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Strandurlaub

von

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Aufbruchstimmung

Hallöchen ^^

So, nach einer etwas längeren Pause geht es jetzt endlich weiter...

Es tut mir wirklich leid, dass es so lange gedauert hat, aber nach einer Diplomarbeit hat man nicht mehr wirklich die nötige Kreativität... zumindest ich nicht...

Und damit wären wir auch schon bei der schlechten Nachricht: Mehr sag ich nicht und ihr müsst lesen, sorry.

Viel Vergnügen,

Eure Naoko ^^
 

Kapitel 9

Aufbruchstimmung
 

„Jetzt steht endlich auf!“

„Es ist schon Mittag!“

Genervte Zwillingsstimmen dringen an mein Ohr, und dem Brummen neben mir entnehme ich, dass sie auch an Bens Ohr dringen. Reflexartig ziehen wir die Decke noch ein bisschen weiter über unsere Köpfe. Unsere Nacht war lang, das letzte Mal vor dem Einschlafen habe ich um halb fünf auf den Wecker geschaut. Kein Grund für die Zwillinge nicht gegen die Tür zu trommeln, mit vier Fäusten.

„Nick! Mama und Papa haben vor einer halben Stunde angerufen! Sie waren gerade in Berlin und sind auf dem Weg hierher!“

Okay, ich bin wach. Die Androhung, dass die eigenen Eltern den wohlverdienten Urlaub von ihnen stören, würde wohl jeden wecken, oder?

„Deine Eltern kommen her?“, fragt Ben neben mir, leise und verschlafen.

„Ja“, erwidere ich nur und schäle mich unter der Decke hervor. Ben brummt und folgt mir, seine Haare sind ein einziges Chaos und seine Augen noch nicht mal halb offen. Wie kann ein einziger Mensch nur so verdammt süß sein? Und das schon beim Aufstehen…

„Kannst du sie nicht anrufen und ihnen sagen, sie sollen wieder nach Hause fahren? Wir kommen ja auch gut ohne sie klar“, murrt er weiter als ich schon den Bademantel anhabe und die Tür öffnen will.

„Zieh dir lieber was an, die Mädchen sind wahrscheinlich noch draußen“, schlage ich lächelnd vor, wohl wissend, dass NICHTS meine Eltern aufhalten könnte.

Ben sieht an sich runter und braucht ungewöhnlich lange um zu realisieren, was ich meine.

„Du bist kein bisschen wach, was?“

„Wach? Was ist das?“

Da er es geschafft hat, sich wenigstens Boxershorts anzuziehen, mache ich mal die Tür auf, vor der die Zwillinge ungeduldig warten.

„Da seid ihr ja endlich!“, brummt Charlie und verdreht die Augen.

Ganz im Gegensatz dazu, lächelt Josie uns an.

„Guten Morgen, Ben“, sagt sie, doch anstatt zu antworten, lehnt der Angesprochene sich an mich und will offenbar auf meiner Schulter weiterschlafen.

„Ben, wach auf!“, ermahne ich ihn.

„Lass ihn doch, er ist so süß!“, meint Josie breit lächelnd.

„Ja, und er gehört mir“, erwidere ich streng. Kann doch nicht angehen, so was! Am besten ich bring ihn schnell ins Bad, wo ich ihm kaltes Wasser ins Gesicht spritzen kann.

Er protestiert nicht! Er reagiert nicht mal wirklich, sondern murmelt nur: „Ich bin nicht süß.“

Mir würden hier gleich mal zwar ein Dutzend Gegenargumente einfallen, aber aus Zeitgründen lasse ich es bleiben. Wenn meine Berechnungen und die Aussagen der Mädchen stimmen, haben wir noch ca. eine Stunde und 15 Minuten bis unsere Eltern eintreffen. Bis dahin muss ich Ben wach und das Haus sauber bekommen. Was wäre das Leben auch ohne ein paar Herausforderungen?
 

Wie sich herausstellt, ist das Haus das geringere Problem, auch Dank der Zwillinge, doch Ben bekommt selbst der stärkste Kaffee nur notdürftig hin. Noch ein bisschen zerzaust, schläfrig und gähnend sitzt er auf dem Sofa als es klingelt. Eine Viertelstunde zu spät nach meinen Berechnungen, typisch!

„Sind sie da?“, fragt Ben leise.

„Klar, das müssen sie sein!“, strahlt Charlie und die Zwillinge laufen in den Flur, Mephisto bellend hinterher. Auch ich erhebe mich.

„Kommst du mit?“, frage ich Ben, der nur nickt und ebenfalls aufsteht.

Meine Eltern werden schon von den Zwillingen in Beschlag genommen und es wird ausgiebig geknuddelt, geküsst und begrüßt.

„Nicky!“, stellt meine Mutter nach mehreren Minuten schließlich meine Anwesenheit fest.

„Hi Mum“, begrüße ich sie und werde in eine mehr als feste Umarmung gezogen. Über ihre Schulter sehe ich Ben, traurig lächelnd an die Wand gelehnt. Glückliche Familien tun ihm bestimmt weh. Tut mir leid, mein schwarzer Engel.

Mein Vater hat ihn aber schon entdeckt und geht lächelnd auf ihn zu.

„Sie müssen Ben sein“, stellt er fest und streckt ihm seine Hand entgegen.

Ben reicht ihm nur nickend seine Hand und sagt: „Freut mich.“

Meine Mum lässt von mir ab und wendet sich meinem Liebsten zu.

„Mädchen, ihr hattet Recht, Ben ist total niedlich“, freut sie sich und zieht einen sehr hilflos dreinschauenden Ben in ihre Arme. Na toll, noch jemand aus meiner eigenen Familie, der Ben haben will...

„Ja, aber er gehört Nicky!“, meint Charlie grinsend.

„Genau“, stimmt Ben zu. „So leid es mir tut, aber ich gehöre zu Nicky.“ Lächelnd nimmt er meine Hand.

Genau so eine Aussage habe ich gebraucht, schon allein für mein leicht anknacksbares Selbstbewusstsein.

„Schade eigentlich“, lacht meine Mum.

„Schade?“, mischt sich mein Dad ein.

„Wie wäre eine Tasse Kaffee?“ Lieber mal schnell das Thema wechseln, könnte sonst unangenehm werden. Ben ist noch so müde, dass er ohne zu zögern zustimmt, wiedermal halb an mich gelehnt.
 

Kurz darauf sitzen wir alle im Esszimmer, brav bei Kaffee und Kuchen und meine Eltern fragen Ben aus.

„Das ist ja schrecklich!“, wiederholt meine Mum ständig während Ben von den Ereignissen der letzten Wochen berichtet.

„Wenn ich groß bin, werde ich Polizistin und dann kann ich Ben beschützen!“, wirft Charlie urplötzlich ein.

„Seit wann willst du denn Polizistin werden?“, fragt mein Vater verwundert.

„Seit gestern!“, strahlt Charlie ihn an und erzählt von dem, was gestern am Strand und danach auf der Polizeiwache passiert ist. Noch während sie erzählt wird Josie immer kleiner auf ihrem Stuhl und ihr Blick immer trauriger. Ben, der neben ihr sitzt, zieht sie nur stumm auf seinen Schoß und sofort kuschelt sie sich an ihn.

„Alles wird gut“, flüstert er ihr zu, so leise, dass wahrscheinlich nur ich direkt neben ihnen es hören kann.

„Wirklich?“, fragt sie leise und sieht ihn mit großen Augen an.

„Wirklich!“, lächelt er.

Josie strahlt ihn an und drückt ihn an sich. Oder er sie an sich? So genau kann man das nicht sagen. Die beiden scheint etwas miteinander zu verbinden, fast scheinen sie für einander geschaffen, wäre er nicht schwul und sie nicht erst 9. Ben sieht auch mich an, lächelnd, erwachsen, stark. Mit jeder Minute wird er stärker, das sieht man ihm an.

„Darf ich jetzt endlich weitererzählen?“, drängelt Charlie.

„Natürlich, Liebling, erzähl weiter“, lächelt meine Mum.

Charlie ist voll in ihrem Element und redet ununterbrochen bis zum Abend. Natürlich schaffen Ben und Josie es, sich mit Mephisto eine Zeit lang abzusetzen. Fies ist besonders, dass Josie irgendwas von Kakao in einem Kaffee erzählt als sie nach über einer Stunde wiederkommen.
 

Irgendwann am späten Abend, als die Zwillinge längst schlafen und meine Eltern Bens gesamte Geschichte kennen, schaffen wir es endlich allein zu sein, in Bens Zimmer, das jetzt erstmal uns beiden gehört, da meine Eltern bis übermorgen bleiben und morgen Tantchen und Onkel zurück kehren. Das Haus ist voll belegt...

„Ich mache mir Sorgen um Josie“, meint Ben urplötzlich.

„Ja, ich auch, aber sie wird es verkraften, denke ich. Sie war schon immer empfindlicher als Charlie.“

„Kann ich nicht irgendwas tun? Weißt du, irgendwie fühle ich mich schuldig.“

Ben liegt schon im Bett und zieht die Decke noch ein bisschen höher, so dass nur noch seine Nase und seine traurigen Augen von seinem Gesicht zu sehen sind.

„Du bist nicht schuld!“, versichere ich ihm.

„Das Gefühl habe ich trotzdem“, murmelt er.

„Lass das Gefühl Gefühl sein, sei einfach für sie da. Außerdem sind ja jetzt unsere Eltern da, das hilft sicher auch“, sage ich und lege mich neben ihn.

„Ich vermisse die beiden jetzt schon“, flüstert Ben lächelnd.

„Nur die beiden?“, hake ich dann doch nach, schließlich fahre ich mit meinen Eltern zurück und Ben bleibt hier zurück.

„Ja, weil ich noch gar nicht daran denken will, dass du auch fährst“, murmelt Ben und kuschelt sich an mich.

„Kenn ich“, gebe ich leise zu und meine Arme legen sich um meinen schwarzen Engel.

„Dann bin ich wenigstens nicht allein“, lächelt er leicht und ist drauf und dran einzuschlafen.

„Nein, bist du nicht“, versichere ich ihm und meine damit mehr als nur die Gefühle bezüglich meiner Abreise.

„Ich hab dich lieb“, haucht Ben noch und schläft endgültig ein. Und ich will die Zeit anhalten und sein friedliches Gesicht bis in alle Ewigkeit betrachten. Ich will ihn mitnehmen, nicht allein hier lassen. Es ist egoistisch, ja, ich weiß, aber etwas anderes kann ich nicht denken. Meine Tante und mein Onkel werden sich gut um ihn kümmern solange die Sache mit Alex läuft, Onkelchen ist immerhin Anwalt. Doch ich kann nur daran denken, ob er auch ja in Leipzig, also bei mir studieren kann, ob ihn die Idioten ihn auch ja annehmen, zum Glück kann man das in seinem Studiengang auch im Sommersemester, also im April. Und selbst das ist mir noch zu lang. Unwillkürlich drücke ich ihn fester an mich und versuche so lange wie möglich, ihn zu beobachten, doch leider fallen auch mir irgendwann die Augen zu.

„Ich liebe dich“, hauche ich noch bevor ich einschlafe – glaube ich jedenfalls.
 

Der nächste Morgen verläuft dann einigermaßen chaotisch. Nachdem er sie gestern erfolgreich verdrängt hat, läuft mein fotoverrückter Vater nur noch mit seiner Kamera durchs Haus. Sein Lieblingsmotiv ist Ben - „Er gehört doch jetzt zur Familie!“: Ben geknuddelt von den Zwillingen. Ben genervt von den Zwillingen. Ben gequält von den Zwillingen. Ben geknuddelt von mir. Ben geküsst von mir. Ben genervt von... nein, nicht von mir, sondern von der Kamera meines Vaters. Leider bleiben die Versuche meiner Mum, sie ihm abzunehmen, erfolglos.

„Wir brauchen mal wieder neue Familienschnappschüsse“, meint er nur und knippst fröhlich weiter.

Doch dank dem Essen kommen Ben, meine Mum und ich von der Kamera weg und sperren sie aus der Küche aus.

„Ist er immer so?“, will Ben mit großen Augen wissen.

„Nur wenn er die Kamera raus holt, sonst geht es eigentlich“, erklärt meine Mum lächelnd.

„Ist dich toll, dass er so viele Bilder von dir macht!“, stelle ich fest.

„Ach ja?“ Ben zweifelt an mir – also echt mal...

„Ja klar, die kann ich wenigstens über mein Bett hängen bis du zu mir ziehst.“

„Du bist krank!“, grinst Ben und küsst mich.

„Hey, ihr Turteltauben“, mischt sich meine Mum ein. Ups... hätte sie fast vergessen... „Wenn ihr knutschen wollt, geht nach oben!“

„Geht nicht, da draußen ist der Feind“, grinse ich.

„Genau, da können wir nicht durch“, stimmt Ben mir zu und kuschelt sich an mich.

„Tja, dann müsst ihr euch damit abfinden, dass ich auch euer Feind bin – der mit den Kartoffeln!“, grinst sie zurück und drückt uns ungeschälte Kartoffeln in die Hände. Wir sind echt umzingelt!

„Also da bleibe ich lieber bei den Kartoffeln“, lächelt Ben und ich ergebe mich meinem Schicksal.

„So ist es brav“, meint meine Mum und tätschelt mir den Kopf. Was bin ich?! Ein Kleinkind?!

Ben lacht.

Er lacht und mir wird schlecht bei dem Gedanken, ihn allein lassen zu müssen. So ging es mir noch nie! Ein weiteres Zeichen dafür, dass es ernster als alles zuvor ist. Sehr viel ernster.

„Nick, was ist los?“, fragt Ben mich plötzlich und sieht mich mit seinen großen, blauen Augen besorgt an.

„Nichts.“ Ich lüge, versuche zu lächeln und wende mich wieder den Kartoffeln zu.

„Bist du sicher, Liebling? Du siehst so blass aus“, mischt sich Mum auch noch ein.

„Können wir mal kurz das Fenster auf machen?“, frage ich nur. Zum Glück tut meine Mutter alles für ihre kranken Kinder, so stört sie uns nicht, als Ben sich zu mir beugt, seine Stirn an meine legt und flüstert: „Mir geht es auch nicht besser, aber wir schaffen das!“

Ich kann nur leicht nicken und in seine unglaublichen Augen schauen. Und mir wünschen, wir hätten mehr Zeit.

Wollte ich mich nicht eigentlich gar nicht verlieben? Habe ich nicht versucht mir einzureden, dass das nie etwas werden kann? Wollte ich ihm nicht einfach nur helfen und ihm ein Freund sein? Und jetzt? Was bin ich jetzt? Sein Freund, sein Liebhaber, sein Ritter mit altem Hund. Ich sollte mir nicht anmerken lassen, dass ich Angst habe, oder? Bei Ben will ich, dass es klappt. Ihn will ich behalten. Ja, es ist erst eine kurze Beziehung, und ja, ich weiß, wie viel Mist ich früher gebaut habe. Diesmal will ich nicht wie sonst zu viel verlangen und selbst zu wenig geben. Im Gegensatz zu allen vor ihm, liebe ich ihn. Es klingt verdammt schnulzig, ja, aber meine Gedanken kreisen um nichts anderes in dem Moment, nicht mal um die Kartoffel in meiner Hand. Am liebsten würde ich mich jetzt in meinem Bett verkriechen und in Selbstmitleid versinken, doch das verschiebe ich lieber auf zu Hause oder Leipzig, dorthin jedenfalls, wo Ben nicht ist. Da wo er ist, küsst er mich kurz und droht mir mit einer halb geschälten Kartoffel. Da stellt sich einem Ex-Deutschleistungskursler, der noch dazu Kunst anstatt Musik belegt hatte, glatt die Frage: Was will uns der Künstler damit sagen?

„Schält weiter, Jungs, oder es gibt nichts zu essen für euch!“, stellt meine Mum klar und alle weiteren Interpretationsversuche erübrigen sich. Also wieder an die Arbeit...
 

„SIE SIND DA!“, schallt es einige Zeit später durchs Haus, dem Lärmpegel nach zu urteilen, ist es Charlie, die schreit.

„Pünktlich zum Essen“, stellt Ben amüsiert fest, an dessen Schulter ich lehne, am Küchentisch sitzend.

„Was will uns das wohl sagen?“, grinst meine Mum.

„Dass ich mich von Ben lösen muss?“, frage ich leise.

„Ben, was hast du nur mit ihm gemacht?“, wundert sich meine Mum. „Er war nicht mehr so anhänglich seit er neun war und sein Meerschweinchen gestorben ist.“

Natürlich spüre ich, wie mir das Blut in die Wangen schießt! Das sind ja auch nicht gerade Dinge, die man vor seinem Freund ausbreitet...

„Keine Angst, ich werde es nicht gegen dich verwenden“, flüstert Ben mir ins Ohr.

„Danke“, flüstere ich zurück.

„Kommt ihr endlich?“ Charlie steckt ihren Kopf zur Küchentür herein und sieht uns fragend an.

„Wir kommen ja schon“, antworten Ben und ich gleichzeitig. Doch seelenverwandt würde ich sagen.

Sobald wir in den Flur treten, werden wir von meiner Tante umarmt.

„Wie geht es dir?“, fragt sie Ben dann schnell.

„Gut geht es mir, machen Sie sich keine Sorgen“, lächelt Ben sie an. Zukunftspläne wurden praktischer Weise gestern schon am Telefon geschmiedet, als meine werte Verwandtschaft in einem Hotel irgendwo zwischen dem Frankfurter Flughafen und ihrer Heimat weilten.

„Und dir, Nicky? Du siehst irgendwie traurig aus.“

„Mir geht’s auch gut, Tantchen“, lüge ich lächelnd. Doch anstatt meine Lüge zu durchschauen oder darauf einzugehen, regt sie sich mal wieder über die Anrede auf. So ist es mir auch irgendwie lieber.

Und genug Trubel, um nicht noch einmal darauf angesprochen zu werden, herrscht alle Mal. Die Zwillinge sind fröhlich, Mephisto schleicht zwischen unseren Beinen hindurch bevor er von meiner Tante fast zu Tode geknuddelt wird. Ben und ich hängen den ganzen Rest des Tages aneinander und als dann auch noch die Gespräche anfangen, wann wir am nächsten Tag aufbrechen, fange ich an, die Stunden zu zählen.

Noch vor dem Abendessen nimmt Ben mich zur Seite.

„Bitte, versuch nicht daran zu denken“, fleht er mich fast an.

„Mach ich doch, aber ich kann es nicht verhindern“, murmele ich nur und finde mich mal wieder in seinen Armen wieder.

„Ich liebe dich“, flüstert Ben in mein Ohr.

„Ich dich auch“, flüstere ich zurück und erwidere die Umarmung.

„Jungs, kommt ihr Essen?“, meldet sich plötzlich meine Tante aus der Esszimmertür heraus. „Danach habt ihr genug Zeit“, fügt sie lächelnd an.

„Komm, wir wollen sie doch nicht enttäuschen“, meint Ben leise.

„Warum eigentlich nicht?“, erwidere ich leise.

Er lächelt nur nachsichtig und küsst mich kurz, dann geht er langsam ins Esszimmer.

Warte mal... Bin ich hier nicht der ältere? Ja. Also müsste ich doch auch der Vernünftigere sein, oder? Aber eigentlich war das ja noch nie so, also jetzt wohl auch nicht mehr darauf an...
 

„Können wir nochmal 'Aladin' gucken?“, fragt Josie nach dem Essen plötzlich und sieht Ben und mich fragend an.

„Bestimmt“, lächelt Ben.

Da alle anderen auch einverstanden sind, schauen wir also 'Aladin'. Oder besser, wir wollen, aber als ich nach einem kurzen Abstecher ins Bad wieder ins Wohnzimmer komme, wird Ben schon von den Zwillingen belagert. Das ist zu viel! Josie würde ich ja noch verkraften, da die beiden so sehr aneinander hängen, aber beide?

Bevor ich noch anfange zu heulen, geh ich lieber, werfe mich auf Bens Bett und bleibe im Dunkeln liegen, bis sich eine kleine Hand auf meinen Arm legt, Josies. Sie hat einen kleinen Ring mit Schmetterlingen, der seit Jahren von einem Finger zum nächsten wandert, mittlerweile ist er an ihrem kleinen Finger angekommen, doch einen neuen Ring will sie nicht, weil ich ihn ihr bei einem unserer Josie-Nick-Ausflüge gekauft hatte.

„Lass mich bitte allein, Josie“, flüstere ich nur.

„Nein, ich habe Ben versprochen, mich um dich zu kümmern“, protestiert sie und legt sich neben mich.

Mein Gesicht vergräbt sich noch tiefer im Kissen.

„Ihr seht euch doch wieder“, flüstert sie. „Ihr zieht zusammen und kommt an Weihnachten gemeinsam zu uns nach Hause. Und zu unserem Geburtstag. Und zu deinem. Und zu Ostern.“

Langsam drehe ich mein Gesicht zu ihr. Ich habe geweint. Ihr kann ich das zeigen, nicht Ben oder Charlie oder meinen Eltern, nur Josie.

„Aber es tut weh und ich habe Angst“, gebe ich flüsternd zu.

„Lollies helfen“, lächelt sie unschuldig.

„Ich soll also die nächsten drei Monate nur Lollies essen?“

„Ja!“, grinst sie und wirft sich mir um den Hals. Ich drücke sie fest an mich und wir rollen über das Bett, unglücklicher Weise so, dass ich auf Josie liegen bleibe.

„Du bist zu schwer“, beschwert sie sich.

„Tut mir leid“, murmele ich und rolle von ihr runter.

„Schon gut“, lächelt sie mich lieb an und legt ihren Kopf auf meine Schulter, sieht wie ich an die Decke.

„Schade, dass wir hier die Sterne nicht sehen können, was?“, meint sie leise.

„Ja, aber draußen ist es zu kalt.“

„Silvester habt ihr auch auf der Dachterrasse gefeiert.“

„Ja, und fast wäre Ben eingeschlafen und dann wäre er erfroren“, erkläre ich ihr.

„Im Sommer können wir ja dann zu dritt im Garten liegen und die Sterne beobachten“, schlägt sie vor. Wir liegen gerne im Garten und beobachten die Sterne, Josie und ich.

„Ja, das machen wir, versprochen“, flüstere ich und schon fange ich wieder an zu heulen. Was ist nur mit mir los? Irgendwas stimmt hier nicht...

„Schön“, höre ich Josie noch während ich mein Gesicht unter einem Kissen verstecke und stumm weine, bis ich schließlich einschlafe, Josies Streicheleinheiten auf meinem Arm spürend.
 

Küsse... Haut... Atem... eine leise Stimme neben meinem Ohr, die „Schlafmütze“ flüstert... Ben!

„Du kannst doch nicht in unserer letzten Nacht für Monate schlafen“, lächelt er mich an.

„Tut mir leid“, flüstere ich.

„Schon gut.“ Er lächelt weiter, auf seine absolut unwiderstehliche Art.

„Ich liebe dich!“ Mir ist dafür ganz und gar nicht nach lächeln zumute.

„Ich dich auch“, flüstert Ben zurück, aber bevor wir noch mehr Zeit mit sinnlosem Reden vergeuden, küsse ich ihn lieber. Reden können wir am Telefon... Jetzt zählt nur, dass wir jede Sekunde genießen.

Und wie wir sie genießen. So sehr, dass wir atemlos und schweißnass nebeneinander liegen bleiben und uns in die Augen sehen, damit kein Augenblick dieser Nacht verloren geht. Kein Augenblick... und doch schlafen wir ein, viel zu schnell und viel zu früh.
 

„Sieh sie dir an, wie friedlich sie schlafen.“

„Ja, sie sind so niedlich, da will man sie gar nicht wecken.“

Zwei Frauenstimmen flüstern neben dem Bett. Sie sind mir ehrlich gesagt egal, so lange Ben in meinen Armen liegt.

„Aber leider müssen wir, schließlich wollt ihr bald los.“

Hier muss gar nichts und los will erst recht keiner!

„Bleiben!“, murmelt Ben leise und und kuschelt sich demonstrativ an mich. Das ist die richtige Einstellung!

„So leid es mir tut, Jungs, aber ihr müsst aufstehen“, teilt uns meine Tante freundlich mit.

„Müssen wir nicht!“, brumme ich mit immer noch geschlossenen Augen.

„Genau!“, stimmt Ben mir zu.

Die beiden Frauen – ich bin mir sicher, dass die zweite meine Mutter ist – seufzen.

„Wollt ihr ewig im Bett bleiben?“, fragt meine Tante.

„Wenn's sein muss!“, stellen Ben und ich gleichzeitig fest und sehen uns dann doch an. Ein Schritt, den ich gleich darauf bereue, denn Ben sieht so unfassbar traurig aus, dass es weh tut.

„Guck mich nicht so an, da will man ja gleich heulen“, brummt er.

„Anders guckst du aber auch nicht“, brumme ich zurück.

„Kommt bitte bald runter“, bittet meine Mum uns, dann fällt die Tür ins Schloss.

„Ich will nicht, dass du gehst“, flüstert Ben und setzt sich auf.

„Ich auch nicht“, gebe ich zu und umarme ihn, lege meinen Kopf auf seine Schulter und will schon wieder die Zeit anhalten.

„Ich weiß ja, dass wir uns erst seit zwei Wochen kennen, aber es fällt mir trotzdem schwer, dich loszulassen.“

„Das Gefühl kenne ich“, gebe ich flüsternd zu.

„Josie hat mir verraten, dass du geweint hast...“

„Na toll“, seufze ich.

„Komm schon, ich nehme es dir nicht übel und sie hat sich Sorgen gemacht. Sie meinte, sie hätte dich noch nie so fertig gesehen“, sagt Ben leise und sieht mich besorgt an.

„War ja auch noch nie so verliebt“, gestehe ich.

„Ich auch nicht“, lächelt Ben leicht. Ich küsse ihn. Das ist wahrscheinlich der erste Kuss in meinem Leben, der einfach nur schmerzt. Ich weiß ja, dass wir uns aufführen wie liebeskranke Teenager, aber irgendwie fühle ich mich genauso. Ich bin krank und habe Schmerzen wegen der Liebe, und ich habe das Gefühl, 17 zu sein. Oder 14, so frühreif, wie die Jugend heute ist...
 

Wir liegen uns einfach nur in den Armen, eine Ewigkeit lang.

„Da steht jemand neben dem Bett“, flüstert Ben schließlich.

Und tatsächlich stehen die Zwillinge da, als ich den Kopf drehe.

„Tut uns leid zu stören, aber ihr sollt langsam mal runter kommen“, meint Charlie leise. Josie sieht uns nur traurig an und umklammert die Hand ihrer Schwester.

Ben löst sich von mir und hält ihnen lächelnd die Hand entgegen. „Wenn ihr uns noch ein bisschen Zeit gebt, dürft ihr mitkuscheln.“

Charlie sieht ihn tadelnd an, doch Josie geht nur zu gern auf das Angebot ein, krabbelt zu uns und schon laufen Tränen über ihre Wangen und bald auch über Bens Brust, an die sie sich lehnt. Charlie setzt sich neben sie und streichelt ihren Kopf.

„Nicht weinen, wir sehen Ben doch wieder“, sagt sie leise.

Schniefend sieht Josie sie an, drückt sich aber etwas mehr an Ben. „Trotzdem...“, murmelt sie.

„Wein ruhig, dann tut es nicht mehr so weh“, lächelt Ben sie an.

Mir selbst wird langsam kalt, also verkrieche ich mich wieder unter die Decke, die zum Glück noch halb über Ben und mir liegt.

„Was ist los?“, fragt Charlie mich.

„Nichts, mir ist nur kalt“, antworte ich wahrheitsgemäß.

„Du Armer“, sagt sie nur und legt sich über der Decke auf mich.

„Ihr... ihr solltet euch anziehen, dann ist dir auch nicht mehr kalt“, meldet sich Josie leise zu Wort.

„Stimmt, die werden eh schon alle sauer sein, weil wir so lange brauchen“, meint Ben.

Die Mädchen stehen langsam auf.

„Sagt denen da unten bitte, wir duschen noch schnell und kommen dann gleich, ja?“, bitte ich sie.

„Machen wir“, versprechen sie lächelnd, Josie noch mit roten Augen, dann verlassen sie uns.

„Willst du zu erst duschen?“, fragt Ben mich leicht lächelnd.

„Ich dachte, wir gehen zusammen, das geht schneller und spart Wasser“, schlage ich grinsend vor.

Unglaublicher Weise geht Ben darauf ein, doch es stellt sich heraus, dass „schneller“ relativ ist...
 

Natürlich wartet man unten bereits auf uns, lächelnd. Ich versuche, ihr Lächeln zu erwidern, ehrlich, aber es geht nicht. Normalerweise kann ich falsch lächeln, nur heute nicht.

„Setzt euch, der Kaffee kommt gleich“, lächelt meine Tante.

Wir folgen ihrem Rat und schließlich zwingt Ben mich zum Essen. Ohne ihn würde ich wohl nichts essen können.

„Hast du deine Sachen schon gepackt, Nick?“, will mein Vater irgendwann wissen.

„Schon vorgestern, als ich zu Ben gezogen bin“, erkläre ich nur.

„Gut, dann fahren wir, wenn ihr fertig seid.“

„Vergiss deine Sachen im Bad nicht“, erinnert Ben mich.

„Guckt nachher einfach noch mal durch“, schlägt meine Tante vor.

„Machen wir“, meine ich nur und schlürfe weiter meinen Kaffee.

Netterweise verwuschelt meine Tante nur meine Haare.

Ich will nicht gehen, aber das habe ich wohl deutlich zum Ausdruck gebracht, was? Doch ich muss. Schweigend suche ich nochmal das Haus nach Dingen ab, die ich auf keinen Fall vergessen darf, Ben schleife ich dabei immer mit. Aus irgendeinem kindischen Grund kann ich Bens Hand einfach nicht loslassen.
 

Dann geht alles viel zu schnell. Geflüsterte Versprechen, ein letzter Kuss, unterdrückte Tränen, unzählige Umarmungen...

Zu schnell sitze ich im Auto und sehe durch die Heckscheibe zurück zu Ben, der uns traurig nachsieht bis wir abbiegen müssen und ich ihn aus den Augen verliere. Mit gesenktem Blick lehne ich mich an die Scheibe, Josie drückt meine Hand und wir fahren weg. Weg vom Haus meiner Tante, weg vom Meer und dem Strand, an dem ich Ben das erste Mal traf, weg von Ben selbst. Habe ich schon mal erwähnt, dass ich Fernbeziehungen hasse? Oder dass ich Ben vermissen werde?

„Bald ist es vorbei, dann hast du ihn wieder“, meint Josie leise und lehnt sich an mich.

„Ja, bald...“
 

Ende
 


 

Bis zum nächsten Kapitel ^^



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Heartsbane
2010-02-25T15:39:48+00:00 25.02.2010 16:39
) Hierzu kann ich nur sagen: Ich bin auch unglaublich traurig, kann mich da total hineinversetzen, dass Nick Ben nicht alleine lassen will... :( Ist schon ne scheiss Situation, würde ich sagen.
Aber der Vater ._. Mich würde das auch nerven, wenn ich ständig und überall geknipst werden würde... Allerdings bringt das echt ein lustiges Element in die Story xD
Die Frage wegen der Kartoffel bannt mich jetzt @__@‘ Aber ich denke, ich werde keine Lösung finden...
Ich mag das Gespräch zwischen Josie und Nick sehr gerne. Das war eine tolle Idee und zeigt auch wie sehr sie einander verbunden sind :) Ich bin gerade total überwältigt... Du schaffst es gerade, dass ich mich auch so traurig fühle und... das ist definitiv nicht negativ ^^
Das Ende dieses Kapitels ist ja wirklich herzzerreißend... Hast du so toll gemacht!

Liebe Grüße,
Core.
Von:  Sakiko_Seihikaru
2009-08-03T18:47:54+00:00 03.08.2009 20:47
Oh man, also bei dem Ende brauchte man echt ne Vorratsbox Tempos TT.TT
Also die armen Beiden tun mir echt so leid, da haben sie sich grad gefunden und dann müssen sie sich schon wieder trennen, das ist echt so grausam...
Ich leide so mit den beiden! Hoffentlich sind sie beide bald wieder vereint! Und wehe sie kriegen kein Happy End, dann gibts Haue! Du weißt, ich weiß, wo dein Haus wohnt XD
Schreib schnell weiter!!!
War übrigens wie immer gut geschrieben, hat Spaß gemacht es zu lesen, jedenfalls bis es zu dem traurigen Part kam *snif*
Bis zum nächsten Kapi!
Kiko ^^
Von: abgemeldet
2009-07-19T20:58:18+00:00 19.07.2009 22:58
Das war so ein trauriges Kapitel, aber trotzdem schön geschrieben. Unglaublich aber ich bin grad nur am weinenXD
Ich hoffe die beiden kommen bald wieder zusammen, sie sind das perfekte Traumpaar<3
bin schon gespannt auf das nächste Kapitel...
LG BlackEmoKiss


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