muss ohnehin ins Bad, denn der feine Flaum zwischen meinen Beinen klebt und ziept, als mein Samen beginnt, darauf zu trocknen.

Wieder seufze ich, dann packe ich meine Sachen zusammen und gehe zum Baderaum. Es ist dort so dunkel und kalt wie immer. Ich falte meinen Umhang zusammen und lege ihn auf den Boden, dann knie ich mich darauf. Der Stacheldraht springt wie von alleine in meine Hand.

„Gut“, denke ich kurz. „Ich hab noch was von dem Trank vom vorletzten Sommer. Wenn der Flakon dicht verschlossen ist, verdirbt er nicht.“

Ich will mich verletzen, mir die Lust aus dem Körper prügeln, ja, aber ich will nicht wirklich krank werden und dagegen wird mein Trank helfen. Die Narben auf meinem Rücken sind längst alt und haben sich geschlossen, selbst die frischen vom letzten Sommer. Ich wickle den Draht um meinen Penis und der wird nahezu sofort steif, das scharfe Metall schneidet tief ein und sofort beginnt mein Blut zu fließen. Meine Hand tastet wie von selbst nach der Peitsche und ohne weiteren Gedanken klatsche ich mir das Ding um die Schultern. Die Stränge pfeifen und zischen wie Schlangen. „Slytherin“, fährt es mir zusammenhanglos durch den Kopf.

Meine Haut platzt sofort auf, heißes, klebriges Blut läuft meinen Rücken hinunter, denn die Stränge graben sich nun tief in mein Fleisch. Reissender, fetzender, willkommener Schmerz. Ich schlage und schlage, reagiere nicht darauf, dass mein Arm lahm wird, wechsle einfach nur die Hand. Wird denn diese unselige, diese abscheuliche Lust nie von mir weichen?

Mein Unterleib zuckt, dann ist es vorbei und ich breche auf den kalten Fliesen zusammen. Meine Arme und Beine fegen in unkontrollierten Krämpfen über die harten Steinplatten. Betäubende, lähmende, würgende Schmerzen. Zum ersten Mal, seit ich sowas tue, verliere ich das Bewusstsein.

Als ich wieder zu mir komme, ist mein ganzer Körper so kalt, wie der Marmor, auf dem ich liege. Dieses Mal hat die Peitsche auch meinen Hintern und meine Oberschenkel zerfetzt und alles ist starr von meinem eigenen Blut, zieht und brüllt vor Schmerzen. Mühsam rapple ich mich auf die Knie, wickle den Stacheldraht ab und lasse ihn achtlos zu Boden fallen. Was habe ich nur wieder mit mir angestellt? Ich muss verrückt sein, abartig, einfach pervers.

Quälend langsam rutsche ich zur Wand hinüber und ziehe mich daran hoch, greife nach dem Wasserhahn und drehe ihn auf. Eisiges Wasser läuft über meinen geschundenen Körper und brennt in den blutigen Striemen wie die Hölle. Ich kann mich nicht auf den Beinen halten und gehe stöhnend in die Knie.

Immer weiter plätschert das eisige Wasser auf mich herab und drückt mich irgendwie in den Boden hinein, noch weiter krümme ich mich zusammen. Wie ein Embryo im Mutterleib liege ich im Duschbecken und immer noch prasselt das Wasser auf mich herab.

So schlimm war es noch nie. Verdammt, das ist doch Wahnsinn. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Mein geschundener Körper reagiert kaum mehr und ich kann mich fast nicht mehr bewegen. Meine Muskeln gehorchen mir einfach nicht mehr und meine Gliedmaßen zucken sinn- und ziellos über den nasskalten Boden. Das Wasser scheint noch eisiger geworden zu sein, wenn das überhaupt möglich ist.

Ich muss schon ewig hier liegen und ich will aufstehen. Sofort! Aber ich kann nicht. Ich leide wie ein sterbender Hund, leide wie Sonic. Plötzlich höre ich ein leises Schlappen von Hausschuhen, das sich diesem Raum nähert.

„Himmel, bitte … nicht …. Es darf mich keiner so finden…“ fährt es mir verzweifelt durch den Sinn.

Leise öffnet sich die Tür und herein kommt – Hieratus! Es muss ihn sonst was gekostet haben, mich im nächtlichen Schloss zu suchen.

„Severus“, flüstert er in den dunklen, hallenden Raum hinein. „Severus, bist du da?“

Ich will nicht antworten, will nicht, dass er mich so entdeckt – Grundgütiger, was soll er denn nur von mir denken? Aber ich kann nicht verhindern, dass sich ein leises Stöhnen über meine Lippen quält. Hieratus hört es und schießt auf mich zu.

„Severus, Kumpel, wer hat dir das angetan?“ fragt er entsetzt.

Er packt mich unter den Armen und zieht mich aus dem Duschbecken heraus, dreht das rauschende Wasser ab. Dieses Mal ist mir seine Berührung nicht unangenehm. Ich bin nur froh und dankbar, unter dem eisigen Strahl heraus zu kommen, so dreckig geht es mir. Er lehnt mich an die Wand, dann zieht er seinen Morgenmantel aus.

„Nicht“, will ich sagen, aber es kommt kein Ton über meine Lippen und ich mühe mich weiter ab, die Laute zu formen. „Nicht … Hieratus … alles … Blut…“ es ist kaum mehr als ein Hauch, aber er scheint mich dennoch zu hören.

Trotzdem legt er mir seinen Morgenmantel um die Schultern, egal, was ich zu sagen versuche. Er ist so flauschig, warm und weich. Hieratus schaut mir prüfend direkt ins Gesicht, dann legt er sein Ohr an meinen Mund.

„Wer war das, Severus? Potter? Black? Pettigrew? Alle zusammen?“

„Nein“, hauche ich. „… selber!“

„Aber Kumpel ... warum?!“

„Erkläre … später“, keuche ich schmerzerfüllt. „Hilf mir … bring mich … Gemeinschaftsraum…“

„Es wäre besser, wenn ich dich in den Krankenflügel bringe!“ platzt er heraus.

„Nein … Gemeinschaftsraum … nicht … Madame … Pomfrey … zu peinlich…“

Er klaubt meinen Umhang zusammen, meine Peitsche, aber den Stacheldraht lässt er unbeachtet auf den Steinplatten liegen. Dann zieht er meinen Arm über seine Schultern und unterstützt mich beim Gehen, eine große Hilfe bin ich ihm allerdings nicht, denn ich kann mich kaum bewegen. Ich weis nicht, woher er die Kraft dazu nimmt, aber er schleppt mich zum Gemeinschaftsraum. Dort ist alles einsam und verlassen. Das Feuer knistert verlöschend und mir ist immer noch so entsetzlich kalt.

„Das ist dieses Mal gewaltig nach hinten los gegangen“, denke ich noch, dann verliere ich wieder das Bewusstsein.

Ich komme wieder zu mir, weil mich jemand ganz vorsichtig trocken reibt - Hieratus – und er merkt, dass ich wieder ansprechbar bin.

„Verdammt, Alter“, murmelt er. „Was hast du da blos mit dir angestellt?“

„Hieratus … mein Koffer … Kristallflakon … hol ihn…“ meine Stimme ist kaum hörbar, wie tot, aber er versteht mich trotzdem, springt auf und flitzt nahezu lautlos in unseren Schlafsaal.

Als er wiederkommt, hat er das Fläschchen tatsächlich gefunden.

„Einreiben oder trinken?“ fragt er.

„Trinken“, nuschle ich.

Ich liege im Sessel, wie ein verendeter Riesenkrake und der Morgenmantel klebt an meinem blutigen, zerfetzten Rücken. Mein Freund packt mich sanft im Nacken und flösst mir den Trank ein. Er brennt wie Feuer meine Kehle hinunter.

„Bin müde … will … schlafen“, murmle ich.

„Mach das“, sagt er mild. „Es ist Wochenende. Ich kenne einen geheimen Raum - der Blutige Baron hat ihn mir gezeigt - keiner wird uns dort suchen.“

Er packt mich wieder unter den Armen und hievt mich auf die Beine. Der Schmerz hat etwas nachgelassen,

aber der Zug seiner Arme bringt die Wunden wieder zum Bluten. Ich bin kaum noch bei Bewusstsein, aber irgendwie schafft es Hieratus, dass ich seinen geheimen Raum auf meinen eigenen wackligen Beinen erreiche. Eine alte Matratze liegt dort am Boden und eine schäbige zerlumpte Decke.

„Hier hat man früher, viel früher, besondere Gefangene untergebracht. Später dann, wie hat er es noch mal genannt, unbotmäßige Schüler. Jetzt sind diese Räume unbenutzt, nur die alten Sachen liegen noch hier rum. Leg dich hin, Kumpel, und schlaf. Ich bin da und pass auf dich auf.“

Das ist das Letzte, was ich für einige Zeit höre.

Als ich wieder wach werde, höre ich ein leises Schnarchen in meiner Nähe, öffne die Augen und suche die Dunkelheit ab. Es muss wieder mitten in der Nacht sein. Die Tür ist geschlossen und ich kann draußen nichts hören. Ich versuche mich auf zu setzen, aber ich bin entsetzlich schwach und so falle ich wieder auf die Matratze zurück. Hieratus muss meine unkontrollierten Bewegungen gehört haben, denn sein Schnarchen bricht abrupt ab und er kommt zu mir herüber.

„Wie geht es dir, Severus?“

Meine Kehle ist trocken und ich bringe keinen Ton heraus. Von irgendwo her bringt er eine Flasche mit Wasser zum Vorschein.

„Hab ich geholt, als du geschlafen hast. Keiner hat mich gesehen - Trink!“

Wieder packt er mich vorsichtig im Nacken und zieht mich etwas in die Höhe, dann setzt er mir die Flasche an die Lippen. Ich trinke … und trinke … und trinke. Noch nie hat mir etwas so gut geschmeckt. Die Flasche ist beinahe leer, als er sie wieder absetzt.

„Besser?“ fragt er und ich nicke. „Also, wie geht es dir?“

Erneut versuche ich meine Stimme und dieses Mal gehorcht sie mir.

„Besser, mein Trank wirkt recht gut.“

„Wo hast du den her? Selber gemacht?“

„Ja, schon vor einiger Zeit.“

Er schaut mich an. Seine Augen stellen zahllose Fragen, aber er sagt nichts.

„Du möchtest Antworten“, stelle ich fest und meine Stimme klingt fremd.

„Nur, wenn du sie mir geben willst.“

„Du hast mir geholfen“, erwidere ich heiser und ein wenig unsicher. „Du hast Antworten verdient.“ Ich will es so, auch wenn es mir sicher schwer fallen wird.

„Nur, wenn du es wirklich willst“, wiederholt er.

„Frag, wenn ich keine Antwort geben will, dann sag ich es dir, OK?“

Er schaut mich wieder an – sehr prüfend dieses Mal.

„Frag“, sage ich noch mal.

„Severus … warum? Warum das alles?“

„Mein Körper“, versuche ich ein wenig hilflos und unsicher zu erklären.

„Dein Körper?“ kommt es perplex zurück.

„Er will nicht so, wie ich will“, mache ich weiter.

„Wie meinst du das?“ Sein Gesicht ist ein einziges Fragezeichen.

„Sexuelle Phantasien – Schweinkram – du verstehst schon“, erkläre ich weiter.

„Schweinkram? Aber du bist doch erst dreizehn? Oder schon vierzehn?“ meint er verblüfft.

„Dreizehn, noch fünf Monate“, bestätige ich.

„Und dann geht bei dir schon Schweinkram?“ erwidert er überrascht.

„Sicher, schon seit kurz nach meinem zwölften Geburtstag.“ Ich bin sicher nicht stolz darauf.

„So lange schon? Ich kann den meinen nur zum Pissen verwenden.“ Er klingt fast sehnsüchtig.

„Kommt schon noch, früh genug“, sage ich tröstend, ohne wirklich zu verstehen, warum er Trost brauchen sollte – ich brauche ihn nicht ... oder?

„Aber warum peitschst du dich dann selbst so gnadenlos aus?“ fragt er weiter.

„Ich mag es nicht, dieses Sexzeug.“

„Warum? Alle sagen, es soll toll sein.“

„Irgendwie schon, aber es ist auch schmierig, glibberig und klebrig, irgendwie abartig und pervers.“

„Abartig und pervers? Finde ich nicht. Es geht doch nur um Sex, oder?“

Er klingt völlig verblüfft. Ich will ihm nicht die ganze Wahrheit sagen. Sie ist zu kompliziert. Mein Vater, Lily, Black … Nee, das kann ich nicht – wie sollte ich auch – ich verstehe es ja selbst nicht wirklich.

„Das ist nicht der einzige Grund, aber der Rest ist recht kompliziert und ich mag nicht darüber reden. Lass es einfach dabei. Mein Körper will nicht so, wie ich will und ich will ihn zwingen, mir zu gehorchen.“

Er nickt, nicht wirklich verstehend, aber wohl akzeptierend und das reicht mir.

„Gut, lassen wir es dabei“, bestätigt er noch.

Er sitzt einige Minuten schweigend neben mir auf der Matratze, dann fragt er: „Hast du Hunger?“

Ich horche in mich hinein. Ja, ich habe Hunger. Mein Magen fühlt sich ganz hohl an.

„Ja - Wie lange liege ich schon hier?“

„Erst ein paar Stunden. Du hast nicht allzu lange geschlafen. Was magst du essen? Ich hab noch Sachen aus dem Honigtopf oder Kuchen aus dem wöchentlichen Eulenpäckchen.“

„Kuchen“, sage ich, „Kuchen wäre echt gut.“

„Bin gleich wieder da“, sagt er und huscht wie eine Katze aus dem Raum.

Ich liege immer noch da, als wäre ich nicht ich selbst. Die Schmerzen sind nahezu verschwunden, aber ich fühle mich so schwach, so jämmerlich schwach und mir ist kalt, so entsetzlich kalt. Fast eher in der Seele, als im Körper, obwohl der sich auch wie Marmor anfühlt.
 

Ich habe Hieratus nie gefragt, warum er ausgerechnet in dieser Nacht nach mir gesucht hat, habe mir nie Gedanken darüber gemacht. Ich war damals einfach nur über seine Gegenwart und seine freundschaftliche Hilfe froh.
 

Mein Freund braucht nicht lange, um zurück zu kommen. Er hat den Kuchen dabei und eine frische Flasche mit Wasser.

„Kannst du dich alleine aufsetzen?“ fragt er vorsichtig.

Er weis, dass ich mich nicht gerne anfassen lasse. Er mag kein guter Schüler sein, aber er ist alles andere als dumm und manche Dinge begreift er geradezu unheimlich schnell, auch ohne, dass man groß und breit darüber reden muss. Er versteht vieles einfach ohne Worte. Ich versuche, in die Höhe zu kommen, aber ich bin zu schwach. Er knüllt seinen Umhang zusammen und stopft ihn mir in den Rücken. Dabei berührt er unabsichtlich meine klamme Haut.

„Himmel, Kumpel“, meint er und klingt entsetzt. „Du bist kalt wie Eis.“

Er springt auf und läuft wieder zur Tür hinaus.

„Kalt wie Eis“, dieses Mal hat nicht die kleine Stimme diese Worte gesagt, sondern mein Freund.

Die Worte hallen in mir nach und ich starre verloren ins Leere. Schnell ist Hieratus wieder da. Er hat seine und meine Decke aus dem Schlafsaal dabei. Die eine packt er bis unter meine Achseln über mich, die andere legt er mir um die Schultern. Den blutigen Morgenmantel wirft er achtlos in eine Ecke. Langsam wird mir etwas wärmer - auch in der Seele - seine Fürsorge rührt mich und tut mir so unendlich gut. Noch nie hat sich jemand so um mich gekümmert, immer war ich mit mir alleine, wenn ich litt.

Er drückt mir den Kuchen in die Hand und ich fange an zu essen. Er sieht mir zu, scheint zu überlegen, genau zu überlegen. Schließlich fängt er an zu sprechen, sehr vorsichtig und tastend.

„Severus, es ist deine Sache, was du mit deinem Körper anstellst, aber ich halte das, was du gemacht hast für – äh - keine gute Idee.“

Ich muss ihm Recht geben. Diese Idee war wirklich nicht toll. So dreckig ist es mir echt noch nie gegangen. Als ich nicht antworte, spricht er weiter.

„Weist du, ich habe dir gerne geholfen, aber mit deiner Sexualität musst du selber fertig werden. Dabei kann ich dir wirklich nicht helfen. Ich glaube echt nicht, dass es auf Dauer eine Lösung ist, sich den Rücken zu zerfetzen…“

„Das letzte Mal hat es fast ein Jahr geholfen…“

„Du hast das schon mal gemacht?“

„Du hast doch die Narben selbst gesehen.“

„Stimmt. Deswegen wolltest du mir damals keine Antwort geben.“

Ich senke die Augen und nicke. Es ist zwar nicht die ganze Wahrheit, aber sie genügt.

„Es war mir zu peinlich.“

„Peinlich! Himmel, Severus! Peinlich? Ich halte es für ziemlich verdreht, aber peinlich? Wie bist du überhaupt auf diese beknackte Idee gekommen?“

„In der Bibliothek stehen Bücher über das Mittelalter, über Hexenjagden, Klöster und Mönche…“

„Ach, aus diesen Mistschwarten.“

„Du kennst die Bücher?“

Ich bin wirklich überrascht, das hätte ich Hieratus nicht zugetraut.

„Weist du, auch bei mir zu Hause stehen Bücher und wenn ich auch sonst nicht viel kann, lesen kann ich dann doch und es hat auch seine Vorteile, wenn sich keiner um einen kümmert.“

Ich schaue ihn an, wie ein Fabeltier. Knautschhörnige Schnarchschnauze oder so. Er lacht leise vor sich hin, als er meinen erstaunten Blick bemerkt.

„Weist du, Alter, in den Büchern steht nicht alles. Es gibt moderne Kommentare dazu und die habe ich auch gelesen. Dort steht, dass wenn man eine Peitsche richtig einsetzt, erzielt man das Gegenteil des Gewünschten - Es wirkt erregend.“

Ich nicke.

„Ich weis“, muss ich zugeben.

„Du willst mir doch nicht erzählen, dass dir nach dieser Prügelorgie noch einer abgegangen ist, oder?“

„Doch und jetzt habe ich eine ganze Zeit lang meine Ruhe.“

„Severus, mein Alter, du hast wirklich einen ganz schönen Knall.“ Aber er klingt nicht wütend oder entsetzt. Er klingt irgendwie amüsiert und fast bewundernd. „Hast du noch große Schmerzen?“

„Nein, mein Trank ist wirklich gut, aber ich fühle mich schrecklich schwach.“

„Hast du noch Hunger? Soll ich noch was zum Essen besorgen?“

Ich horche in mich hinein.

„Nee, einstweilen bin ich satt. Sag mal, wie lange glaubst du, können wir uns hier verstecken?“

„Hmm, bis Montag früh, vermute ich, dann fällt unser Fehlen im Unterricht auf.“

„Glaubst du wirklich, dass es so lange gut geht?“

„Ja, wer sollte uns schon vermissen?“

„Auch wieder wahr.“

„Sag mal - was anderes – wie gut bist du eigentlich darin Zaubertränke zu brauen?“

„Ziemlich gut. Ich mochte später Trankmeister in St Mungos werden.“

„Große Pläne, aber das finde ich echt gut. Sag mal, warst du letztes Jahr dafür verantwortlich, dass es Potter und seinen Freunden nach den Prüfungen so schlecht geworden ist? Filch hat tagelang geflucht, weil er den Gestank nicht aus dem Klo raus gebracht hat.“

„Ja, das war ich.“

Ich muss bei der Erinnerung an diese Szene kichern und auch Hieratus grinst sich eins.

„Das war eine feine Rache, das hat die ganze Triezerei wieder gut gemacht, oder?“

„Für letztes Jahr schon, aber dieses Jahr haben sie schon wieder was bei mir gut.“

„Dir fällt schon was Geeignetes ein, Alter, ganz sicher.“

Er grinst noch immer und auch ich grinse, dieses Mal ziemlich hinterhältig.
 

Ich kann mich noch immer fast nicht auf den Beinen halten, aber ich schleppe mich in den Unterricht. Hieratus hat ganz Recht: Wir würden vermisst werden. Er hat mich zwei Tage lang rührend in dieser Zelle gepflegt, hat Essen und Trinken besorgt und ist auch in der Nacht durch Schloss geschlichen. Ich kann ihm das Alles nicht hoch genug anrechnen, denn ich weis genau, wie viel Angst er hat, die Regeln zu brechen und für mich hat er inzwischen schon eine ganze Menge gebrochen.

Langsam, ganz langsam, wird er zu einem echten Freund, nicht nur ein Kumpel oder jemand, mit dem man sich unterhalten oder abhängen kann, sondern ein echter Freund.

Ich hinke etwas und bewege mich, wie auf Eiern. Wir haben Zaubertränke - das bedeutet Potter und Konsorten - und richtig, da stehen sie auch schon vor dem Verlies und starren mich an, sehen meine unbeholfenen Bewegungen.

„Nanu, Snivellus, was ist los?“ fragt Black hämisch. „Für Quidditch trainiert und mal wieder vom Besen gefallen? Das letzte Mal seid ihr ja ganz schön eingegangen.“

„Glaubst du wirklich, der alte Snivelly, wäre eine große Hilfe für seine Mannschaft?“ erwidert Potter und klingt als wolle er wirklich eine Antwort haben und sich nicht nur über mich lustig machen.

„Nee“, quietscht Pettigrew vergnügt, „aber für uns!“

Alle drei lachen. Aber wo, zum Teufel, steckt schon wieder Lupin? Ich starre sie einfach nur an.

„Und wenn es so wäre?“ krächze ich und meine Stimme klingt noch immer fremd.

„Nanu“, feixt Potter. „Was ist denn mit dir los? Im Stimmbruch?“

„Jetzt weis ich was los ist“, grölt Black. „Er hat versucht zu singen und seine Leute hatten was dagegen! Haben sie dich vertrimmt, Snivelly?“

Erneutes Gelächter. Ich sag´s ja immer: Komisch wie ein Troll mit Zahnschmerzen, dieser Black. Hieratus will mich verteidigen, aber ich halte ihn mit einem Blick zurück. Ich fechte meine Kämpfe lieber alleine aus, denn ich will nicht, dass er sich die Feindschaft der Herumtreiber zuzieht. Will nicht, dass ihm was zustößt – er kann sich ja noch viel weniger wehren als ich. Er schaut mich durchdringend an.

„Vertraust du mir immer noch nicht?“ fragen seine Augen mit einem furchtbar traurigen und verletzten Ausdruck.

„Doch“, sagen die meinen verbindlich, „aber ich will nicht, dass dir was passiert.“

Er versteht meinen beredeten Blick, nickt und lächelt zufrieden. Potter und seine Freunde haben den stummen Dialog bemerkt, aber wohl nicht verstanden. Gut so. Sie müssen nicht wissen, wie eng ich jetzt mit Hieratus befreundet bin. Bevor sie noch weitere Anspielungen machen können, geht die Tür zum Verlies auf und Professor Leech winkt uns herein.
 

Es dauert fast zwei Wochen, bis ich mich wieder normal bewegen kann, aber meine Jungenstimme ist für immer dahin. Sie schwankt zwar manchmal, ist aber viel tiefer geworden.

Weihnachten ist nah und ich will nicht nach Hause, also gehe ich zu Dumbledore und frage ihn, ob ich zu Hieratus nach Hause kann. Er meint, er habe nichts dagegen, aber ich müsse da schon meinen Vater fragen. Es sei noch keine Eule gekommen. Er schaut mich wieder traurig an. Weis er, was ich getan habe? Weis er, warum ich nicht nach Hause will? Ich hoffe nicht…

Ich schicke meinem Vater eine von den Schuleulen, die erste Eule, die ich überhaupt jemanden schicke. Wem hätte ich auch schon schreiben sollen? Dann warte ich auf die Antwort. Sie lautet nein. Aber wenn ich will, kann ich bis zu den Sommerferien in Hogwarts bleiben. Er kann mich ohnehin nicht brauchen, schreibt er, er habe jetzt viel zu tun, nun, da meine Mutter nicht mehr da sei.

Nun ja, Hogwarts ist auch nicht schlecht. Ich frage Hieratus, ob er über die Feiertage heimfährt und er muss den hoffnungsvollen Blick in meinen Augen gesehen und verstanden haben.

„Du?“ fragt er.

„Nee, ich bleibe in Hogwarts.“

„Dann bleibe ich auch. Daheim ist sowieso wieder nur Tote Hose.“


 

Schneeballschlacht

E

s ist wieder ein Hogsmeade Wochenende und wir wollen zusammen ins Dorf. Es ist schön, jemanden zu haben, mit dem man reden kann, auch wenn man nicht wirklich alles sagen darf. Es ist schön, jemand zu haben, der neben einem geht - einen Freund.

Wir stapfen einträchtig durch den hohen Pulverschnee. Meine Füße sind sofort wieder nass und klamm, taub und kaum mehr zu spüren. Hieratus hat wunderbare Fellstiefel von seinen Eltern bekommen. Sie sehen flauschig und warm aus. Sein Auge folgt meinem Blick, fällt dann auf mein Schuhwerk.

„Himmel, Alter“, meint er daraufhin. „Du hast ja noch immer diese uralten, ausgelatschten Treter an. Warum hast du nichts gesagt?“

Ich zucke die Schultern. Hieratus kennt natürlich die wahre Antwort und nickt, dann besteht er darauf, dass wir ins Schloss zurückgehen, damit er mir seine alten Stiefel geben kann. Alt? Die Dinger sehen nagelneu aus. Wieder versteht er meinen erstaunten Blick, ohne dass ich was sage.

„Mir sind die schon zu klein, darum haben mir meine Leute neue geschickt, als ich sie darum gebeten habe. Passen sie dir?“

Passen? Sollen Schuhe denn passen? Ich habe gedacht, es reicht schon, wenn man welche hat, die man halbwegs anziehen kann. Wie schon gesagt, meine Leute scheinen wirklich sehr arm zu sein. Hat kaum mal neue Kleidung für mich gegeben (nur wenn ich so weit gewachsen war, dass ich mein Zeug beim besten Willen nicht mehr anziehen konnte – und dann waren die Sachen auch nicht neu) und meine Eltern tragen schon die gleichen Sachen, seit ich denken kann. Hab es nie gewagt, danach zu fragen.

Ich teste die Dinger, wackle mit den Zehen und sie sitzen wie angegossen.

„Klasse“, sage ich und grinse ihn an.

Er grinst zurück, freut sich. Wir machen uns wieder auf den Weg nach draußen auf das winterliche Gelände. So kann es also sein, durch den Schnee zu gehen: Wunderbar angenehm und trocken. Ich bin mit meinen Gedanken vollständig bei meinen warmen Füßen, da trifft mich plötzlich etwas am Hinterkopf. Etwas Kaltes, Hartes. Ich wirble herum. Es sind mal wieder die Herumtreiber. Sie stehen fröhlich grinsend da und haben einen Stapel Schneebälle wurfbereit. Weitere Bälle fliegen auf uns zu. Ich weiche pfeilschnell nach rechts aus, Hieratus nach links. Sofort haben auch wir den weichen Schnee zu Kugeln zusammen gedrückt und werfen zurück.

Ist nicht gerade fair - vier gegen zwei - und Hieratus zielt erbärmlich schlecht, trotzdem macht es irgendwie Spaß. Das nasse Zeug klatscht uns auf die Umhänge, an die Köpfe, ins Gesicht. Sie werfen wie die Verrückten und wir stehen ihnen um nichts nach. Ein regelrechter Hagel aus Schneebällen. Einige Bälle treffen dick mit Schnee bedeckte Bäume, die ihre Last wie einen Wasserfall auf uns herunter prasseln lassen. Das lenkt uns natürlich ab, daher fällt es den Anderen leicht, näher zukommen, außerdem sind sie einfach in der Überzahl, denn auch Lupin macht dieses Mal begeistert mit.

Irgendwer kreischt „Die brauchen ein Bad!“

Und plötzlich sind sie über uns, werfen uns in den Schnee. Pettigrew und hält Hieratus nieder und Lupin stopft ihm Schnee unter die Kleidung. Potter kniet auf meinen Schultern, Black auf meinen Beinen. Gemeinsam schieben und kleistern sie mir das nasse, weiße Zeug überall hin. In den Kragen, ins Gesicht, in die Haare. Black zieht mir die Robe hoch und stopft mir die kalte Substanz handvoll weise in die Unterhose. Neben mir höre ich, wie Hieratus sich wehrt. Er strampelt und keucht, kann sich aber nicht befreien, dennoch scheinen sie ihm nicht ernsthaft weh zu tun. Mein Freund ist zwar ungewöhnlich stark, aber alles andere als ein Kämpfer.

Auch ich versuche mich zu wehren, aber Potter hat meine Oberarme regelrecht an den Boden genagelt und Black meine Beine. Der Schnee schmilzt sehr schnell in meiner Körperwärme, durchweicht meine Robe, meine Unterhose. Schließlich haben sie genug und trollen sich lachend und feixend. Ich bin klatschnass und mir ist kalt, meine Haare triefen und hängen mir ins Gesicht, wie feuchtes Stroh. Hieratus setzt sich schwer atmend auf.

„Mistkerle!“ keucht er uns seine Augen funkeln wild.

Als ich ihn ansehe, kann ich nicht anders. Ich pruste lauthals los und zeige mit dem Finger auf ihn, biege mich vor Lachen. Er sieht aus, wie eine gebadete Katze. Er, dieser adrette, gepflegte Junge … also wirklich, es sieht einfach zu komisch aus. Er schaut mich verdutzt an. Dann fängt er auch an, zu kichern. Wahrscheinlich sehe ich um keinen Deut besser aus, als er. Seine Augen funkeln nun wie ein ganzer Christbaum.

Plötzlich krümmen wir uns vor Lachen, krabbeln durch den zertrampelten Schnee aufeinander zu und schlagen uns gegenseitig auf die Schultern. Wir keuchen schwer, Hieratus laufen vor lauter Lachen Tränen übers Gesicht und er schnappt nach Luft. Es dauert eine Weile, bis wir uns wieder einigermaßen gefasst haben, dann ziehen wir uns gegenseitig hoch.

„Gehen wir noch mal zurück“, keucht Hieratus und gluckst noch immer.

„Hast Recht“, sage ich und kichere auch. „Wir sind klatschnass.“

Wir gehen uns trockenlegen.

Dieses Mal bin ich auf Potter und seine Freunde nicht wirklich sauer. Es war ein herrlicher Spaß, auch wenn sie mal wieder gewonnen haben. Schnell haben wir uns umgezogen und sind wieder trocken. Wir beschließen, in die Drei Besen zu gehen und uns mit heißem Butterbier aufzuwärmen. Wir sitzen an einem der Tische und schlürfen die erhitzte Köstlichkeit.

„Weist du“, murmelt Hieratus, „mir ist schon klar, dass die Schneeballschlacht als Bosheit gedacht war, aber ich finde, dass sie wirklich ein Riesenspaß war.“

„Hast Recht“, gebe ich zur Antwort. „Ich fand es auch recht amüsant. Hast du den Schneeball gesehen, den ich Pettigrew direkt in seine Visage geklatscht habe?“

„Ja, der ist regelrecht explodiert. Der Kleine hat ausgesehen, wie eine gebadete Ratte. Hast du den gesehen, mit dem ich Black getroffen habe?“

„Yeah.“

„Eigentlich wollte ich ja Potter treffen“, gibt er achselzuckend zu. „Aber egal, ich meine, Black ist auch recht.“

Ich nicke, grinse, meine Augen funkeln, genau wie die von Hieratus. Das heiße Butterbier wärmt mir den Körper und unser Lachen die Seele.
 

Wenn ich später an diesen Tag denke, muss ich sagen, dass es einer der Besten meiner Jugend war. Soviel harmlosen Spaß hatte ich bis heute nie wieder und ich denke nicht, dass sich in Zukunft was daran ändern wird – und ich weis auch nicht, ob das in meinem Alter noch angemessen wäre – wohl eher nicht – inzwischen habe ich schließlich einen gewissen Ruf zu verlieren...
 

Es ist Nacht, die Nacht nach Hogsmeade, die Nacht vor Weihnachten. Ich liege in meinem Himmelbett und kann wieder Mal nicht einschlafen (als ob das was Neues wäre). Die Schneeballschlacht geht mir nicht aus dem Kopf. Hieratus hat Recht, sie war als Bosheit gedacht, aber es war eine harmlose Bosheit, verglichen mit dem, was wir uns sonst gegenseitig antun. Und ich denke, eigentlich war es für uns alle ein Riesenspaß.

Plötzlich kommen mir wieder Blacks Berührungen in den Sinn. Seine Hände voller Schnee, wie er ihn unter meine Robe stopft, in meine Unterhose. Seine langen, schlanken Finger, wie sie ganz nebenbei über meinen Körper streifen. Wenn er wüsste, was er damit bei mir auslöst, würde er es sicher bleiben lassen.

Meine Hände gleiten wie von selbst unter mein Nachthemd, schieben es hoch, gleiten über meine vorstehenden Rippen, meinen dürren Leib. Meine Haut beginnt zu prickeln. Was mache ich da eigentlich? Meine Hände? Blacks Hände?

Ich höre Hieratus regelmäßige Atemzüge, sein leises Schnarchen. Wir beide sind die Einzigen in unserem Schlafsaal, die Anderen sind alle heimgefahren und mein Freund schläft tief und fest. Er muss von der Balgerei müde sein.

Meine Finger gleiten weiter über meine Haut. Ein wirklich angenehmes Gefühl. Eigenartig. Ungewohnt. Niemand hat mich je gestreichelt. Die Fummelei meines Vaters war immer grob, widerlich, mir verhasst, kein bisschen sanft. Das ist ganz anders. Black ist selbst dann viel sanfter als mein Vater, wenn er richtig grob ist. Meine Hände finden meinen Penis, meine Hoden. Streicheln, ertasten das flaumige Haar dort unten. Angenehm. Mein Schwanz wird hart, steif. Angenehm. Meine Hände? Blacks Hände? Egal. Es ist angenehm. Streicheln. Die weiche, vernarbte Haut berühren. Meine Gedanken treiben. Ich bin müde, sehr müde. Aber der Schlaf will nicht kommen. Dafür kommt es mir. Die heiße, klebrige Brühe spritzt über meine Hände, auf meine Bettdecke, mein Laken. Ich taste nach meinem Zauberstab. „Scougify!“ murmle ich träge.

Das macht alles sauber. Haben wir erst vor Kurzen in Zauberkunst gelernt, ist einfacher, als wieder in das kalte Bad zu latschen. Meine Augenlider sind schwer. Müde, so müde. Mein Blut rauscht noch in meinen Ohren. Es war ein ziemlich heftiger Orgasmus.

Meine Gedanken laufen ineinander, auseinander, meine Augen fallen zu und endlich, endlich kann ich für ein paar Stunden schlafen.


 

Rankige Runkelrüben

W

ieder vergeht die Zeit, wie sie es immer tut. Schneller, als ich es glauben kann, sind die Ferien vorbei und der Unterricht hat wieder begonnen. Ich habe mit Hieratus gelernt, Schach gespielt, geplaudert, hin und wieder auch gelacht. Es ist schön, einen Freund zu haben, schön, nicht mehr ganz so einsam zu sein.

Meine Verletzungen von der letzten Prügelorgie sind wieder völlig verheilt, aber natürlich sind die Narben geblieben. Die Schweinkram Träume über Lily bleiben aus, aber dafür spukt jetzt erneut Black durch meinen Schlaf. Egal.

Ich sollte mit dem Stacheldraht wirklich besser aufpassen, die Risse in meinem Penis haben höllisch beim Pissen gebrannt. Eh Makulatur. Der Stacheldraht ist aus dem Baderaum verschwunden und ich habe keinen anderen – werde auch keinen mehr suchen ... denke ich mal...

Wir sitzen mal wieder im Gemeinschaftsraum und spielen Schach - Hieratus und ich. Langsam werde ich richtig gut. Es hätte mir schon von Anfang an klar sein sollen, dass mein Freund nicht dumm sein kann, so gut, wie der Schach spielt. Trotzdem ist er an Hogwarts irgendwie fehl am Platz. Er ist ein Denker, ein künstlerischer Typ, Maler oder Bildhauer oder so. Aber ein Zauberer? Ich weis nicht. Dennoch bin ich echt froh, dass er da ist. Er zeigt mir Spielzüge für Fortgeschrittene.

„Du hilfst mir beim Unterricht und ich bringe dir bei, wie man richtig Schach spielt“, hat er mal zu mir gesagt und ich war sofort damit einverstanden.

Meine Gedanken sind weit von unserem Spiel weg getrieben. Potter und die anderen Herumtreiber. Ich brauche noch eine Revange…

„Severus? Ey, Severus? - Erde an Severus, wo bist du?“

Ich schrecke hoch und schaue in die fragenden braunen Augen meines Gegenübers.

„Du warst meilenweit weg. Ist was?“

„Ich habe nur nachgedacht. Du weist schon, Potter und sein Klüngel…“

„Ach so und ist dir schon was eingefallen?“

„Nee, noch nicht.“

„Denkst du noch mal an einen Zaubertrank?“

„Nee, irgendwie sollte es was anderes sein.“

„Vielleicht irgendeine hübsche Verwandlung. Du weist schon, so als bleibendes Andenken…“

„Keine schlechte Idee, aber du weist, ich bin ein ziemlich mieser Verwandler. Meine Spezialität sind nun mal Zaubertränke.“

„Schon, aber deine Fähigkeiten müssten doch reichen. Zumindest für Radieschen in den Ohren oder ´ne ähnliche Nettigkeit.“

Ich muss laut lachen. Radieschen in den Ohren - die Idee ist wirklich zu komisch.

„Nicht schlecht, aber die Spur sollte besser nicht zu uns zurückführen.“

Er schaut mich nachdenklich an.

„Lass mich mal überlegen … welche Fächer haben wir gemeinsam mit den Gryffindors … Zaubertränke … Pflege magischer Geschöpfe … das war´s dann auch schon ... Fliegen – aber da bist du immer krank und Potter hat keinen Unterricht, weil er Quidditch spielt.“

„Beim alten Leech lasse ich mich besser nicht auf irgendwelche Schwachheiten ein.“

„Yeah, der ist echt unheimlich.“

„Nee, das ist nicht der Grund. Der Alte hat mir schon zu oft geholfen, der ist so ungefähr der Letzte, dem ich dumm kommen oder enttäuschen möchte.“

„Hmm, dann also bei Kettleburn, oder?“

„Yeah, der ist immer so mit seinen Ungeheuern beschäftigt, dass er noch nicht mal merkt, wenn wir ihm alle auf der Nase rum tanzen.“

Wir diskutieren weiter und planen unseren Anschlag. Lachen, feixen. Es macht riesigen Spaß, etwas mit einem Freund auszuhecken.

Es wird doch keine Verwandlung sein. Ich bin einfach nicht gut genug und außerdem würde es auch zu lange dauern, vier Leute nacheinander zu verhexen. Aber es geht auch mit einem Pülverchen aus der Zaubertrankkiste. Gestoßene Krötenzehen, gepökelte Fliegenaugen, magische Pflanzensamen und noch ein paar andere Nettigkeiten. Gekocht, getrocknet, dann pulverisiert.

Die geheime Zelle, in der mich Hieratus damals gepflegt hat, ist bestens dafür geeignet. Es dauert fast einen Monat, bis ich ein Beutelchen mit dem Verwandlungspuder in den Händen halte. Nun, es sind keine Radieschen geworden, sondern die Tentakel einer rankigen Runkelrübe, aber Hieratus findet, dass das genau so gut ist und ich finde, er hat Recht.

Wir stehen bei Kettleburn und sehen ihm zu, wie er uns Einhörner vorführt. Die Mädchen stehen vorne und tätscheln das Tier, wir Jungs hinten. Einhörner sind etwas scheu männlichen Wesen gegenüber. Die beste Gelegenheit, meinen Plan in die Tat umzusetzen, alle sind abgelenkt.

Ganz vorsichtig jetzt, Severus. Nur nichts von dem Zeug auf die eigene Haut bringen – oder vielleicht doch? Dann wird keiner glauben, dass du mit der Sache etwas zu tun hast.

Ich krame in der Tasche meiner Robe herum, bis ich das Beutelchen in die Finger bekomme, fummle mit einer Hand daran herum, bis ich das Zugband offen habe und etwas davon in meine Handfläche schütten kann. Gleichzeitig ziehe ich mich vorsichtig etwas hinter die anderen Jungs zurück, bis ich schließlich hinter der Gruppe stehe. Meine Hand juckt, meine Ohren fangen an zu zwicken. Das Pulver fängt verflixt schnell an zu wirken.

„Rasch jetzt“, denke ich. „Bevor sich die Wirkung richtig zeigt.“

Ich ziehe meine Hand aus der Tasche und puste das Pulver auf die Jungen. Es erreicht die Herumtreiber, Hieratus steht etwas abseits und bleibt verschont, aber es erwischt einen der beiden anderen Jungen aus unserem Schlafsaal. Dagegen steht der fünfte Junge aus Gryffindor auch außerhalb der Reichweite. Meine Hand juckt wie verrückt. Ich krame nach meinem Stab, er steckt neben dem Beutelchen, dann murmle ich: „Evanesco!“ und Beutelchen samt restlichem Inhalt sind verschwunden.

Dann, plötzlich, bricht die Hölle los. Ranken wachsen aus meinen Ohren, winden sich um meinen Kopf, mein Gesicht, meine Haare. Sie fuchteln wild in der Luft herum und ich muss sie gewaltsam davon abhalten, mich zu erdrosseln – hätte nicht erwartet, dass das Zeug so rabiat sein könnte - meine Hand hat aufgehört zu jucken.

Nur Sekunden später greifen sich auch die anderen, die das Pulver erwischt hat, an die Köpfe. Sie kämpfen schon bald auch gegen die wild gewordenen Ranken und Pettigrew beginnt zu kreischen.

„Meine Ohren! Meine Ohren! MEINE OHREN!“

Professor Kettleburn wirbelt herum, sieht nach, was die Störung verursacht hat. Er sieht sechs Jungs, die sich die Ohren halten, weil ihnen Pflanzententakel daraus hervor wuchern und die sich gegen das Grünzeug wehren. Sie benehmen sich wie die Trolle auf dem Bild von Boris dem Bekloppten, das im zweiten Stock hängt und hüpfen wie die Durchgeknallten über den Rasen.

„Du meine Güte, du meine Güte, was ist denn das?“ stammelt Kettleburn. „Heftiger Pollenflug aus dem Verbotenen Wald? Ein Fluch? Ein Zauber? Schnell, schnell in den Krankenflügel mit euch, Madame Pomfrey bringt das schon wieder in Ordnung.“

Er scheucht uns zum Schloss zurück und in die Räume von Madame Pomfrey. Die tut was sie kann, aber das Grünzeug, das ich mit dem Pulver gezüchtet habe, ist äußerst hartnäckig. Es gelingt ihr anfangs nur, die Ranken davon abzuhalten, uns zu erwürgen.

Die vier Gryffindors liegen in der einen Ecke des Raumes, wir beiden Slytherins in der anderen. Macnair redet nicht mit mir. Er brütet nur sauer vor sich hin. Wir liegen fast eine Woche alleine hier drinnen, bis die Quarantäne schließlich aufgehoben wird, da Madame Pom-frey eine Ansteckung ausschließen kann und Hieratus kann mich endlich besuchen kommen. Er hat mir das halbe Lager des Honigtopfs mitgebracht. Echt nett von ihm, typisch mein Freund. Er setzt sich dicht an mein Bett und flüstert:

„Severus, Alter, was ist schief gegangen?“

„Nichts. Ich habe meine Pläne nur etwas geändert“, erwidere ich mit einem schiefen Grinsen.

Hieratus Augen funkeln. Er hat sofort verstanden. Wie gesagt, er ist manchmal alles andere als dumm.

„Schlau!“ meint er bewundernd. „Wie bist du das Pulver losgeworden?“

„Verschwindezauber Evanesco“ murmle ich fast lautlos.

„Genial!“

Wir grinsen uns an und ich bin recht zufrieden mit mir, trotz der Ranken, die sich immer noch aus meinen Ohren winden. Dann höre ich eine Stimme aus der anderen Ecke des Raums.

„Nanu, Snivellus, Besuch?“

Black.

Ich werfe ihm einen wütenden Blick zu. Kann er denn keine Ruhe geben? Die Vier feixen schon die ganze Zeit, seit wir hier liegen. Verdirbt mir ein wenig die Laune. Klingt so, als wäre die ganze Sache auf ihrem Mist gewachsen. Ich fühle mich ein wenig in meiner Ehre getroffen, gebe aber trotzdem keine Antwort.

„Eine Verbesserung bewirkt das Ganze ja bei dir, Snivellus“, lässt sich Potter hören. „Man kann deine fettigen Haare nicht mehr so gut sehen.“

„Ich finde“, piepst Pettigrew. „dass sogar sein Zinken kleiner wirkt, bei dem ganzen wuchernden Grünzeug.“ Sie lachen hämisch auf.

„Wie ihr meint“, knurre ich. „Weist du was, Potter, endlich liegt dein Haar mal flach. Kommt wirklich gut. Aber dein Kopf ist ohnehin so aufgeblasen, dass ich mich wundere, dass du gerade gehen kannst, bei dem schweren Kürbis…“

„Halts Maul, Snivelly“, faucht Black.

Oh ja, auf seinen besten Freund lässt der sicher nichts kommen, man kann ihn immer so schön aus der Reserve locken, wenn man Potter eingehend beleidigt – Er ist ja soo berechenbar...

„Verdammter Schleimbeutel!“ fügt er noch an.

Lupin liegt hohläugig im Eck. Er sieht schlecht aus und letzte Nacht war er verschwunden.

„Wohin nur?“ frage ich mich. „Wenn er wieder krank ist, liegt er doch schon im Krankenrevier – was also hat das zu bedeuten?!“

„Lasst es sein“, murmelt er heiser und klingt wirklich verdammt elend. „Das bringt doch nichts.“

Sie hören auf ihn und beschäftigen sich wieder mit sich selbst, beginnen Karten zu spielen.

„Es glaubt wirklich keiner“, flüstert Hieratus mir zu und grinst amüsiert und hinterhältig, „dass du etwas mit der Sache zu tun hast.“

Es dauert noch drei weitere Tage, bis wir wieder aus dem Krankenflügel raus kommen - Morgen sollen wir entlassen werden. Die Nächte hier waren für mich nicht leicht. Ich kann ohnehin kaum schlafen, aber mit Black so nahe, wird alles noch viel schlimmer.

Ich verstehe meine eigenartige Vorliebe für diesen Burschen einfach nicht. Nacht für Nacht ist er durch meinen Halbschlaf gegeistert und hat mich sehr unruhig werden lassen. Ich konnte ja den Krankenflügel nicht verlassen. Echt schlimm…

Jetzt liege ich am Rücken im Bett und starre durch die Dunkelheit an die Decke. Ich höre die regelmäßigen

Atemzüge der anderen Jungs, ihr leises Schnarchen, ihre zufälligen, raschelnden Bewegungen im Schlaf. Blacks Bett steht dem meinen am nächsten. Macnair wurde von seinen Eltern nach St Mungos gebracht (es heißt, dass Pomfrey etwas ungehalten darüber war. Na und? Wenn schon). Ich bin also auf meiner Seite alleine.

Meine Augen schweifen zu dem schlafenden Jungen hinüber. Er liegt halb auf der Seite, halb am Bauch. Seine Arme hat er unter seinem Kopf gefaltet und sein unverschämt hübsches Gesicht ist mir zugewandt – er sieht so friedlich aus. Es ist recht warm hier drinnen und seine Decke ist halb hinunter gerutscht, abgeworfen. Er hat sein Schlafanzugoberteil ausgezogen und schläft nur in der Hose. Ich würde so was nie wagen - meine entsetzlichen Narben – aber er kann es sich leisten und mehr als nur das.

Sein Atem bringt eine Haarsträhne zum Flattern, die über sein Gesicht gefallen ist. Mein Blick hängt wie gebannt an Black. Seine blasse Haut schimmert im Licht des abnehmenden Mondes. Sie wirkt so glatt, so hell, so edel. Meine Augen brennen, meine Kehle ist wie verdorrt und ich schlucke gewaltsam, da sie immer enger wird ... und nicht nur sie...

Ich wage es kaum, mich zu bewegen. Ich möchte den schlummernden Jungen um nichts in der Welt dazu veranlassen, aufzuwachen oder gar auf mich aufmerksam zu werden – ich will ihn einfach ungestört beobachten. Also schlucke ich erneut trocken und drehe mich ganz langsam um, bis ich fast auf dem Bauch liege. Mein Blick streift die drei anderen schlafenden Gestalten, sie sind ruhig, leise, träumen – wahrscheinlich sehr schöne Träume – wie könnte es auch anders sein? Die Alpträume sind ja alleine mein Schicksal...

Wie auch immer - Eigentlich interessieren mich die Jungs überhaupt nicht. Ich will nur sicher gehen, dass sie nicht aufwachen werden. Nur Black interessiert mich wirklich.

Meine Augen suchen wieder seine ruhende Gestalt. Immer noch flattert sein schwarzes Haar in seinen Atemzügen. Es fasziniert mich. Unter mir rührt sich was,

aber das habe ich irgendwie schon fast erwartet – schließlich kenne ich ja inzwischen die Reaktionen meines Körpers zu Genüge. Meine Hand gleitet klammheimlich unter meinen Körper, zu meinem steifen Penis und meine Augen kleben an Black.

„Nicht meine Hand. Seine!“ fährt es mir wirr und gleichzeitig siedendheiß durch den Kopf.

Black bewegt sich leicht, eine Hand gleitet unter seinem Kopf hervor, rutscht vom Bett und baumelt aristokratisch über die Kante. Diese schlanke, elegante Hand mit den langen, sanften Fingern. Ich sehne mich so entsetzlich danach, sie an meinem Körper zu spüren, dass es schon wehtut.

„Du musst wirklich voll abartig sein“, schießt es mir durch den Sinn, „wenn du von sowas komplett Abgedrehten träumst.“

Meine Hand bewegt sich langsam, streichelt. Ich bin inzwischen recht geschickt darin geworden, mich zu befriedigen. Schnell oder langsam, ganz wie ich es will. Black bewegt sich wieder, dreht sich auf den Rücken. Die Decke gleitet vollkommen zu Boden. Ich kann sein Gesicht nicht sehen, es ist jetzt von mir abgewandt,

aber seine langen Beine in der dünnen Schlafanzughose, die kann ich nur zu genau sehen. Ich kann genau zwischen seine Oberschenkel schauen, dorthin. wo sein Penis ein Zelt gebaut hat – von was er wohl träumen mag, wenn ihm sowas im Schlaf passiert? Er zieht das Bein an der mir abgewandten Seite an – es sieht verdammt ... erotisch aus.

„Grundgütiger“, fährt es mir durch den Sinn, „der schleppt ein ganz schön großes Ding mit sich rum.“

Der Gedanke erregt mich nur noch mehr und dabei wird mir auch bewusst, dass das, was ich in der Hand halte, auch nicht gerade klein ist. Ich bin immer alleine zum Pinkeln gegangen und habe nicht die geringste Ahnung, wie andere Jungs so ausgestattet sind, aber was ist schon eine normale Größe bei so was? – Blöder Gedanke ... da kann man ja Komplexe kriegen...

Mir ist ganz eigenartig zu Mute. Sonst waren es immer nur Phantasien, aber jetzt…

Er steht ihm genau so, wie mir und es ist fast, als würden wir es miteinander machen. Allein der Gedanke ist so verflixt heftig und treibt mich fast in den Wahnsinn. Ich schwitze unter meiner Decke. Egal. Meine freie Hand gleitet an meinem Körper hinunter, über meine knochigen Hüften, meine schmalen Oberschenkel…

Meine Augen müssen in der Dunkelheit regelrecht leuchten, so sehr brennen sie vor lauter Starren. Der schlafende Junge bewegt sich wieder, die Schnur an seiner Hose geht auf und sein Ding ragt in die Höhe, unbehindert vom Stoff. Groß, glatt, silbrig schimmernd im Mondlicht. Mir läuft ein heißkalter Schauder über den Rücken.

Das alles ist auf eine fast schaurige Art sinnlich. So heimlich, so riskant. Jederzeit kann einer der anderen Jungs wach werden und mitbekommen, was ich hier mache, aber die Gefahr erregt mich irgendwie noch mehr. Mein Unterleib zuckt und ich ergieße mich heftig in mein Nachthemd. Mein leises Stöhnen ersticke ich im Kissen, beiße hinein – ich bin geübt darin, solche Leute zu unterdrücken.

Auch auf dem anderen Bett beginnt ein Körper zu zucken, wirft sich auf die andere Seite und ich kann nur noch einen schmalen, glatten Rücken sehen. Schade.

Ich seufze, drehe mich auch auf die andere Seite und schlafe tatsächlich ein.


 

„Lass die Finger von Lily!“

D

ie Osterferien kommen näher. Da Hieratus weis, dass ich in Hogwarts bleibe, bleibt er auch, aber er ist in letzter Zeit immer irgendwie seltsam und beinahe schon bedrückt und so entschließe ich mich, ihn zu fragen, was er hat - auch mein Freund redet nicht über alles, was ihn bekümmert. Ich muss es schon selbst bemerken und dann nachfragen und genau das tue ich jetzt auch. Er schaut mich mit seinen großen, traurigen, braunen Hundeaugen an und sagt:

„Ich weis nicht recht, wie ich es dir beibringen soll, Severus, Kumpel.“

„Komm, red schon“, dränge ich ihn sanft und aufmunternd – so kann ich mich nur ihm gegenüber benehmen – zu keinem anderen hätte ich soviel Vertrauen mich auch nur in diesem geringen Maße zu öffnen.

„Nun ja, meine Eltern wollen mich für zwei Jahre nach Dumstrang schicken“, erwidert er immer noch traurig. „Sie waren auch dort. Alle aus meiner Familie waren dort und daher soll ich auch gehen – Sie haben mich damals dort nicht angenommen, aber jetzt wurde vom dortigen Schulleiter einem Austausch zugestimmt und meine Eltern waren begeistert von dieser tollen Gelegenheit...“

„Dumstrang?“ frage ich keuchend, abgewürgt und entsetzt. „Was soll das heißen: Zwei Jahre nach Dumstrang?“

Meine Stimme klingt wie das Quieken eines Mädchens beim Anblick einer Ratte – Shit, ist das peinlich, schnell einmal geräuspert.

„Nun, das ist eine andere Zaubererschule, irgendwo im Osten. Soll dort eine erstklassige Ausbildung geben…“

„Musst du?“ frage ich und mir ist, als wolle mir das Herz brechen und alles Räuspern hat nicht viel geholfen, ich klinge immer noch erstickt.

Ich habe mich inzwischen so an seine Gesellschaft gewöhnt, dass ich es mir gar nicht vorstellen kann, ohne ihn hier zu sein.

„Wer liebt, leidet“, flüstert die kleine Stimme nüchtern in mir – sie hat es ja schon immer gewusst, dennoch war sie jetzt sehr lange still und mir wird plötzlich klar, dass Freundschaft auch so was wie Liebe ist.

„Ich kann mich kaum weigern“, sagt Hieratus traurig. „Meine Eltern halten schon so kaum was von mir und wenn ich nein sage, könnten sie es sich überlegen, mich aus der Familie auszustoßen.“

„Um Himmels Willen, Hieratus“, platze ich entsetzt heraus – sowas soll er auf keinen Fall nur für mich riskieren. „Dann musst du gehen. Es tut mir weh, aber du solltest dir echt wegen mir keinen Ärger mit deinen Eltern einhandeln – das will ich nicht.“

„Ich bin so froh, dass du es verstehst“, erwidert er dankbar und schnieft ein bisschen. „Ich schicke dir jede Woche ne Eule und erzähle dir, wie es dort so ist.“

„Und ich schreib dir, was hier los ist. Welchen Ärger ich mit Potter habe und was ich mir dagegen so alles einfallen lasse.“

Meine Stimme klingt immer noch heiser und belegt. Er strahlt mich unter Tränen an. Noch nie hat mir etwas so sehr das Herz zerrissen, wie dieser treue, traurige Hundeblick. Wir schweigen einige Zeit, dann will erm ich wohl ein wenig aufmuntern und sagt:

„Weist du was, Severus, morgen ist wieder ein Hogsmeade Wochenende, da lassen wir zwei es noch mal so richtig krachen.“

„Schön“, meine ich und lächle ihn bedrückt an.

„Hogsmeade“, denke ich, „was soll ich nur in den nächsten beiden Jahren ohne ihn in Hogsmeade machen?“

Hieratus hat doch immer gezahlt und ich habe kein eigenes Geld. Mist! Doch er scheint mal wieder meine Gedanken zu lesen.

„Sei jetzt nicht beleidigt, wenn ich dir das jetzt anbiete“, murmelt er nämlich.

Ich schaue ihn groß an.

„Was?“ frage ich.

„Ich lass dir etwas Gold da“ und als er meinen etwas gequälten Blick sieht „Du kannst es mir ja zurückzahlen, wenn du später erst mal Trankmeister in St Mungos bist.“

„Mensch, Alter, dein Angebot ist mir entsetzlich peinlich…“ nuschle ich verlegen.

„Das ist mir schon klar, aber ich möchte nicht, dass du auf Hogsmeade verzichten musst, nur weil ich nicht da bin – wir hatten doch dort immer soviel Spaß...“

„Danke“, sage ich einfach – mir fehlen die Worte, aber ich habe noch nie etwas ehrlicher gemeint.

Er strahlt mich an, seine Hundeaugen funkeln, als hätte ich ihm ein Geschenk gemacht, nicht er mir.
 

In gewisser Weise habe ich das wohl auch. Ich habe ihm meine Freundschaft und mein Vertrauen geschenkt und das war für ihn wohl ziemlich wichtig. Ich verstehe es bis heute noch nicht ganz und damals habe ich es noch weniger verstanden. Ich hatte mein Leben lang Probleme mit Gefühlen und zwischenmenschlichen Beziehungen welcher Art auch immer. Hatte nur gelernt zu träumen und zu begehren, aber ‚Liebe’ war für mich ein Wort, das nur wenig oder gar nichts mit mir zu tun hatte. Weder, dass ich lieben könnte, noch dass mich jemand lieben könnte – und daran hat sich auch bis heute nichts geändert...
 

Das Hogsmeade Wochenende fällt auf meinen vierzehnten Geburtstag und ich habe Hieratus nie gesagt, wann ich Geburtstag habe, aber irgendwie muss er es wohl herausgefunden haben, denn kaum sind wir im Dorf angekommen, packt er mich am Ärmel und zieht mich zu einem Laden.

„Was wollen wir hier, Hieratus?“ frage ich verdutzt.

„Dir dein Geburtstagsgeschenk kaufen.“

„Woher weist du…?“ Ich bin echt verblüfft und es ist wirklich nicht leicht, mich noch zu verblüffen.

„Hab nachgefragt“, grinst er verschmitzt.

Das Ganze scheint ihm einen Riesenspaß zu machen.

„Und was wollen wir kaufen? Ich hab doch schon die Roben und die Stiefel von dir.“

„Genau, die Stiefel. Es ist schon April und du hast immer noch diese Stiefel an. Wir suchen dir ein Paar Sommerschuhe aus.“

Wir stehen vor dem Laden und diskutieren. Ich bin knallrot geworden und Hieratus weis, dass mir das Ganze schrecklich unangenehm ist, aber er möchte mir einfach helfen.

„Hör mal, Alter, du weist, was ich alles über dich weis und ich bin wirklich dein Freund. Es muss dir echt nicht peinlich sein, wenn ich dir was zum Geburtstag schenken will – das ist normal und das macht man unter Freunden einfach so...“

„Ja, mein Freund – das macht man so“, denke ich, „Aber woher soll ich denn sowas wissen – ich hatte noch nie Freunde außer dir ... und du weist echt eine ganze Menge über mich, aber wenn du alles wüsstest, würdest du sicher vor Abscheu schreiend davonlaufen.“

Laut sage ich jedoch:

„Na gut. Ich freue mich ja auch, aber trotzdem...“ versuche ich erneut, ihn davon abzubringen – ich bin es nicht wert, dass er sich solche Gedanken um mich macht.

„Kein ‚trotzdem’“, besteht er. „Gehen wir rein.“

Er sucht für mich ein paar schwarze Halbschuhe aus, die genau so gut passen, wie die Stiefel, sogar noch besser, denn ich bin wieder ein bisschen gewachsen und die Stiefel drücken schon ein bisschen. Mit einer Tüte unterm Arm gehen wir durchs Dorf und ich habe die neuen Schuhe bereits an. Hieratus schleppt mich zum Honigtopf und kauft den halben Laden leer.

„Komm“, meint er und zieht mich zu unserem grasbewachsenen Hügel hinüber.

Wir sitzen in der Sonne und lassen uns das süße Zeug schmecken. Wir schweigen, sitzen Schulter an Schulter da und leisten uns einfach nur Gesellschaft. Ich mag gar nicht an die nächsten zwei Jahre denken, wenn ich hier alleine sitzen muss. Ich mag ihm das gar nicht sagen, er hat sich gestern schon mies genug gefühlt. Trotzdem möchte ich ihm irgendwie mitteilen, was er mir bedeutet, aber mir fallen keine geeigneten Worte ein. Also schweige ich weiterhin und komme mir so schrecklich hilflos vor.
 

Selbst heute kann ich nicht wirklich über Gefühle sprechen - sie sind so unquantifizierbar und so schwer zu beschreiben – doch damals war ich vollkommen unfähig dazu. Sorry, Hieratus, mein Freund, ich wünschte, ich hätte dir besser sagen können, was du mir wirklich bedeutest. Doch dazu ist es schon viele Jahre zu spät ... und das bereue ich zu Tiefst...
 

Bald ist die Tüte leer und wir beschließen, uns noch ein Butterbier in den Drei Besen zu genehmigen. Das Pub ist rappelvoll, aber wir finden noch einen Platz in einer Ecke. Hieratus holt die Flaschen und wir prosten uns zu. Wir haben seit über einer Stunde kein Wort mehr gewechselt und scheinen beide nicht zu wissen, was wir sagen sollen.

„Hey, Alter, blas nicht soviel Trübsal“, sagt er plötzlich mit einem schiefen Grinsen. „Noch bin ich ja nicht weg uns bleiben noch über zwei Monate und danach bin ich auch nicht aus der Welt. Wir sehen uns ja wieder…“

Ich lächle ihn traurig und verzerrt an – es muss eine echte Grimasse sein, aber er sieht wohl nur das Lächeln.

„Ich weis nicht, wie ich es dir erklären soll, was mir unsere Freundschaft bedeutet…“

„Musst nichts sagen, wenn du nicht willst…“

„Nee, ich will unbedingt, weis nur nicht wie. Weis nicht, was ich sagen soll. Es ist so unheimlich schwierig, die richtigen Worte zu finden … Weißt du, ich hatte nie Freunde. Nie. Ich war immer alleine, einsam. War immer der Schleimbeutel, der Junge, der in einem Kartoffelsack rum läuft. So schäbig. War immer das Kind … verfemter… - ja, das ist das richtige Wort - Eltern. Meine ganze Familie wurde immer gemieden, war regelrecht verhasst, hatte einen üblen Ruf und dann unsere elende Armut...

Dich hat das nie gestört, du hast mich immer genommen, wie ich bin, hast einfach versucht, mich zu verstehen. Sowas hab ich noch nie zuvor erlebt.

Und dann, als du mir die Roben geschenkt hast, weil mir meine zu klein und so furchtbar schäbig, alt und abgetragen waren und als du mir dann auch noch so sehr geholfen hast, als ich damals im Baderaum diesen Mist gebaut habe, ohne vor mir zurückzuschrecken - Ich hab gar nicht gewusst, was ein richtiger Freund überhaupt ist, was echte Freundschaft überhaupt bedeutet.

Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ich die Herumtreiber immer um ihre Freundschaft, um ihr Miteinander, beneidet habe - Nicht um die Personen, verstehst du, um die Beziehung, die sie haben…“

Ich schüttle nachdenklich den Kopf, finde keine geeigneten Worte mehr. Jeder einzelne Satz fällt mir so wahnsinnig schwer. Ich fühle mich, als würde ich mich nackt vor ihm ausziehen müssen. Aber dann fällt mir ein, dass er mich schon lange nackt gesehen hat - nackt und blutend - und er ist nie vor mir zurückgewichen.

„Brauchst nicht weiter zu reden“, sagt er leise.

Er hebt die Hand als, wolle er sie mir auf den Arm legen, überlegt es sich aber dann anders. Er weis, dass ich es nicht mag, angefasst zu werden. Ach, Hieratus… in einer Situation wie dieser würde ich deine Berührung durchaus akzeptieren und nicht zurück zucken.

„Ich verstehe schon, was du meinst. Ich empfinde genau so. Belassen wir es dabei. Ich weis, dass es dir schwer fällt über Gefühle zu reden“, endet er.

Ich schaue ihn musternd an.

„Danke“, sage ich leise.

Er nickt und lächelt. Ich lächle dankbar zurück.

Plötzlich werden wir aus unseren Gedanken gerissen. Ohne dass wir es bemerkt hätten, sind Potter und seine Freunde an unseren Tisch herangetreten. Sie drängen uns in die Ecke und besetzen die anderen Stühle.

„Auf ein Wort“, faucht Potter und klingt verflixt wütend.

Was ist denn los? In letzter Zeit haben wir uns doch gar nichts angetan - Seit der Sache mit den Ranken und da wissen sie nicht, dass ich es war. Ich bin ihnen noch nicht mal im Schloss nachgeschlichen, war lieber mit Hieratus zusammen.

„Was willst du, Potter?“ platze ich ungehalten heraus.

Ich mag es nicht, wenn ich nicht weis, was in ihm vorgeht und warum er so handelt, wie er es tut - gewöhnlich ist er nämlich nur zu durchschaubar – ich kann es nicht leiden, im Dunklen zu tappen ... na ja, wenn es um andere geht – ich könnte nämlich nicht behaupten, dass ich mich selbst immer so wirklich verstehen würde, aber das tut jetzt nichts zu Sache...

„Ich hab gesehen, wie du schon jahrelang Lily nachstarrst. Die ist mein Mädel“, schnarrt er nämlich.

„Weis sie das denn auch? Dass sie dein Mädel ist?“ gebe ich sarkastisch zurück.

Ich scheine einen Nerv getroffen zu haben, denn er zuckt zusammen und seine Augen werfen wütende Blitze auf mich. Ich weis, dass die Beiden sich häufig streiten, besonders wenn Potter sich wieder mal wie ein Trottel aufführt und alle verhext, die seinen Weg kreuzen – Lili mag das nämlich nicht...

„Das mache ich ihr schon noch klar, das soll nicht deine Sorge sein. Lass einfach deine schmierigen Finger von ihr, Snivellus.“

„Ich halte Lily für ein Mädel, das selber entscheidet, was sie will, Potter“, schnarre ich zurück. „und nicht unbedingt das tut, was du meinst.“

„Hör, dir das an, James“, sagt Black schneidend. „Der alte Snivelly macht sich doch glatt Hoffnungen auf eine einzigartige Perle wie Lily.“

Ich werde rot und stinksauer. Jetzt hat er bei mir einen Nerv getroffen, denn ich bewundere und verehre Lily Evans schon seit ich sie das erste Mal gesehen habe,

aber nur aus der Ferne, nur aus der Ferne.

Dann fällt mir plötzlich der Traum von der Lilyelfe ein, ich werde noch röter und ein schiefes Grinsen verzerrt meine Gesichtszüge.

„Es stimmt also“, faucht Potter, als er meinen Ausdruck sieht. „Ich warne dich nur dieses eine Mal: Lass deine dreckigen Finger von Lily, oder ich mach dir das Leben zur Hölle.“

„Das Leben zur Hölle, Potter“, denke ich. „Du weist nicht, durch welche Höllen ich schon gekrochen bin. Damit kannst du mich gar nicht meinen. Damit machst du mir wirklich keine Angst.“

Ich schaue ihm nur ruhig in seine bebrillten Augen und sage nichts mehr. Manchmal ist Schweigen wirklich Gold und man kann durchaus ein Duell gewinnen, ohne etwas sagen zu müssen. Potter wirft einen sichernden Blick nach links, dann einen nach rechts und nickt seinen Freunden zu, dann stehen die Vier wie ein Mann auf und wenden sich zum Gehen. Auch er hat den Wert des Schweigens erkannt – wenigstens für hier und jetzt.

„Ich behalte dich im Auge“, piepst Pettigrew noch und versucht gefährlich auszusehen.

Ich schaue ihm tief in seine wässrigen Augen und lache laut und gemein auf. Er kennt nicht den Wert des Schweigens, er muss immer noch eins draufsetzen und sich nicht selten damit völlig lächerlich machen.

„Weist du was, du kleine, miese Ratte?“ zische ich ihn hämisch an. „Da fürchte ich mich aber. Siehst du, wie ich schon vor lauter Angst zittere?“

Er zuckt zur Räson gebracht zusammen und wirbelt geduckt zur Tür herum. Die Anderen haben nichts davon mitbekommen, sind schon fast zur Tür hinaus und Pettigrew zockelt nun wie ein getretenes Hündchen hinter ihnen her. Mit gesenkten Schultern und eingezogenem Schwanz.

Blöde Ratte!

„Was war das jetzt für eine Vorstellung?“ fragt Hieratus verblüfft.

„Weis ich auch nicht so richtig“, gebe ich zurück.

„Nun, ich weis, dass du auf Lily – nun – stehst…“

„Yeah, irgendwie schon. Aber ich habe noch nie auch nur ein Wort mit ihr gewechselt und Potter weis das auch“, murmle ich nur. Hieratus kenn mich einfach zu gut und weis von meinen Blicken auf Lily.

„Aber du kuckst“, fährt er fort. „und das reicht Potter wohl für eine Warnung. Er scheint ganz schön eifersüchtig zu sein.“

Plötzlich grinse ich. Meine Augen leuchten, denn ich habe gerade einen glänzenden Einfall.

„Warum grinst du so?“ schreckt er auf. „Mir kam das jetzt gerade nicht ganz ungefährlich vor.“

„Ich habe einen wunden Punkt bei Potter gefunden: Lily Evans. Das lässt sich sicher recht nett ausnutzen…“

„Sei blos vorsichtig“, warnt er mich. „Ich glaube, der kann ganz schön gemein werden…“

„Ich weis, aber Worte genügen, um diese Stelle bei Potter zu treffen.“

„Wie du meinst. Sei aber trotzdem vorsichtig.“

„Ich versprech´s dir. Ehrlich.“

Er schaut mich zweifelnd an. Dann grinst er.

„Magst du noch ein Butterbier? Oder gehen wir ins Schloss zurück?“

Ich überlege kurz.

„Ins Schloss“, meine ich einfach und wir gehen.


 

Blutsbrüder

N

och nie ist für mich die Zeit schneller vergangen, als jetzt, da ich weis, dass ich meinen einzigen Freund zwei Jahre lang nicht sehen werde. Meinem Schlaf ist das nicht gerade zuträglich. Dauernd schrecke ich hoch, weil ich glaube, dass er schon verschwunden ist. Und eigentlich brauche ich meine Ruhe, denn es ist bereits Zeit für die Prüfungen.

Noch nie ist es mir so schwer gefallen, mich auf die Prüfungsfragen zu konzentrieren, dauernd treiben meine Gedanken ab und die Zeit verfliegt so schrecklich schnell. Nur mühsam schaffe ich es, alle Fragen zu beantworten, habe keine Zeit mehr, noch mal alles durchzulesen. Meine Rechtschrift ist grauenvoll, genau wie meine Handschrift. Hoffentlich können die Lehrer alles lesen.

Nur in der praktischen Prüfung für Zaubertränke läuft alles bestens. Ich wage es einfach nicht, Professor Leech zu enttäuschen, er unterstützt mich zu sehr und außerdem beherrsche ich das fast im Schlaf.

Wir warten auf die Ergebnisse.

Ein letztes Wochenende in Hogsmeade. Ich denke bereits an den Sommer und dass ich danach meinen Freund nicht so bald wieder sehen werde. Wir wandern schweigend nebeneinander zum Dorf. Plötzlich spüre ich Hieratus warme, feste Hand auf meiner Schulter, zucke zusammen, bleibe stehen und schaue ihn fragend an.

„Severus, Alter, hier sind wir mal kurz alleine. Ich habe dir doch versprochen, dass ich dir etwas Gold für die zwei Jahre dalasse, wo ich in Dumstrang bin.“

Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht und so ziehe ich fragend eine Augebraue hoch.

„Nimm den Beutel und steck ihn weg“, sagt er und drückt mir eine schwere Börse in die Hand, wartet, bis ich sie sicher in meiner Tasche verstaut habe und spricht dann weiter. „Du kannst es mir zurückgeben, wenn du eigenes Geld verdienst, OK?“

„OK“, sage ich einfach. „Danke.“

„Wozu sind Freunde da“, meint er nur und zuckt beiläufig mit den Schultern.

Doch es ist nicht wirklich beiläufig und ich weis nur zu genau, was er damit für mich tut, doch ich kann mich nicht weiter bedanken, als eben einfach nur ‚Danke’ zu sagen, doch er weis wie es gemeint ist und es genügt ihm vollkommen – er ist schon ein besondere Mensch...

Unser letzter Aufenthalt in Hogsmeade ist ein ziemlich trauriger. Gut, wir stopfen uns wieder mit Süßigkeiten voll, sitzen in der Sonne und trinken unser obligatorisches Butterbier in den Drei Besen, aber trotzdem, ist die ganze Stimmung traurig, schon jetzt beinahe ein Abschied.

„Weist du, ich werde nicht mit dir nach London fahren“, sagt er unvermittelt. Ich starre ihn groß an. „Morgen, wenn wir unsere Noten haben, werden mich meine Eltern abholen kommen. Das Schuljahr in Dumstrang fängt schon nächste Woche an. Ich wollte es dir nicht früher sagen, denn du bist auch so schon traurig genug und ich bin es auch.“

Aus seinen treuen, braunen Hundeaugen fließen Tränen, aber er schluchzt oder schnieft nicht, nur die Tränen fließen lautlos und glitzernd über sein rundes Jungengesicht. Meine Augen brennen, aber wieder kommen keine Tränen, ich kann nicht mehr weinen, es sind einfach keine Tränen mehr in mir und irgendwie ist das schlimmer, als vor aller Augen Rotz und Wasser zu heulen...

„Wir sehen uns ja in zwei Jahren wieder und wir schreiben uns…“ sage ich und meine Stimme klingt eigenartig dumpf und belegt.

Mit einem Mal wird mir klar, dass wir, wenn wir uns wieder sehen werden, fast schon Erwachsene sein werden, keine Jungen mehr. Ich bin vierzehn und er ist es auch, hatte vor einer Woche Geburtstag (Was er mir erst hinterher gesagt hat und damit erfolgreich verhindern konnte, dass ich ihm was schenke). Wenn wir uns wieder sehen, sind wir sechzehn, fast schon siebzehn und damit volljährig.

„Ja“, sagt er und fügt, als habe er wieder mal meine Gedanken gelesen, hinzu. „Und dann sind wir schon fast erwachsen.“

Ich will etwas Dramatisches tun, ihm beweisen, dass wir wirklich Freunde sind, ihm zeigen, wieviel er mir bedeutet. Ich denke nach, überlege, dann fällt mir etwas Geeignetes ein und ich schlage ihm mit schwankender Stimme eine Blutsbrüderschaft vor. Er schaut mich erfreut, aber auch erstaunt an.

„Ich wusste nicht, dass dir so viel an mir liegt.“

Meine Augen brennen noch heißer und ich nicke, aber ich kann nicht weiter sprechen, meine Gefühle unmöglich in Worte fassen. Wir lassen unser Butterbier einfach stehen und gehen hinaus zur Heulenden Hütte. Dort ist fast nie jemand, dort sind wir ungestört. Wir setzen uns auf einen grasbewachsenen Erdhügel und ich ziehe ein kleines Messer heraus. Sonst brauche ich es, um die Zutaten für meine Zaubertränke zu Recht zu schneiden. Ich halte es immer sehr scharf und peinlich sauber, um richtig damit arbeiten zu können.

Ich ziehe es mit meiner rechten Hand über die Handfläche meiner linken, dann gebe ich es an Hieratus weiter. Der schluckt. Mir wird klar, dass er Schmerzen und Verletzungen nicht so gewohnt ist, wie ich. Trotzdem schließt er entschieden seine linke Hand um die Klinge und zieht sie wieder heraus. Sein Blut tropft auf die staubige Erde. Ich strecke meine blutige Linke aus und er greift mit der seinen danach.
 

Hätte ich damals schon gewusst, dass wir nur wenige Jahre später am selben Arm das Dunkle Mal tragen würden, dann weis ich heute nicht, ob ich uns nicht damals besser die Pulsadern durchgeschnitten hätte – hätte uns wirklich jede Menge Kummer und Leid erspart, doch es hätte uns auch noch um ein paar – nur wenige, aber immerhin – schöne Dinge gebracht.
 

Plötzlich scheine ich über mir zu schweben. Ich sehe zwei halbwüchsige Jungen in schwarzen Roben, die nebeneinander im Gras sitzen. Beide nicht besonders groß, der eine dürr und ungepflegt, der andere etwas fülliger und äußerst gepflegt. Zwei Hände, die Finger ineinander verschränkt, Blut vermischt sich und tropft rotleuchtend zu Boden, wird von der trockenen Erde aufgesogen. Die Beiden sehen sich mit einem traurigen und verzweifelten, aber entschlossenen Gesichtsausdruck an. Die Gefühle in den zwei Jungen sind zu tief, zu eindringlich für Worte. Worte würden die Heiligkeit dieser Minuten nur zerstören. Zwei Seelen schließen eine Verbindung, die tiefer geht, als bloße Freundschaft – Blutsbrüder - Sie sitzen sich lange schweigend gegenüber und halten sich gegenseitig die blutende Linke. Die Zeit scheint still zu stehen. Ein Stück Ewigkeit.
 

Es war der letzte Tag, den ich als Junge unter anderen Jungen verbracht habe. In diesem unmessbaren Zeitraum wurde ich zum Mann. Einem sehr jungen, zugegeben, aber dennoch zum Mann. Ich ließ die Kindheit wie eine abgestreifte Schlangenhaut hinter mir, verabschiedete mich gleichzeitig mit dem Abschied von Hieratus von ihr.
 

Die Sonne ist schon dabei, hinter den Bergen zu versinken, als wir uns wieder Zeit und Raum bewusst werden. Wortlos stehen wir auf und gehen schweigend zum Schloss zurück.
 

Es ist einsam im Zug. Ich sitze mit einigen anderen im Abteil, aber die interessieren mich nicht die Bohne. Ich starre aus dem Fenster und meine Hand pocht. Ich habe sehr tief geschnitten, aber ich bereue es nicht im Geringsten. Meine Prüfungen habe ich trotz allem bestanden. Nicht so gut, wie ich eigentlich wollte, aber immerhin.

Die Zugräder rumpeln.

„Ich bin einsam, ich bin einsam, ich bin einsam“, flüstern sie mir endlos zu.

Ja, das bin ich, muss ich mir eingestehen - Verdammt einsam.

„Du darfst nicht lieben“, mischt sich die leise Stimme in das Rattern der Räder. „Wer liebt, leidet.“

Ja, ich leide, ich leide wie ein geprügelter Hund, obwohl ich außer dem Schnitt in meiner Hand keine neueren Verletzungen habe, leide ich. Nicht mein Körper leidet, meine Seele tut es. Viel schlimmer als damals mit Sonic. Damals habe ich gelitten, wie ein Junge leidet, heute leide ich als junger Mann. Aber die Freundschaft mit Hieratus ist es mir tausendmal wert, dass ich leide. Ich habe mich in diesem Jahr viel stärker verändert, als in den Jahren zuvor, habe einen Freund gefunden, den ersten Freund in meinem Leben und ihn wieder verloren, nicht wirklich verloren, aber er wird für lange Zeit weit, weit weg sein.

Meine Hand gleitet gedankenverloren in meine Tasche, ertastet erstaunt den Beutel darin. Neugierig ziehe ich ihn heraus. Es ist die Börse, die Hieratus mir gegeben hat. Gespannt öffne ich sie. Gold funkelt darin und darauf liegt ein Zettel. Ich hole ihn raus und falte ihn auf:
 

Lieber Severus,

nimm das Gold und mach dir eine schöne Zeit, in den nächsten zwei Jahren. Vergiss mich nicht. Ich bin und bleibe dein Freund.

Hieratus
 

Ich presse den Zettel in meiner Hand zusammen und drücke ihn an mein Herz – er ist mir mehr wert als alles andere – Gold kann keine Freundschaft kaufen und es kann mich innerlich auch nicht so sehr wärmen, wie diese wenigen Worte.

„Hieratus, mein Freund“, denke ich und ein Gefühlschaos rauscht durch mich hindurch. „Danke.“

Der Beutel liegt schwer in meiner anderen Hand und es scheint eine Unmenge Gold zu sein - Ich schütte es dann doch neugierig auf meinen Schoß - das müssen fast fünfzig Galleonen sein, soviel Geld habe ich noch nie auf einen Haufen gesehen und schon gar nicht zu meiner freien Verfügung gehabt. Ich packe die Münzen wieder in den Beutel zurück und verstaue ihn sicher in meiner Tasche. Meinem Vater werde ich mit Sicherheit kein Sterbenswörtchen davon sagen. Er würde mir das Gold nur abnehmen und es sofort in Feuerwhiskey umsetzen.

Der Zettel bleibt zusammengeknüllt in meiner Hand, bis wir Kings Cross erreichen. Dann erst stecke ich auch ihn ein.


 

„Ich gehöre nur mir selbst!“

E

s hat sich Vieles verändert. Ich bin in diesem Schuljahr sehr gewachsen und mein Vater erscheint mir nicht mehr wie ein lebender Berg. Mir wird klar, dass er eigentlich nicht wirklich ein besonders großer Mann ist. Vielleicht ist er auch im Alter geschrumpft und er erscheint mir alt - uralt und nörglerisch und dauernd betrunken.

Nur noch einmal versucht er, mich zu missbrauchen, dabei stellt er fest, dass mir an den gewissen Stellen bereits Haare gewachsen sind, daraufhin verprügelt er mich, wie ein Irrer. Ich wehre mich nicht, lasse ihn einfach gewähren. Die Schmerzen sind nicht so tragisch und ich habe schon Schlimmeres überstanden. Den ganzen Tag sperrt er mich in den Keller, dann verprügelt er mich wieder und lässt mich wieder im Keller allein. Mein Zimmer bekomme ich die fast die ganzen Ferien nicht zu Gesicht, ebenso wenig, wie eine anständige Mahlzeit, das Bad oder saubere Kleidung. Meine Schulsachen hat er mir auch herunter geworfen. Hat über Dumbledore geschimpft und geflucht. Er scheint den Alten irgendwie zu fürchten. Das ist wohl auch der Grund, warum er mich wieder nach Hogwarts zurücklässt, aber vielleicht gibt es auch Fragen, die mein Vater nicht beantworten kann oder will.

Ich stinke wie ein ganzer Schweinestall, als er mich am letzten Ferientag herauslässt und ich nach oben gehen kann. Meine Augen sind das Tageslicht nicht mehr gewohnt, sie brennen und schmerzen. Ich muss blinzeln und Tränen laufen über meine Wangen. Es ist kein Weinen, nur eine Reaktion auf das helle Licht - Nachtaugen.

Meine Haut hat eine ungesunde gelb-graue Farbe angenommen und meine Stimme klingt wie das Krächzen eines Raben. Ich habe die ganzen Ferien kein einziges Wort gesprochen, habe meine Hausaufgaben im flackernden Licht meiner Handfackel erledigt, habe den Zettel von Hieratus wieder und wieder gelesen, bis er vom vielen Anfassen ganz dünn und abgegriffen war, fast in seine Bestandteile zerfiel, die Schrift ist nicht mehr zu lesen, aber ich kenne den Inhalt mehr als nur auswendig und glaube immer noch seine krakeligen Schriftzeichen zu sehen.

Ich gehe ins Bad, denn an mir kleben Urin und Kot. Mein Erzeuger hat mich nicht mal aufs Klo gelassen, nur ab und zu hat er mir ein Stück altes Brot herein geworfen und hin und wieder eine Kanne Wasser gebracht. Gesprochen hat er dabei nie, hat mich nur mit seinen blutunterlaufenen, gelben, hasserfüllten Augen angefunkelt und ausgiebig verdroschen bevor er wieder ging.

Ich kann jede meiner Rippen durch die Haut stechen sehen und meine Schenkel sind so dünn, wie sonst meine Unterarme, blaue Flecken der verschiedensten Couleur zieren meinen ganzen Körper, freundlich vermischt mit der einen oder anderen verschorften Wunde, aber das macht alles nicht wirklich noch was aus, denn ich bin kalt, kalt wie Eis.

Ich bin im Bad, habe meine verdreckten, stinkenden Sachen ausgezogen und bin dabei, mich zu waschen, als er herein kommt. Seine knorrige Faust trifft mich unvermittelt am Kopf und wirft mich zu Boden. Er packt mich an den Haaren und zwingt mich auf die Knie, dann zerrt er mich zu dem Stuhl hinüber, auf dem meine Sachen liegen und zwingt meinen Oberkörper darüber. Ich knie vor dem Stuhl und er steht hinter mir. Er ist mal wieder stockbesoffen, sein stinkender Atem beleidigt meine feine Nase, auch wenn ich meinen eigenen fürchterlichen Gestank aus den letzten zwei Monaten gewohnt bin.

Er bindet meine Hände und Oberschenkel am Stuhl fest, zwingt meine Beine auseinander. Hat er Angst, dass ich mich wehre? Vielleicht. Gleich darauf weis ich, warum er diese Vorkehrungen getroffen hat, denn er rammt mir unerbittlich ein unterarmdickes Holzscheit in den Hintern. Es ist viel zu groß, will nicht hinein gehen. Da lehnt er sich mit seinem ganzen Gewicht darauf und ich schreie auf, schreie wie ein Pferd, das sich ein Bein gebrochen hat. Es ist Feuer, es ist Salzsäure, es zerreißt mich geradezu. Splitter fahren überall in mich hinein. Er bewegt das grausame splittrige Ding rein und raus und meine kreischenden Schreie hallen ohrenbetäubend durch den gefliesten Raum.

Schließlich zieht er das blutige Holzscheit wieder aus mir heraus und wirft es zur Seite. Ich könnte vor Schmerzen kotzen und mich hilflos zusammenkrümmen, doch noch immer bin ich gefesselt. Doch dann höre ich seine versoffene, keuchende Stimme:

„Nur, dass du nicht vergisst, wem du gehörst, Sohn. Deine Mutter hat es zu oft vergessen, deswegen ist sie jetzt auch tot.“

Das war zu viel, wirklich zu viel. Sowas lasse ich mir nie wieder von ihm gefallen, nicht noch mal. Es ist Zeit die Fronten zu klären – und ich bin kein kleines Kind mehr, dass sich weder wehren kann noch wehren darf – ich bin fast erwachsen und ich bin stark, stärker auf jeden Fall als der alte Bastard glaubt.

Meine Hände schwitzen wie verrückt und gleiten schließlich aus den Fesseln, als ich heftig daran zerre. Mit langsamen, ruhigen Bewegungen löse ich auch die Stricke an meinen Beinen und richte mich mit einer eisigen Ruhe auf. Mein Unterleib schreit und brüllt, tobt und jault, aber ich will dem alten Mistkerl meine Schmerzen nicht zeigen, ihm nicht diese Genugtuung geben, dass er mich doch noch verletzen konnte – Nie wieder soll er die bekommen.

Also beginne ich ganz leise und bestimmt zu sprechen und meine Stimme klingt eiskalt und schneidend – vollkommen erwachsen.

„Ich weis genau wem ich gehöre, Vater“, sage ich schnarrend. „Nur mir selbst! Ich warne dich, wenn du mich jetzt nicht umbringst wie meine Mutter, wirst du mich nie wieder anfassen. Nie wieder! Ich gehöre mir selbst und nicht einem ekelhaften, besoffenen, alten Mörder wie dir.“

Er steht vor mir und starrt mich an, als könne er seinen Ohren nicht trauen. Ich richte mich zu meiner vollen Größe auf und überrage ihn jetzt fast um einen halben Kopf. Blut und Scheiße laufen mir die Oberschenkel hinunter. Ich kann vor Schmerzen kaum stehen und meine Knie wollen zittern, aber das lasse ich nicht zu. Ich halte mich nur beiläufig am Stuhl fest und schaue ihm fest und furchtlos in die Augen.

„Und jetzt verschwinde, du widerlicher Päderast, ich will mir einfach nur in Ruhe die Scheiße von den Schenkeln waschen.“

Er starrt mich immer noch an und will auf mich zukommen. Die Hand hat er drohend zur Faust geballt und hat schon ausgezogen, um sie mir gegen den Schädel zu donnern..

„Komm!“ sage ich in einem gefährlich leisen zischenden Tonfall und auch meine Fäuste sind geballt. „Komm und schlag mich tot! Aber mach schnell. Denn dieses Mal schlage ich zurück. Ich wehre mich, mit allem was ich habe. Auch wenn ich die Prügelei verlieren sollte, ich gehe nicht kampflos unter. Schlag zu und nur einer von uns Beiden wird es überleben.“

Ich bin wirklich bereit, ihn zu töten, wenn er mich nicht in Ruhe lässt. Man hört es in meiner Stimme, sie klingt hart, kalt und zu allem entschlossen - keine Kinderstimme mehr - die eines jungen Mannes, der echt zuviel gekriegt hat. Dank den Herumtreibern habe ich einige Erfahrung im Kämpfen - magisch und auch anders - und ich bin jetzt endlich bereit, dieses Wissen auch gegen meinen übermächtigen Vater einzusetzen. Meine Augen blitzen und ich muss so gefährlich aussehen, dass er Schritt für Schritt - zuerst zögerlich, dann immer schneller - zurückweicht und schließlich eilig mit zuknallender Tür den Raum verlässt.
 

Ich sehe mich, wie ich damals war: Ein mittelgroßer Halbwüchsiger mit langen, ungekämmten, fast zottigen, öligen Haaren. Dürr bis zur Auszehrung. Man kann jede einzelne Rippe zählen. Dreckig. Kot und Blut kleben an seinen Beinen, geballte Fäuste, blitzende, brennende Augen, gefletschte Zähne, wie die eines gefährlichen Raubtiers, aufrecht und kampfbereit, zum Äußersten entschlossen, trotz der entsetzlichen Schmerzen und der schrecklichen, brennenden Demütigung, die an ihm frisst – oder vielleicht gerade wegen ihr.

Mein Erzeuger hat auf jeden Fall mich nie wieder angefasst und wir hatten uns nichts mehr zu sagen – nimmermehr...

Und wieder schlug eine Tür in meinem Inneren zu – wie schon so viele vor ihr und wie so viele danach – weder die erste, noch die letzte, noch die einzige, aber eine sehr wichtige – diejenige, die mich wirklich zu diesem verschlossenen Mann machte, der ich heute bin – diejenige, die dafür sorgte, dass ich weis, dass am Ende ich mir nur selbst helfen kann, dass ich am Ende immer allein sein werde, auch wenn ich Hilfe bräuchte...
 

Ich wasche mir Blut, Dreck und Scheiße vom Körper. Mein Hintern peinigt mich so sehr, dass ich beinahe gelähmt bin und es will nicht aufhören, zu bluten. Das Adrenalin der Konfrontation mit meinem Vater ist verflogen und die Schmerzen haben ärger als zuvor eingesetzt. Ich schiebe mir ein altes Handtuch zwischen die Pobacken und wickle mir ein anderes um die Hüften, dann gehe ich mit meinen Sachen in mein Zimmer, nehme meinen Kessel und braue mir einen Heiltrank. Er hilft rasch und lindert auch die Schmerzen.

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Kanoe
2010-05-25T06:22:27+00:00 25.05.2010 08:22
Ich wusste ja das diese szene noch kommt aber sie ist trotzdem hart


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