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Die letzte Schlacht von Avrynn Orloch

Denn nur Liebe hat Macht über den Tod...
von

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Ein Rowdy namens Uriel

Am nächsten Abend, kurz nach Sonnenuntergang, erwachte Emilia und rieb sich die Augen. Noch bevor sie einen klaren Gedanken fassen konnte wusste sie, dass sich etwas geändert hatte. Eine seltsame Spannung lag in der Luft.

Sie stieg aus dem Bett, wickelte sich in ihren Morgenmantel (wohl eher Abendmantel) und fing an, sich vor dem großen Spiegel die Haare zu kämmen. Sie waren seit ihrer Ankunft etwas gewachsen, nicht viel, aber sie reichten ihr bis auf die Schultern. Aus den kurzen Fransen waren große Locken geworden, warum auch immer.

Als sich der Kamm zum vierten Mal verhakte, gab sie seufzend auf und schlüpfte in ein Hemd aus roter Baumwolle. Sie fand keine passende Hose und trug deswegen ihre alte Cordhose dazu.

Die Haare strich sie notdürftig zurück und band sie mit einem Chiffonband zusammen. Gar nicht so schlecht, fand Mia.

Gerade, als sie die Hand nach der Klinke ausstreckte, durchfuhr sie ein seltsames Prickeln. Was war das?

Sie entschloss sich, es besser nicht zu beachten und knotete ihren Umhang zu.

Auf dem Weg in den Schlosshof pfiff sie eine Melodie vor sich hin, um Langeweile rauszuhängen. Louis war (wie immer) nicht zu sehen. Emilia setzte sich auf den Brunnenrand im Schlosshof und ließ die Füße baumeln. Der Brunnen war offen. Sie nahm einen etwa faustgroßen Stein und spielte mit ihm. Er war schön, seltsam bläuliche Adern durchzogen seine grüne Fassade. Sie beachtete es aber kaum und ließ ihn in den Schacht fallen. Wie tief er wohl war?

Sie lauschte, aber hörte keinen Aufschlag. Vielleicht war der Boden schon so vermoost…

Die laue Abendluft strich ihr durchs Haar und bauschte ihren Umhang auf. Sie konnte die gegenüberliegende Kuppe des Schurwaldes sehen. Unten schlängelte sich silberblau der Neckar. Emilia wünschte sich, noch einmal bei Sonnenlicht an seinen Ufern zu laufen, noch einmal mit ihren Freunden dort baden zu gehen.

Sie seufzte melancholisch. Wo würde sie heute ihr Essen finden? Die kleine Fachwerkstadt am Fuße des Berges war ein verschlafenes Nest, niemand würde sich nach Mitternacht draußen aufhalten und vor Mitternacht war es zu gefährlich, ein Opfer zu jagen.

Mia holte ihren Dolch aus einer Umhangfalte. Er glänzte silbern mit einem schwarzen Edelstein am Heft. Louis hatte ihn ihr geschenkt, zur schnellen Verteidigung. Gegen Vampirjäger konnte er nicht viel ausrichten, aber aufgebrachte Dorfbewohner hielt er mit vergifteter Klinge auf Abstand. Er lag ihr gut in der rechten Hand – stets griffbereit bei Gefahr. Sie schwang sich vom Brunnenrand und tat so, als wolle sie jemanden hinterrücks erdolchen.

Die Waffe in der Hand schlich sie an die Ecke der alten Stallungen. Sie drückte sich an den kühlen Stein und stellte sich vor, dass ihr Opfer nichts ahnend auf der anderen Seite stünde – ihr den Rücken zugewandt und unbewaffnet. Emilia hob den Dolch, fasste ihn noch fester, setzte den rechten Fuß langsam vor den Linken –
 

Sie spürte einen ruckartigen Schmerz an ihrer Schulter, jemand hatte ihr den Arm grob gepackt und nach hinten gerissen. Bevor sie vor Schmerz schreien konnte, legte sich eine schlanke Hand über ihren Mund und drückte fest zu. Sie konnte nicht einmal den Kiefer bewegen um zu beißen.

Eine schier übernatürliche Kraft drehte sie um ihre eigene Achse und warf sie – am ganzen Körper gefesselt – zu Boden. Heftig stöhnend wand sie sich hin und her, doch was auch immer sie umschlungen hatte war zu fest geschnürt.

Als sie ihre Augen öffnete, musste sie sie sofort wieder zukneifen. Ihr Angreifer strahlte ein seltsam mattes Licht aus, seine blonden, über hüftlangen Haare waren fast schlampig zusammengebunden. Einzelne Strähnen fielen ihm ins Gesicht, das, nebenbei bemerkt, das eines Engels sein musste.

Der Fremde beugte sich über sie.

„Einen netten Fang habe ich de gemacht. Wer bist du?“ Seine Stimme klang wie Glocken in ihren Ohren, so schön und kalt war sie.

„Kannst du nicht mehr sprechen?“ Ein ironischer Unterton schwang in dieser unglaublich schönen Stimme mit.

„Ngh…rg…“ Emilia stöhnte auf. Ihre Schulter trieb sie in den Wahnsinn.

„Ich kann dich auch gleich töten, aber ich wüsste gerne, mit welchem Assassinen ich die Ehre habe.“

„Ich bin… kein… Assassssss…“

„Nein, das sagen sie alle.“ Er war jetzt so dicht bei ihr, dass sein blondes Haar über ihren Körper fiel.

„Jetzt sag schon… ich kann sonst sehr unangenehm werden.“

„Mia…“

„Mia? Und weiter?“

„Ich wüsste nicht… was dich das… angeht… Dreckskerl!“

Seine Finger streiften ihr Gesicht.

„Mir wäre nicht bekannt, dass du dich in der Lage befindest, andere zu beleidigen…“

Er wickelte sanft eine ihrer Haarsträhnen um seinen Finger und zog daran. Schließlich fuhr seine ganze Hand in ihr Haar und riss ihren Kopf ruckartig zur Seite.

„Was willst du mit dem Dolche, sprich!“

„Entgegnet finster… der Wüterich.“ Presste Mia zwischen den Zähnen hervor.

„Ah… haha.“ Der andere verzog sein Gesicht zu einem Lachen.

„Kannst du noch mehr?“ Seine stimme zitterte metallisch vor Sarkasmus.

„Zu Dyonis, dem Tyrannen… schlich Damon, den Dolch im Gewande, doch die Häscher… schlugen ihn in Bande.“

„Haha… sehr gut. Ich sehe, wir teilen die gleichen Vorlieben.“

„Lass mich los!“

„Oh nein. Du hast zwar keinen Dolch mehr, aber ein Assassine kann auf viele Weisen töten. Ich würde meine Seele gerne noch ein bisschen behalten, wenn du nichts dagegen hast.“ Ein kühles Lächeln umspielte seine schmalen Lippen.

„Verdammt, was soll das ganze Theater? Wer bist du? Kommst hierher und greifst wahllos Menschen an.“

„Menschen? Nein… nein, du bist kein Mensch.“

„Wer, zum Teufel, bist du?!“

„Das geht dich nichts an.“

„Doch, mein Freund.“ Emilia versuchte vergebens, die Fesseln abzuschütteln.

„Niemanden, den du beachten solltest, wenn dir dein Leben lieb ist.“

„Dann mach mich los und lass mich gehen.“

Der Fremde stand auf und musterte sie mit abschätzigem Blick.

„Mit Nummer eins bin ich einverstanden, Nummer zwei: wir gehen zusammen.“ Auf seinen Wink hin lösten sich die Fesseln und Emilia entspannte sich.

„Du hast mir die Schulter ausgekugelt, du Idiot!“ Sie versuchte aufzustehen, doch ihre beiden Arme versagten den Dienst und sie fiel mit einem erstickten Schrei auf die Knie.

„Muss ich dir helfen, oder schaffst du es heute noch?“ Er stand wartend über ihr, streckte eine Hand nach ihr aus.

Sie funkelte ihn wütend an. „Lass mich!“ Wieder versuchte sie sich abzustützen, wieder brach sie zusammen.

„Komm, lass dir doch helfen.“ Sie fasste die Hand widerstrebend und er zog sie so mühelos hoch, dass es sie fast von den Füßen hob.

„Sagt man bei euch zu Hause nicht danke?“ Er hob eine Augenbraue und grinste schief.

„Danke… Arschloch!“ Kaum dass Mia die Beleidigung ausgesprochen hatte, rannte sie um ihr Leben. Sie kam nicht wirklich weit, denn der Unbekannte zerrte sie an ihrem Mantel unsanft zurück. Seine Arme legten sich um ihren Körper und sie spürte seine menschliche Wärme.

„Hör zu, Mia wer auch immer. Ich hab keine Zeit für dumme kleine Vampire, die sich etwas auf ihre coolen Sprüche einbilden. Wenn du weiterleben willst, dann lass so was. Meine Geduld ist nicht grenzenlos.“ Zischte er so nah an ihrem Ohr, dass sie vor Scham die Augen schloss.

„Warum lässt du mich nicht einfach gehen? Ich tu doch nichts!“

„Das wird sich zeigen. Ab jetzt halte ich dich wohl besser fest.“ Er zog ihre beiden Arme auf den Rücken und wieder spürte sie, wie die Fesseln sie aus dem Nichts ins Fleisch schnitten.

„Vorwärts, ich hab nicht ewig Zeit.“ Er gab ihr einen Stoß in den Rücken und trieb sie so vor sich her bis zum Schlossportal.

„Ich bin hier Zuhause, du Idiot. Seit wann behandelt man so die Bewohner seiner Unterkunft?“

„Louis hat mir nichts von dir erzählt, und deswegen bist du mir bis zu dem Zeitpunkt suspekt, an dem er deine Aussage bestätigt.“

„Ich schwöre es dir: er wird nicht sehr erfreut sein, wenn er dich so sieht.“ Emilia kochte vor Wut.

„Er wird generell nicht sehr erfreut sein mich zu sehen. Wer sieht mich schon gerne? Ich überbringe nur schlechte Nachrichten.“

Sie waren in der Schlosshalle angekommen.

„Der Salon befindet sich links.“ Emilia hätte ihn sehr gerne reingelegt (links ging es in die Folterkammer, die unterirdisch lag), aber er zog sie in eine andere Richtung.

„Mein Fräulein, ich kenne dieses Schloss wie meine Westentasche, schließlich wurde ich hier geboren. Also, hör auf mich zu verschaukeln und komm mit.“

Er schwang die Türen zum Salon auf und schleuderte sie in einen Stuhl. Er selbst blieb stehen und besah sich die Bilder an der Wand.

Mia keuchte. Der Mann war eine eiskalte Schönheit. Sie erinnerte sich an eine Mangaserie, die sie gerne gelesen hatte. Angel Sanctuary hieß sie. Der Mann sah aus wie Rosiel, mit den langen Haaren und dem Engelsgesicht. Natürlich konnte es kein Engel sein… wie auch.
 

Die Fesseln lösten sich allmählich und Mia rutschte unruhig auf dem Sessel hin und her.

„Sagst du mir jetzt, wie du heißt?“ Der Mann sah sie mit großen Augen an.

„Willst du das wirklich wissen?“

„Würde ich sonst fragen?“

„Okay, schon gut…“ Er hob abwehrend die Hände und setzte sich in den Sessel ihr gegenüber.

„Ich bin ein Sohn der Crescenta della Brogia. Uriel.“ Er sah sie nicht an.

„Der Name sagt mir was…“ Antwortete Emilia.

„Uriel…Uriel… Uriel war doch einer der Erzengel?“

„Ja, der Bruder von Lucifel, Raphael, Gabriel und Michael.“

„Lucifel? Ich kenn nur Lucifer.“

„Lucifel war Gottes liebster Engel. Leider hat er sich der schwarzen Magie verschrieben, einer verbotenen Liebe wegen. Er ist ein gefallener Engel und änderte daraufhin seinen Namen in Lucifer. Das –el am Ende des Namens bedeutet >strahlend<.“

„Wie kommst du zu einem solchen Namen?“ Mias Interesse war geweckt.

„Du bist doch nicht etwa…“

„Nein. Meine Mutter war eine uneheliche Tochter des römischen Papstes. Borgia ist ja ein Name, der heute noch in Geschichtsbüchern auftaucht. Wie auch immer. Uriel, der Todesengel, auch der schwarze Engel genannt, sah meine Mutter, wie sie als junges Mädchen mit einem mächtigen, alten Fürsten verlobt werden sollte. Er erschien ihr in Menschengestalt und hatte sich in den Kopf gesetzt, sie zu bewahren vor der Ehe.

Damals war so eine Heirat nicht ungewöhnlich, aber er hatte sie schon als kleines Mädchen als ihr Schutzengel begleitet und sich in sie verliebt.“

„Der Todesengel hat sich in deine Mutter verliebt?“ Mia lächelte ihn an.

„Ja, hat er.“

„Das ist ja Wahnsinn. War er schön?“

„Ja. Seine Haare waren schwarz, seine Flügel waren schwarz und seine Augen glänzten wie Obsidian. Als er das erste Mal meiner Mutter begegnete, verliebte sie sich in ihn und wollte nur noch ihn heiraten. Als Uriel das merkte, steckte er schon mitten in der Klemme. Er traf meine Mutter immer öfter und gestand ihr schließlich sein Geheimnis. Zu diesem Zeitpunkt war sie leider schon schwanger – von ihm.“

„Dann bist du also…“

„Ja… der Sohn eines Erzengels… wohl oder übel.“

„Was hat er daraufhin getan?“

„Er konnte sie wie gesagt nicht heiraten. Also fasste er seinen ganzen Mut und bot ihr an, sie zu töten, damit sie immer bei ihm bleiben konnte. Meine Mutter bat sich drei Tage Bedenkzeit aus, die er ihr auch gewährte. Als er am dritten Tage wiederkam, schritt sie als Braut aus der Kirche. Der große Krieg war ausgebrochen und ihr zukünftiger Gatte musste mitkämpfen. Also hatte man sie schnell mit ihm verheiratet.“ Uriels Stimme verlor sich.

„Das tut mir so leid…“ Mia standen Tränen in den Augen.

„Sie lebte am Hof ihres Mannes, wo mein Vater sie fast jeden Tag besuchte. Sie wusste keinen Ausweg mehr, denn es war klar, dass das Kind dem Grafen nicht ähneln würde und er sie sicher verstoßen würde. Meine Mutter trug also das Kind, das ihr so viele Sorgen machte, aus. Als ich zur Welt kam war der Graf gerade heimgekehrt. Allerdings waren meine Eltern nicht vorsichtig genug gewesen mit ihren Schäferstündchen. Ein Bediensteter hatte alles gesehen und seinem Herrn gemeldet.

Um mich wenigstens zu retten täuschten sie eine Totgeburt vor. Sobald ich zur Welt gekommen war, wickelte mein Vater mich in ein großes Tuch und trug mich weit fort, ich weiß nicht einmal mehr, wohin. Meine Mutter wurde wie sie vorhergesehen hatte von ihrem Mann verstoßen. Ihr Schwager erfüllte den Wunsch seines Bruders und passte sie auf dem Weg in die Stadt ab. Mitten auf der Straße hat er sie umgebracht. Einfach so. Er hat ihr ein Schwert durch den Rücken gerammt. Sie hat aber gelächelt, als sie gestorben ist. Denn – was niemand sehen konnte – mein Vater hat sie in den Arm genommen und sie mit sich davongetragen.“

Mia konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten.

„Das ist so verdammt traurig… entschuldige bitte.“ Schluchzte sie und zog kräftig die Nase hoch.

„Ich weiß… sie sind irgendwo da oben und sehen mich.“

„Meine Mutter ist auch tot. Ich denke immer, dass sie mich von da oben beobachtet. Leider werde ich sie nie wieder sehen.“

„Meinst du?“

„Vampire kommen nicht ins Paradies, Uriel. Wir müssen ewig auf der Erde wandeln, verflucht und untot. Der einzige Platz, der uns aufnimmt, ist die Schattenwelt.“

„Für jede Seele gibt es Erlösung.“ Uriel stand auf und ging auf Mia zu. Sie hatte die Hände um die Knie geschlungen und legte ihr Gesicht darauf.

„Das Paradies ist nur für die offen, die glauben, Mia.“

„Ich glaube ja daran…“

„Jede Seele hat die Chance, ihren Frieden zu finden. Du bist unschuldig an deinem Schicksal. Warum sollte Gott dich ausschließen?“

„Glaubst du an Gott, Uriel? So richtig, meine ich?“

„Sicher. Egal was ich tue – ich weiß immer, dass ich dort hinaufgehen kann. Nur wenige verdienen die Hölle. Der Rest kommt in den Himmel. Jeder muss sterben. Auch Vampire müssen das irgendwann.“

„Was bist du, Uriel?“

„Ein Mischling. Zu lebendig für den Himmel, zu tot für die Erde. Ich warte, bis mein Auftrag erfüllt ist und mein Vater mich ruft.“

„Welcher Auftrag?“ Mia wischte sich die Augen.

„Du bist zu neugierig, das tut nicht unbedingt gut.“ Seine schöne Stimme verlor ihren sanften Klang und ging zurück ins Kalte.

„Verzeih…“

„Schon gut.“ Alle Vertrautheit war von ihm gewichen, er war wieder der arrogante Schnösel von vorhin.

„Wie alt bist du?“ Fragte Mia zaghaft

„Siebnhundertundzwölf, wieso?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2007-03-16T15:35:13+00:00 16.03.2007 16:35
jaaaaaaa soooooo geil *O*
whaaaaaaaaa ich freu mich scho aufs nächste kapiiiiiiiii sooooooo geil *.*
*umher hüpf*

*umknuddel* einen schönen gruß zurück ^o^
Von: abgemeldet
2007-03-16T11:42:03+00:00 16.03.2007 12:42
*jipie* endlich hab ich die beiden kapis hochgeladen ^^ war n schönes stück arbeit, aber ich habs geschafft. Uriel war eigentlich weniger eingeplant, seine Lebensgeschichte schon gar nicht. Ich hoffe, es gefällt euch trotzdem!

Einen lieben Gruß an Mausi =)


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