Zum Inhalt der Seite

Leave this world behind

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Die Zuflucht

Alvaros grollende Stimme konnte man nahezu in der gesamten Burg hören. „Was ist bloß in dich gefahren? Denkst du denn niemals nach?“, herrschte er Carelia an. Strähnen seiner dunkelgrünen Haare fielen ihm ins Gesicht und immer wieder warf er sie ungeduldig zurück.

Trotz dieser Strafpredigt war Carelia alles andere als kleinlaut. „Was hätte ich sonst tun sollen?“, fragte sie stur zurück.

„Du musst dich nicht in alles einmischen. Wenn jemand herausfindet, dass wir hier leben ist alles aus. Das musst du doch begreifen?! Das ist unsere einzige Zuflucht.“

„Genau deswegen ja...“, sagte Carelia, plötzlich ganz leise. „Ich kann niemanden seinem Schicksal überlassen. Wir können das nicht.“

Darauf wusste Alvaro keine Antwort. Er ließ die Schultern hängen und musterte Carelia streng, die ihn aus traurigen, saphirblauen Augen ansah. „Ist ja gut!“, gab er sich schließlich geschlagen. „Aber hör auf mich mit diesem Hundeblick anzusehen!“

Carelia verkniff sich ein Schmunzeln. Sie wusste genau, dass auf Alvaro die Redensart „harte Schale, weicher Kern“ zutraf. Dabei hätte sie einen Dämon, wie ihn eigentlich fürchten müssen...
 

Im Nebenraum hatte sich Remi unter einen Tisch geflüchtet. Der lautstarke Streit hatte ihn sosehr erschreckt, dass er nun zitternd unter dem Tischtuch hervorlinste. Sein Blick war starr auf die Tür gerichtet und als jemand die eisenbeschlagene Türklinke nach unten drückte, legte er argwöhnisch die Ohren an.

Carelia runzelte die Stirn. „Was tust du da?“

„Dieser Mann... er ist gefährlich“, erwiderte Remi.

„Alvaro?“

Darauf gab Remi keine Antwort, sondern fuhr mit Anschuldigungen fort. „Du hast etwas von Schutz gesagt und jetzt muss ich feststellen, dass er hier noch viel gefährlicher ist“, fauchte er erzürnt. „Ich glaube dir kein Wort mehr!“

Die Vorwürfe trafen Carelia, wie ein Schlag. „Alvaro tut niemandem etwas, also rede nicht schlecht von ihm“, verteidigte sie ihren Freund.

„Ich rede, wie ich will!“, meinte Remi bockig. Wut überwog in diesem Moment die Angst. „Außerdem wäre ich ohne dich niemals in diesen Schlamassel geraten.“

Das kastanienbraune Haar verdeckte einen Teil von Carelias Gesicht, sodass man ihren Blick nicht erkennen konnte. „Denkst du wirklich so?“, fragte sie ruhig und beherrscht.

„Ja!“

Ohne ein weiteres Wort verließ Carelia das Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Zum ersten mal, seit dem Besuch im Dorf kamen Zweifel bei ihr auf. War sie vielleicht zu selbstgefällig gewesen? Zu naiv? Zu gutmütig? Sie wusste keine Antwort darauf.
 

Remi saß still auf dem steinernen Fußboden und legte die Arme um seine Knie. Die Anklagen dienten dem reinen Selbstschutz, doch fühlte er sich keinen Deut besser, als zuvor. Er zitterte am ganzen Körper, fühlte sie mit einem mal sehr einsam.

„Verdammt...“ Eine einzelne Träne lief über seine Wange, ehe er das Gesicht in den Händen vergrub.
 

„Es scheint nicht so gelaufen zu sein, wie du es dir vorgestellt hast, nicht wahr?“, fragte Camus, als Carelia die Küche betrat. Grübelnd tippte er mit den Fingerkuppen gegen den Tonkrug, der vor ihm auf dem Tisch stand.

Carelia kniete vor dem Ofen nieder und legte langsam ein wenig Holz nach, wobei sie nahezu reglos ins Feuer schaute, welches groteske Schatten in den Raum warf. „Du hast recht“, seufzte sie. „So war das wirklich nicht geplant. Es tut mir leid.“

„Es sollte dir aber nicht leid tun. Ich würde es lieber sehen, wenn du hinter deiner Entscheidung stehst.“

„Selbst, wenn ich damit unser Schicksal besiegelt haben sollte?“

„Selbst dann.“ Camus hatte keine Sekunde mit dieser Erwiderung gezögert.

Carelia setzte sich ihm gegenüber auf eine Holzbank. „Bist du in deinem Leben jemals einem Katzenmenschen begegnet?“

„Eine ähnliche Frage hast du mir schon einmal gestellt. Damals betraf sie Alvaro.“ Camus hielt kurz inne, bevor er weitersprach. „Aber... ja, ich bin schon vielen Lebewesen begegnet und auch Katzenmenschen waren darunter.“

Carelia umklammerte den Becher Tee, den er ihr zugeschoben hatte.

Camus konnte ihre Gedanken bereits erraten. „Du erkennst dich selbst in diesem Jungen wieder.“ Das war keine Frage, sondern eine sachliche Feststellung. Er erinnerte sich noch genau daran, wie feindselig Carelia bei ihrer ersten Begegnung gewesen war.

Die Braunhaarige nickte.

„Dann hast du erkannt, wofür ich Jahrzehnte gebraucht habe“, sagte Camus lächelnd.

Verständnislos blickte Carelia ihn an, bekam aber nur ein Kopfschütteln als Antwort.
 

Wenig später gesellte sich auch Alvaro zu ihnen. „Der Raum, in dem das Bürschchen sitzt, ist nicht beheizt. Er wird sich erkälten“, meinte er ohne Umschweife an Carelia gewandt. „Du hast ihn hergebracht, also kümmere dich um ihn.“

Seine streng formulierten Worte hielte Carelia von Widerworten ab und so kehrte sie mit gemischten Gefühlen zu Remi zurück.
 

„So folgsam ist sie äußerst selten. Du kannst stolz auf dich sein, Alvaro“, lachte Camus.

Alvaro schnaubte. „Wenn sie das öfter tun würde, müssten wir nicht immerzu streiten.“

Camus konnte man so leicht nichts vormachen. „Du hast sie viel zu gern, als dass du jemals ernsthaft böse auf sie sein könntest.“

„Man hätte einem Dummschwätzer, wie dir schon vor Jahren die Zunge herausschneiden sollen“, entgegnete Alvaro nüchtern, ohne jegliche Aggression.

„Also lag ich vollkommen richtig“ Camus’ Augen blitzten belustigt auf.
 

Unschlüssig stand Carelia auf dem Gang. Sie war sich nicht sicher, ob sie schon wieder als Zielscheibe für Remis schlechte Laune dienen wollte. Allerdings erwiesen sich diese Befürchtungen als überflüssig, denn sie fand den Katzenmenschen unter dem Tisch schlafend vor. Seine Kraft hatte ihn verlassen und auf diese Weise wirkte er eigentlich ganz friedlich.

So leise, wie nur irgend möglich entzündete Carelia das Feuer im Kamin und legte eine Decke über Remi, der sich inzwischen zusammengerollt hatte.

Sie nutzte diese erste reelle Chance, um ihn etwas näher zu begutachten. Remi war dünn, aber nicht abgemagert. Seine Statur wies darauf hin, dass er ziemlich wendig und geschickt sein musste. Das Kopfhaar war dunkler und grenzte sich somit von dem restlichen Fell ab, das seinen Körper bedeckte.

Sie zupfte die Decke ein wenig zurecht und berührte dabei flüchtig das Fell, welches im Lichtschein wie Gold glänzte.

Weich, dachte sie lächelnd.
 

Als Remi am darauffolgenden Tag erwachte, war die Mittagsstunde bereits weit überschritten. Orientierungssuchend blickte er in dem Raum umher, bis ihm wieder einfiel, wo er sich befand.

Etwas wackelig kam er auf die Beine. Zum ersten mal nahm er seine Umgebung bewusst war. Er inspizierte das Zimmer mit einer ähnlichen Neugier, wie auch Carelia sie an den Tag legte.

Die Kammer war nicht übermäßig groß, aber sie besaß dennoch einen Kamin zum Heizen. Die Regale waren bis zum Bersten mit Büchern und alten Schriftrollen gefüllt. Eine davon zog Remi hervor, konnte damit allerdings nicht viel anfangen, da sie in einer – ihm unbekannten – Sprache verfasst. Seufzend legte er das Schriftstück an seinen rechtmäßigen Platz zurück. Er strich langsam mit den Fingerkuppen über das dunkle Holz und stellte überrascht fest, dass offenbar jemand penibel genau Staub gewischt hatte. Eine Tür zwischen zwei Regalen erweckte die Aufmerksamkeit des Katzenmenschen. Auf leisen Sohlen schlich er über den kalten Fußboden und linste durch den Spalt des Durchgangs. Dahinter befand sich ein weiteres, helleres Zimmer.

Eine Bewegung ließ Remi zusammenzucken und als er Carelia letztendlich erkannte, machte er einen Schritt zurück.

Jetzt spioniere ich schon in den Schlafgemächern fremder Leute, wurde ihm schlagartig bewusst.

Zu seinem Glück schlief Carelia noch tief und fest, weswegen sie ihn nicht bemerken konnte. Stattdessen kuschelte sie sich in aller Seelenruhe in ihre Bettdecke.

Etwas mutiger geworden, trat Remi näher und ging im Halbkreis um das Bett, welches auf einem Holzpodest stand. Eben jene Anhöhe erstreckte sich durch die halbe Kammer. Deswegen musste er gesondert darauf achten, dass keines der Bretter unter seinen Füßen ein verräterisches Geräusch von sich gab. Dies stellte sich jedoch als eine seiner leichtesten Übungen heraus.

Wenn man sie so anschaut, wirkt sie gar nicht so dickköpfig, stellte der Katzenmensch fest, wobei er nicht mal im entferntesten ahnte, dass Carelia in der vorhergegangen Nacht ähnliches über ihn gedacht hatte.

Remi war so in Gedanken versunken, dass er zunächst gar nicht bemerkte, wie es immer heller um ihn herum wurde. Das Tageslicht fiel durch einen schmalen Spalt zwischen den Gardinen und breitete sich nun aus.

„Was hast du hier zu suchen?“

Erschrocken riss Remi die Augen auf und blickte sich um. „Ich... es tut mir leid. Ich wollte nicht...“

Ihm gegenüber stand Alvaro. Er lehnte gegen die Wand und zog mit der linken Hand beiläufig die Vorhänge auf. „Raus hier!“, befahl er ruhig.

Das ließ Remi sich nicht zweimal sagen und so floh er förmlich aus dem Zimmer, zurück in die Richtung, aus der er gekommen war.
 

Mit einem Seufzer auf den Lippen schob Alvaro die letzten Stoffbahnen zur Seite. „Wach endlich auf, Carelia! Es ist schon helllichter Tag.“

Wie auf Kommando zog sich Carelia die Decke über den Kopf – allerdings noch immer im Halbschlaf.

„Jetzt reicht es aber!“ Unbarmherzig beraubte Alvaro sie um diese Zufluchtsmöglichkeit. „Genug geschlafen!“

Carelia erwachte blinzelnd und schirmte ihre Augen mit der Hand gegen die Helligkeit ab, während sie sich zusammenrollte. „Hat dir schon mal jemand gesagt, wie niederträchtig du bist“, schimpfte sie leise.

„Des öfteren“, gab Alvaro gelassen zurück.

Die Braunhaarige rutschte zur Bettkante und setzte sich auf. „Ich wünschte, du würdest dir mal merken, dass andere Lebewesen ihren Schlaf brauchen.“ Suchend tastete sie mit den Zehenspitzen über den Fußboden, ehe sie ihre Schuhe fand.

„Ich komme mit wenig bis gar keinem Schlaf wunderbar aus.“

Weswegen du deine Zeit lieber damit vertreibst mich jeden morgen zu wecken, überlegte Carelia, sprach diesen Gedanken aber nicht aus. Freilich wusste sie genau, dass Alvaros Taten darüber hinaus gingen. Er war fast immer an ihrer Seite gewesen und bewachte sogar ihren Schlaf seit nunmehr vier Jahren. Und bereits davor...



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  _Elendil_
2007-02-17T18:25:49+00:00 17.02.2007 19:25
WOW, ich bin immer noch total begeistert. Remi ist voll knuffig =^_^= Und Camus find ich einfach nur toll. Alvaro ist süß, weil er sich Sorgen macht, es aber nicht wirklich zugibt XD
Deine Charas wirken wirklich sehr lebendig. Weiter so!!


Zurück