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Mysterium

Eine Self-Insert-Story
von

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Neue Erfahrungen

Ihre Rückenmuskulatur hinterließ nur mehr kleine Stiche, wenn sie sich bewegte. Die meisten Kratzer und Schnitte, die noch gestern ihren Körper geziert hatten, waren längst verblasst. Ihr Bauch pochte zwar noch dumpf, bereitete ihr ansonsten allerdings keine Probleme. Selbst die Schwellung und unschöne Farbe war kaum mehr sichtbar. Eigentlich wäre ihr diese Regenerationsrate fast unheimlich gewesen, wenn sie nicht so ungemein gelegen käme. Wer konnte schon behaupten, dass er nach einem solchen Massaker wenige Tage später kerngesund durch die Gegend stolperte?

Sie konnte einfach nicht anders. Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen verließ sie ihre Kammer. Luftig und weich fegte ihr das Haar um Stirn und Wangen, ihre Haut schimmerte mit einem schwach-bräunlichen Taint. Sie trug ein schwarzes T-Shirt, dass sie gestern im Vorraum des Badezimmers gefunden hatte. Daneben hatte eine säuberlich zusammengelegte Stoffhose gelegen, deren Farbton allerdings an ein tiefes Dunkelgrün grenzte.
 

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Mysterium
 

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Kapitel 5 - Neue Erfahrungen
 

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Die Charaktere gehören mir nicht, sie gehören Rumiko Takahashi. Da ich weder weiblich noch kleinwüchsig bin, schließe ich, dass sie mir auch nie gehören werden.
 

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...
 

Ihr war das recht egal gewesen. In ihrer Situation konnte man nicht wählerisch sein und so hätte sie jede denkbare Farbe getragen. Nun gut, vielleicht nicht rosa oder pink. Ein Mann hatte schließlich aus seine Prinzipien. Mit dieser Phrase im Kopf trat sie hinaus auf den Korridor und wurde außerdem daran erinnert, dass besagte Phrase nicht mehr länger auf sie zutraf.

"Sai! Wie schön dich zu sehen. Bist du auf dem Weg zu meinem Meister?"

Erstaunt blinzelte das Mädchen den jungen Mönch an.

"Sprichst du von Tenko?" Das konnte doch nicht wahr sein? Tenko war der Meister dieses Tempels?

Meji nickte ihr bestätigend zu und bedeutete ihr mit einer Geste zu folgen - und so folgte sie ihm. Der kleine Rundgang verlief ohne das ein einziges Wort zwischen ihnen fiel. Tatsächlich wusste Sai nicht einmal, weshalb sie mit dem Typen sprechen sollte, der ihr den ganzen Ärger eingebrockt hatte. Aber Meji zu Liebe hatte sie eingewilligt.

Als sie so hinter dem jungen Mönch einherging, achtete sie das erste Mal bewusst auf seine Erscheinung und konnte sich ein amüsiertes Schmunzeln nicht ganz verkneifen. Wie sein Meister trug auch er eine Glatze und das weiße Gewand über einer einfachen Stoffhose. Was sein Outfit von dem seines Meisters unterschied, waren die abgeschnittenen weiten Ärmel. Statt seine Arme zu verhüllen, ließ er sie frei und präsentierte dadurch unabsichtlich gut durchtrainierte Oberarmmuskeln. Des Weiteren war er größer als sein Meister.

Während Tenko kaum größer als sie war, überragte Meji sie um fast eineinhalb Köpfe. Sie war sich zwar darüber im Klaren, dass dieser Körper kleiner als ihr alter war. Trotzdem verspürte sie ein Stechen der Eifersucht in sich. Als Junge war sie es nämlich gewöhnt gewesen um ein kleines Stückchen über den anderen Jungs herauszuragen. Es war zwar nicht so gewesen, als wäre dieser Höhenunterschied besonders auffällig. Aber es hatte ihr genügt zu wissen, dass sie größer war - ein unverkennbares Beispiel des seltsamen Stolzes des männlichen Geschlechts. Nun um so vieles kleiner als jemand zu sein, machte sie irgendwie ärgerlich. Aber sie musste es wohl oder übel einsehen - sie war jetzt kleiner, weil sie nun ein Mädchen war. Ein Umstand, der ihr im Verlauf des gestrigen Abends äußerst intensiv bewusst geworden war. Nach einem längeren Erholungsschlaf auf ihrem Futon war sie in den Abendstunden erwacht. Als sie ein unangenehmer Geruch begrüßte, hatte sie angeekelt die Nase verzogen und sich nach der Quelle des Übels umgesehen. Zumindest hatte ihr Hals kaum mehr geschmerzt und ihr dieses Vorhaben soweit enorm erleichtert. Als sie jedoch nichts fand, dämmerte ihr, dass besagte Geruchsquelle wohl näher lag, als sie vermutet hatte.

So hatte sie sich unter leichtem Stöhnen und Fluchen aufgerichtet und in einer Mischung aus Stolpern und Schlurfen ihre Kammer verlassen. Dann war sie einfach drauf los gegangen. Irgendwie würde sie das Badezimmer schon finden. Das hatte sie sich dreimal eingeredet und es danach sogar geglaubt - und damit eine nagende Befürchtung in den Wind geschlagen. Als die Wände sich zunehmend ähnlicher sahen und ihre Schritte in den Korridoren verklangen, nistete sich auch wieder die Befürchtung in ihrem Hinterkopf ein. Sie war wie ein penetrantes Pochen, das ihr mit einem Hinweisschild - Orientierungsloser Trottel - immerzu auf den Kopf schlug. Sie würde das Bad schon finden. Es konnte ja schließlich nicht so schwer sein, einen verdammten Raum ausfindig zu machen.

Ihre Selbstsicherheit war mit jedem weiteren Schritt von ihr abgefallen und hatte Platz für Zweifel gemacht. War sie nicht bereits durch diese Tür gegangen? Obwohl diese Tür auch verdammt bekannt aussah. Wie groß war dieser Tempel eigentlich?

Und schließlich musste sie sich ihre Befürchtung eingestehen. Eine Befürchtung, die fast zwanghaft mit ihrem neuen Namen verknüpft zu sein schien. Zuerst hatte sie es noch für einen lustigen Zufall gehalten. Eine Überschneidung von Buchstaben, die rein zufällig denselben Namen ergeben hatte - also kein Grund zur Beunruhigung. Seltsamerweise hatte sie dieser durchweg vernünftige Gedanke sogar ein wenig betrübt. Schließlich hätte es doch auch durchaus was für sich gehabt, mit einem Mal einen derart interessanten Verwandten zu haben. Aber das war natürlich nur alles Quatsch gewesen. Dies mochte vielleicht eine andere Welt sein und es galten etwas andere Spielregeln der Physik, aber das machte fiktive Figuren noch lange nicht real. Sicherlich war es auffällig, dass auch sie ein Stirnband getragen und es zu nutzen gewusst hatte. Einmal ganz abgesehen von ihrer enormen Schmerzkontrolle und Körperkraft. Trotzdem konnten dies alles dennoch nur Zufälle sein.

Als sie dann allerdings unsicher und gänzlich verloren in einem Gang gestanden hatte, war ihr durchaus mulmig geworden. Und egal, wohin sie sich auch wandte, sah alles gleich aus. Sie wusste, dass das unmöglich war. Im einen Korridor saßen die Fenster schließlich woanders, waren die Türen an anderen Stellen platziert oder waren die Wege kürzer. Sie durfte sich nur nicht nervös machen. Mit diesem Entschluss war sie dann durch die nächstbeste Tür getreten und im Garten gelandet. Ungläubig hatte sie zurückgesehen - das konnte doch nicht wahr sein. Also war sie erneut durch die Tür getreten und hatte eine andere geöffnet. Als sie abermals in das Grün des Gartens starrte, kam ihre Entschlossenheit ins Wanken. Trotzdem gab es noch eine Chance, schließlich war da noch die dritte Tür. Somit hatte sie sich umgedreht und war vorgetreten, nur um auf einmal zu verharren. Warte mal, hatte sie diese Tür nicht schon geöffnet? Mit einem Klicken war die Klinke nach unten geschwungen und hatte tatsächlich den Blick auf das frische Grün von Wildblumen und Gras freigegeben. Dann war sie herumgeschwungen und auf die andere Tür zugesprintet. Mit einem Triumphschrei - der ihr unter anderen Umständen peinlich gewesen wäre - hatte sie die Tür aufgerissen und war geradewegs in den Garten gestolpert. Grün und spottend hatte er sie mit Vogelzwitschern und Teichplätschern in Empfang genommen.

Meji fand sie zwei Stunden später, nur eine Tür entfernt vom Bad und in allzu weibliche Tränen aufgelöst. Ungläubig hatte er ihr hinterhergstarrt, als sie aufgebracht die Badezimmertür hinter sich zuschlug, dass diese nur so in ihren Scharnieren erzittert war.

Mit dieser kleinen Eskapade hatte sich für sie in gewisser Weise ein Wunsch erfüllt, wenngleich sie das zu diesem Zeitpunkt nicht unbedingt als Segen betrachten konnte. Dieses Ereignis war ein Zufall zuviel gewesen und hatte schließlich selbst ihren gesunden Menschenverstand überfordert. Dieser Orientierungssinn war so surreal wie einzigartig. Sicher hätte sich jeder in einem fremden Haus verlaufen können - allerdings nicht länger als eine halbe Stunde. Vielleicht war sie ja doch mit einem gewissen Herrn verwandt?

Damit hatte sie zufrieden - sie konnte selbst nicht recht bestimmen, wieso genau - den Vorraum zum Bad betrachtet. Und dann war es sehr merkwürdig geworden. Immer vorausgesetzt, man wendete das Wort merkwürdig nur sehr strikt und in äußerst kuriosen Situation an. Eine solche war ihr nämlich in Form der Körperhygiene begegnet. Und so kam es, dass sie ihren Körper aus großen Augen musterte und sich dabei wie ein Voyeur fühlte. Um es knapp zu halten, war sie sehr erleichtert gewesen, als sie nach einem äußerst kurzweiligen Bad wieder in ihre Unterwäsche schlüpfen konnte. Im Nachhinein war das auch ein durchaus plausibler Grund dafür, weshalb sie sich mit einem beinahe fanatischem Eifer ihre neuen Klamotten übergestriffen hatte.

Nun folgte sie also Meji zu dessen Meister. Hoffentlich würde Tenko seine Begrüßungszeremonie nicht erneut wiederholen - einmal reichte ihr völlig.

Immerhin hatte sich ihre Stimmung erheblich gebessert. Der Schlaf hatte sie erholt und von den größten körperlichen Übeln befreit. Jetzt fühlte sie sich frisch und hatte Hunger und zwar was für einen. Meji hatte ihr zwar am gestrigen Abend eine große Keramikschale voll Reiskörnern und mehrere Schälchen mit diversen Beigaben serviert - das Sättigungsgefühl reichte jedoch dem Anschein nach nicht länger als bis zum nächsten Morgen. Deswegen eilte sie nun hinter ihm her, beständig darauf bedacht jedwedes Magenknurren im Keim zu ersticken.

Umso erfreuter und zugleich verstimmter, realisierte sie sodann, dass sie wieder im Esszimmer war. Derselbe Raum, in dem das ganze Debakel begonnen hatte.

Tenko saß bereits am Tisch, wenn sie sich nicht stark irrte, sogar an der gleichen Stelle wie gestern. Misstrauisch näherte sie sich ihm, während hinter ihr die Tür zufiel.

Der Mönch sah ohne den Anflug von Überraschung auf und nickte ihr wortlos zu. Dann wandte er sich wieder seinem Reis zu.

Na, immerhin wollte er sie nicht gleich attackieren. Das war doch schon eine deutliche Verbesserung gegenüber gestern. Nichtsdestotrotz achtete sie aufmerksam auf jede seiner Bewegungen. Jedes Fingerzucken wurde mit einem Zucken ihres Körpers quittiert, jedes Zögern beim Essen mit einem Anspannen ihres Körpers, jede Pause im Schlucken mit einem Erstarren ihres Körpers. Schließlich hatte sie genug.

"Okay, was wollen Sie? Machen Sie's kurz!" Ihr Temperament brannte mit ihr durch.

Erstaunt bedachte sie Tenko mit einem unschuldigen Blick.

"Was tue ich denn?"

"Denken Sie ja nicht, dass Sie mich täuschen könnten. Was wollen Sie?"

Mit einem Seufzen platzierte der Tempelmeister seine Stäbchen auf der Keramikschale. Kleine Dampfwölkchen zogen weiß aus der Schale und in die Luft darüber. Derweil strich sich Tenko sein Gewand glatt und warf ihr einen neutralen Blick zu.

"Mich entschuldigen."

Für einen Moment glaubte sie sich verhört zu haben. Das konnte doch nicht sein Ernst sein. Hatte er gerade wirklich gesagt, was sie glaubte aus seinem Mund gehört zu haben?

"Wiederholen Sie das."

"Ich entschuldige mich."

Für einen Augenblick herrschte selige Ruhe. Ein Vogel zwitscherte draußen, ein Zirruswölkchen schlich über den blauen Himmel und ein Blatt viel ungehört und ungesehen zu Boden. Dann erschallte ein Brüllen und um die Ruhe war es augenblicklich geschehen.

"Sie haben mich beinahe umgebracht!" Eine Stirnader pulsierte lebhaft mit jedem Herzschlag, knapp oberhalb ihrer Augenbraue - und hätte sie einen Speigel gesehen, hätte sie deswegen wahrscheinlich einen Herzinfarkt erlitten und an geplatzte Arterien gedacht.

"Nun übertreib mal nicht Kleines", winkte Tenko großväterlich ab und entging nur knapp einem linken Hacken, der ihm vermeintlich den Kiefer hätte brechen können. Auch dem anschließenden Hieb wich er behände aus und schlug über ihren Seitwärtstritt einen kleinen Salto. Erstaunlicherweise schaffte er es dennoch entspannt zu wirken. Das unschuldige, kleine Lächeln verließ nie seine Lippen.

"Abreagiert?", beinahe spitzbübisch zwinkerte er ihr zu. Und wich mit einer Rückwärtsbewegung seines Kopfes der nachfolgenden Faust aus. Scheinbar spielerisch neigte er daraufhin seinen Körper zur Seite, ergriff ihren ausgesteckten Arm und schmetterte sie mit einem Judowurf unsanft zu Boden.

Der kurze, scharfe Schmerz erfüllte seinen ihm zugedachten Zweck - er verschlug ihr die Sprache - und eröffnete Tenko so eine Möglichkeit zu Wort zu kommen.

"Fein. Jetzt, da wir reden können, setz' dich doch bitte zu mir. Das Essen wird ansonsten noch kalt", und damit ließ er sich unbekümmert an seinem Platz am Tisch nieder.

Fluchend setzte sich Sai auf - nicht ohne Tenko einen giftigen Blick zuzugedenken - und neben ihn. Leise vor sich hin murmelnd, bediente auch sie sich reichlich an den Beilagen und begann zu essen.

Im Nachhinein betrachtet, konnte das kurze Kräftemessen dann immerhin zwei Vorteile für sich beansprucht. Ihre Wut hatte sich sich aufgrund der hervorragenden Ventilwirkung des alten Mönchs zu einem Flämmchen herabgesenkt und zugleich war ihre Nervosität verpufft. Wenn er sie hätte angreifen wollen, dann läge sie nämlich bereits längst kampf- und bewegungsunfähig zu seinen Füßen.

Da dem nicht so war, begann sie sich zu entspannen.

"Und?" Überrascht drehte das Mädchen Tenko ihr Gesicht zu und hob fragend eine Augenbraue.

"Und?", echote sie, unsicher, was er von ihr erwartete.

"Nimmst du meine Entschuldigung an?" Mit einem aufmunternden Lächeln blinzelte er sie von der Seite an.

Für einen Moment rang sie mit sich. Dieser Mann hatte sie schließlich ohne Provokation ungespitzt in den Boden gerammt und ihre Entschuldigungsversuche ignoriert. Wer war sie, dass sie ein solches Benehmen tolerierte?

Offensichtlich eine reichlich dumme Kuh - sie kapitulierte.

"Was soll's? Okay, ich vergebe Ihnen hiermit, dass mich ohne ausreichende Rechtfertigung krankenhausreif geschlagen und misshandelt haben."

Die kleine verbale Revanche traf allerdings wieder Erwarten ins Leere und berührte den Tempelmeister nicht im mindesten.

"Sehr gut", daraus bestand seine ganze Antwort. Dann widmete er sich auch schon wieder hingebungsvoll seiner Keramikschale. Irgendwie beschlich sie die Vermutung, dass sich der Greis über sie lustig machte. Ein letztes Mal noch bedachte sie ihn mit einem zweifelnden Blick, beließ es dann aber bei einem kaum merklichen Kopfschütteln.

Welchen Sinn hätte es auch gehabt, sich weiter aufzuregen? Geschehen war geschehen. Außerdem befürchtete sie, dass sie ihre Nerven noch brauchen würde.

So aßen beide in einträchtiger Stille. Lange wurde kein Wort ausgetauscht und so strichen die Minuten fast geräuschlos vorbei - lediglich verinezltes Klappern durchbrauch die Stille.

Nahezu zeitgleich beendeten sie ihre Mahlzeit und platzierten ihre Essstäbchen sorgfältig auf ihren geleerten Schalen. Mit Verwunderung stellte das Mädchen fest, dass sie diesmal die ganze Schale restlos geleert hatte. Wahrscheinlich hatte ihr Körper verbrauchte Energien wieder herzustellen. Eigentlich nicht wirklich überraschend, sah man auf den gestrigen Tag und seine Anforderungen an diesen Körper zurück.

Wesentlich weiter gelangte sie mit ihren Überlegungen nicht, als Tenko sie mit einem verhaltenen Räuspern auf sich aufmerksam machte.

"Haben Sie sich nicht bereits bei mir entschuldigt? Oder kommt jetzt die offizielle Variante mit Urkunde und Schmerzensgeld?", neckte Sai den Mönch, konnte ein Lächeln allerdings nicht völlig von ihren Lippen verbannen. Tenko erwiderte ihr Lächeln freundlich und setzte zu sprechen an.

"Sagt dir deine neue Garderobe zu?"

Mit einem Blick an sich herab, wo sie ihre Antwort ab und kam zu einem überraschenden Ergebnis. Ihr gefiel die Kleidung tatsächlich. Sie war bequem, ließ ihr genügend Bewegungsspielraum und mit der Farbgebung konnte sie sich durchaus arrangieren.

Mit einem kurzen Nicken bestätigte sie ihm ihre Zustimmung - bis ihre alte Kleidung getrocknet war, würde diese hier perfekt sein.

Doch dann fiel sie durch seine nächste Bemerkung aus allen Wolken.

"Gut, dann soll sie dir gehören."

Erstaunt ließ sie ihre Auge nochmals über das T-Shirt und die Hose gleiten.

"Aber das kann ich doch nicht einfach so annehmen." Es war ihr unangenehm Dinge von Fremden anzunehmen, selbst wenn sie sich diese nur ausleihte. Jedoch von jemandem, den sie kaum kannte, etwas geschenkt zu bekommen, war ungleich schlimmer.

"Ach was! Außerdem, wenn du nicht halbnackt durch unseren Tempel stolpern willst, solltest du mit diesen Kleidungsstücken vorlieb nehmen."

Da hatte er ein durchaus trifftiges Argument. Trotzdem war ihr unwohl bei dem Gedanken daran Tenkos Gutmütigkeit so schamlos auszunutzen.

Aber vielleicht war ihre alte Kleidung ja bereits getrocknet? Soweit sie sich erinnerte, war diese klatschnass gewesen und hatte unangenehm auf ihre Haut gezwickt. Dennoch, soviele Stunden mussten doch ausgereicht haben.

"Wo sind eigentlich meine anderen Kleidungsstücke? Sie wissen schon, die, in denen sie mich gefunden haben."

Kurz flackerte Unverständnis über die Züge ihres Gesprächpartners - wurden jedoch unlängst von Begreifen vertrieben.

"Die haben wir in den Müll befördert", verkünderte Tenko stolz und sah sie dabei an wie ein Hund, der ein hübsches Kunststück aufgeführt und nun so etwas wie Anerkennung erwartete.

Ihre Augenbraue begann heftig zu zucken - irgendwie zwang sie sich tortzdem zu einem schmalen Lächeln.

"Lassen Sie mich das nur kurz klarstellen. Sie haben meine Kleider in die Tonne getreten?"

Tenko besaß die maßloses Unverfrorenheit sie jovial anzulächeln, als er zur Antwort ansetzte.

"Nun ja, ich hätte es wahrscheinlich etwas anders formuliert, aber ich denke, dass es so in etwa den Sachverhalt treffen dürfte."

Okay, sie musste sich jetzt zusammenreißen. Sie durfte nicht der Wut nachgeben. Sie würde sich damit abfinden, dass dieser impertinente Greif - ohne sie überhaupt gefragt zu haben - ihr Eigentum wie Müll entsorgt hatte.

"Du hingst doch nicht etwa an den Sachen gehangen, oder?" Der alte Mönch war ein bild reinster Unschuld - sie glaubte dieser Illusion nicht für die Dauer einer Sekunde.

"Weißt du, deine Klamotten waren ohnehin schon über alle Maßen abgetragen und dreckverkrustet, sie wären dir doch recht bald vom Leib gefallen.", rechtfertigte er sich.

Das klang soweit sogar logisch, aber sie würde dennoch weiterhin auf der Hut bleiben. Sie kannte Tenko zu wenig, als dass sie ihm trauen konnte. Dieser Greis war zu konfus für sein eigenes Wohl. Da attackierte er sie noch am Vortag und saß jetzt freudig plaudernd neben ihr.

Doch egal wie freundlich er sie auch anlächelte, konnte sie seinen geradezu irren Eifer nicht vergessen, mit dem er sie angegriffen hatte. Nicht nur hatten seine Bewegungen auch schon vorher - graziell und tödlich - die von Tieren nachgeahmt. Der Mönch schien tatsächlich selbst zu allen diesen Tier zu werden, die er imitierte.

Tenko las eine unausgesprochene Frage in ihrem Blick und entschloss sich darauf zu reagieren.

"Du willst etwas über den Kampfstil erfahren, den wir hier praktizieren, oder?"

Jetzt, da sie es sich recht bedachte, hatte sich ihre Neugierde tatsächlich zunehmend darum gedreht. Deswegen entschied sie sich auch zu einem stummen Nicken, dass ihm bedeutete fortzufahren.

"Wie du vielleicht schon erkannt hast, spiegeln meine Angriffe Tierattacken wieder. Die pfeilschnellen Bewegungen und Stöße entsprechen einer Schlange beim Angriff, die wuchtigen Hiebe gleichen den Prankenschlägen und Bissen einer Raubkatze und das Verstecken in den Bäumen, sowie der Angriff von oben herab, ist den Affen entliehen.

Befinden sich Affen nämlich in einer Auseinandersetzung mit einem Feind, so suchen sie zunächst Schutz - häufig in einem Baum. Bleibt der Feind jedoch hartnäckig, so bewerfen sie ihn mit Ästen oder springen ihn aus dem Dickicht der Blätter in den Rücken."

"Manch einer würde das auch feiges Verstecken oder Hinterhältigkeiet nennen", merkte das Mädchen missmutig an. Die Spuren ihres Kampfes hatten nämlich nach Erwähnung dieses vernichtenden Angriffes erneut zu pochen begonnen.

Tenko schien jedoch keine Notiz von dem leicht erhitzten Unterton ihrer Bemerkung genommen zu haben. Stattdessen antwortete er ihr ungerührt.

"Es gibt einen massiven Unterschied zwischen Hinterhältigkeit und Listigkeit. Hinterhältig ist es den Gegner dadurch in die eigene Reichtweite zu locken, in dem man vorgibt besiegt oder ohnmächtig zu sein.

Listig ist es das Terrain für sich zu nutzten und von jedem sich bietenden Vorteil Gebrauch zu machen

So wie die meisten Tierstile stammt auch der meine von dem klassischen, chinesischen Kung-Fu ab. Aus diesem Grund orientieren sich meine Attacken und Strategien auch an dem natürlichen Verhalten der Tier, die ich nachahme."

Ihr dämmerte die Erkenntnis.

"Also haben sie die Bäume wie ein Affe für sich genutzt, um so die Gefahr zu mindern, von meinem Bandana getroffen zu werden?"

Tenko grinste sie beinahe fröhlich an. Er schien seinen Spaß zu haben.

"Allmählichbeginnst du zu verstehen. Das ist gut, sogar sehr gut. Denn nur Veständnis erlaubt Verbesserung. Merke dir das."

Wie zur Bekräftigung seiner Worte nickte er nochmals und fuhr sodann fort.

"Und noch aus einem weiteren Grund habe ich den Schutz der Bäume und die Höhe für mich genutzt. Weißt du aus welchem?"

Erwartungsvoll blickte er Sai an. Das Mädchen währenddessen steckte in einer gedanklichen Sackgasse fest. Der erste Grund war nur zu offensichtlich gewesen, der zweite verwehrte sich ihr jedoch gänzlich. Hilflos zuckte sie mit den Schultern und schenkte ihm ein entschuldigendes Lächeln. Und mit einem merkwürdigen Gefühl im Bauch, registrierte sie den kurzen Ausdruck von Enttäuschung auf Meister Tenkos Gesicht ehe besagter Ausdruck auch schon wieder verschwand.

"Mädchen, warum denkst du eigentlich, nahm ich an, dass du mich herausfordern wolltest?"

"Keine Ahnung?", ihr Lächeln wurde unsicher.

"Und wieso vermutest du, nahm ich dich überhaupt ernst genug, um deine Herausforderung anzunehmen?"

"Ich habe sie aber nie herausgefordert", brauste Sai auf, nur um sogleich zu schweigen, als der Meister sie ungeduldig anfunkelte.

"Das ist vollkommen unwichtig - lenk' nicht ab und konzentriere dich auf meine Frage."

Das Gefühl der Unsicherheit wuchs beständig in ihrem Magen heran. Und zeitgleich schrumpfte das Misstrauen gegenüber Tenko. Es schwächte sich rasant ab, während eine zweite Empfindung an Bedeutung gewann. Eine Empfindung, die sie überhaupt gar nicht ihm gegenüber verspüren sollte.

Es war Scham. Eine Scham darüber, Tenko eventuell zu enttäuschen. Vielleicht war es die Art und Weise, in der er sie vorhin gelobt hatte oder aber sein fast lehrerhaftes Auftreten nun, welches sie seine Enttäuschung und sein Bemühen um sie nur umso stärker fühlen ließ? Aber eigentlich war es auch egal. Was zählte war nur, dass dieser Mann aus ihr unerfindlichen Gründen, sehr viel von ihr hielt.

Und dergleichen war ihr in ihrem bisherigen Leben nur sehr spärlich widerfahren. Umso größer war auch ihrerseits das Bemühen gewesen, diese Person nicht zu enttäuschen - und nun erschien es ihr so, als könnte in diesem Falle gar nicht anders als versagen.

Mit einem Seufzen gab sie ihm zu verstehen, dass sie auch diesmal seine Frage nicht würde beantworten können und ihre Scham wuchs nochmals.

Und dann tat Tenko etwas, dass so fürsorglich und auf ungewohnte Weise zärtlich war, dass es ihr den Atem stockte.

Er legte ihr die Hand auf die Schulter - eine typisch-großväterliche Geste. Eine Geste, die niemand bisher bei ihr gezeigt hatte. Ihre Großeltern hatte sie nämlich nie gekannt.

Die Eltern ihrer Mutter waren früh verstorben und zwar beide an Krebs. Deswegen suchte ihre Mutter auch mit geradezu pedantischer Akribie jeden Vorsorgetermin beim Arzt auf - beinahe wie ein Hypochonder.

Ihre Großeltern väterlicherseits waren ihr vollauf unbekannt. Ebenso ihr Vater, von dem sie lediglich wusste, dass er regelmäßig und sorgfältig jeden Monat Alimente an ihr Mutter überwies. Ihre Mutter hatte sie nämlich alleine großgezogen - dadurch war sie tagsüber im Kindergarten gewesen, während ihre Mutter in einer Gaststätte arbeitete. Aufgrund der unregelmäßigen Arbeitszeiten ihrer Mutter, war sie gezwungenermaßen zunehmend vor Computer und Fernseher herangewachsen.

ihre Erinnerng zerstob, als sich sein altes Gesicht ihrem näherte und stahlblaue Augen sie aufmerksam anstarrten.

"Mädchen, warum denkst du bin ich deinen Fäusten ausgewichen? Weshalb machte ichmir die Mühe meinen alten Körper zu verbiegen und einen Hexenschuss zu riskieren?" Verschwörerisch blinzelte er ihr zu.

Obwohl ihr die Bezeichnung Mädchen so gar nicht munderte, entlockte er Sai dennoch ein kleines Lächeln. Denn wenn jemand einen Hexenschuss bekam, dann wohl noch eher sie als er.

Das teilte sie ihm so dann auch mit und brachte ihn damit ihrerseits zum Lachen. Und dann fiel ihr nach kurzem Nachdenken eine Antwort ein. Zugegeben, eine sehr schlichte Antwort, aber sie zögerte nicht sie vorzutragen.

"Weil's ansonsten wehtäte?" Zaghaft und in bester Schulmädchenmanier - hätte sie sich selbst im Spiegel erblickt, wäre sie vom Schock ohnmächtig geworden - unterstrich sie ihre Antwort mit einem schwachen Lächeln.

Tenko jedoch nickte heftig und stieß ihr den Zeigefinger fast in die Brust. Erschrocken war sie zurückgezuckt, doch der alte Mönch hatte davon gar nichts mitbekommen.

"Das ist es kleine. Weil es wehtäte. Und ahnst du auch nur im Geringsten wie weh deine Schläge tatsächlich getan hätten, hätten sie getroffen?"

Nun war sie ehrlich gestanden überfragt. Wie weh konnten ihre Schläge schon tun? Sicherlich, wenn sie de facto mit Ryoga Hibiki verwandt sein sollte, so war ihre Körperkraft gewiss nicht unerheblich. Aber sie blieb schließlich dennoch ein Mädchen, Hibiki oder nicht.

Tenko studierte die Regungen in ihrer Mimik eingehend. Das Mädchen war so einfach zu lesen wie ein Buch. Sie war erstaunlich leicht zu durchschauen und besaß augenscheinlich nur eine sehr geringe Kontrolle über ihre Emotionen. Jede Unsicherheit zeichnete sich nämlich auf ihrem Gesicht ab. Welcher Charakterattribut aber am heftigsten hervorstach, war ihre geradezu unschuldige Unkenntnis über ihr tatsächliches Leistungsvermögen. Eine normale Person hätte das Mädchen vielleicht als naiv abgestempelt und die Sache damit auf sich bewenden lassen. Das Problem war nur, dass das Mädchen alles andere als naiv und es somit nicht mit dieser Antwort getan war. Sie würde zwar nie zur Atomphysikerin werden, doch besaß sie nichtsdestotrotz einen wachen Verstand. Worin ihr eigentliches Problem lag, wurde erst offensichtlich, wenn man sich ihr eingehender widmete, ihr zuhörte und die richtigen Fragen stellte.

Das Problem war ihr Selbstbild. Wer auch immer sie erzogen hatte, hatte mieserable Arbeit geleistet. Diese Jugendliche hatte nicht den Hauch einer Ahnung davon, wozu sie ohne jede Anstrengung fähig wäre. Und das bereitete ihm Sorgen.

Eine solche Macht in den Händen eines Unerfahrenen war schon verheerend, kam Gott sei dank aber nur selten vor. Eine Praktizierende der Kunst, die diese Macht jedoch gezielt einsetzen konnte, - ohne sich dabei allerdings dem Ausmaß ihrer tatsächlichen Kräfte bewusst zu sein - erschien ihm nicht nur als ein Ding der Unmöglichkeit, sondern stellte auch eine immense Gefahr dar. Eine Gefahr für ihr Umfeld und aber auch sich selbst.

Diese hitzköpfige, unsichere Mädchen vor ihm war eine tickende Zeitbombe. Es war absehbar, dass sie bald aufgrund ihrer einzigartigen Situation in großen Ärger hineinstolpern würde. Ärger, der vielleicht nicht mit einem entschuldigenden Lächeln beizulegen war.

Und er war wohlmöglich der erste und eventuell auch einzige, der diese Gefahr je bemerken würde, ehe es zu spät war. Deswegen verstärkte er nun seinen Griff um ihre Schulter und betete, dass sich die Kleine seiner Worte annehmen würde. Das sie verstand, was er ihr jetzt gleich mitteilen würde.

Mit einen tiefen Schnauben holte er Luft und begann zu reden.

Mädchen, hör' mir jetzt gut zu." Tenkos Blick wurde zunehmend eindringlicher und schien bis in ihr Innerstes vorzudringen. Selbst, wenn sie sich seinen Worten hätte verschließen wollen, so hätte sie gar nicht anders gekonnt, als ihnen dennoch zu lauschen.

Der sonore Klang seiner Stimme fing ihre Aufmerksamkeit wie eine Fliege in einem Netz.

"Entsinnst du dich meiner letzten Frage?"

Angestrengt runzelte Sai die Stirn - besagte letzte Frage kam ihr aber nicht mehr in den Sinn. Tenko nahm ihr das auferlegte Kreuz im nächsten Augenblick auch schon von den Schultern.

"Macht nichts. ich wiederhole sie nochmal für dich. Also, wie hart vermutest du, kannst du zuschlagen?"

"Nun ja, ein wenig Kraft dürfte schon in meinen Schlägen stecken." Bereits aus Reflex setzte sie zu einem Lächeln an, das dann aber schlagartig erstarrte und verschwand.

Tenko wirkte nämlich alles andere als zufrieden mit ihrer Antwort.

"Erinnerst du dich an den Baum? Den, den du statt mir getroffen hast?"

Sai ließ den Kampf nochmal Revue passieren. Und dann erinnerte sie sich an den Baum. Alles war wie in einem roten Nebel verschwommen, der ihr einzig und alleine eine klare Sicht auf ihr Ziel ließ. Im sicheren Glauben ihren Gegner auf die Matte zu schicken, hatte sie ihre ganze Energie in einen rechten Haken konzentriet - und dann den Stamm erwischt.

Dieses Ereignis hatte sie rasch wieder vergessen gehabt, zu fantastisch und aufregend war der Rest des Kampfes verlaufen. Außerdem überschattete der anschließende Treffer und die damit verknüpften Schmerzen den knappen Moment ekstatischer Rage zuvor.

Doch dann begriff sie, worauf Tenko hinaus wollte. Vor ihrem innerne Auge sah sie nochmals den Stamm explodieren. Ein hartes, gutes Holz, dass wie Pappe nachgab.

Was geschah aber, wenn sie aus Versehen jemandem zu fest die Hand schüttelte oder freudig und überschwänglich in die Arme schloss?

Das Bild eines Zeichentrick-Ryogas, der mit einem verträumten Gesichtsausdruck hinter Akane herjagte, kam ihr in den Sinn. Als sie die Folge im Fernsehen sah, hatte sie sich köstlich an Ryogas Freude über das Date mit Akane amüsiert. Als besonders lustig war ihr aber Ryogas Amoklauf gegen Ende hin erschienen. Wie ein Wahnsinniger hatte dieser männerdicke Holzpfeiler zerstört - in der Absicht, die Liebe seines Lebens zu umarmen.

Nun allerdings verging ihr das Lachen und ihre Wangen verloren an Farbe, ihre Unterlippe begann zu beben. Eine plötzliche Übelkeit explodierte geradewegs in ihrem Bauch und schwemmte ein saures Aroma über ihre Zunge.

"Ich könnte jemanden töten." Ihre Stimme war kaum mehrals ein fassungsloses Flüstern. Es war eine Möglichkeit, die sie gar nicht bedacht hatte.Dieser Körper verfügte zwar über unglaubliche Kräfte, aber sie war gar nicht erst auf die Idee gekommen, diese Tatsache auch unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten.

Was geschah, wenn sie auch nur für einen Wimpernschalg die Kontrolle verlor?

"Oh mein Gott. Ich bin ein - Monster." Ihre Augen flossen mit Tränen über und ein Schluchzen schüttelte ihren Körper.

Und dann zog Tenko sie völlig unerwartet in seine Arme.

"Pscht! Sag' so was nicht. Du bist kein Monster."

"Ich könnte Sie töten. Ein Zittern, ein Drücken und ich könnte ihre Knochen brechen!" Sais Stimme überschlug sich in einem Anflug von Panik und Hysterie - sie war völlig aufgelöst.

"Du überschätzt deine Kräfte etwas, glaube ich", raunte er ihr gutmütig zu.

"Aber wenn du so gefährlich bist, warum brichst du mir dann nicht die Knochen?"

Sais Augen wurden weit vor Schreck.

"Nein, oh mein Gott, nein - niemals!", stotterte sie krampfhaft hervor.

"Da siehst du. Und deswegen bist du auch kein Monster. Ein Monster hätte mir nämlich die Knochen gebrochen."

Sie wusste, dass er sie nur beruhigen wollte. Was Tenko answandte, war schlichte Kinderpsychologie. Man stellte eine These auf, der das Kind sodann heftig widersprach und untermauerte damit die eigene Aussage - zumindest in den Augen des Kindes. Nichts anderes hatte Tenko getan.

Und allem Anschein nach funktionierte dasselbe Prinzip auch zur Beruhigung aufgelöster Teenager.

"Na, bist du noch immer ein Monster?", fragte sie Tenko in einem sanften Tonfall und lächelte sie dabei offenherzig an.

Ein wenig peinlich berührt über ihren eigenen Panikanfall, rieb sie sich betreten die Nase und spähte nach unten, ehe sie ihm antwortete.

"Nein. Nein, ich denke nicht, wenn ich auch im Moment wie eines aussehen muss", mit einem schwachen Grinsen hob sie ihren Blick wieder etwas. Meister Tenko reagierte allerdings augenblicklich, schob sie etwas von sich weg und beäugte sie spielerisch.

"Ein so schönes Gesicht und du ziehst so gemein darüber her. Aber wir müssen tatsächlich eine winzige Kleinigkeit verändern."

Was meinte er? Neugierig verfolgte sie wie eine seiner Hände in einer gut verborgenen Hosentasche verschwand - nur um sodann ihr Stirnband hervorzuzaubern. Fast entschuldigend sah er sie an, als er die nächsten Worte an sie richtete.

"Ich habe mir gedacht, dass du es sicher gerne wieder haben würdest."

Sie konnte es nicht glauben. Tenko wusste, welche verheerenden Schäden sie mit diesem schmalen Stück Stoff anzurichten vermochte. Trotzdem hielt er es ihr freundlich unter die Nase. Er hatte tatsächlich keinerlei Angst vor ihr - er vertraute ihr soweit, als dass er ihr bedingungslos eine tödliche Waffe in die Hand drückte.

"Beug' dich vor, dann lege ich es dir an."

Mit einem gerührten Lächeln und einem leisen Schniefen führte sie die Bitte aus. Der weiche Stoff legte sich vertraut um ihre Stirn und nahm die vielen Haarsträhnen aus ihrem Gesicht. Den Knoten band er so geschickt, dass sie diesen gar nicht spürte.

"Fertig."

Langsam hob sie wieder den Kopf und befühlte den Stoff. Er war weich und geschmeidig. Tenko musste das Stirnband gewaschen und getrocknet haben. Statt es wegzuschmeisen, hatte er ihr ihre größte Waffe gebügelt und gereinigt zurückgegeben.

"So. Nachdem das geklärt wäre, würdest du mir da eventuell enthüllen, wohin du zu gehen beabsichtigst?"

Die Frage traf sie unerwartet und wie eine Faust in den Bauch. Soweit hatte sie noch überhaupt nicht gedacht. Sie hatte sich eigentlich noch gar keine großen Gedanken über ihr jetztiges Leben gemacht.

"Hängt davon ab, wo ich bin", entgegnete sie ihm denkbar nichtssagend.

In bester Denkerpose reib sich Tenko das Kinn und sah durch ein Fenster hinaus in den Garten. Seltsam, das Fenster war ihr überhaupt nicht aufgefallen? War sie so mit sich selbst beschäftigt gewesen?

"Meji hat mir bereits von deinem kleinen Problem erzählt", skandierte er im Plauderton und warf ihr ein amüsiertes Lächeln zu.

"Ach - hat er?" Der junge Mönch konnte sich auf etwas gefasst machen. Sicher hatte er es nur gut gemeint - ihre Wut war aber dennoch kurz und lodernd in die Höhe geschossen.

Bei diesem Problem handelte es sich um ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite war es eine regelrechte Behinderung, auf der anderen Seite ein Schlüssel zur Phantasie. Einer Phantasie, die an diesem Ort wohlmöglich Realität sein konnte. Nicht, dass sie sich viel Hoffnungen machte tatsächlich diesen Figuren ihrer späten Kindheit in Fleisch und Blut zu begegnen. Aber die Möglichkeit alleine ließ ihren Bauch aufgeregt kribbeln.

"Ist dein Zustand denn tatsächlich so prekär?", Tenko sah sie forschend an und wartete auf ihre Antwort.

Prekär? Ja doch, das Wort umschreib ihr Problem sogar sehr treffend.

"Wenn sie eine dreieinhalbstündige Badezimmersuche auf knapp zweihundert Quadratmetern Fläche so bezeichnen möchten, ist mir das Wort durchaus recht."

"Hast du denn irgendwo Verwandte oder Freunde? Irgendjemand bei dem wohnst oder dich länger aufhältst?"

Mit fassungslosem Erstaunen begriff sie, dass sich Tenko Sorgen um sie machte. Er wollte sie wohl behütet wissen - auf gewisser Weise wie ein Vater bei seiner Tochter oder seinem Sohn.

"Danke."

"Wofür?" Er wirkte überrascht.

Sai ging nicht weiter auf seine Frage ein, sondern beantwortete lieber die zuvorgestellte. Sie war sich zwar noch immer sehr unsicher, - und wäre sie das nicht gewissen, dann doch sicherlich wahnsinnig - aber musste sie ihm irgendwie die Sorge abnehmen. Doch vorher musste auch er ihr etwas abnehmen. Und zwar die letzten Zweifel bezüglich ihres Standpunktes.

"Das klingt jetzt wahrscheinlich verrückt und ich kann verstehen, wenn sie denken, dass ich mir einen Spaß erlaube, aber könnten sie mir wohl sagen, wo genau ich mich befinde?"

Tenko runzelte die Stirn, dann antwortete er ihr etwas zweifelnd.

"In meinem Tempel?"

"Nein, genauer. Wo genau?"

"Als ich das letzte Mal auf die Karte gesehen habe, befanden wir uns noch in Shinjuku."

Ihre Vermutung verhärtete sich.

"Sie meinen Tokyo?"

Sie musste ganz sicher gehen und auch wenn sie dabei Gefahr lief, von Tenko für bescheuert gehalten zu werden.

"Ja, Shinjuku ist ein Distrikt Tokyos", versicherte er ihr und sie merkte ihm seinen Unglauben und die damit verknüpfte unausgesprochene Frage an. Ob ein Mensch denn tatsächlich so verloren sein konnte? Sie wusste die Antwort darauf selbst nicht und hatte auch kein Bedürfnis dieser Frage nachzugehen. Es genügte sich an einige von Ryogas Eskapaden zu erinneren, um ihren Magen bereits in einen festen Klumpen kontrahierten Gewebes zu verwandeln. Sicherlich konnte es schön sein Paris oder den Vereinigten Staaten von Amerika einen Besuch abzustatten - nicht jedoch, ohne sich dessen auch bewusst zu sein.

Aber immerhin hatte sich soeben ein Problem fast wie von selbst gelöst. Fast so, als sollte sie so schnell wie möglich zu ihrem Ziel gelangen - beinahe so als hätte das Schicksal genau das im Sinn für sie gehabt. Sie schnaubte kurz durch und begegnete Tenkos Blick ruhig - immerhin war jetzt alles geklärt.

"Ja, ich glaube, ich kenne da jemanden."

"Und wo wohnt dieser jemand?", forschte Tenko nach und erntete ein leises Glucksen, das sich wie ein unterdrücktes Gelächter anhörte.

"Bitte verzeihen Sie - es lag nur an ihrer Formulierung."

Verwirrt betrachtete sich der Meister das Mädchen vor sich. Was hatte denn nicht mit seiner Formulierung gestimmt? Er legte sehr viel wert auf einen gepflegten Umgangston und auch auf die Einhaltung des Kodex. Die Kampfkunst mochte zwar eine verhältnismäßig primitive Lebensaufgabe sein, deswegen musste man jedoch noch lange kein ehrloser Idiot sein. Abermals kam ihm das Bild des korpulenten Mannes mit seinem Sohn in den Kopf - das etwa war ein Idiot gewesen.

"Nun, man könnte sagen, dass dieser jemand schon recht häufig in dieser Gegend gesichtet worden ist." Sai gab ihr Bestes überzeugend und selbstsicher zu wirken - zur Antwort hob Tenko die linke Augenbraue und schwieg einen Moment lang. Fast so als wog er ab, ob er ihr Glauben schenken sollte oder nicht.

Schließlich seufzte er, kratzte sich über die Glatze und ließ seinen ganzen Zweifel in seiner Stimme mitklingen.

"Aha und welche Gegend wäre das?"

"Nerima", antwortete sie wie aus der Pistole geschossen.

Nerima lag ein gutes Stückchen entfernt. Mindestens mehrere Stunden mit dem Zug.

"Du bist dir im Klaren darüber, dass Nerima nicht gerade winzig ist und in deiner Kondition - er war nicht dumm genug, ihr Richtungsproblem direkt zu erwähnen - könntest du Schwierigkeiten bekommen.

Das Mädchen reagierte nicht. Sie starrte ihn nur durchdringend an und ihre grünen Augen bohrten sich in seine blauen. Schließlich gab er auf.

"Und wie heißt die besagte Person?" Irgendwie kam er sich allmählich wie ihr Vater vor. Nun, zumindest erinnerte ihn diese Diskussion daran, weshalb er sich nie auf Kinder eingelassen hatte. Und wie es schien, war er mit dieser Entscheidung auf einer guten Schiene gefahren. Nicht, dass ihm das augenblicklich etwas brachte.

"Ryoga. Ryoga Hibiki."

Hibiki? Warte mal, war das nicht auch ihr Nachname? Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen und er schenkte ihr ein joviales Lächeln.

"Ich erinnere mich noch gut an meine eigene Hochzeit. Ach ja, junge Liebe."

Sai schlug die Augen vor Entsetzen auf. Wie kam Tenko jetzt darauf? Hatte er einen über den Durst getrunken?

"Wie meinen Sie das? Ich bin doch noch viel zu jung!" warf sie ihm mit Feuereifer entgegen. Sie war doch kaum älter als siebzehn! Und noch dazu ein Verlobter? Sie und ein Junge? Ein kalter Schauer lief an ihrer Wirbelsäule wie Eiswasser herab.

Der Tempelmeister bedachte sie mit einem erstaunten Blick. Seiner Meinung nach war sie im besten Alter zu heiraten. Aber die Jugend von heute war ja immer so verdammt unsicher und ließ sich Zeit mit ihren Entscheidungen. Wie sollten sie denn je Fehler begehen, um aus diesen zu lernen, wenn sie alles so genau durchdachten?

"In welcher Beziehung stehst du dann zu ihm?"

Überrascht stellte sie fest, dass sich darüber gar keine Gedanken gemacht hatte. Ihr hatte die Erkenntnis schon vollauf genügt mit einer fiktiven Mangafigur verwandt zu sein. In welchem Verwandtheitsgrad sie allerdings zu ihm stand, war ihr denkbar unklar. Deswegen sprach sie einfach das erstbeste aus, was ihr in den Sinn kam.

"Ein entfernter Verwandter. Er ist ein entfernter Verwandter." Wie zur Aiffirmation nickte sie mehrmals und sah Tenko strahlend an - im Inneren jedoch schämte sie sich. Sie hatte ihn belogen. Sie hatte nämlich keine Ahnung, ob sie überhaupt mit Ryoga verwandt war oder ob es ihn überhaupt gab. Vielleicht fehlten die ihr ans Herz gewachsenen Charaktere völlig und sie befand sich nur rein zufällig in einer ähnlichen Welt?

Vermutungen würden sie jedoch nicht weiterbringen. Deshalb musste sie Nägel mit Köpfen machen. Sie musste nach Nerima.

"Soso, ein entfernter Verwandter." Kurz funkelte er sie nichtssagend an, als er aber scheinbar nicht fand, wonach er Ausschau gehalten hatte, resignierte er mit einem tiefen Seufzen.

"Morgen."

"Wie?", überrascht zog sie ihre Stirn kraus.

"Du fährst morgen - Meji wird bis morgen ein Eisenbahnticket nach Nerima für dich haben."

Erstaunen zeichente sich auf ihren Zügen ab. Hatte sie ihn richtig verstanden? Hatte er ihr eben eine kostenlose Reisemöglichkeit angeboten?

"Unmöglich. Das kann ich nicht annehmen", stellte sie entschieden fest. Während ihr schlechtes Gewissen befriedigt war, raufte sich ihr gesunder Menschenverstand die Haare über soviel Dummheit.

Ihrem Verstand kam allerdings der glückliche Umstand entgegen, dass Tenko unerbittlich war. Er war der Typ Mensch, der seine Schulden bezahlte, alten Frauen über die Straße half und das als selbstverständlich betrachtete. Auch, wenn er seinem Gläubiger das Geld in den Hals stopfte und die alte Dame trotz ihrer Einwände hinter sich über den Zebrastreifen zog. Er half und war in seiner Hilfe unerbittlich.

So hatte er Sai nach fünf Minuten so weit, dass sie ohne den Anflug eines schlechten Gewissens auch die Eigentumsrechte am Tempel entgegengenommen hätte.

Danach hatten sie noch ein wenig über belangloses Zeug geredet und als sich Meji zu ihnen gesellt hatte, war die Unterhaltung zunehmend lebendiger geworden. Lebendig im Sinne von mehrfachen Schmerzensschreien, die immer dann fällig wurden, wenn Tenko das Gefühl bekam, dass das Mädchen oder sein Schüler mangelnden Respekt gezeigt hatten. Was an diesem Abend sehr häufig vorkam.

So war es nicht weiter verwunderlich, dass Sai sich erschöpft und mit mehreren schmerzenden Stellen auf ihrem Futon niederließ. Meji war so nett gewesen und hatte sie bis zur ihrer Kammer eskortiert, wobei er auffällig gestrauelt war. Wenn sie ihm ihre Hilfe anot, lehnte er jedoch edelmütig ab, nur um mit zusammmengebissenen Zähnen weiter zu schlurfen.

Wenn er auf Schmerzen stand, dann wollte sie ihm diese Freude nicht nehmen. Immerhin ließ sich auf diese Weise zufriedenstellend erklären, warum er freiwillig unter diesem Meister trainierte. Mit einem schmerzverzerrten Lächeln hatte er sich dann von ihr verabschiedet und war stolpernd in der Dunkelheit verschwunden. Wenig später hatte sie gedämpft einen - erstaunlich rüden - Fluch vernommen und war nicht umhin gekommen zu grinsen. Was für ein furchtloser Held.

Der Schlaf war rasch gekommen und hatte sie fast augenblicklich in einen beinahe ohnmachtsähnlichen Zustand versetzt. Dumpfe Dunkelheit hatte ihre Sinne geflutet und nicht ein Traum war aus den Tiefen ihres Unterbewusstseins hervorgekrochen.

So war sie auch recht überrascht gewesen, als sie jemand wachgerüttelt hatte.

Es war Meji gewesen. Mit einem Lächeln hatte er sie begrüßt und ihr einen guten Morgen gewünscht. Und tatsächlich hatte die Sonne bereits ihr Haupt über die Dächersilhouetten gehoben.

Sie hatte ausgiebig gefrühstückt, vorsichtshalber noch eine zweite Schale Reis zu sich genommen und dann verkündet, dass sie bereit wäre. Bedächtig nickend hatte sich Tenko erhoben und war mit ihr und Meji ins Foyer getreten. Vorausgesetzt man konnte die kleine Eingangshalle mit einem so prächtigen Wort betiteln. Denn eigentlich schien nur durch ein Dachfenster etwas Licht von oben herab - nicht gerade allzu aufsehenerregend. Das Mobiliar hatte aus einem kleinen Schrank mit mehreren Schubläden bestanden und das war es auch bereits gewesen. Die einzigen verbliebenen Objekte waren drei Paar Schuhe. Zumindest zwei Paar waren Schuhe, das letzte jedoch glich vielmehr eng geschnürrten Sandalen, die einen Teil der Ferse und die Zehen frei ließen. Wie sich herausstellen sollte, handelte es sich dabei um dasselbe Schuhwerk, das man zusammen mit ihr vor der Tempelpfote vorgefunden hatte - kein Wunder, das ihr die Füße damals beinahe abgefroren wären.

Dann hatten sie gemeinsam den Tempel verlassen, waren die Treppenstufen hinuntergestiegen und in ein bereits wartendes Taxi eingestiegen. Der Fahrer war ein mittelalter Mann mit vielen Lachfältchen gewesen, der Meister Tenko beim Namen nannte und die ganze Fahrt über mit diesem plauderte. Derweil hatte sich Sai interessiert die vorbeihuschenden Umgrenzungsmauern, mehrere japanische Autos - darunter einen rosafarbenen Toyota Corola - und einen kleinen Stadtpark betrachtet. Letzterer hatte nur noch aus gelbbraunen Blätterbergen bestanden und soweit sie es hatte erkennen können, hatte er völlig verwaist und unbesucht dagelegen. Irgendwie hatte sie sein Anblick melancholisch gestimmt.

Schließlich hatten sie vor dem Bahnhofsgebäude in einer gelben Schlagen gehalten. Vor und hinter ihnen hatten sich Taxis geschäftig aneinander gedrängt und rege Betriebssamkeit ausgestrahlt. Eine erstaunliche Flut an Menschen hatte das Gebäude verlassen und war durch eine ebenbürtige Masse, die entgegenströmte, kompensiert worden. Unmerklich waren die Gebäude stetig in die Höhe gewachsen, zurück hatten sie die niedrigen Flachbauten und Mauern aus der Umgebung des Tempels gelassen.

Verloren und etwas verängstigt hatte sie mit Meji und Tenko zu ihren Seiten das imposante Steingebäude durch Türen aus Glas betreten.

Das Geschrei von Kindern und das Geräusch dahineilender Sohlen hatte sie sofort verschluckt. Ströme von Köpfen hatten sich an ihr vorbeigedrängt. Büroarbeiter in schwarzen Anzügen, in schreiende Farben gekleidete Jugendliche und Schüler in ihren respektiven Uniformen.

Noch nie hatte sie soviele Menschen gesehen. Da sie mit ihrer Mutter in einer Kleinstadt aufgewachsen war, war der dortige Bahnhof verglichen hiermit ein Winzling gewesen und wenn vier Leute zugleich mit einem den Zug betraten, war einem schon beinahe klaustrophobisch geworden.

Dies hier nahm gänzlich andere Ausmaße an. Alles war riesig, glitzerte und funkelte. Fernseher präsentierten die Nachrichten und Durchsagen pfiffen durch Lautsprecher, die an der Decke montiert waren. Eine überwältigende Fülle an Informationen war auf sie eingedrungen und hatte eine sanfte Benommenheit zurückgelassen. Hätten die beiden Mönche sie nicht zu beiden Seiten abgesichert, - um sie vor einem unbeabsichtigten Abwandern zu bewahren - hätte sie sich augenblicklich verlaufen.

Was jedoch nicht an ihrer beeinträchtigten Orientierung lag, sondern an der schieren Überwältigung durch Myriaden von Blitzen, Lichtern und Stimmen.

Und dann stand sie mit einem Mal auf dem Bahnsteig 4. Meji stand betreten neben ihr, während Tenko dem Zeiger der großen Uhr folgte, die zwei Meter oberhalb des Bodens tickte. Die Uhr war an der Überdachung festgeschweißt worden und war von einem grellen Weiß, das allerdings bereits am Ablättern war.

Mit einem schrillen Pfeifen war der Zug näher gekommen. Wie eine gigantischer Wurm aus Metall hatte er sich über die Schienen gewälzt und war schließlich neben ihr mit quietschenden Bremsen stehen geblieben. Er war stahlgrau und nur die Transparenz der Fenster nahm einen die Illusion, dass es sich doch nicht um ein Tier handelte.

Sofort waren andere Reisende durch die sich öffnenden Türen ins Innere des Wagons vor ihr geströmt. Insgesamt zog die Zugmaschine vier Wagons hinter sich her. Sie stand nun vor dem dritten und spürte ein seltsames Gefühl der Erwartung in ihr. Wenn sie jetzt eintrat, könnte das ihr Leben verändern. Nein, eigentlich war ihr Leben bereits längst verändert, aber was passieren konnte, war, dass sich alles in ein Bild fügte. Ein Bild, in dem sie ihren Platz würde finden können. Aber was, wenn sie das erwartete Bild nicht vorfinden würde, dafür jedoch ein anderes, dass sie ausschloss? Was, wenn sie die Bedeutung dieser hervorstechenden Merkmale an ihr überwertet hatte? Was, wenn die spitzen Eckzähne, ihre Körperkraft, ihr Zorn und ihr verwirrter Orientierungssinn nichts als Zufall waren?

Immerhin würde sie sich dann dennoch mit der Situation arrangieren können, denn diese Figuren, diese Personen würden ihr dennoch bekannt sein. Und so würde sie auf absurde Art und Weise ihrem damaligen Leben wieder näher sein.

Was jedoch, wenn dieses Bild gar nicht existierte? Was, wenn sie in Nerima ankam und die Menschen sie merkwürdig mustern würden, wenn sie sie nach Kämpfen befragte? Was, wenn sie ihr antworteten, dass sie nicht wüssten, wovon sie da redete?

Konnte sie diesen Versuch wirklich wagen?

Und dann schob sie ein Klaps auf den Rücken in den Wagon hinein. Beinahe wäre sie gestürzt, konnte sich jedoch noch im letzten Moment an einem Griff festhalten.

Wütend fuhr sie herum und wollte sogleich loskeifen. Doch dann zerfiel dieses Vorhaben zu feinem Staub und wurde davon geweht.

Tenko blickte sie nun beinahe väterlich an und hatte den Nerv ihr zuzuwinkern. Meji starrte nur peinlich berührt über die Merkwürdigkeit seines Meister zu Boden.

Sai musste lächeln und entblößte ihre Eckzähne dabei. Sie würde diese beiden seltsamen Typen vermissen. Sehr sogar, denn sie hatten ihr - so unglaublich es auch klang - über die erste Zeit in dieser fremden Welt hinweg geholfen. Und dafür war sie ihnen dankbar, wenn sie es auch nicht so recht zeigen konnte.

Als sie die Hand zum Abschied hob, wurde sie von einem schweren Objekt zu Boden gerissen. für einen Augenblick wurde sämtliche Luft aus ihrer Lunge gepresst. Dann sah sie sich den Gegenstand näher und erblickte wettergegerbtes Leder, helle aufgewetzte Stellen und zwei Tragriemen. Es handelte sich um den Rucksack, den sie an diesem seltsamen verregneten Nachmittag neben sich gefunden hatte, als sie aufgewacht war. Sie hatte überhaupt nicht mehr an ihn gedacht.

Als die Türen im Begriff waren sich zu schließen, sah sie auf und in das schelmisch grinsende Gesicht von Meister Tenko.

"Ich dachte, du könntest ihn noch gebrauchen", dann zwinkerte er ihr nochmals zu und trat einen Schritt zurück.

Der Zug fuhr mit einem Ruck an und ein ebensolcher Ruck ging durch ihr Herz. Beinahe wie im Traum beobachtete sie wie sich der Zug in Gang setzte und langsam fortbewegte. Der Rucksack saß noch immer in ihrem Schoß, als sie Meji und Tenko ein allerletztes Mal sah. Dann verschwanden sie aus ihrer Sicht und zugleich aus ihrem Leben.
 

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Sooooo – diese Kapitel verfasste ich vor circa einem Jahr, glaube ich immerhin.^^°

Ich probierte hier und da eine grobe Schnitzer im Design auszubessern, kann aber nicht recht erahnen, ob mir das gelungen ist.

Nun ja, auf jeden Fall denke ich, dass die Fans dieser Geschichte lang genug auf eine Fortsetzung gewartet haben.

Hmmmm, welche Fans eigentlich?^^°
 

Ich wünsche viel Spaß und gute Unterhaltung,
 

euer Deepdream. ;-)



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Ghost6
2008-11-20T18:51:16+00:00 20.11.2008 19:51
ich
*meld*
bin ein fan
es freut mich das es weiter geht.
es war nicht ganz so interessant iwe das letze aber wahrschienlich nötig um die geschichte voran zu treiben.

irgendwie stimmt es mich traurig das sie die beiden mönche ihr nicht mehr begegnen würden. *schließt das aus deinem letzen satz*
ich fand die beiden sympatisch.


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