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Stadt der Engel

Schatten und Licht, Band 1
von

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Der erste Bauer

Van saß zusammen mit zwei Sekretären im Konferenzraum und ging mit ihnen diverse Briefe, Erlasse und Berichte durch, die entweder unterschrieben, abgesegnet oder als verbesserungswürdig an die Sekretäre zurückgegeben wurden. Er war so vertieft in die Arbeit, dass er nicht merkte, wie Gesgan den Raum betrat. Der Kommandant seiner Leibwache stand stramm und räusperte sich. Ein wenig verlegen sah Van zu ihm auf.

„Oh, ich hab euch gar nicht hereinkommen hören.“

„Verständlich, Majestät.“, erwiderte Gesgan. „Ich habe Neuigkeiten.“

„Nur für mich alleine?“, fragte Van.

„Das weiß ich nicht, Majestät.“

Van nickte den Sekretären zu, woraufhin sie den Raum verließen. Mit einem Seufzer stocherte er in den zurückgelassen Unterlagen.

„Ich habe schon lange aufgegeben, alles selbst zu lesen. Stattdessen muss ich mich auf Schreiberlinge verlassen und darauf vertrauen, dass sie mir auch wirklich alles wichtige sagen. Damit hab ich am meisten Schwierigkeiten gehabt. Ich musste Leuten vertrauen, die ich überhaupt nicht kenne.“

„Majestät, ich fürchte, wir sind in Eile.“, beendete Gesgan den Monolog.

„Ja, wie immer.“, stöhnte der König und bot ihn einen Stuhl an. Der stämmige Krieger jedoch rührte sich nicht.

„Ist Siri schon aufgebrochen?“, erkundigte sich Van.

„Vor etwa einer Stunde.“; informierte Gesgan ihn. „Sie haben das Stadttor ohne Kontrollen hinter sich gelassen.“

„Ja, was die Hand eines Königs doch alles bewirken kann. Manchmal beendet sie mit einer simplen Unterschrift sogar die Existenz ganzer Städte und deren Bewohner.“, führte Van aus und klopfte dabei mit seinen Fingern auf die Tischplatte

„Majestät?“

„Weswegen wolltet ihr mit mir sprechen?“

„Unsere Späher haben ein Konsularschiff von Chuzario im Anflug auf Farnelia entdeckt.“

„Jetzt schon? Die Konferenz ist erst in einer Woche.“

„Ich weiß, Majestät.“

„Selbstverständlich wissen sie das.“, seufzte Van. „Wie lange dauert es, bis das Schiff hier ist?“

„Etwa eine halbe Stunde.“

„Wurde der Besuch angekündigt?“

„Nein, Majestät.“

„Haben die sich schon bei uns gemeldet?“

„Nein, Majestät.“

„Wir wissen also auch nicht, wer in diesem Luftschiff zu uns kommt?“

„Nein, Majestät.“

Wieder machte Van seiner Erschöpfung Luft und drehte sein Glas gefüllt mit Wein auf den Tisch hin und her.

„Gebt ihnen die Landeerlaubnis für die Wiese vor dem Tor und schickt ihnen eine Kutsche. Drei Personen, nicht mehr. Ich werde sie vor der Villa empfangen. Allein, versteht sich.“

„Verzeiht, Majestät, aber wer auch immer kommt, wird sich durch diese Behandlung beleidigt fühlen.“, gab Gesgan zu bedenken.

„Wir haben alle Hände voll zu tun, dass Farnelia nicht im Chaos versinkt. Wer ohne Einladung oder Ankündigung kommt, kann daher auch keinen gebührenden Empfang erwarten. Mein Hof ist schließlich kein Stehaufmännchen, welches nur darauf wartet Gäste zu bedienen.“, erwiderte der Herrscher gereizt.

„Jawohl!“, antwortete Gesgan.

„Das Konsularschiff darf übrigens, wenn es erst einmal gelandet ist, nicht ohne meine ausdrückliche Erlaubnis starten.“

„Das wird Chuzario als inakzeptabel bezeichnen.“

„Letzte Nacht wurde eine Person aus dem Palast entführt. Da wir noch nicht genau wissen, wie und ob diese Person aus Farnelia heraus geschafft worden konnte, dürfte diese Maßnahme auf Verständnis stoßen.“; diktierte Van Gesgan die offizielle Erklärung dafür.

„Sollen wir das Schiff durchsuchen?“, fragte er pflichtbewusst.

„Nein, aber kontrolliert alles, was das Schiff betritt und verlässt! Die Gäste ebenfalls. Keine Ausnahmen, egal wer aus dem Schiff raus kommt. Es wird Zeit, dass die internationale Elite merkt, dass in Farnelia ein anderer Wind weht.“

„Jawohl, Majestät.“

„Geht und macht euch keine Sorgen! Ich weiß, was ich tue.“, beruhigte Van ihn, doch das mulmige Gefühl von Gesgan wollte nicht verschwinden. Schweigend verließ er den Raum. Van indes stützte sich mit seinen Ellbogen auf die Tischplatte und legte seine Stirn in seine Handflächen. Sofort als der Krieger zur Tür raus war, betraten wieder seine Sekretäre das Zimmer, doch Van wies sie zurück.

„Wir machen nach dem Mittagessen weiter.“, informierte er sie müde. „Nehmt die Unterlagen und macht eine Pause irgendwo außerhalb der Villa!“

Die Sekretäre taten, wie ihnen geheißen war, und ließen Van allein zurück. Er blieb noch fünf Minuten regungslos sitzen, ehe er sich aufraffte und auf sein Zimmer ging. Dort erwarteten ihn schon zwei Dienerinnen, die ihm beim Umziehen halfen. Gesgan konnte wohl nicht nur kämpfen, sondern auch gut delegieren. Noch etwas, dass Van an Vargas erinnerte. Sein Schwertmeister war ein ebenso fähiger Regent wie Krieger gewesen. Vielleicht sollte er den in die Jahre gekommen Kommandanten seiner Leibwache näher zu sich heran holen.

Ein halbe Stunde später trat Van vor die Villa in die eisige Morgenluft. Gerade rechtzeitig, wie er bemerkte. Die edle, überdachte Kutsche war gerade dabei die letzte Rampe zunehmen. Beinahe unerträglich langsam fuhr sie durch den Garten und hielt schließlich vor dem Haupteingang zur Villa De Farnel.

Ein Diener stieg vom Bock herunter und öffnete die Tür. Heraus trat ein kleiner, gut gekleideter Mann mit langem, weißem Haar, welches zu einem Zopf zusammengebunden war. Die Falten im Gesicht, die würdevolle Haltung und seine fließenden Bewegungen zeugten von seinem fortgeschrittenen Alter, aber auch von einem hohen Bildungsstand. Er machte vor der Kutsche gekonnt einen Schritt zur Seite und hielt seine rechte Hand hoch.

Nach einem Moment legte sich eine zarte Kinderhand auf seine und ein Mädchen von etwa vierzehn Jahren stieg aus der Kutsche. Mit ihrer anderen Hand zog sie ihren Mantel enger um ihren Körper und lächelte Van dabei schüchtern zu. Dunkelblondes Haar floss in langen Wellen über ihre Schultern. Der König brauchte einen Augenblick ehe er sie wieder erkannte. In den letzten Jahren waren ihm so viele junge adlige Mädchen vorgestellt worden, dass er längst nicht mehr alle Namen wusste. An die Gesichter konnte er sich schon gar nicht erinnern. Irgendwie sah eine Prinzessin aus wie die andere.

„Willkommen in Farnelia, Prinzessin Sophia. Ich hoffe, ihr hattet eine angenehme Reise.“, begrüßte er sie mit den üblichen Floskeln und einer leichten Verbeugung.

„Euer Majestät.“, erwiderte die Prinzessin mit leiser Stimme und vollführte einen Knicks, während sich ihr Reisegefährte ebenfalls verbeugte.

„Mein Name ist Heinrich von Schliemann.“, stellte sich der Mann vor. „Ich bin der Lehrer von Prinzessin Sophia. Entschuldigt, dass wir eure Majestät so plötzlich überfallen, aber gewisse Ereignisse zwangen uns Chuzario unverzüglich zu verlassen. Können wir uns irgendwo ungestört unterhalten?“

„Ich habe einen schalldichten Konferenzraum.“, schlug Van vor.

„Das wird genügen, Majestät.“, bestätigte von Schliemann und nickte.

„Möchte sich die Prinzessin frisch machen?“, erkundigte sich der junge Herrscher. „Es stehen Gästezimmer bereit.“

„Die Prinzessin nimmt das Angebot an, Majestät, und dankt euch von Herzen.“, antwortete ihr Lehrer für sie und geleitete sie in die Villa. In der Empfangshalle angekommen, wies Van zwei Dienerinnen an, die Prinzessin in das vornehmste Gästezimmer zu bringen, während er mit dem Lehrer und einer weiteren Dienerin zum Konferenzraum ging. Er postierte die Dienerin neben der Tür außerhalb des Raumes und bot von Schliemann einen Stuhl an, der sich auch gleich setzte. Er lehnte sich jedoch nicht an, sondern blieb aufrecht sitzen. Van ließ sich ebenfalls an dem langen Tisch nieder.

„Ich will nicht lange drum herum reden, Majestät.“, begann von Schliemann sofort. „Wir haben Chuzario nicht aus freien Stücken verlassen und sind mehr oder weniger als Flüchtlinge hierher gekommen. Alles Weitere steht in diesem Brief.“

Von Schliemann überreichte Van einen Umschlag. Der nahm den Brief scheinbar gelassen entgegen, so wie er dem knappen Bericht gelauscht hatte.

„Ich soll der Prinzessin bis zum Treffen der Allianz in Farnelia Unterschlupf gewähren.“, gab er bekannt, nachdem er den Brief gelesen hatte.

„Die Verschwörung, welche das Leben der königlichen Familie bedroht, sollte bis dahin aufgeklärt sein.“, versichert von Schliemann.

„Warum kommt ihr damit gerade zu mir. Es gibt gewiss Orte auf Gaia, die sicherer sind als Farnelia.“, wollte Van wissen.

„Ihr habt an unserer Seite in der Schlacht um Zaibach gekämpft. Euer Mut und eure Entschlossenheit hatte damals die Moral unserer Truppen aufrecht erhalten. Eure Majestät ist schon jetzt ein Held für unser Volk.“, schwärmte von Schliemann und rückte dabei näher an Van heran. Dieser lächelte einen Moment verlegen, setzte dann aber wieder eine ernste Mine auf.

„Ich fürchte, ich kann der Prinzessin keine Sicherheit bieten. Erst letzte Nacht wurde eine Person aus der Villa entführt.“

„Das ist ja schrecklich. Wer denn?“

„Die Ermittlungen dürfen nicht gestört werden. Details kann ich daher nicht offenlegen.“

„Ist diese Entführung der Grund für die hohen Sicherheitsmaßnahmen am Luftschiff?“

„So ist es.“, bestätigte Van. „Ich hoffe, sie waren nicht allzu lästig.“

Von Schliemann grübelte einen Moment.

„Nun, die Prinzessin setzt dennoch vollstes Vertrauen in eure Majestät.“; entschied er.

„Das wird ihr nichts nützen, da ich nicht persönlich auf sie aufpassen kann. Das gibt mein Terminkalender einfach nicht her.“, gab der König zu bedenken.

„Nun, aber zu den Mahlzeiten werden euer Majestät doch Zeit für die Prinzessin haben?“

„Ich esse normalerweise allein, aber das muss nicht sein. Wenn die Prinzessin mir bei den Mahlzeiten Gesellschaft leisten will, so ist sie herzlich willkommen.“

„Dafür danken wir euch, Majestät.“, sagte von Schliemann erleichtert und erhob sich. Van geleitete ihn zur Tür hinaus und schickte ihn mit der Dienerin auf ein Gästezimmer. Er wollte schon gerade nach Gesgan rufen lassen, da tauchte der Gesuchte auch schon hinter einer Abbiegung auf. Van winkte ihn rein und setzte sich wieder auf einen der Stühle. Der ehemalige Spion aus Zaibach zog es wie immer vor zu stehen.

„Wie ist das Treffen verlaufen, Majestät?“, fragte er mit leichter Neugier.

„Seltsam.“, gab Van zu und überlegte. „Bis zur Konferenz der Allianz kümmert sich die Leibwache um die Prinzessin!“, befahl er.

„Aber was ist mit der Sicherheit eurer Majestät?“, protestierte Gesgan.

„Ich kann auf mich aufpassen und nein, ich will keine Widerrede hören.“, verbot Van.

„Sehr wohl, Majestät. Kann ich sonst noch etwas für euch tun?“

„Ja, falls ihr etwas Aufmerksamkeit erübrigen könnt, hört euch auf der Straße nach einem Mordkomplott gegen die Königsfamilie von Chuzario um!“

„Majestät?“

„Ich will einfach nur wissen, ob ich mir wirklich Sorgen machen soll oder dies nur eine krumme Nummer von Chuzario ist, um mich zu verkuppeln.“

„Jawohl!“, bestätigte Gesgan und verließ den Raum. Van blieb allein zurück und überlegte, wie er mit seinen weiblichen Gast verfahren sollte. Dass dieser Besuch die Beziehungen mit Astoria weiter auf Eis legen würde, daran zweifelte er nicht. Und Vasram hatte ebenfalls eine potentielle Heiratskandidatin zu bieten, was die Situation nicht einfacher machte. Schon seit langem glühte die Luft zwischen den drei Großmächten Astoria, Vasram und Chuzario, und Van wusste, wenn es zum Krieg kommt, dann wird Farnelia auf Grund seiner Lage ein Schlachtfeld sein und er selbst der erste Bauer, der geopfert werden wird.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Doena
2010-11-23T13:12:29+00:00 23.11.2010 14:12
mal sehen was die prinzessin noch so allles anstellen wird
aber vAn ein bauer?


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