Bloody Tears
„Leo! Leo, hilf mir!“
Der Wächter des Lichts erschien vor ihr, in einem Regen weißer Funken und mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. „Ist ja gut, Liza, was hast du denn?“
„S-Sie...“ Hilflos stolperte sie nach vorn in seine Arme und er ließ sie erschocken zu Boden gleiten.
„Was...? Wovon redest du?“
„S-Sie hat... bitte, Leo... Andrew und S-Sophy... sie sind tot...”
„Was?!“ Entsetzt riss er die Augen auf. „Das ist nicht möglich! Ich meine, ich habe doch nichts... w-warum habt ihr mich nicht gerufen?!“
Die junge Frau krallte sich an seine Jacke und erst jetzt bemerkte er eine stark blutende Wunde in ihrem Rücken und dachte daran, seine Heilkräfte einzusetzen, doch statt wie erwartet schlossen sich ihre Verletzungen nicht, im Gegenteil, es floss immer mehr Blut und färbte ihre regennasse weiße Bluse rot.
„S-Sie... du musst sie aufhalten, bitte, Leo...“
„Sieh mich an, Liza! Bleib ganz ruhig, ich rufe einen Krankenwagen!“ Er sah sich nach etwas um, mit dem er die Blutung stillen konnte, doch seine Jacke lag zu Hause, und er konnte sie doch jetzt nicht allein lassen... Verdammt, warum wirkten seine Kräfte nicht?!
Sie hustete und spuckte Blut über seine Hände, doch er bemerkte es kaum. „Halt durch, ich brauche nur Verbandszeug...“
Er wollte aufstehen, doch sie hielt ihn fest. „Lass mich nicht allein, Leo!“
Die Verzweiflung in ihrer Stimme schnitt ihm ins Herz. Warum konnte er ihr nicht helfen?!
Sie packte ihn am Revers und zog ihn zu sich herunter.
„Wer hat dir das angetan, Liza?“
„Ich w-weiß es nicht... aber du musst die... die Sch-Schwestern warnen...“
„W-Was?! Du meinst... P-Piper...?“
Sie nickte leicht, dann verkrampfte sich ihr Körper ein letztes Mal, dann lag sie still.
„Leo...?“
Verschlafen trat Piper an den oberen Treppenabsatz.
Leo saß unten am Fuß der Treppe, ein Streifen Mondlicht fiel durch das Fenster und sie sah, dass seine Wangen feucht schimmerten.
„Hey...“
Besorgt trat sie näher und bemerkte nun, dass er ein Handtuch in der Hand hatte, mit dem er sich immer wieder mechanisch die Hände abwischte.
„Leo...“ Behutsam legte sie ihm die Hände auf die Schultern und nahm neben ihm auf der Treppe Platz. „Was ist denn los, Schatz...?“
Hm... das letzte Mal, als sie ihn in einem solchen Zustand gesehen hatte, da... „Hast du einen Schützling verloren...?“
Einen Augenblick lang zeigte Leo überhaupt keine Reaktion, doch dann schüttelte er schwach den Kopf.
„Drei.“, wisperte er.
„Oh Gott.“, murmelte Piper und strich ihm vorsichtig über die Wange, „Wie konnte denn das... ich meine, wer... wer hat das getan...?“
„Ich weiß es nicht.“
Leo legte die Stirn an seine Schulter und schloss die Augen.
„Wen... wen denn?“, fragte Piper vorsichtig.
„Liza Weatherby.“, murmelte Leo, „Und... und ihren Mann, Andrew, auch ein Hexer... und ihre Tochter Sophy, s-sie war erst vier, ich...“
Er begann zu zittern und Piper umarmte ihn fest.
„Ich k-kannte sie von klein auf, beide... w-war bei ihrer Hochzeit, bei Sophys Taufe...“
Er sah auf.
„Sie hat gesagt, ich soll euch warnen, Piper... dass ihr bald an der Reihe seid...“
„Aber mir geht es gut.“, sagte Piper leise, „Bitte, lass uns nach oben gehen. Du brauchst Schlaf.“
Doch sie wusste jetzt schon, dass sie in dieser Nacht keinen Schlaf mehr finden würde.
