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Himmel und Erde

Schatten und Licht, Interlude 1
von

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Hinterhalt aus der Finsternis

Im lockeren Galopp jagten Allen und Merle auf ihren Pferden über die von einem dichten Wald flankierte Straße nach Farnelia. Die Sonne verschwand gerade hinter den Bergen, während die langen Schatten der Bäume den Weg in tiefe Dunkelheit tauchten und die zwei Rappen mitsamt ihrer Herren verschlangen. Nur das matte Licht der Sterne wies den Reisenden die Richtung. Plötzlich hob Allen seine Hand, woraufhin beide ihre Pferde stoppten.

„Warum halten wir?“, fragte Merle aufgebracht. Ihre Stimme drang nur undeutlich durch den hohen Kragen ihres schwarzen Mantels und ihr Gesicht war unter dem dreispitzigen Hut, den sie trug, nicht sichtbar. Allen, der die gleiche Kleidung trug, stieg ab und führte sein Reittier von der Straße.

„Wir müssen rasten.“, begründete er seine Entscheidung.

„Ich bin nicht erschöpft.“, entgegnete Merle trotzig.

„Aber unsere Pferde.“, konterte er. „Wir waren schließlich den ganzen Tag unterwegs.“

„Dann lass uns zu Fuß gehen.“, schlug sie vor. „Zur Abwechslung können wir ja die Pferde tragen.“ Mühsam verkniff Allen sich ein Lächeln.

„Bei dir hörte sich das gar nicht wie ein Witz an.“

Grinsend stieg Merle ab.

„Es war auch keiner.“

Aufs Äußerste bemüht sich den Ärger über seine Gefährtin nicht anmerken zu lassen bannte er sein Pferd an einem Baum und nahm sowohl das Gepäck als auch den Sattel von dessen Rücken. Daraufhin striegelte er das Tier sorgfältig. Merle tat es ihm nach. Ohne ein Wort zu wechseln schlugen sie dann ein Lager auf einer an der Straße grenzenden Lichtung auf. Eine Viertelstunde später hatten sie ein Feuer auf der bereits vorhandenen Feuerstelle angezündet und aßen einen Teil ihres Proviants.

„Weißt du, was komisch ist?“, fragte Merle in die Stille hinein.

„Nein, tu ich nicht.“, sagte er mit gewohnt neutraler Stimme.

„Der Tipp von Ryu.“, beantwortete sie ihre Frage selbst. „Es war doch auf jeden Fall beabsichtigt, dass diese Information verwertet wird. Jemand von der königlichen Garde soll also bei diesem Gasthof aufkreuzen. Aber warum?“

„Ich weiß nicht.“, log Allen.

„Und noch viel interessanter ist die Frage, ob es das Ziel von Siri und Ryu ist, irgendeinen Gardisten anzulocken oder speziell dich.“, köderte sie ihn weiter, doch der Ritter ließ sich zu keiner Reaktion verleiten. „Du verschweigst mir etwas.“, schlussfolgerte Merle. Allen aß weiter. „Was ist in der Waffenkammer passiert?“, hakte sie nach.

„Ich übernehme die erste Wache.“, verkündete er.

„Wenn du unbedingt willst…“, meinte sie. „Ich werde aber nicht schlafen können.“

„Warum nicht?“, wunderte sich Allen.

„Offenbar vertraust du mir nicht. Warum sollte ich dir trauen können?“, erklärte sie. Demonstrativ wendete er sich ab. „Sag mir endlich, was zwischen dir und Siri vorgefallen war! Oder muss ich die Information aus dir herausprügeln?“, schrie sie ihn an. Sein Wutausbruch kam so überraschend wir heftig.

„Erzähl du mir erst einmal, warum du Siri in Farnelia so sehr kränken musstest!*“, brüllte Allen zurück und starrte Merle wütend an. Diese war starr vor Angst. Allein die Tatsache, dass der Himmelsritter für sein ausgeglichenes Wesen bekannt war, macht ihn noch Furcht einflößender. Einen Augenblick später hatte er sich wieder beruhigt. „Entschuldige bitte! Ich war nicht mehr ich selbst.“, bat er. Oder dein Selbst kommt nur zum Vorschein, wenn du wütend bist, dachte Merle und nahm sich vor, dies später zu ergründen. Jetzt ging es ihr erst einmal darum die Tür offen zu halten, die er aufgestoßen hatte.

„Siri hat dir also von Hitomis Entführung erzählt.“, stellte sie fest. „Es war ein Test.“

„Ein Test?“, fragte Allen ungläubig.

„Ja, ich hatte ihr den Steckbrief vor die Füße gelegt und sie von Van zu deinem Konvoi schicken lassen**, damit sie dieser falschen Fährte folgt. In Wahrheit war ich schon längst mit Hitomi bei…“ Einen Moment lang überlegte Merle, ob sie Allen von dem engen Verhältnis der Menschen in ihrer Heimat zu den Wolfsmenschen erzählen sollte. „…Verbündeten untergetaucht. Siri sollte in Astoria Nachforschungen anstellen und dann mit der Erkenntnis, dass der Steckbrief eine Finte war, nach Farnelia zurückkehren.“

„Wozu das alles?“, erkundigte er sich.

„Ich wollte sehen, ob sie auch Niederlagen einstecken kann.“, sagte sie Schulter zuckend. „Diese bringt das Leben nun mal mit sich.“

„Denkst du, sie war bereit dafür?“

„Damals hatte ich es zumindest geglaubt. Offensichtlich war ich im Irrtum.“

„Es war nicht deine Schuld. Dass Trias es auf sie absehen würde***, konntest du ja nicht ahnen.“, sagte Allen einfühlsam.

„Danke, das weiß ich selbst.“, schnauzte Merle. „Im Übrigen bin ich kein Kind mehr, das man schützend in die Arme nehmen muss.“

„Das ist wahr.“, seufzte er und beobachtete das Feuer.

„Und?“

„Was und?“

„Ich hab dir erzählt, was du wissen wolltest. Jetzt bist du dran.“, verlangte sie.

„Da gibt es nicht viel zu erzählen. Sie hat mich herausgefordert, bevor sie mich überwältigt hat.“, erwiderte Allen.

„Zu was herausgefordert?“, hakte Merle nach.

„Ich wollte mit ihr reden, doch sie weigerte sich. Sie sagte, erst wenn ich sie gefunden hätte, wäre sie dazu bereit.“, führte er weiter aus.

„Also ein Versteckspiel, gepaart mit einer Schnitzeljagd?“

„So in etwa. Dabei stellt sich aber die Frage, ob Siri mich nur von Palas fernhalten soll, damit ich Trias nicht mehr stören kann, oder ob sie mich zu einem bestimmten Ort locken soll.“

„Keine Ahnung, aber ich vermute, dass sie ihr Ziel nicht dem Zufall überlässt.“, sagte sie.

„Warum also Farnelia?“, fragte sich Allen.

„Ich kann natürlich nur raten, aber in etwa einem Monat findet dort ein Turnier statt. Das erste nach dem Krieg. Vielleicht will sich Siri dort etwas austoben.“

„Wieso sollte Siri eingeladen sein?“

„Es ist ein Turnier mit offenen Listen.“, erklärte Merle. „Jeder kann teilnehmen.“

„Dann werden die Teilnehmer wohl kaum Siris Ansprüchen genügen.“, zweifelte er.

„König Van wird auch kämpfen. In den Kneipen von Palas hab ich gehört, dass seine Teilnahme viele andere Zusagen von berühmten Schwertkämpfern mit sich gezogen hat.“ Merle gluckste. „Die armen Narren wollen wohl den Mythos zerstören, der sich um ihn während den Zaibacher Kriegen gebildet hat.“

„Machst du dir denn keine Sorgen um ihn?“, wunderte sich Allen.

„Warum sollte ich?“, äußerte sie sich zuversichtlich. „Manche würden sagen, er sei durch die ganze Schreibtischarbeit eingerostet. Ist er aber nicht. Er hat sich immer etwas Zeit für das Training genommen. Noch dazu hat ihn die Politik zu einem ausgezeichneten Taktiker geformt. Inzwischen kann er seine Gegner analysieren und nutzt deren Schwächen konsequent aus.“

Furcht erregend, dachte Allen und fing an zu zittern. Merle beobachtete seine Reaktion und lächelte.

„Manchmal kann ich euch Menschen wirklich nicht verstehen. Warum seid ihr nur so scharf drauf euch mit übermächtigen Gegnern zu messen? Was dabei alles auf dem Spiel steht, kümmert euch nicht.“

„Willst du nicht langsam schlafen gehen?“, grollte Allen.

„Kann ich machen, aber ich werde kein Auge zudrücken können.“

„Ich hab dir doch alles erzählt, was du wissen wolltest!“

„Schon, aber ich kann einfach nicht schlafen, wenn es so ruhig ist.“, entgegnete Merle störrisch. Erst wollte Allen sie zu Recht weisen, doch dann lauschte er. Nicht einmal das Zirpen von Grillen war zu hören. Warnend sah er Merle an, doch sie war die Ruhe selbst.

„Vier Männer in den Baumkronen, einer in jeder Himmelsrichtung.“, klärte sie ihn grinsend auf. Als wäre dies das Starsignal gewesen, sprangen die vollkommen in schwarz gehüllte Gestalten aus dem Schutz der Bäume heraus auf die Lichtung.

„Ich muss euch enttäuschen.“, sagte Allen, während er aufstand und seine rechte Hand im Mantel verschwand. „Bei uns werdet ihr nichts außer der Tür ins Jenseits finden.“

„Wenn ihr wirklich Allen Shezar seid, ist eure Leiche ihr Gewicht in Gold wert.“, erwiderte einer der Männer schadenfroh. „Attacke!“

Drei Angreifer gingen mit gezückten Schwertern auf Allen los, während der letzte sich selbstsicher Merle näherte. Diese machte sich erst gar nicht die Mühe nach einer Waffe zu greifen. In einer Sekunde hatte sie seine lüsternen Augen noch mit ruhigem Blick erwidert, in der nächsten war sie schon unter die Deckung ihres Gegners getaucht und stach mit einer ganzen Hand in seinen Hals. Ihre Krallen drangen mit Leichtigkeit durch die dünne Haut und als Merle sie wieder herauszog, folgte ihr eine Fontäne as Blut.

Während dessen preschte Allen in Formation der Angreifer hinein. Deren Unsicherheit ausnutzend trieb er seine Klinge zwischen Rippen und Hüfte durch den Körper des linken Feindes und schnitt nach einer dreiviertel Drehung entgegen dem Uhrzeigersinn der mittleren Person den Brustkorb auf. Sein letzter Gegner kam brüllend auf ihn zu gestürmt, doch Allen wich mit einem Schritt zur Seite aus und beendete dessen Leben mit einem Hieb in das Rückmark.

„So ein Mist!“, fluchte Merle, während Allen sein Schwert an der Kleidung von einem der Toten abwischte. „Wir hätten wenigstens einen von ihnen am Leben lassen sollen.“

„Und was dann?“, fragte er. Sorgfältig durchsuchte er die Leichen. „Unbewaffnete Gefangen darf man nicht töten. Hätten wir sie mitgenommen, würden sie uns nur aufgehalten und sie freizulassen wäre zu gefährlich gewesen. Sie hätten uns nur ein weiteres Mal angegriffen.“

Auch Merle kniete sich über ihr Opfer und wühlte in seinen Taschen.

„Was gefunden?“, fragte sie.

„Nichts, keine Dokumente, keine Steckbriefe, keine Anhaltspunkte darüber, wer oder was sie waren.“, erwiderte er enttäuscht.

„Bei dem hier ist auch nichts.“

„Ihren eigenen Aussagen zufolgen waren es Kopfgeldjäger, aber das sagt uns nicht, wer sie…“

„Sei still!“, mahnte Merle und lauschte in die Nacht. Sie hätte schwören können, dass sie das Knacken eines Zweiges gehört hatte, aber sie konnte außer Allen weit und breit niemanden spüren. Dennoch schien etwas in dem Wald zu lauern. Etwas, das schwärzer war als die Finsternis, die es umgab. Sie spähte in die Richtung, in der das Objekt lag, doch selbst ihre Katzenaugen konnten zunächst nichts ausmachen.

Doch dann schien sich ein Schatten zu bewegen und ein Mann kam wie eine Kanonenkugel aus dem Wald heraus auf Merle zugeschossen. Diese konnte sich gerade noch rechtzeitig nach hinten abrollen und den Angreifer über sich hinweg stemmen. Der verhüllte Mann, flog im hohen Bogen über das Lagerfeuer, rollte sich ab und noch ehe Allen bei ihm war, stand er wieder fest auf seinen Füßen. Mit diesen trat er den Ritter und schmetterte ihn gegen ein Baum. Der Mann zog sein Schwert, doch ehe er ihn töten konnte, war Merle zur Stelle und stach mit ihrem Dolch auf ihn ein. Indes bemühte sich Allen bei Bewusstsein zu bleiben, während er erschrocken und fasziniert dem Duell zusah.

Den schnellen und kraftvollen Schwertsschwüngen konnte das Katzenmädchen nur durch ihre geschickte Körperbeherrschung ausweichen, während sie mit ihrem Dolch immer wieder Lücken in der Verteidigung ihres Gegners suchte. Ihr Herz blieb fast stehen, als sie spürte, wie ihr Widersacher ihr linkes Handgelenk zu fassen bekam. Sofort begann er sich zu drehen, schneller und immer schneller schleuderte er Merle im Kreis um sich herum, bis er schließlich losließ und sie mit Knochen brechender Geschwindigkeit auf einen der Bäume zuraste. Allen hielt den Atem an und verfiel in Panik.

„Merle!“, rief er verzweifelt, doch sein Körper fesselte ihn an dem Baum. Doch wieder einmal konnte sie sich auf ihre Katzeninstinkte verlassen und kam mit den Füßen voran auf dem Stamm auf. Der Baum heilt den Druck ihres Aufpralls stand. Für eine Sekunde schien es, als würde sie an der Rinde kleben. Merle nutzte die Zeit um mit der linken Hand eine paar Wurfdolche aus dem Innern ihres Mantels zu zaubern und stieß sich dann vom Baum ab. Nun kam sie waagerecht auf den Mann zugeflogen, der sich grinsend darauf vorbereitete sie mit seiner Klinge aus der Luft zu holen. Sie jedoch gab ihm keine Chance. Noch während des Fluges warf sie ihre Messer, die, angetrieben von ihrem Wurf und ihrer Fluggeschwindigkeit, den Gegner vor ihr erreichten. Zähneknirschend musste er die Messer mit seinem Schwert abwehren und die dadurch entstehende Lücke nahm Merle dankbar an. Mit dem Dolch in ihrer rechten Hand voran rammte sie den Körper. Beide schlitterten über den Boden und wurden schließlich durch einen Stamm gestoppt.

„Sag mir, was ich wissen will, bevor du dein Leben aushauchst!“, keuchte sie. Der Mann lachte.

„Glaubst du ein simpler Stich kann mich töten?“, flüsterte er, bevor er sie samt ihren Dolch von sich wegstieß. Beinahe lässig richtete er sich auf und strich mit seiner Hand verächtlich über die Wunde in seinem Bauch. Dann verschwand er in die Dunkelheit des Waldes.

„Scheiße!“, schrie Merle und stand hektisch auf. „Bleib beim Lager!“, befahl sie Allen. Der wollte widersprechen, doch da war sie schon weg.
 

*SdE 11.Kapitel **SdE 12.Kapitel ***SdE 30.und 31.Kapitel



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