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Alain Soisson

Paris, 15.Juli 1789

Alain Soisson konnte einfach nicht glauben, dass sein Oberst nicht mehr bei ihm und der Truppe war. Auf ihren Wunsch hatte er am Vortag die Kanonen an der Bastille sprechen lassen. Als er mit ein paar der Männer zurück z Oscar kehrte, war diese bereits nicht mehr am Leben. Er war auf die Knie gefallen und hatte den Leichnam mit geweiteten Augen angesehen. Es war schier unglaublich für ihn. Auch seine Kameraden konnten es nicht glauben, dass die scheinbar so unnahbare Oscar nicht mehr unter ihnen weilen sollte. Auch wenn das Zusammenleben in der Kaserne zu Beginn gewiss nicht leicht gewesen war, hatte Alain, wie auch die meisten anderen, rasch begriffen, dass Oscar wirklich auf ihrer Seite, auf der Seite des Volkes, stand. Es war eine innige Freundschaft zwischen ihnen geworden. Manchmal hatte Alain sogar den Eindruck gehabt, dass es vielleicht mehr gewesen war. Das sie sein Herz auf eine gewisse Weise berührt hatte, allein durch ihre Schönheit, ihre Anmut und ihre Stärke, konnte er gewiss nicht abstreiten. Jedoch hatte er schnell die Gefühle von André für den Oberst erkannt. Auch wenn er es zuerst nicht verstehen konnte und den Freund damit aufzog. Aber nun, ein Tag nach der Erstürmung, sah er alles in einem anderen Licht. Erste Anzeichen für seinen Meinungswechsel waren schon erkennbar gewesen, als Oscar sich für die Soldaten einsetzte und wie André sie wieder und wieder beschützte. Es war kaum für Alain fassbar, dass seit dem Unglück, erst ein paar Stunden vergangen sein sollten. Noch immer sah er ihren Tod vor Augen, genauso wie den seines Freundes André. Aber ihm war bewusst, dass er, wie auch seine Kameraden, nicht auf ewig trauern würden können. Auf die Toten würde niemand in dem ganzen Tumult Rücksicht nehmen. Nur im Moment herrschte seit ein paar Stunden Waffenruhe, um die Verwundeten zu versorgen und den Toten die letzte Ehre zu erweisen.

Oscar war neben André, in einem Bett von Blumen, aufgebahrt. Alle die von Oscars und Andrés Schicksal gehört oder die beiden gekannt hatten, brachte Blumen mit, sodass die beiden Körper darauf gebetet werden konnten. Für alle wirkte es, als würden sie tief und fest schlafen und in Bälde erwachen, so friedlich lagen sie neben einander. Alain hatte dafür gesorgt, dass man die beiden herrichtete. Das die Gesichter und Hände gereinigt und sie einwandfreie Kleidung trugen. Nun kniete er allein vor den beiden mit geschlossenen Augen. Seine Hände waren zu einem stummen Gebet gefaltet und sein Haupt gesenkt.

//Oberst, ich habe Euren Befehl ausgeführt. Wir haben die Bastille gestürmt.//

Kurz unterbrach Alain seinen Gedankengang und schüttelte seinen Kopf.

//Was rede ich nur da? Bitte verzeiht mir. Eigentlich wollte ich etwas anderes sagen, Oberst… Wisst Ihr, Ihr seit immer so stark gewesen. Ihr habt gezeigt, dass nicht alle Adeligen verwöhnt, besserwisserisch und arrogant sind. Sondern, dass sie auch die Wahrheit hinter dem eigenen Prunk erkennen können Wir sind hier eines besseren belehrt worden und dies nur durch Euch, Oberst. Ihr seid und wart immer etwas besonders und wir alle wären geschlossen, ohne eine Frage zu stellen, Euch überall hin gefolgt. Ja, ich weiß, wir hatten einst Meinungsverschiedenheiten, aber diese sind längst beigelegt und vergessen.//

Alain stoppte und öffnete seine Augen. So dass er nun Oscar und auch André direkt ansehen konnte.

//Es tut mir im Herzen weh zu wissen, dass Ihr Euch für diesen Kampf, der nicht einmal der Eure hätte sein müssen, und somit gegen ein freies Leben mit André, an einem besseren Ort, entschieden habt. Ihr hättet ein besseres Leben mit ihm führen können, weit ab von Pari und fern dieser unruhigen Zeit. Ihr hättet dort auf ewig glücklich sein können und Ihr beiden wäret noch am Leben. Aber wie ich Euch beide kennen gelernte habe, hättet Ihr niemals alles nur aus der Ferne mit betrachten können. André stand immer stolz zu den Bürgern Frankreichs, zu seinen Brüdern und Schwestern im Geiste. Und so wie er, wart auch Ihr, Oscar. Euer Mut und Eurer Kampfeswille für das Gute ein zustehen, hat sich auf die ganze Truppe übertragen. Wir werden Euch und auch André niemals vergessen! Glaubt mir, Ihr seit keinen unnützen Tod gestorben. Eure Kraft und Euer Mut lodern in unsern Herzen auf ewig. Ich werde in Eurem Namen weiter Kämpfen, Oberst! Genauso wie all die anderen. Ihr wart und seit immer ein Vorbild für uns gewesen. Und wir werden Euer Andenken immer in Ehren halten. In Eurem Namen werden wir alles zu Ende bringen und unsere Kinder und auch deren Kinder werden eines Tages in Frieden leben und Eure Geschichte kennen und sie weiter erzählen. Ich hoffe, Ihr und André seit nun auf ewig miteinander verbunden und glücklich, wo immer Ihr auch jetzt seid. Lebt wohl, André und Oscar Grandier!//

Alain erhob sich und wischte sich die stummen Tränen aus den Augenwinkeln. Dann warf er noch einen letzten Blick auf die beiden Verstorbenen und salutierte für die beiden, als letzte Ehrerbietung. Anschließend ging er schweren Schrittes aus der kleinen Kapelle hinaus, ohne sich noch einmal umzusehen. Draußen setzte er sich seine Mütze auf und sah kurz zum Himmel empor. Dort sah er zwei weiße Tauben, die frei in Richtung der strahlenden Sonne flogen.

//Ja, für Euch werden wir weiter kämpfen und allen den Frieden und die Freiheit bringen! Das verspreche ich bei meinem Leben!//

Alain trat zu seiner Truppe und sah in die Runde der fragenden und abwartenden Gesichter.

„Was soll nun geschehen, Alain? Nun, wo der Oberst nicht mehr lebt? Was sollen wir tun?“

Kurz räusperte Alain sich, bevor er zu seiner Antwort ausholte.

„Wir sollten langsam aufbrechen, LaSalle. Es ist Zeit. Wer weiß, wie lang die Waffen noch schweigen werden.“

„Du hast Recht, Alain.“, erwiderte LaSalle, der sich gegenüber Oscar noch immer dankbar fühlte.

Alain ließ seinen Blick über seine Kameraden schweifen.

„André und unser Oberst werden hier ein paar Tage aufgebart bleiben, dann werde ich dafür Sorge tragen, dass sie eine standesgemäße Beerdigung bekommen.“

„Wie willst du das machen, Alain?“, fragte LaSalle.

„Ja, Alain. Wie?“, kam es von einem anderen Soldaten.

Alain schob sich ruhig seine Mütze etwas nach hinten.

„André sprach einst von Arras, wie sehr es ihm und auch dem Oberst dort gefallen hätte. Ich bin dafür, dass sie dort ihre letzte Ruhestätte finden sollten. Und wie das ganze von statten gehen soll, wird sich noch herausstellen.“

„Wir werden es bestimmt schaffen und Hilfe werden wir auch bekommen. Ich kenne einen Steinmetz, er wird uns bestimmt die wunderbare Grabmale für die beiden herstellen.“

„Das ist nett, LaSalle. Kümmere du dich bitte darum. Aber ich habe eine Bitte. Sie sollen so schlicht wie möglich sein.“

„Das werde ich tun. Aber warum möchtest du das, Alain?“

„Ich glaube, die beiden hätten es niemals anders gewollt. Bestimmt sind sie nun gemeinsam glücklich und das werden auch ihre Körper sein und dafür braucht es keine prunkvollen Grabsteine.“

„Wie wäre es mit schlichten Steinkreuzen?“

Alain überlegte kurz und nickte.

„Das ist eine gute Idee. So soll es sein. Aber nun lasst uns aufbrechen.“

Die anderen Soldaten, wie auch LaSalle nickten. Dabei erhoben sie sich und gingen mit Alain gemeinsam in Richtung Stadtkern.

Tage später wurden Oscars und Andrés Körper nach Arras überführt. Nur wenige Menschen, wie Alain selber, LaSalle, Rosalie und Bernard, waren dabei. So wussten nur die wenigen, wo die Gräber der beiden, geziert von zwei schlichten weißen Steinkreuzen, sich befanden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2008-09-30T20:49:14+00:00 30.09.2008 22:49
Oh man, und jetzt kullerten mir wirklich ein paar Tränen runter. Du bringst die Gedanken und Gefühle der Charas immer so intensiv rüber. Und deine Beschreibung haben etwas so intensives und emotionales, dass ich wirklich das Gefühl habe, als wäre ich mittendrin im Geschehen.

Nur eines hat mich in diesem Kappi wieder irritiert: Wieso ist LaSalle noch am Leben? Er ist doch im Kufelhagel erschossen wurden, als er sich mitten auf die Feinde gestürzt hat!




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