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Stadt der Engel

Schatten und Licht, Band 1
von

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Schuldgefühle

Genüsslich kuschelte sich Hitomi an Vans warmer Brust, während die Strahlen der Morgensonne ihre Wange kitzelten. Van strich mit seiner Hand sanft durch ihr weiches Haar und wurde mit einem Lächeln belohnt. Nur ein dünnes Hemd, welches er Hitomi für die Nacht überlassen, trennte die beiden von einander, doch für ihn hätte es genauso gut eine Wand sein können. Er wollte ihre Haut auf seiner spüren, mit dem süßen Duft ihres Verlangens seine Sinne benebeln, sich an dem Anblick ihrer weiblichen Züge laben, den schmerzvollen Schrei ihrer Entjungferung mit einem Kuss ersticken und ihre salzigen Tränen in sich aufnehmen. Er wollte sie ganz…

„Van, hör bitte auf!“, flehte Hitomi leise und holte Van damit zurück in die Realität. Sein Gesicht lief vor Scham rot an, als er merkte, dass seine Hand, die eben noch ihren Kopf gestreichelt hatte, nun unter der Decke wie von selbst an ihren Rücken entlang glitt und dabei ihr Hemd hochzog.

„Entschuldige.“, bat Van gepresst und zog die Hand zurück.

„Bitte versteh mich doch…“

„Was soll ich verstehen? Dass wir beide nicht zusammen sein können? Dass wir für immer getrennt seine werden und du dich mir deshalb nicht zu sehr öffnen möchtest?“

„So etwas darfst du nicht einmal denken!“, mahnte sie ihn streng.

„Ach ja? Und wieso nicht? Es stimmt doch!“, widersprach er wütend.

„Gibst du auf?“ Hitomi hatte sich von seiner Brust gelöst und stützte sich auf einen ihrer Ellbogen. Mit ernstem Gesicht sah sie auf ihn herab. „Wenn du aufgibst, dann solltest du mich jetzt gehen lassen. Ich verschwinde in meine Welt und werde dir nie wieder Schwierigkeiten bereiten. Du kannst deine Prinzessin heiraten, deine Macht auf einen Schlag um ein vielfaches vergrößern und dein Volk in eine glorreiche Zukunft führen.“

„Wieso fragst du mich? Du kannst gehen, wann immer du willst. Meine Erlaubnis brauchst du jedenfalls nicht.“, erwiderte Van mürrisch.

„Wenn ich es könnte, hätte ich schon bei unserem Treffen im Kuppelzimmer eine Lichtsäule erschaffen. Ich kann es aber nicht. Nun rate mal, warum!“

„Woher soll ich das wissen?“

„Wegen dir, du Idiot! Du hältst unbewusst den Bann aufrecht, der mich an Gaia fesselt. Wenn du aufgeben willst, dann löse den Bann. Hier und jetzt!“, forderte sie ihn auf.

Van sah nachdenklich in das funkelnde Paar smaragdgrüner Augen, nach denen er sich die letzten drei Jahre so sehr gesehnt hatte. Sie hatte Recht. Ohne sie wäre sein Leben auf Gaia um einiges leichter, aber auf einer Welt, in der es sie nicht gab, wollte er nicht mehr leben. Es war ihm nicht möglich aufzugeben.

„Das kann ich nicht.“, gab er zu. Sie atmete erleichtert auf und legte ihren Kopf auf seine Schulter.

„Würdest du ihn zurückgelassen?“, fragte Van neugierig.

„Ich denke schon. Er ist zwar mein Bruder, aber ich fürchte, dass ich ihm nicht helfen kann.“

„Hast du ihn aufgegeben?“

„Nein, habe ich nicht.“, antwortete Hitomi entschieden. „Aber seine Erlösung ist nicht in meiner Macht und meine Eltern haben ihre beiden einzigen Kinder kurz hintereinander verloren. Sie brauchen mich ebenfalls. Außerdem sagt mir mein Gefühl, dass nur Siri seine Ketten lösen kann.“

„Was für Ketten meinst du? Und warum sollte nur Siri dazu in der Lage sein?“

„Es sind geistige Ketten, die durch ein Virus geschmiedet wurden, welches Siri meinem Bruder durch einen Biss eingeflößt hat. Das Virus hat ihn stärker gemacht, aber auch abhängig.“

„Das heißt, er nichts weiter als eine willenlose Marionette.“, stellte Van fest.

„Nein, er hat noch immer einen eigenen Willen, der jedoch durch eine große Loyalität zu Siri, seiner Meisterin, getrübt wird und bei Ungehorsam von ihr durch starke Schmerzen gebrochen werden kann.“, verbessert Hitomi ihn.

„Woher weißt du das alles?“, wunderte er sich.

„Ich habe es gespürt, als Ryu vor mir stand. Genauso wenig wie ich war er dazu in der Lage seine Gedanken abzuschirmen.“, erklärte sie.

„Das war aber nicht so, als er von oben auf mich runter sprang.“, gab Van zu bedenken.

„Er lernt schnell.“, bestätigte Hitomi.

„Dann steckt also Siri dahinter.“

„Nein, auch sie ist nur ein Opfer.“

„Wer…“

„Baron Trias.“

Geschockt fuhr Van hoch, wobei er sie unfreiwillig von sich stieß, woraufhin sie ihren Oberkörper ebenfalls aufrichtete.

„Aber das bedeutet ja…“

Hitomi unterbrach ihn sanft, indem sie zwei Finger auf seine Lippen legte und sie so versiegelte.

„Bitte, Van, können wir das nicht im Dasein aller besprechen?“

„Natürlich.“, meinte er. „Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich kann jetzt nicht mehr schlafen.“

„Ich auch nicht. Lass uns frühstücken und dann nach Merle sehen.“, stimmte sie zu.

„Ich zieh mich erst kurz um und hol uns danach etwas zu essen. Währenddessen kannst du dich ja frisch machen.“, schlug Van vor, doch Hitomi hielt ihn zurück.

„Nein, ich ziehe mich zuerst um.“, stellte sie klar. „Dann kannst du mein Rücken begutachten.“

„Ich weiß aber nicht, ob ich dafür stark genug bin. Ich könnte ja schwach werden und von hinten über dich herfallen.“, spekulierte Van lächelnd.

„Untersteh dich!“, warnte sie. „Du würdest sowieso nur an meinem Schild abprallen.“

„Hat dir jemand schon mal gesagt, dass du grausam bist?“, fragte er trocken.

„Nein, du bist der Erste.“, kicherte Hitomi.
 

Das Herz schlug Hitomi bis zum Hals, als sie Hand in Hand mit Van auf die Krankenstation der Katzenpranke zusteuerte, und sie wusste beim besten Willen nicht, warum. Eigentlich gab es keinen Grund zur Besorgnis. Sie selbst hatte Merle gestern zur Station gebracht und die Ärztin hatte ihr berichtet, dass, seitdem ihre Freundin an einer Infusion angeschlossen war und schlafen konnte, keine Lebensgefahr mehr für sie bestand. Warum also machte sie sich Sorgen? Plötzlich wurde Hitomi klar, dass nicht sie es war, die sich den Kopf zerbrach, sondern Van. Das enge Band, was beide miteinander teilten, lies sie spüren, was in ihm vorging. Aufmerksam sah sie zu ihm hinauf. Sein Gesicht war gefasst, seine Augen konzentrierten sich auf den Gang vor ihnen und doch verriet ein kleines Zucken seiner Wange, dass er nervös war. Ermutigend drückte sie seine Hand, woraufhin er sie verwundert ansah.

„Mach dir keine Sorgen! Du hast nichts falsch gemacht.“, versicherte sie ihm.

Van lächelte verlegen.

„Das solltest du eigentlich gar nicht bekommen.“

„Unsere Gedanken sind unzertrennbar verbunden. Ich kann alles fühlen, was du fühlst.“, erinnerte sie ihn.

„Ich hätte es fühlen müssen. Ich hätte ihr Leid spüren und viel eher kommen müssen.“, warf er sich vor.

„Es war nicht dein Fehler. Du hattest gute Gründe dich abzuschotten.“

„Vielleicht, vielleicht aber auch nicht.“

Entschlossen hielt Hitomi an, stellte sich auf ihre Zehenspitzen und küsste ihn innig. Van, dessen Verstand durch das Aufeinandertreffen der beiden Lippenpaare gereinigt wurde, erwiderte den Kuss nach kurzem Zögern.

„Denk nicht mehr drüber nach. Es ist Vergangenheit. Wir sind in der Gegenwart und uns erwartet die Zukunft. Schau nach vorn!“, ermunterte sie ihn.

„Stimmt.“, meinte Van und schlang seine Arme um Hitomi. „Das vergesse ich immer.“

„Dafür hast du ja mich.“, erwiderte sie lächelnd und nahm einen weiteren Kuss entgegen. Sanft löste sie sich von ihm. „Hör mal, Van, wenn wir alle fünf Sekunden anhalten um fünf Minuten lang zu knutschen, werden wir erst zum Mittagsessen bei Merle sein.“

„Auch wieder wahr.“, stimmte er zu. „Dennoch ist es schon schwer genug, auch nur eine Sekunde ohne deine Lippen auszukommen.“

„Wir können ja tauschen.“, scherzte Hitomi.

Van brauchte eine Sekunde, eher er begriff.

„Wir sollten zu Merle gehen.“, drängte er. „Ehe du noch mehr solcher Ideen hast.“

Schließlich schafften sie es und klopften an der Tür zur Krankenstation. Als ein Pfleger ihnen die Tür öffnete und sich ihnen in den Weg stellte, rechnete Hitomi schon damit, dass sie wieder abgewiesen wurden, doch der Pfleger trat zur Seite und machte eine einladende Geste. Respektvoll bat er Van einzutreten, welcher ihr den Vortritt lies. Sie rannte überglücklich auf die auf einem Bett liegende Merle zu, wobei sie fast ihren Brei verschütterte.

„Du siehst gut aus.“, freute sich Hitomi, während sie ihre Gefährtin fest umarmte.

„Was hast du anderes erwartet?“, erwiderte Merle und versuchte die Umarmung zu erwidern, konnte Hitomis Rücken jedoch nur streifen. Diese tat so, als hätte sie es nicht bemerkt, musste aber gegen ihre Tränen kämpfen. In der Hoffnung, dass es so aussah, als würde sie Platz für Van machen, trat sie zurück und drehte einen Augenblick lang ihren Kopf zur Seite, um die verräterische Nässe abzuwischen. Er kam nur sehr langsam auf Merles Bett zu und schloss das gebrechlich wirkende Katzenmädchen vorsichtig in seine Arme.

„Wenn du nicht gleich etwas fester zudrückst, schleudere ich dich eigenmächtig auf den Mond der Illusion.“, drohte sie, woraufhin Van kurz den Druck seiner Arme erhöhte und sofort wieder losließ.

„Wie geht es dir?“, fragte er unsicher.

„Besser als dir, wenn ich erst einmal mit dir fertig bin.“, schoss Merle zurück. „Was fällt dir eigentlich ein, Allen retten zu wollen und mir diese Amateurin auf den Hals zu schicken.“ Hitomi schüttelte ungläubig mit dem Kopf. „Bist du neuerdings schwul?“, forderte Merle Van heraus.

„Nein, ist er nicht.“, antwortete Hitomi an seiner Stelle. Wie zur Bestätigung zog sie seinen Kopf zu sich herab und schmiegte ihre Lippe an seine.

„Es ist wohl einiges passiert, während ich schlief.“, gluckste Merle. Mit großer Erleichterung registrierte Hitomi die ehrliche Freude in ihrer Stimme. Erst jetzt, wo sie und Van wieder von einander ließen, wurde ihr klar, dass Merle fortan als Konkurrentin ausschied. Was blieb war eine gute Freundin, der sie hundertprozentig vertrauen konnte.

„Tut mir leid, Merle, aber es ist so viel passiert, dass wir so schnell wie möglich zum Geschäftlichen kommen müssen. Van hat eine Versammlung einberufen. Da du dich nicht bewegen kannst, dachten wir beide, es wäre am besten, wenn wir alle uns hier treffen.“, klärte Hitomi sie auf.

„Wer sind „alle“?“, erkundigte sich die Kriegerin.

„Wir beide, Allen, Prinzessin Sophia von Chuzario und ein junger Mann, den wir aus dem Tempel der Fortuna gefischt haben. Sein Name ist Antigonos.“, zählte Hitomi auf.

„Dass Allen hier ist, ist schon seltsam genug, aber was macht eine Prinzessin aus Chuzario hier?“

„Sie ist…bei mir in der Lehre.“, antwortete Van.

„Glaubst du das wirklich?“

„Nein.“

„Bringt mich in den Konferenzraum! Wir werden die Besprechung dort abhalten.“, verlangte Merle. Van blickte zweifelnd zu Hitomi, welche mit ihren Schultern zuckte und ihrer Freundin daraufhin eine anbot.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Doena
2010-11-29T17:23:08+00:00 29.11.2010 18:23
ja ja dei liebenden können einfach nicht die finger voneinander lassen XD


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