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Himmel und Erde

Schatten und Licht, Interlude 1
von

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Sorge und Vertrauen

Es war früh am morgen, als Allen das Lager abbrach und die Pferde sattelte. Die ganze Nacht über war er wach geblieben und hatte auf seine Partnerin gewartet, doch von Merle fehlte weiterhin jede Spur. In der Dunkelheit wäre eine Suche wenig Erfolg versprechend und viel zu gefährlich gewesen. Immer wieder hatte er sich selbst sagen müssen, dass er mit einer so übereilten Aktion weder sich noch ihr einen Gefallen tat. Doch jetzt, wo die Sonne aufging hielt ihn nichts mehr zurück. Er stieg auf sein Pferd und zog Merles mit sich. Den Blick auf den Boden gerichtet und im vollem Vertrauen auf den Sinn der seiner Reittiere für Gefahren, ritt er zwischen die Bäume hindurch. Im Gegensatz zu ihrer Beute hatte das Katzenmädchen eine deutliche Spur hinterlassen, der er folgen konnte. Tiefe Abdrücke im Boden, abgebrochene Zweige…sie war auf ihrer Jagd nicht zimperlich gewesen.

Er folgte der Spur schon ein paar Stunden lang, als plötzlich eine schwarz gehüllte Gestalt aus den Schatten eines Baumes trat. Instinktiv griff Allen nach seinem Schwert, merkte dann aber, dass die Pferde ganz ruhig blieben.

„Wer bist du?“, fragte er gespannt.

„Dein schlimmster Alptraum, wenn du noch einmal eine Bitte von mir missachtest.“, antwortete eine genervte Mädchenstimme. „Warum bist du nicht beim Lager geblieben?“

Innerlich atmete Allen auf.

„Ich hab das Lager bei mir.“, rechtfertigte er sich und wies auf die Pferde. Merle schüttelte verärgert den Kopf und nahm ihren Hut ab.

„Du vertraust du mir noch immer nicht.“, klagte sie ihn mit funkelnden Augen an.

„Wenn man jemanden vertraut,…“, sagte Allen vorsichtig. „…heißt das noch lange nicht, dass man aufhört, sich um diesen Menschen zu sorgen.“

Verwundert sah Allen, wie Merles Kopf und ihr Blick nach unten sackten. Hatte er einen wunden Punkt getroffen?

„Ein Mensch? Bin ich das wirklich?“, flüsterte sie niedergeschlagen.

„Was sagtest du gerade?“, fragte der Ritter, der sie nicht verstanden hatte. Sofort richtete Merle ihre Augen wieder nach vorn.

„Nichts.“, behauptete sie. „Übrigens vertraut mir König Van so sehr, dass er sich um mich überhaupt keine Sorgen macht. Das solltest du auch tun!“

Daran hatte Allen Zweifel, doch er äußerte sie nicht. Er ließ sich von Merle die Zügel ihres Pferdes aus der Hand reißen. Als sie aufsaß, streifte ihr Mantel eine Lichtsäule, die einen dunkelroten Fleck auf dem Stoff sichtbar werden lies. Allen erschrak.

„Merle, du bist verletzt!“, sagte er besorgt.

„Das Blut gehört nicht mir.“, beruhigte sie ihn. „Der Gezeichnete hat mir nur einige seiner Menschmutanten auf den Hals geschickt, um seinen strategischen Rückzug zu decken. Er hat ein ganzes Dorf voll von ihnen.“

„Ein ganzes Dorf?“, wunderte sich Allen.

„Ja, ich hab es gesehen und bereits auf meiner Karte markiert. Sie betreiben Landwirtschaft, roden den Wald, vergrößern die Anbauflächen und legen Vorräte an.“, berichtete Merle, während sie ihr Pferd antrieb.

„Möchte Trias einen Feldzug starten?“

„Könnte sein. Aber vielleicht will er sich auch nur bereichern. Astoria muss für die Bevölkerung von der Zaibacher Hauptstadt sorgen. Die Kornkammern des Zaibacher Reiches wurden jedoch Vasram und Chuzario zugesprochen, die sich weigern zu exportieren. Nahrungsmittel sind daher sehr gefragt und werden teurer.“

„Wenn es so ist, müsste es ein Kontakt geben, der die Geschäfte abwickelt. Die Kunden können das Dorf ja schlecht betreten.“, vermutete Allen, der ihr folgte. „Hoffen wir, dass er sich in der nächsten Herberge aufhält und nicht in Palas.“

„Keine Sorge, das wird er, wenn es ihn gibt. Ich glaub nicht, dass dieses Getreide in den öffentlichen Markt gelangt. Und Herbergen in entlegenen Gegenden sind immer kleine Märkte für sich, die sich schlecht überwachen lassen.“, äußerte sich Merle zuversichtlich.

„Selbst wenn, wie finden wir ihn? Wir können ja schlecht reingehen und fragen.“

„Stimmt, aber es wird wohl ein Gezeichneter sein. Die sind in einer Masse von Leuten leicht aufzuspüren.“

„Du kannst sie spüren?“, staunte er.

„Natürlich.“, beantwortete sie seine Frage. „Warum sollte ich es nicht können?“

„Na, ich dachte…“, versuchte Allen zu erklären. „…, dass Van und dieser Junge vom Tempel es nur können, weil sie vom Drachenvolk abstammen.“

Amüsiert blickte Merle über ihre Schulter.

„Und wie erklärst du dir Hitomi? Sie war es schließlich, die Van seine Kräfte gezeigt hat.“, fragte sie.

„Sie kommt doch vom Mond der Illusionen.“, konterte Allen.

„Trotzdem ist sie ein Mensch wie jeder andere auch.“, widersprach sie. „Im Grunde ist die Kraft der Gedanken auch für jedes intelligentes Wesen zugänglich, wenn dieses nur bewusst daraufhin arbeitet. Van hat mir gezeigt, wie ich Kraft meine Gedanken Personen finden kann und ich bin sogar noch weiter gegangen. Ich kann die Gefühle einer jeden Person spüren.“

„Und Gezeichnete fühlen sich anderes an?“, erkundigte er sich.

„Das weiß ich nicht, da ich noch nie in einen reinschauen konnte. Allerdings haben alle, die ich bisher getroffen habe, sich abgeschirmt. Das macht sie einerseits zwar schwer auffindbar, wenn sie alleine sind, aber zwischen anderen Lebewesen fallen sie durch den leeren Fleck auf, den sie bilden.“, erklärte Merle geduldig. Allen dachte sorgfältig nach, bevor er seine nächste Frage stellte.

„Tust du das auch?“

„Hä?“

„Schirmst du deine Gedanken ab?“, wiederholte er seine Frage.

„Natürlich.“, antwortete sie.

„Tu das nicht!“, mahnte er. „Du bringst dich damit selbst in Gefahr.“

„Das musst du mir erklären.“, verlangte sie.

„Ich hab mich den ganzen Abend schon gefragt, warum der Gezeichnete von letzter Nacht dich zuerst angegriffen hat. Mich hat er überhaupt nicht als Gefahr angesehen. Du aber bist ihn durch deine Abschirmung aufgefallen. Ist doch klar, dass er sich den stärkeren von uns zuerst schnappen wollte.“

Merle vergaß durch Allens Kompliment fast das Gesprächsthema.

„Und? Ist doch gut so.“

„Noch besser wäre es, wenn unsere Gegner überhaupt nicht wüssten, womit sie es zu tun bekommen. Du könntest noch viel effektiver zuschlagen, wenn sich unsere Feinde auf mich konzentrieren. Und da ich mich nicht abschirmen kann, kann man uns so oder so durch unsere Gedanken finden.“, argumentierte er. Das Katzenmädchen wendete sich ab.

„Dann musst du aber die erste Welle ihrer Angriffe allein abwehren. Ich kann dir so schnell nicht helfen.“

„Die kann ich parieren. In dem Punkt musst du mir vertrauen.“

Ein verlegenes Lächeln zeichnete sich auf ihren Lippen. Sie atmete tief durch und riss dann die Mauern um ihren Geist nieder.

„Ich hab es getan. Hast du sonst noch Fragen?“, erkundigte sie sich.

„Nein, nur eine Bitte.“, antwortete Allen.

„Schieß los!“

„Würde es dir etwas ausmachen, mich zu unterrichten?“

Merle kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.

„Du willst, dass ich dir etwas beibringe?“, vergewisserte sie sich, nachdem sie sich wieder zu ihm umgedreht hatte.

„Nicht irgendetwas. Ich will von dir lernen, wie man die Kraft der Gedanken beherrscht. So wie die Bewohner von Atlantis es taten.“, präzisierte er seine Bitte. Sie lächelte. Der große Allen Shezar wollte von ihr, der kleinen Merle, lernen. Doch ihr Unterbewusstsein gestatte ihr nur einen Moment des Stolzes. Im nächsten Augenblick kam ihr der letzte Kampf mit Allen ins Gedächtnis.

„Meinetwegen, aber nur wenn du mich in Kampftechniken unterrichtest.“, forderte sie. Nun war es Allen, der in Erinnerungen schwelgte. Er sah sich selbst, wie er Siri in dem Trainingsraum seiner Villa in Kendo unterrichtete. Das einzige Unwirkliche an der Erinnerung war, dass es nie statt gefunden hatte. Es gab so vieles, das er diesem viel versprechenden Mädchen beibringen wollte. Nun musste er sich mit nichts weniger als ihrer ehemaligen Meisterin zufrieden geben.

„Einverstanden!“
 

„War es klug, sie gehen zu lassen?“

Der Gezeichnete machte es sich auf provisorischen Thron gemütlich, den seine Dienerschar für ihn hergestellt und im größten Gebäude des Dorfes aufgestellt hatte. Mit Skepsis sah er auf die beiden Jugendlichen, einen Jungen und einem Mädchen, herab, die beide als einfache Bauern verkleidet waren.

„Meine Befehle sind durch euren Meister bestätigt worden. Ihr habt kein Recht sie zu hinterfragen.“, belehrte ihn Siri mit herrischer Stimme.

„Pah, du hast gut reden!“, entgegnete der Gezeichnete. „Du musst schließlich nicht mit dem Gedanken leben, dass hier jeden Moment die Armee von Astoria aufkreuzen könnte.“

„Das wird sie nicht.“, versicherte sie. „Eure einzige Sorge hat es zu sein, dass genügend Vorräte bereit liegen, wenn es zum Sturm auf Palas kommt.“

„Sag mir nicht, was ich zu tun hab! Dafür bist du einfach zu grün hinter den Ohren.“, fuhr er Siri an. Uneingeschüchtert erwiderte sie seinen Blick. Der Gezeichnete wollte schon fortfahren, da verzerrte sich sein Gesicht vor lauter Schmerzen und er schrie auf.

„Sagt mir nicht, was ich zu tun habe!“, warnte Siri ihn. „Dafür seit ihr viel zu weit unten in der Befehlskette.“

„Wie kann das sein?“, keuchte der Gezeichnete. „Du hast keine Macht über mich.“

„Nein, aber euer Meister ist untersteht meinem Meister. Und nur eine kleine Empfehlung von mir reicht aus, um euer Dasein auf grausamste Art und Weise zu beenden. Wenn ihr das nicht wollt, werdet ihr Allen Shezar kein Haar krümmen!“, drohte sie und wandte sich zur Ausgangstür. Plötzlich vielen zwei Mutanten über sie her, doch Ryu stellte sich schützend vor ihren Rücken und packte jeden der Angreifer am Hals. Ohne Mühe hob er sie hoch. Zappelnd und kreischend versuchten sich die beiden verfluchten Menschen sich zu befreien, bis er einmal fest zudrückte und ihnen das Genick brach. Siri ging währenddessen seelenruhig aus dem Haus. Nachdem Ryu sich vergewissert hatte, dass niemand sie mehr bedrohte, folgte er ihr. Als dem Gezeichneten berichtet wurde, dass beide das Dorf verlassen hätten, grinste er.

„Soll mir recht sein.“, flüsterte er. „Aber mit der Katze hab ich noch eine Rechnung offen.“



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