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Drachenherz und Sternenauge

von

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Überraschungen

Überraschungen
 

Die Träger der Sänfte des Lektors mussten sich durch die Massen kämpfen und auch die Leibwachen waren machtlos gegen die neugierige Menge. So konnte niemand verhindern, dass ein Mädchen seine Hand durch die Vorhänge streckte. Eine kleine Schriftrolle aus feinem Pergament blieb auf dem Schoß des Sprechers Gottes zurück und eine leise Stimme flüsterte in der alten Sprache der Alben von ihr, die Alwin so liebte.

Schnell zog der Lektor die schweren Samtvorhänge beiseite, doch Geschrei und fragend aufgebrachte Blicke flogen ihm entgegen. Alwin ließ den Stoff wieder fallen. Seine Hand hatte sich um das Röllchen gekrampft. Er würde es erst im Palast öffnen, wenn er allein in seinen Gemächern war und Ruhe mehr war als gedämpfter Lärm.
 

Khay war der Sänfte gefolgt. Auch er hatte viele Fragen und wollte alles mitbekommen, was in der Nähe des Lektors geschah. Geschickt schlängelte er sich durch eine Gruppe Handwerker, die sich reckte, um einen Blick auf den Kirchenführer zu erhaschen.

Der Junge war gerade ein paar Schritte hinter der Sänfte, als er einen Schatten davon huschen sah. Dann wurden die schweren Vorhänge der Trage zur Seite gezogen und Khay konnte für einen kurzen Augenblick den jungen Lektor sehen. Der Lärm wurde sofort unerträglich aber Khay hatte nun nur noch Gedanken für den Schatten. Er schlängelte sich durch die Masse, reckte den Kopf über die der anderen Menschen. Der Schatten war schnell, Khay hatte Mühe ihm zu folgen. Doch irgendwie gelang es ihm, den Schatten einzuholen. Er fast das Handgelenk der Person und sah verwundert in das Gesicht eines Mädchens, das ungefähr in seinem Alter war. Sie sah ihn mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen an, den er nicht deuten konnte, aber Angst war nicht darin.

Wie gebannt starrte Khay in die eisblauen Augen des Mädchens. Ihr Gesicht war grazil und fein, ihre Haare schwarz. In sachten Wellen flossen sie über ihre schmalen Schultern. Sein Griff um ihr Handgelenk lockerte sich. Das nutzte sie sofort. Sie riss sich los und verschwand wieder in der Menge. Khay sah ihr einige Herzschläge lang nach, bevor er ihr wieder folgte. Noch nie hatte er solch ein Mädchen gesehen. In dem alten Lagerschuppen waren ab und zu auch Mädchen gewesen, doch diese waren mager und hatten zerzauste Haare, in denen sich die Läuse nur so wimmelten. Dieses Mädchen aber war anders. Sie war schlank, ohne mager zu sein, ihre Haare glänzten und ihre Haut war leicht gebräunt. Sie konnte also keine Dame aus hohem Haus sein. Ihre Kleidung war sauber und ordentlich, aber ohne jeden Schmuck.

Khay reckte noch einmal den Kopf über die Menge und sah sie gerade, als sie sich aus der Masse hinaus zwängte. Schnell folgte er ihr.

Als Khay sich zwischen zwei hünenhaften Männern hindurch drängte, war das Mädchen schon ein ganzes Stück die Straße hinauf zum Herrenviertel geeilt. Der Junge folgte ihr mit schnellen Schritten.

„Warte!“, rief er ihr nach.

Sie drehte sich kurz um und lief dann schneller. Warum floh sie vor ihm. Er wollte ihr doch nichts tun.

„Warte doch!“
 

Alwin war endlich der Menge entkommen und wurde nun durch die stille Stadt getragen. Er starrte auf das kleine Pergamentröllchen. Was wohl darin stand? Der verborgene Bote hatte von ihr gesprochen, von ihr, die vor Jahren starb. Aber wie konnte jemand davon wissen? Nie hatte jemand von seiner Liebe erfahren. Auf dem Wachs erkannte er das Siegel, das sie ihm einst geschenkt hatte. Er hatte eines und sie das andere. Wer hatte ihr so nahe gestanden, dass er ihr Siegel in die Hände bekommen hat?

Bald erreichten sie den Palast des Lektors, der auf einem Hügel über der Stadt thronte. Hohe Mauern schützen ihn vor Feinden, die es nicht gab oder die niemals hierher, auf eine Insel mitten im großen See, gelangen würden. Der riesige Gebäudekomplex, der eine eigene Stadt war, war das Zentrum des Herrenviertels, wo die Adligen des Landes alle eine Residenz hatten, denn es war Brauch, dass sie einen Monat im Jahr in der Hauptstadt verbrachten und wer wollte da schon Gast in einem fremden Haus sein?

Alwin mochte die schlichten, weißen Häuser, die den Palast bildeten. Nur wenige hatten mehr als drei Stockwerke. Die Fenster waren groß und mit bunten Glasbildern versehen.

Vor dem Hauptgebäude, in dem sich auch seine Gemächer befanden, stieg er aus der Sänfte und wurde sofort von einigen seiner Berater empfangen. Sie redet auf ihn ein, doch er hörte nicht zu. Er betrat die pompöse Eingangshalle, die nichts mehr von der Schlichtheit der Fassaden hatte. Die hohe Decke wurde von aufwändig verzierten Säulen gestützt. Der Boden war ein Mosaik aus roten, gelben und orange Steinen. Eine breite Treppe führte in die oberen Etagen. Der Lektor erklomm die von Teppichen bedeckten Stufen. Er wollte in seine Gemächer. In Ruhe und Einsamkeit wollte er die Nachricht lesen, die in seiner Hand ruhte.

In seinen Gemächern warteten einige Diener, er schickte sie fort. Seine purpurne Robe landete auf dem Boden und er setzte sich an seinen Schreibtisch. Mit zitternden Fingern brach er das Siegel und entrollte das Pergament.
 

Sanna drehte sich um. Da war er wieder, der Junge, der sie vorhin in der Menge aufgehalten hatte. Was wollte er nur von ihr? Er war groß und dürr, sah aus wie ein Straßenjunge. Seine Haut war braungebrannt, seine Haare dunkel aber nicht schwarz und etwas gelockt. Seine Augen hatten die Wachsamkeit, die ein Leben auf der Straße verlieh, das erkannte Sanna, doch war da auch etwas, das sie nicht recht beschreiben konnte, etwas fremdes, ähnlich wie in den Augen ihrer Herrin.

Atemlos kam der Junge auf sie zu gerannt. Was sollte sie tun? Wenn er gesehen hatte, wie sie dem Lektor die Nachricht überbracht hatte, musste sie ihn mitnehmen, denn niemand außerhalb des Hauses der Herrin Sternenauge sollte davon wissen, mit Ausnahme des Lektors.

„Wer bist du und warum folgst du mir?“, fragte sie mit scharfen Unterton.

Er blieb keuchend vor ihr stehen, stützte die Hände auf die Knie und sah zu ihr auf. Wieder starrte er in ihre Augen, das war ihr unangenehm.

„Wer bist du?“, fauchte sie.

„Mein Name ist Khay.“, keuchte er zwischen zwei tiefen Atemzügen.

Sanna sah ihn verblüfft an. Khay, diesen Namen hatte sie schon einmal gehört, von ihrer Herrin.

„Was willst du von mir?“

„Du… du bist mir aufgefallen… ich weiß nicht warum.“

Er senkte den Kopf, um kurz darauf wieder in ihre Augen zu sehen. Khay. Der Name war ihrer Herrin wichtig gewesen. Sollte sie ihn mitnehmen? Zum Haus der Herrin Sternenauge?

„Wie ist dein Name?“, fragte der Junge namens Khay.

„Sanna.“

Er lächelte und sagte: „Freut mich dich kennen zu lernen, Sanna.“

Sanna verdrehte die Augen. Dabei bemerkte sie, dass die Sänfte des Lektors nahte. Schnell griff sie Khays Hand und zog ihn in eine Gasse.

Während des Rennens rief sie ihm zu: „Ich werde dich mit zu meiner Herrin nehmen, der Herrin Sternenauge.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Ea
2007-07-04T18:09:49+00:00 04.07.2007 20:09
endlich gehts hier mal weiter, ich hab mich schon gewundert :)
sehr schönes kapitel, das lässt so richtig spannung aufkommen
auch gut finde ich, dass du verschiedene ansichten gemacht hast und diese noch extra gekennzeichnet :)
freu mich schon aufs nächste :)


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