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Fluch der Karibik 4: Der Quell des ewigen Lebens

JackxElizabeth
von

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Der Göttergleichen Kinder

Langsam ganz langsam verzog sich der giftige Rauch und brachte ihren Geist zurück in die Welt der Lebenden. Ihr Kopf hing immer noch über die tönerne Schüssel in ihrem Schoß. Ihre langen schwarzen Haare, die mit Federn und Perlen geschmückt waren, verhüllten ihr kindliches Gesicht, sodass niemand sehen konnte wie ihre milchig trüben Augen ihr natürliches goldbraun wieder annahmen. Auch ihre Haut hatte einen zarten goldbraunen Ton und eigentlich zu hell für die Menschen dieser Gegend. Ein tiefer Atemzug bestätigte ihr, dass sie vollends in dieser Welt angekommen war. Gedankenverloren legte sie den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Ein leichtes Lächeln spielte um ihre Mundwinkel. Es war richtig gewesen, die andere Kreatur zu suchen, die ihre Mutter in die Welt gesetzt hatte und es war auch richtig gewesen sein Vertrauen zu gewinnen und ihn zum Verbündeten zu machen. Es machte so vieles einfacher. Sie beobachtete ihn schon sehr sehr lang, doch wirklich interessant war er erst in den letzten Jahren geworden. Zwar wusste er nichts über sie, nahm er sie doch nur als milchig weißen Geist war, aber das war auch nicht notwendig, wichtig war nur das sie beide das gleiche Ziel hatten, sie mussten die Ereignisse frühzeitig stoppen, ansonsten würden sie beide sterben. Sie musste zugeben, dass sie ohne ihn nichts von der Prophezeiung gewusst hätte, wobei das auch nicht hundertprozentig stimmte. Sie hatte eine Menge der Talente ihrer Mutter geerbt, wobei sie allerdings noch nicht so ausgeprägt waren. Sie hatte gespürt, dass etwas passieren würde, etwas fundamentales, das weite Kreise ziehen und auch sie erreichen würde. Nun endlich wusste sie auch was es sein würde. Ihre Mutter war nicht immer unsterblich gewesen, vor langer langer Zeit hatte auch sie den Weg auf sich genommen um die Quelle des ewigen Lebens zu finden. Doch das was sie fand war nicht so wie erwartet. So ein großes Geschenk brauchte auch ein großes Opfer oder zumindest ein großes Risiko als Ausgleich. Das war der Haken und ihre Mutter hatte ihn über die Jahrtausende vergessen. Sie vermutete das ihre Mutter über diese lange Zeitspanne tatsächlich zu einem Teil der Natur geworden war, wahrscheinlich konnte dieses spezielle Risiko ihr nichts mehr anhaben. Doch Turner und sie selbst waren Kinder ihrer Mutter und von ihrer Unsterblichkeit abhängig und von dem Talisman der sie band. Sie beide hatten nicht diese Verbindung mit der Natur eingehen können, da sie beide nie vollends unsterblich sein würden, jedenfalls nicht, solang sie nicht selbst am Quell waren. Aber dies barg das nächste Problem, sie beide waren weder unsterblich noch sterblich, sodass es ihnen entweder gar nicht möglich war dorthin zu gelangen, oder es gab keine Talismane für sie, da sie nicht wirklich existierten. Das war nur Spekulation, das wusste sie, aber das sicherste würde sein, den Talisman ihrer Mutter zurückzubekommen und ihn so zu verstecken, das er nie wieder gefunden werden kann. Seufzend öffnete sie die Augen, das viele nachdenken überforderte manchmal diesen Kinderkörper. Dann senkte sie den Kopf und sah auf die kleinen Hände und die zierlichen gekreuzten Beine unter dem langen Kleid und seufzte wieder. Eigentlich war sie schon mindestens 40 oder gar 50 Jahre alt, irgendwann hatte sie aufgehört zu zählen, da das was sie dann vor sich sah dem so dermaßen widersprach und unveränderlich wirkte. Doch was zählte geistiges Alter wenn der Körper dem nicht gewachsen war. Wenn sie sich im Spiegel sah, mochte sie sich selbst auf acht maximal zehn Jahre schätzen. Sie hatte sich schon oft gefragt, warum ihre Mutter es verantworten konnte schwanger zu werden und dann auch noch das Kind zu bekommen. Wahrscheinlich dachte sie das Unsterblichkeit auch mit Kinderlosigkeit einherging, was nicht so abwegig war, wie sie zugeben musste. Doch ihre Mutter hatte sie nicht getötet, nicht in ihrem Leib und auch nicht danach, stattdessen hatte ihre Mutter sie in die Berge gebracht, zu dem Schamanen und Voodoo Kult der auch sie selbst ausgebildet und aufgezogen hatte. Bis vor zehn Jahren wusste sie auch nicht, wer ihre Mutter gewesen war, erst als man sie in den Stand einer vollwertigen Schamanin erhob gab die damals Älteste ihr das Geheimnis preis. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte sich ihre Mutter schon wieder mit dem Meer vereinigt und war für sie so gut wie unerreichbar. Doch wenn sie am Meer war, dachte sie manchmal dass es ruhiger wurde wenn sie da war. Seit sie das Geheimnis kannte und man ihr die Hütte ihrer Mutter gezeigt hatte, lebte sie nun dort. Dann schüttelte sie den Kopf, das Wie und Warum ihrer Existenz war jetzt zweitrangig, wichtig war im Moment nur eines, der Talisman.
 

Vollkommen in Gedanken versunken saß der Captain der Flying Dutchman in seiner Kajüte. Er saß in einem der sechs prunkvollem Stühle, die um einen Esstisch arrangiert waren. Ein Arm auf die mit Samt bezogene Lehne gestützt, ein halbvolles Weinglas in der Hand starrte er auf den rotierenden Wein, den er nicht zu trinken brauchte, es aber aus alter Gewohnheit schön fand es doch zu tun. William lehnte seinen Kopf weiter nach hinten, sodass dieser nun in dem weichen Samt gebettet lag. Für einen Moment ließ er den Wein aus den Augen und schloss diese. Er musste seine Gedanken ordnen, damit er die Ereignisse des Tages in das Gesamtbild einfügen konnte. Nach einem kurzen Moment öffnete er die Augen wieder und legte nachdenklich die andere Hand an sein Kinn. Am einfachsten war es wohl zuerst die klaren Ereignisse einzuordnen. Dies bezog sich auf den Besuch in der Bilge. Ein zweigeteiltes Lächeln erschien auf Williams Gesicht, er hasste diesen Mann und trotzdem hatte er ihn dieses Mal ausgespielt.

Als William die Zellentür hinter sich geschlossen hatte, stand er nur wenige Meter vor dem Mann, der ihn vor etlichen Jahren hängen lassen wollte. Noch immer die Hand am Säbel ging Will wenige Schritte vor, bis das wenige Licht hier unten seinen Rücken erfasste und den Schatten auf die klägliche Gestalt vor ihm warf. William konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. Doch noch bevor der Mann vor ihm träge den Blick hob, war das Grinsen einem entschlossen grimmigen Ausdruck gewichen. „Mr. Beckett, wir haben zu reden.“ Der Mann der bisher nur desinteressiert auf der Bank gelümmelt hatte, setzte sich ein wenig auf und der Blick verriet Skepsis. Mit hoch gehobener Augenbraue fragte er dann: „Und was sollte dies sein, Mr Turner? Ich dachte wir hatten schon vor längerer Zeit, ich meine vor ungefähr 4-5 Jahren wenn ich recht erinnere, festgestellt, dass ich nicht wirklich das bin was sie brauchen.“ Will senkte den Kopf und grinste leicht: „Sehen Sie Mr. Beckett, ich weiß das sie kein Mann der Tat sind, sondern der Planer. Sie sind ein Sammler Mr. Beckett und zwar sammeln sie Informationen. Das weiß ich und das wissen Sie.“ Will verlagerte sein Gewicht sodass ein wenig Licht auf den Sitzenden fiel: „Und ich weiß auch, dass sie einer der wenigen in der Royal Navi waren, der den alten Sagen und Mythen Beachtung geschenkt hat. Sie haben wirklich jede Information und sei sie noch so fantastisch oder abwegig ernst genommen. Wohlmöglich verdanken sie dieser Tatsache ihren Aufstieg.“ Der Mann lehnte sich wieder zurück gegen die Gitterstäbe, ließ den Captain dabei aber nicht aus den Augen. Danach verschränkte er seine Arme: „Warum sollte ich jetzt mit Ihnen reden? Ich habe es schon vor 4 oder 5 Jahren nicht getan und davor auch nicht. Ich denke nicht, das ich irgendeinen Grund habe, dies nun zu tun, Captain.“ Das letzte Wort spie er förmlich aus. Will drehte sich zur Seite und schaute auf die Unregelmäßigkeiten im Holz außerhalb des Käfigs, an diesem Punkt waren sie immer angekommen und niemals darüber hinaus, irgendetwas musste er dieses Mal anders machen. Das letzte Mal hatte er ihm mit dem Tod gedroht und auch mit Folter, hatte ihn sogar selbst verprügelt, doch das hatte nichts genutzt. Langsam ging William wieder zurück zur Tür der Zelle und lehnte sich mit gekreuzten Armen vor der Brust links neben der Tür an die Gitterstäbe. Sein Gesichtsausdruck war ernst als er den Mann wieder anblickte: „Was wollen Sie?“ Das war die einzige Frage die er stellte. Beruhigt stellte er fest, dass sein Gegenüber diesen Schritt nicht erwartet hatte. Beckett lehnte sich wieder nach vorn und stützte die Ellenbogen auf die Knie und schaute durch die verdreckten Haare zum Captain hinauf. Einen Moment lang lag gar kein Ausdruck auf dem Gesicht, dann verzog der ehemalige Kattler seinen Mund zu einem Grinsen: „Was ich will Mr Turner?“ Ein kurzes freudloses Lachen erfüllt den Raum: „Nichts was in eurer Macht stünde. Das einzige was ihr mir geben könnt ist der Tod, oder eine Ewigkeit hier auf dem Schiff. Wenn es noch etwas geben sollte, erleuchtet mich bitte.“

William wusste damals schon, dass Beckett ein wahrer Schatz an Informationen war. Damals hatte er immer noch die Hoffnung gehabt, irgendwie aus seiner Rolle als Captain der Flying Durchman zu entkommen und wieder mit Elizabeth vereinigt sein zu können. In einem menschlichen Leben. Aus vielerlei anderen Orten und Mündern wurde damals von dem Quell berichtet, aber stets nur geraunt und fast unhörbar. Seine Motive mögen sich von denen fünf Jahre zuvor unterscheiden, wie der Tag von der Nacht, doch Beckett hatte Informationen und die brauchte er dringender denn je. Ohne weiter auf Beckett einzugehen sprach William: „ Erinnert ihr euch an meine Frage, die ich euch vor 5 Jahren gestellt habe?“ Beckett nickte nur und rezitierte dann monoton: „Was wisst ihr über den Quell des ewigen Lebens, das habt ihr mich gefragt, war es nicht so?“ Will nickte: „ Richtig, das habe ich euch gefragt. Mittlerweile habe ich selbst aus anderen Quellen einiges dazu erfahren.“ Beckett wurde stutzig und legte den Kopf schief: „Und warum wollt ihr dann immer noch das ich euch etwas dazu erzähle?“ William löste seine Arme und stützte sie nun in die Hüften: „Weil ich euch noch eine letzte Chance geben will, euer Wissen ist das einzige, das euch hier hält und deswegen behütet ihr es auch so. Ansonsten wärt ihr ja wertlos für mich, ansonsten wärt ihr schon längst tot. Doch dieses Mal müsst ihr euch richtig entscheiden, antwortet ihr mir nicht, sterbt ihr von meiner Hand oder durch die Hand des Schicksals. In jedem Fall ist es euer Tod.“ Beckett lächelte matt: „Ich fürchte den Tod nicht.“ Will senkte den Kopf leicht: „Wohl aber die ewige Verdammnis. Sterbt ihr durch meine Hand oder die des Schicksals wird eure Seele niemals Ruhe finden. Dies hier ist ein verdammtes Schiff, jeder der hier bleibt ist verdammt und jeder der durch meine Hand stirbt, dessen Seele ist ebenfalls auf ewig verdammt.“ Einen Moment herrschte Stille und Beckett konnte die Wahrheit in den Worten spüren, bis der Captain die Stille unterbrach: „Teilt euer Wissen mit mir und verändert den Lauf des Schicksals, dann gebe ich euch das, wonach ihr euch sehnt.“ Beckett war noch nicht ganz überzeugt und fragte: „ Und was soll das sein?“ William hob den Kopf: „Ihr habt doch gefragt ob es noch mehr Möglichkeiten gibt außer dem Tod oder ein ewiges Leben hier auf dem Schiff. Ich kann euch tatsächlich noch etwas anderes bieten, eine vorzeitige Erlösung. Eine Erlösung von dem Fluch der Flying Dutchman.“ Ohne eine Antwort abzuwarten ging Will aus der Zelle, verschloss diese wieder und ging hinauf in die wärmeren und trockenen Teile des Schiffes.

William wusste dass er es diesmal richtig gemacht hatte, er würde in ein paar Tagen wieder hinuntergehen, mit Papier und Tinte. Sollte dieser elende Hund ruhig alles aufschreiben und glauben, dass er ihn erlösen würde. Doch das musste sich der Captain noch einmal überlegen.

Wieder drehte Will das Glas mit dem Wein. Das andere Ereignis heute, war wesentlich schwerer einzuordnen.

Nachdem er die Bilge verlassen hatte und ihn wärmere Stockwerke umfingen, machte er sich nicht auf den Weg zurück an Deck, sondern ging über Umwege zurück in seine Kajüte. Dort angekommen lief er immer noch ein wenig nachdenklich umher, bis er aus einem Augenwinkel den weißen Nebel registrierte, der wieder herein waberte. In diesem Moment ließ sich William auf einen nahestehenden Sessel sinken und wartete ab. Wieder umkreiste der Nebel ihn und verfestigte sich nach und nach wenige Meter vor ihm. Der Captain legte den Kopf ein wenig schief und sah weiter zu. Er stellte fest, dass dieses Nebelwesen weibliche Gesichtszüge annahm. Immer noch unstet flackerte das Geistwesen vor ihm. Interessiert kam das Gesicht näher. Aus der Masse an Nebel schälte sich eine zarte weißliche Nebelhand, die ihn im Gesicht gerührte. Will hielt still, wusste er doch, dass das Wesen ihm nichts Böses wollte. Nachdenklich schien das Wesen auch den Kopf schief zu legen, bevor es anfing zu sprechen: „Ihr seid ein Geschöpf von Calypso.“ William musste lächeln: „Ja…das bin ich wohl.“ Das Wesen zog seine Hand zurück und schwebte selbst auch ein wenig zurück, als ob es ihn genauer betrachten wollte: „Dann sind wir derer schon zwei mein Bruder.“ Erstaunt hob William eine Augenbraue, sagte aber nichts. Das Geistwesen drehte seinen Kopf zur Seite: „Ich spüre schon seit vielen vielen Jahren, das etwas unheilvolles geschehen wird und das es auch mich erreichen und vernichten wird. Dieser Zeitpunkt liegt nicht mehr allzu fern.“ Williams Blick war entrückt geworden: „Also seid ihr auch ein Geschöpf Calypsos? Und warum sprecht ihr erst jetzt zu mir, jetzt da die Zeit schon viel zu knapp ist?“ Das Geschöpf wirbelte wieder zu ihm herum: „Man könnte uns Bruder und Schwester nennen, richtig, ich bin auch ein Geschöpf Calypsos.“ Das Nebelwesen drehte erneut den Kopf: „Meine Kraft ist hier in diesem Reich begrenzt, lange Zeit war ich nicht stark genug mehr zu sein als eine lebendige Wolke.“

Einen Moment verharrte es wortlos und schweigend, bis es wieder zu William heran schwebte und ihn mit der milchweißen Hand sanft an der Schulter berührte: „Mein Bruder, wir müssen dieses Unglück von uns abwenden.“ Abwartend ließ sie die Hand dort. William hob skeptisch die Augenbrauen: „Wieso sollte ich dir vertrauen? Wer sagt mir, dass du die Wahrheit sprichst?“ Langsam strich das Geistwesen über seinen Oberarm: „Du hast Recht, wieso solltest du mir vertrauen…“ Dann hob es den Kopf und schaute ihn an: „Aber sag selbst mein Bruder, hast du nicht von Anfang an gespürt, dass wir eine Verbindung haben?“ William schaute etwas unschlüssig, sagte aber nichts. „Seit ich weiß wer meine Mutter ist, weiß ich auch von dir. Ich bin oft durch die andere Welt gestreift, in ebendieser Gestalt, bis ich dich gefunden habe. Er war nicht nur Zufall, dass wir uns begegnet sind, ich wusste irgendwie das du da bist.“

Dann seufzte das Wesen und drehte William den Rücken zu: „Die Ereignisse schreiten zu schnell voran, wenn wir uns nicht beeilen, dann wird es uns beide nicht mehr geben.“ Es drehte sich wieder um: „Weißt du irgendetwas mein Bruder, dass uns vielleicht helfen könnte unserem Schicksal zu entgehen? Alles scheint so unausweichlich…“ William wusste nicht ob ein Geistwesen betrübt sein konnte, doch so wie sie sich erklärte, war das nur ihr Geist, ihr Körper war anderswo. Auch wusste er nicht, ob diese Geschichte glaubhaft war, aber ihm und wahrscheinlich auch ihr lief die Zeit davon und einen Verbündeten zu haben, wäre wahrscheinlich gar nicht schlecht. Außerdem hatte er das was sie Verbindung nannte auch gespürt.

Er stützte seinen Arm auf die Lehne und seinen Kopf in die Hand ebendiesen Arms: „In Ordnung, für den Moment glaube ich dir…Schwester. Ich weiß nicht was du weißt, aber ein alter Seemann, den ich eigentlich in meine Crew holen wollte, spie mir vor seinem endgültigen Ende lieber ins Gesicht und lachte mich aus. Ich fragte ihn, warum er das tat, dann rezitierte er eine Prophezeiung, lachte noch einmal einen Schwall Blut hervor und starb dann. Ich wusste, dass die Prophezeiung mir galt und mir mein Ende bevorstand.“ William hob den Kopf aus Hand und richtete sich wieder in seinem Stuhl auf: „Das war vor drei Jahren. Am Anfang habe ich mir viele Gedanken dazu gemacht und auch versucht herauszufinden, was diese Prophezeiung bedeutete. Die erste Phrase konnte ich relativ leicht entschlüsseln:
 

Kehrt die Eine göttergleich,

zurück zu dem was einst gewesen ist ihr Reich,
 

Damit konnte nur Calypso gemeint sein, wir hatten sie von ihrem menschlichen Antlitz befreit und sie war in ihr Reich zurückgekehrt. Das hieß aber auch, dass die Prophezeiung bereits begonnen hatte. Ich machte mich daran den Rest zu entschlüsseln, aber das erwies sich als schwierig.“

Das Geistwesen legte den Kopf schief: „Das ergibt durchaus Sinn mein Bruder. Wie lauten die anderen Strophen?“ Nach kurzem Räuspern sprach William weiter:
 

"wird das Siegel weiter wandern,

in die filigrane Hand eines andern.
 

Dieser wird tragen das Siegel nah am Herz,

bringen wird es ihm einen sehnsüchtigen Schmerz,
 

denn dieser ist nicht die Eine,

und wird ihn treiben diese Sucht,

zum Zentrum dessen Macht.
 

Ist das Siegel zurück am Quell,

innerhalb dreier Vollmonde schnell,
 

werden sterben der Göttergleichen Kinder,

denn ohne der Mutter Macht gehen sie unter."
 

Es folgte nachdenkliches Schweigen, bis William weitersprach: „Die letzte Phrase konnte ich auch relativ schnell entschlüsseln, doch was alles in der Mitte, dem Hauptteil der Prophezeiung stand, habe ich bis vor kurzem nicht entschlüsseln können. Ich vergaß über die Zeit die Prophezeiung, habe ich doch hier genug zu tun. Doch vor drei Wochen suchte mich meine Frau auf.“ Bitterkeit erfasste seine Stimme, als er weiter sprach: „Ihr Suchen nach mir, hörte ich sogar bis in die andere Welt. Ich gab ihr nach. Als ich sie an Bord holte gestand sie mir dass unser Sohn tot war. Nachdem sie beschrieben hatte, was sie getan hatte und sie es sich nicht erklären konnte, packte mich kalte Wut. Ich glaubte ihr nicht und bezichtigte sie des Mordes. In meiner Raserei war ich drauf und dran sie umzubringen. Doch bevor ich dazu Gelegenheit bekam, flüchtete sie ins Meer. Zu ihrem Glück war am Horizont gerade ein Handelsschiff aufgetaucht. Unter den leidlichen Bemühungen meines Vaters verschwanden wir mit der Flying Dutchman, ehe wir entdeckt wurden.“

William senkte den Blick: „Mein Vater mahnte mich und brachte mich wieder auf den Boden der Tatsachen. Nach ein paar Tagen ließ ich unser Treffen wieder und wieder durch den Kopf gehen, da etwas anscheinend nicht stimmte. Nach mehreren Tagen fiel es mir ein, sie trug ein Goldstück um den Hals, welches ich noch nie vorher gesehen hatte. Es war merkwürdig gearbeitet und hatte für Gold einen faszinierenden andersartigen Glanz. Es war ihr aus dem Hemdkragen gesprungen, als wir stritten. Nach der Länge des Lederbandes zu urteilen müsste es auf ihrem Herzen gelegen haben. Nach ihrer Version habe unser Sohn das Goldstück bei ihr am Hals bemerkt und hatte versucht es seiner Mutter abzunehmen, was ihm nicht gelang. Egal auf welche Weise, es war ihm nicht möglich, das Lederband über ihren Kopf zu streifen. Widerwillig habe sie es abgenommen und ihm gegeben. Sie habe sich bei dem Gedanken unwohl gefühlt es abzunehmen und je länger es fort war, desto schlimmer habe sie sich gefühlt. Unser Sohn, habe das alles nicht so ernst genommen und sei mit dem Goldstück weggelaufen. Fast panisch, so erzählte sie mir, sei sie ihm gefolgt. Der Junge hielt es für ein Spiel und lief noch schneller und weiter. Irgendwann sagte sie, habe sich ihre Sicht wie durch gelblichen Nebel verschleiert und sie habe gespürt wie die Panik immer noch wuchs. Später habe sie sich selbst kreischen gehört und ihr Blick wurde noch verschleierter vom gelben Nebel. Kurz danach habe sie gar nichts mehr gespürt oder gesehen. Als sie wieder zu sich kam, so sagte sie mir, lagen ihre Hände immer noch verkrampft um den Hals des Jungen und drückten immer noch zu. Obwohl der gelbliche Schleier verschwunden und ihr Gewissen wieder einsetzte, war sie noch so voller Wut, dass sie nicht merkte, dass sie das Fleisch schon zerquetscht und blutige Hände hatte. Auch da bemerkte sie erst, dass sie ihn die ganze Zeit angeschrien hatte: Ich muss es zurückbringen! Ich muss es zurückbringen!“

William rückte auf die andere Seite des Stuhls und stützte sich auf die Lehne: „Ich habe lange Zeit schon über meine Frau nachgedacht und bin zu der Einsicht gekommen, dass sie nicht mehr die ist, die ich damals heiraten wollte. Schon lang ist sie ein Pirat. Ich traue ihr zu, dass sie das mit der verschleierten Sicht nur erfunden hat. Allein die Tatsache, dass sie ihren Sohn immer noch gewürgt hat, obwohl sie, wie sie selbst behauptete, wieder bei klarem Verstand gewesen war, ist für mich Aussagekräftig genug.“ Wieder machte er eine kurze Pause: „Doch das entscheidende war, das mich das Ganze damals an etwas erinnert hat. Und zwar an die Prophezeiung. Ich suchte meine Notizen, die ich damals angefertigt hatte, damit ich sie nicht vergaß und studierte die Prophezeiung noch einmal.“ Sein Blick fiel auf das Fenster und die Sicht dahinter:
 

"Dieser wird tragen das Siegel nah am Herz,

bringen wird es ihm einen sehnsüchtigen Schmerz,
 

Genau was meine Frau beschrieben hatte.
 

und wird ihn treiben diese Sucht,

zum Zentrum dessen Macht.
 

Sie sagte, sie muss es zurückbringen, wohin war für mich danach klar. Die zweite Phrase war für mich am ausschlaggebendsten, da diese klarsten war. Damit hatte ich den „anderen“ aus der Prophezeiung gefunden. Nachdem ich erkannt hatte, dass es ein Fehler von mir war, sie nicht sofort umzubringen, versuche ich es seitdem. Die ersten zwei Taugenichtse sind gescheitert. Zum nächsten Vollmond erwarte ich die zwei Assassinen zurück, die ich zuletzt beauftragt habe. Ich würde es ja gern selbst erledigen, aber wie du weißt, habe ich eine Aufgabe, von der ich mich nicht lossagen kann.“ Er zuckte mit den Schultern: „Mehr weiß ich selbst nicht. Möchtest du noch etwas ergänzend hinzufügen Schwester?“

Das Nebelwesen hatte sich die ganze Zeit kaum bewegt: „Mein Quellen verrieten mir nur wenig, ich wusste das es eine Art Talisman, oder wie du sagst, Siegel geben musste. Aber mehr wusste ich auch nicht, nur mein Gefühl verriet mir, das etwas passieren würde.“

Plötzlich geriet das Wesen außer Form und waberte nur noch als Wolke hin und her. „Meine Macht ist verbraucht. Doch ich komme so schnell wie möglich wieder zurück. Auf bald mein Bruder.“ Ohne dass William noch ein Wort des Abschieds formulieren konnte, verzog sich die Nebelwolke durch sein Fenster in den Dunst des Tages.

Ja dies war das schwierigere Ereignis, das es einzuordnen galt. Aber schlussendlich gab es wie fast immer nur drei Möglichkeiten: Die erste, es war die Wahrheit, die zweite, es war gelogen und die dritte, es war sowohl wahr als auch gelogen. Er tippte auf letzteres. Aber er glaubte dem Wesen, dass sie auf derselben Seite standen, aber wer es nun genau war, das vermag nur die Zeit ihm zu zeigen. Doch für den Moment musste er sich mit dem abfinden was er hatte. Bei diesen Gedanken drehte er noch einmal das Glas Wein in der Hand und stürzte den Inhalt kurz darauf in einem Zug hinunter. Ein leichtes Lächeln erschien auf seinem Gesicht, immerhin schien das Schicksal ihm jetzt ein wenig geneigter zu sein.



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