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Schattendiener

von

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Die Erinnerung an die Verwandlung

Erinnerung an die Verwandlung
 

Noch immer warf der Mond das Licht der Sonne auf die Erde hinab und noch immer strahlten die Sterne am nächtlichen Himmel. In einem anderen Viertel der Stadt schlug eine Turmuhr gerade die 23 Stunde des Tages an.

Bald würde Mitternacht sein, die Stunde der Geister, glaubten die Menschen.

Wie närrisch sie doch waren! Als ob sich Geister darum scherten, ob eine Menschenerfindung den neuen Tag anschlug, oder ob es draußen nun Tag oder Nacht war. Allgemein glaubten die Menschen an vieles und fast nichts davon entsprach der Wahrheit.

Wenn er da nur an Gott dachte. Eine Allmacht die laut der Religion Allmächtig, Allwissend und Allgütig war. Doch wenn es darum ging, zu verzeihen, schickte er seine Gläubigen lieber in den Krieg, anstatt zu vergeben und alle in Frieden leben zu lassen. Und alle die gleich den anderen waren, allerdings nicht an Gott glaubten, die kamen in die Hölle. Als würde die Hölle existieren.

Die einzige Hölle die es gab, war jene, die sich das Leben selbst erschuf:

Die Arbeit, die persönlichen Feinde, der Stress, der Tod… all das waren Höllen auf Erden, wenn man es denn dazu machte. Und mal ehrlich. Die Menschen hatten ein Talent in Höllenmachen. Wobei er zugeben musste, dass es Höllen gab, die schlimmer waren als andere. Und er hatte wohl eine der schlimmsten überhaupt erlebt.

John fluchte. Solche Gedanken sollte er lassen, so etwas schuf nur Erinnerung. Doch es war zu spät. Die Erinnerung kam, sie kam mir solch einer Wucht und Stärke, dass John sie nicht zurück halten konnte.
 

~*~
 

Es war an einem Tag wie jeder andere auch. Wie die Tage davor, regnete es fast ununterbrochen. Meist nieselte es nur, aber ab und an kam schon noch ein heftiger Schauer auf die Erde hinab. Einige Teile des Landes waren inzwischen überflutet, einige Dörfer waren geradezu ausgelöscht worden von den Wassermassen. Aber wenn man der Regierung glauben schenken konnte, so war die Sache unter Kontrolle.

Neben den anhaltenden Regen stürmte es an diesem Tag etwas mehr als sonst. Zwar herrschte kein Orkan, aber wenn man mit dem Auto fuhr, wurde man beinahe von der Straße geweht.

John war mit seinem Jeep unterwegs um seine alte Mutter zu besuchen. Lisbeth lebte inzwischen allein - ihr zweiter Mann Hank war vor acht Jahren bei einem Herzinfarkt gestorben - und konnte sich kaum noch selbst versorgen. Lisbeth lebte auf den Land, mitten auf einen Bauernhof. Zwar kam jeden zweiten Tag eine Haushilfe vorbei, die sich um den Haushalt kümmerte, doch einkaufen fuhr die nicht, da sie selbst kein Auto besaß. Deswegen fuhr John einmal in die Woche zu seiner Mutter und kaufte diverse Lebensmittel ein, damit sie wieder etwas zu essen hatte. So konnte die alte Frau wenigstens nicht mehr dem Alkohol frönen, dem sie immerhin fast 30 Jahre verfallen gewesen war.

Es war bereits am späten Nachmittag, als John auf den Hof seiner Mutter fuhr. Wie erwartet saß die Alte am Fenster und sah in die Welt hinaus. Als John aus dem Auto stieg, winkte er ihr zu, ging dann zum Kofferraum und schnappte sich den Korb samt Inhalt, der dort schon bereit stand.

Anschließend trug er das ganze ins Haus und stellte es in die Küche, um danach direkt zu Liesbeth zu gehen.

Sie sah noch immer aus dem Fenster und beachtete ihren Sohn nicht weiter. Auch nicht, als der ihr einen Kuss auf die Wange gab. Sie stierte nur weiter aus dem Fenster. Mehr erlaubte ihr das vom Alkohol zerfressenes und an Morbus Alzheimer leitendes Gehirn auch nicht. Dennoch setzte er sich neben ihr hin und fing an zu erzählen. Er erzählte ihr von seinen Beruf, von seiner Noch-Ehe, von seinen Kindern und allgemein was in der Welt so geschah.

Irgendwann blickte er auf seine Uhr und entschied, dass es an der Zeit war, wieder nach Hause zu fahren. Doch als er sich erhob, griff Lisbeth ohne Vorwarnung nach seinen Arm und hielt ihn fest. Erstaunlicher weise brachte sie dazu viel Kraft auf, welche man ihr nicht mehr zugetraut hätte.

“Lass los Mutter.”, sagte er sanft. “Ich muss nach Haus.”

Doch seine Mutter wandte ihm nur den Kopf zu und starrte ihn aus trüben Augen an. Ihre Pupillen waren winzig klein und die braune Iris schien den ganzen Augapfel auszumachen. Zudem leckte sich die alte über die Lippe und schien so ganz gar nicht mehr Johns Mutter zu sein.

“Mutter?”, fragte er. “Was ist los?”

“Mein Versprechen.”, flüsterte die Alte.

“Welches Versprechen?”

“Ich muss mein Versprechen einlösen. Ich habe es Hilde versprochen.”

John schluckte. Hilde war einst die beste Freundin seiner Mutter gewesen, doch nachdem die eine der anderen den Freund ausgespannt hatte, waren sie erbitterte Feinde gewesen. Inzwischen war Hilde tot. Sie starb kurz nach Johns 13. Geburtstag, der immerhin schon eine Weile zurück lag.

Die Tatsache das Lisbeth ein uraltes Versprechen einlösen wollte, zeigte, dass sie dachte, das Hilde noch lebte. Und das wiederum hieß, dass das Alzheimer weiter voran geschritten war, als die Ärzte dachten. Bisher hatte sie sich zumindest noch an ihre Enkel erinnern können. Dachte sie nun, dass ihr Sohn immer noch ein Kind war und kein Erwachsener von 51 Jahren?

“Mutter, Hilde ist schon lange tot.”, sagte John bestimmt.

“Das weis ich doch du Nichtsnutz! Aber denkst du, dass das Versprechen auch tot ist?”

Jetzt war John doch neugierig. Um was für ein Versprechen handelte er sich? Warum war es seiner Mutter so dermaßen wichtig?

“Setz dich mein Junge. Warte noch, bis die Sonne untergeht.” Dann wandte sich Lisbeth wieder dem Fenster zu und rührte sich nicht mehr.

John tat indes verdutzt genau das, was seine Mutter von ihm wollte und wartete.

Es dauerte noch knapp anderthalb Stunden, bis die Sonne endlich vollkommen hinterm Horizont verschwunden war. Erst da lies Lisbeth den Arm ihres Sohnes los. “Geh jetzt.”, sagte sie nur.

John zwinkerte verwundert, verabschiedete sich aber, schnappte sich seine Jacke und verschwand nach draußen, wo er zu seinem Jeep ging. Seit ein paar Minuten regnete es nicht mehr und der Wind hatte auch nachgelassen. Dennoch war der Boden schlammig und so stellte sich John auf ein spätes Putzen seiner Schuhe ein. Seine Hose musste wohl auch in die Waschmaschine, aber das lies sich nicht ändern.

Leise vor sich hin pfeifend ging er zu seinen Auto und drehte sich nur noch einmal zum Haus seiner Mutter um.

Die Lichter waren alle aus, obwohl er sie angelassen hatte, nachdem er gegangen war. War seine Mutter kurz entschlossen ins Bett gegangen, während er aus dem Haus gegangen war?

Naja, was soll’s?

Seufzend schloss er die Tür seines Jeeps auf und setzte sich in das Auto. Nach kurzer Zeit brummte der Motor auf und er fuhr aus der Auffahrt, hinein in den Wald, der gut die Hälfte der Strecke ausmachte.

Um sich etwas abzulenken, schaltete John sein Radio an und zappte erst durch die Sender, bis er entschied, dass nichts Interessantes lief. Also schob er eine CD in den Player und wartete darauf, dass Rammstein ihn wach hielt.

Doch anscheinend hatte er die falsche CD erwischt, denn statt ‘Amerika’ lief nun E Nomine. Aber alles war besser als das, was im Radio lief.
 

>>Als die Götter des Abendlandes sesshaft wurden und ihre Reiche gründeten, verblasste allmählich der Glanz der alten Götter.<<
 

Seufzend drehte John das Radio lauter. Wenigstens war es einer dieser gescheiten Lieder.
 

>>Fortan regierte nur noch ein Gott.

Der Allmächtige… der Herr der Christen.<<
 

Der Tacho seines Jeeps wanderte unaufhaltsam höher. Erst bei 120 km/h blieb der Zeiger auf Ort und Stelle. John merkte nicht einmal, dass er zu schnell fuhr.
 

>>Doch während dieser eine Glaube unaufhaltsam die Herzen der Völker eroberte, brennte der Teufel sein Mal in das Fleisch der Ungläubigen.<<
 

Die Bäume rasten vorbei, während John starr auf die Straße vor ihm sah. Ab und zu war er sich den leuchtenden Punkten am Wegesrand bewusst und drückte mehrmals hintereinander auf die Hupe, um die Rehe und Hirsche zu verjagen.
 

>>Dies ist die Geschichte der Menschheit,<<
 

Es fing wieder an zu regnen, es blitzte und donnerte kurz hinter einander und John zuckte kurz zusammen. Während er sich über sich selbst ärgerte, klangen die letzten Töne des Eröffnungsliedes aus.
 

>>Gottes Beitrag und des Teufels Werk.<<
 

Kurz war nur das Rauschen des Windes und das Brummen des Motors zu hören, dann begann das nächste Lied anzuspielen.
 

>>Vater unser, der du bist im Himmel,

Geheiligt werde dein Name,

Dein Reich komme,

Dein Reich komme,

Dein Wille geschehe.
 

In Nomine patris et filii spiritu sancti<<
 

Leise begann John mit zu singen. Immerhin musste er als kleiner Junge das Vater unser auswendig lernen.
 

>>Vater unser, der du bist im Himmel,

Geheiligt werde dein Name,

Dein Reich komme,

Dein Wille geschehe,

Wie im Himmel als auch auf Erden,

Und vergib uns unsere Schuld,

Denn auch wir vergeben unseren Schuldigern,

Und führe uns nicht in Versuchung,

Sondern erlöse uns von dem Übel,

Denn dein ist das Reich,

Und die Kraft und die Herrlichkeit,

In Ewigkeit…

…Amen.<<
 

John rauschte um eine Kurve ohne langsamer zu werden.
 

>>In nomine patris et filii spiritu sancti<<
 

Die Lichtkegel fielen auf eine Gestalt mitten auf der Straße. Erschrocken trat John auf die Bremse. Die Reifen kreischten ohne dass sie auf dem nassen Asphalt Halt fanden. Der Jeep kam ins schlingern.
 

>>Vater unser der du bist im Himmel,

Geheiligt werde dein Name,

Dein Reich komme,

Dein Wille…<<
 

Die Zeit verlangsamte sich. Es schien fast, als hätte jemand die Sekunde auf die Länge einer Stunde verlängert. In seinen Schockzustand erkannte John, wie die Gestalt den Mund öffnete, wie gefährliche lange Zähne aufblitzten und blaugraue Augen funkelten.
 

>>Vater höre meine Stimme.

Herr höre meine Stimme!

Lasset uns beten.

In nomine patris et filii spiritu sancti

Der Herr… ist ein Schatten über deiner rechten Hand…

…amen.<<
 

John wollte nicht glauben was er sah, doch die Gestalt sprang af sein Auto zu. Geschockt wurde ihm die Größe der Bestie bewusst. Kurz fragte er sich, ob er einen tollwütigen Bären vor sich hatte. Doch aus irgendeinem Grund kam ihm die Tatsache ins Bewusstsein, dass der letzte Grizzly bereits vor über 150 Jahren in dieser Gegend gesichtet worden war.
 

>>Vater unser,

Dein ist das Reich,

Und die Kraft,

Und die Herrlichkeit,

In Ewigkeit…

...amen.<<
 

Dann trafen Tier und Auto auf einander. Durch den plötzlichen Aufprall wurde John nach vorn geschleudert und der Sicherheitsgurt spannte sich schmerzhaft über seinen Oberkörper.

Anschließend sah John in den wolkenbedeckten Nachthimmel. Regen fiel durch die zerbrochene Frontscheibe direkt auf ihn und die Ledergarnitur der Sitze. Dann erfolgte ein weiterer Aufprall. Die Welt begann sich zu drehen. Nach einem dritten Aufprall stand die Welt wieder still. Benohmen wie John war, wurde ihm die Gestalt bewusst, die auf einmal knurrend vor ihm auftauchte. Es schien zu schnüffeln und dann… schnellte sein Kopf nach vorn und seine Zähne gruben sich tief in Johns Brustkorb.

Unfähig zu schreien vernahm er die letzten Töne des Liedes, welches ironischer Weise noch immer aus dem Player sprudelte… oder war es nur noch schiere Einbildung?
 

>>Sempiternus testare

Sempiternus testare<<
 

Wenige Augenblicke später erwachte John. Zumindest glaubte er, dass nur wenige Augenblicke vergangen waren. Seine Zunge fühlte sich merkwürdig geschwollen und trocken an, zudem hatte er einen pelzigen Geschmack im Mund. Sein ganzer Körper schien weh zu tun und sein Kopf dröhnte, als ob er nach einem Saufgelage aufgewacht war. Zudem spürte er jede Faser seiner Muskeln. Hatte er während des Saufgelages Sport getrieben?

Stöhnend öffnete er die Augen und sah… vorerst gar nichts.

Wobei das nicht ganz stimmte. Er nahm eine rote Decke über sich wahr, doch schien sein Sichtfeld eingeschränkt zu sein, denn die rote Farbe wurde immer nebliger und dunkler, umso mehr sie sich vom Augenzentrum entfernte.

Noch dazu herrschte auf seinen Ohren ein unangenehmer Druck und ihm war leicht schwindlig und übel. Allerdings hatte er nicht das Gefühl, dass sein Magen sich bald entleeren würde. Ganz im Gegenteil. Sein Magen schrie gerade zu nach Essen.

Zögernd versuchte er den Kopf zu drehen, was zur Folge hatte, dass seine Kopfschmerzen schlimmer wurden, seine Umgebung zu drehen begann und die Übelkeit zunahm. Keine gute Idee.

“Du solltest dich noch nicht bewegen.”

Eine Stimme. Das was John da hörte war merkwürdig gedämpft, leise und leicht undeutlich, als würde die Stimme aus einem alten Radio kommen, dessen Empfänger schon vor langer Zeit hätte ausgetauscht werden müssen.

Ob die Stimme weiblicher oder männlicher Natur war, war nicht fest zu stellen.

“Wo bin ich?”, wollte er fragen. Doch statt der Worte kam ein seltsames Knurren aus seinen Mund. Was war nur los?

Die Stimme lachte. Dann schob sich ein Kopf in sein Gesichtfeld. Wenn man hier von einen Kopf sprechen konnte. Das… das Etwas stellte sich als eine Art Wolfskopf heraus, der gewisse menschliche Züge aufwies. “Schlafe noch etwas. Dann geht es dir bald besser.”

John sah, wie sich die lange Schnauze bewegte, allerdings kamen nur Knurr- und Belllaute hervor. Stimme und Laute schienen den gleichen Klang, den gleichen Ursprungsort zu haben. Die tierischen Laute schienen Bedeutung zu haben, eine Bedeutung der John unbewusst gewahr wurde. Mein Gott, was war nur los mit ihm?

Sein Blick verlor sich in die Augen eben jenen Wesens, das über ihn stand. Die Augen schrieen ihn fast an zu schlafen. Die pelzigen Ohren des Wesen legten sich an und es zog die Lefzen hoch. Es grinste ihn spöttisch an, wurde sich John plötzlich bewusst.

Dann kam eine riesige Klauenhand in sein Gesichtsfeld, verschwand wieder und dann spürte er, wie eben jene über seinen Kopf strich. Er spürte, wie die Klauenhand über etwas fuhr, was eindeutig zu ihm gehörte, aber nicht hätte sein dürfen.

Mehr aus Instinkt und Reflex legte sich jenes merkwürdige Etwas an seinem Körper an. Er knurrte aus Verwirrung und gleich nochmals, weil es ihn verwirrte, dass er knurrte. Wieder zeigte die Gestalt über ihn sein spöttisch Grinsen, doch dann wurde es… mütterlicher.

“Schlaf.”, sagte es leise winselnd.

Und während John wieder in einen traumlosen Schlaf fiel, wurde ihn in seinen noch wachen Zustand die Schnauze bewusst, die direkt aus seinen Gesicht hervorragte.

Was war nur geschehen?

Dann verschwanden die Gedanken und John schlief.



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